Zum 85. Geburtstag von Gene Wolfe

Bibliotheka Phantastika gratuliert Gene Wolfe, der heute 85 Jahre alt wird. Es dürfte kaum einen SF- und Fantasy-Autor geben, der anlässlich seines Geburtstags eine Würdigung in Form eines fundierten Beitrags in diesem Blog mehr verdient hätte als der am 07. Mai 1931 im New Yorker Stadtteil Brooklyn geborene Gene Rodman Wolfe, von dem der bekannte SF-Kritiker John Clute – mMn zu recht – sagt: “Though never the most popular nor the most influential author in the sf field, Wolfe remains quite possibly its most important, both for the intense literary achievement of his best work, and for the very considerable volume of work of the highest quality.”
Ein solcher Beitrag wäre auch und vor allem deshalb wichtig, weil Wolfes Werke hierzulande schon lange nicht mehr präsent sind und selbst sein unbestrittenes Meisterwerk The Book of the New Sun – bzw. dessen deutsche Ausgabe Das Buch der Neuen Sonne – jahrelang nur noch antiquarisch erhältlich war (immerhin gibt es mittlerweile eine eBook-Ausgabe). Aber – und jetzt kommt das große “aber” – einen Text, der einem Autor wie Gene Wolfe und seinem nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ beeindruckenden Œuvre auch nur einigermaßen gerecht wird, schüttelt man nicht aus dem Handgelenk (zumindest ich kann das nicht – erst recht nicht, wenn es sich wie in diesem Fall um einen mir persönlich wichtigen Autor handelt), dafür braucht man Zeit und Muße – und beides steht mir momentan eher nicht im Übermaß zur Verfügung.
Was also tun? Da ein halbherziges Not-Posting – etwa in Form einer von zwei, drei allgemeinen Sätzen eingerahmten Auflistung seiner Werke mit Originaltitel und (falls vorhanden) deutscher Übersetzung – für mich keine denkbare Alternative darstellt (außerdem findet man besagte Auflistung auch in der Wikipedia), ich aber Gene Wolfes Geburtstag auch nicht kommentarlos verstreichen lassen wollte, habe ich mich dafür entschieden, an dieser Stelle auf zwei Beiträge zu verlinken, die vielleicht allen Interessierten das Werk (oder einen Teil davon) und den Autor dahinter zumindest ein bisschen nahebringen können:
Da wäre zum einen die kluge und mit interessanten Denkansätzen gespickte Rezension zum Book of the New Sun, die der Journalist, Übersetzer und Schriftsteller Sören Heim vor kurzem im Rahmen seiner “Fantastischen Reise” (hinter dem Link erfährt man, was es damit auf sich hat) auf dem Blog Die Kolumnisten veröffentlicht hat, und zum anderen ein ausführliches – allerdings nicht gerade aktuelles – Interview, in dem Gene Wolfe z.B. auf die Frage, ob eine seiner frühen Stories ein “breakthrough” piece gewesen sei, antwortet: “The real breakthroughs were taking place before I started selling anything. There was a point at which I wrote a story called “In the Jungle,” that was never published, about a kid who wanders into a hobo jungle. At the time I wrote it, I thought it was a milestone in American literature. You know the way Romancing the Stone (dt. Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten) starts with that woman writer staring at the typewriter and crying, “My God, I’m so good!”? Well, I felt that way about that story, so I sent it out to about 18 places and then watched the rejection slips pile up. Two or three years later I pulled that story out, looked at it, and realized the story I had in my head had never gotten down on paper. What I learned to do in those apprentice years was make those stories run down my arm.” Oder in dem er auf die Frage, warum Erinnerung(en) in vielen seiner Werke eine große Rolle spielen, sagt: “Memory is all we have. The present is a knife’s edge, and the future doesn’t really exist (that’s why SF writers can set all these strange stories there, because it’s no place, it hasn’t come into being). So memory’s ability to reconnect us with the past, or some version of the past, is all we have. I’m including racial memory and instinct here (“instinct” is really just a form of racial memory). The baby bird holds onto the branch because of the racial memory of hundreds of generations of birds who have fallen off. Little kids always seem to know there are terrible things out there in the dark which might eat you, and that’s undoubtedly because of hundreds and hundreds of little kids who were living in caves when there were terrible things lurking out there in the dark. This whole business about memory is very complicated because we not only remember events but we can also recall earlier memories. I allude to this in The Book of the New Sun when I make the point that Severian not only remembers what’s happened but he remembers how he used to remember – so he can see the difference between the way he used to remember things and the way he remembers them now.”
Der “Nachteil” dieses Interviews ist – wie bereits oben angedeutet –, dass es bereits 1988 im Fachmagazin SF Studies erschienen ist, sich also nur auf Werke bezieht, die bis Mitte der 80er Jahre erschienen waren. Der “Vorteil” ist – wobei man sich fragen kann, ob das in Zeiten des “tl;dr” wirklich einer ist –, dass es sehr lang und ausführlich ist und wirklich in die Tiefe geht, sprich: viele Aspekte von Wolfes Schaffen abdeckt. Und außerdem zeigt, was so ein Interview liefern kann – vorausgesetzt, der Interviewer kennt sich mit dem Werk des Interviewten aus, und besagtes Werk verfügt über ausreichend Substanz.
In diesem Sinne: Happy birthday, Mr. Wolfe!

2 Kommentare zu Zum 85. Geburtstag von Gene Wolfe

  1. Pogopuschel sagt:

    Schon 85, und immer noch schwer aktiv! Ich meine sein im letzten Jahr erschienenes Buch “The Borrowed Man” auch auf der ein oder anderen Nominierungsliste für die diesjährige Award-Season gesehen zu haben.

    Ich muss dringend mal ein Reread des “Book of the New Sun” vornehmen, und die Reihe dann komplett lesen.

  2. Timpimpiri sagt:

    “Memory is all we have. The present is a knife’s edge, and the future doesn’t really exist” – wow, das ist toll und mal was anderes als das ständige sehr oft undifferenziert herausposaunte Loblied auf das ewige “Hier und Jetzt” und die Unwichtigkeit der Vergangenheit.

    Ein spannender Autor, aber zu wenig Zeit – immerhin bekomme ich durch deine tollen Jubi-Texte auch so einen Einblick in Autoren und Werke, die ich aus diversen Gründen zu lesen noch nicht die Gelegenheit hatte.

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