Das Kaeferl liest fremd: Legionär in der römischen Armee

Wir Fantasy-Leser spielen immer gerne eine Runde “was wäre wenn?”, und diese Gelüste kommen voll auf ihre Kosten, wenn der britische Historiker Philip Matyszak fragt, was wäre, wenn es einen Karriereführer für einen angehenden Legionär im Jahr 100 n. Chr. unter Kaiser Traian gegeben hätte.
Legionär in der römischen Armee von Philip MatyszakBlut geleckt hat Matyszak, Autor etlicher Sachbücher über die Antike, wohl spätestens bei Rom für 5 Denar am Tag, einem ganz im Stil moderner Reiseführer gehaltenen Handbuch für einen Ausflug ins antike Rom, das eine Reihe von Nachfolgeprodukten anderer Autoren nach sich zog.
In Legionär in der römischen Armee wird die Fiktion weiter vertieft: Man erfährt hier alles, was einen angehenden Soldaten interessieren könnte: Wer ist überhaupt tauglich? Welche Legionen gibt es, was sind ihre Vor- und Nachteile? Mit welchen Feinden hat man zu rechnen? Was für eine Ausrüstung ist zu besorgen? Konsequenterweise lautet die letzte gestellte Frage denn auch: Was könnte ich auf meinen Grabstein schreiben lassen?

Aus kuriosen Fakten und prägnanten Zitaten wird ein umfassender Überblick über das Leben in einer römischen Legion zusammengestellt. Zwischen den hemdsärmeligen und spritzigen Erläuterungen, etwa zu dem Thema, dass man als Legionär viel häufiger eine Schaufel als ein Gladius in der Hand haben wird, versteckt sich auch einiges Geschichtswissen, allerdings eher quer über das Buch verstreut als systematisch geordnet. Legionär in der römischen Armee gibt keinen tiefgreifenden Einblick über historische Zusammenhänge, vielmehr geht es um ‘soft facts’ und damit manchmal sicher ins Spekulative, wodurch das Buch um so mehr in die Grauzone zwischen Sachbuch und Fiktion einzuordnen ist. Einen stimmigen und detailreichen Ausschnitt aus der Alltagskultur bekommt man aber definitiv zu sehen.

Nun gibt es viele Bücher über die römische Armee, aber wenn man nur eines lesen möchte, sollte es dieses sein, denn der augenzwinkernde, humorvolle Stil unterhält über die 200 Seiten hinweg so hervorragend, dass man am Ende zu der Ansicht kommen könnte, der Autor hätte sich die ein oder andere Nacht mit sieben Stubenkameraden im papilio um die Ohren geschlagen.
Beispiel gefällig? Für Freunde von Das Leben des Brian ein Zitat aus der Darstellung des “assymetrischen Widerstands” der Juden:

Die Juden haben eine lange Tradition rabbinischer Gelehrsamkeit, und viele kennen ihre eigenen wie auch die kaiserlichen Gesetze im Schlaf. Das Ergebnis ist ein richtiger Strom von Gesandtschaften zum Kaiser, die ihm echte und vermeintliche Regelverletzungen bis ins Detail vortragen, während gleichzeitig eine große und rührige Guerilla die Armee auf dem flachen Land piesackt.

Besonders viel Spaß machen auch die unzähligen Geschichten, die in den Details stecken, beginnend mit der fälligen Anreise neuer Rekruten zum letztendlichen Standort der Legion, der offiziellen und inoffiziellen Hackordnung innerhalb der Truppen, bis hin zum schieren Irrsinn langjähriger Belagerungen mit variantenreichen Unterhöhlungsaktivitäten feindlicher Mauern und dem beinahe langweiligen Alltag des Legionärslebens, wenn die bloße Anwesenheit der Legion feindliche Aktivitäten eigentlich schon im Keim erstickt.
Lebendige kulturgeschichtliche Details in origineller Verpackung und dennoch durchaus mit Quellenmaterial (des öfteren auch in Bildform) untermauert – das macht vielleicht keine Lust, sich sofort freiwillig zum Dienst zu melden (vor allem nicht, wenn man von so erbaulichen Strafmaßnahmen wie dem Dezimieren erfahren hat), aber auf mehr Lektüre dieser Art durchaus. Gibt es auch, denn inzwischen ist auch ein ritterlicher Karriereführer als Me-too-Produkt auf den Markt gekommen. Hat man da mal reingelesen, weiß man um so mehr, was man an Matyszak und seinem erfrischenden Stil hat: Bitte greifen Sie zum römischen Original! 😉

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    Legionär in der römischen Armee. Der ultimative Karriereführer
    ISBN: 978-3-89678-822-1
    2010, 224 S., mit Karte, Glossar und Tipps für weiterführende Literatur
    Original: Legionary. The Roman Soldier’s (Unoffical) Manual
    Der Nachfolger “Gladiator” vom selben Autor ist noch nicht auf Deutsch erschienen.
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