Bibliotheka Phantastika Posts

neue Rezension:
Mainspring (Jay Lake) rezensiert von mistkaeferl

neues Portrait:
China Miéville portraitiert von Fremdling 

neues SYLD:
Bonner Comic Laden empfohlen von moyashi

aus der alten BP umgezogene Rezensionen:
Die Schwerter von Oranda (Christiane Zina) rezensiert von Sam
Sea Without a Shore (Sean Russell) rezensiert von Sam
Sommer der Drachen (Lawrence Watt-Evans) rezensiert von Sam
Tintenblut (Cornelia Funke) rezensiert von Sam
Die Töchter des Drachen (Wolfgang Hohlbein) rezensiert von Sam

Neue Inhalte

Cover von Chronicles of the Black Company von Glen CookAlles neu macht der Mai! Eine wahrhaft aufgelegte Eröffnung zu unserem neuen Buch des Monats. Dieses Mal stellen wir euch kurz den ersten Sammelband von Glen Cooks Black Company Reihe vor: Chronicles of the Black Company (ISBN: 978-0765319234), der die drei Einzelbände The Black Company, Shadows Linger und The White Rose enthält. Der Sammelband erzählt eine relativ in sich abgeschlossene Geschichte, die jedoch die Tür für eine (bereits vorhandene) Fortsetzung weit offen lässt – Cliffhangeralarm gibt’s aber keinen.

Aber worum geht’s überhaupt? Die Black Company ist ein traditionsreicher Söldnertrupp, dessen beste Zeiten allerdings schon vorbei sind. Eine der Traditionen, die es hochzuhalten gilt, ist das Führen der eigenen Annalen, und durch die Augen des aktuellen Chronisten, Croaker, verfolgen wir die Abenteuer der Black Company auf dem nördlichen Kontinent, wo sich ein neues Engagement sehr bald als Verwicklung in einen epischen Kampf herausstellt.

Spätestens nach diesem Satz hätte man mich als potenziellen Leser der Reihe auch schon wieder verloren (“episch” ist eines meiner Reizwörter). Dass ich stattdessen den ersten Sammelband hier präsentiere, liegt besonders an der Figur des Croaker, der in seiner hemdsärmeligen Art den „epic struggle“ auf angenehme Weise auf den Boden der Tatsachen zurückholt, ohne dass das Ausmaß oder die Tragweite der Ereignisse herabgemindert werden. Der desillusionierte Croaker fügt durch seine Sicht auf die Dinge die notwendigen Schattierungen zu dem Kampf zwischen „Gut“ und „Böse“ hinzu, dessen Fronten von Anfang an verschwimmen.

Trotz des dementsprechend ernsten Settings kommt der Humor dank manch liebenswert-komischer Charakterkombination und dank Croakers (selbst-)ironischer Kommentare nicht zu kurz, und die ganze Schar an Charakteren wächst einem rasch ans Herz. Auch wenn nicht alle in die Tiefe ausgearbeitet sind, so schafft es Cook doch geschickt, an den richtigen Stellen spannende Facetten hinzuzufügen.

Die Black Company mag nach Männerwelt klingen, zwei interessante und nicht unbedingt in traditionelle Rollen gepresste Frauenfiguren spielen jedoch zentrale Parts in den drei Romanen.

Die Geschichte um die Black Company lässt sich leider nicht in deutscher Übersetzung verfolgen, das englische Original punktet dafür mit einheitlicher und schöner Aufmachung der Sammelbände, richtet sich vom sprachlichen Niveau her aber eher an geübtere LeserInnen.

Buch des Monats

Alles Sense von Terry Pratchett bei ManhattanWährend wir hier auf Bibliotheka Phantastika eigentlich lieber ein Auge auf die schönen und gelungenen Dinge in der Fantasy werfen, liefert ein besonderes Cover den Anlass, mich auch den abschreckenden Beispielen intensiver zu widmen. Es brennt mir nicht nur in den Augen, sondern auch unter den Nägeln, so etwas nicht ohne Kommentar stehen zu lassen. Die Rede ist von diesem, links stehend, jüngst aufgetauchten Schmuckstück unter den Cover-Verfehlungen, welches leider ein tragisches Opfer innerhalb des phantastischen Genres gefunden hat.

Es ist ein Trauerspiel, wie ich es lange, sehr lange, nicht mehr gesehen habe. Was andere als Aprilscherz bloggen würden, hält man beim Manhattan Verlag offenbar für hohe Kunst. Den Art Director möchte ich kennen lernen, der diesen Schund genehmigt hat.

Der Gestalter dieser neuen Scheibenwelt-Cover wird sich freilich ins Fäustchen lachen vor Freude und seine Sparrate erhöhen, während tausende begabte, echte Illustratoren von diesen CGI-Ungetümen verhöhnt und ihre Arbeiten samt ihrer Ausbildung ad absurdum geführt werden.
Ich fürchte, es ist mir kaum möglich, in jugendfreien Worten adäquat auszudrücken, wie unglaublich untragbar diese neuen, erwachsenen (haha!) Cover doch sind. Wer die ganze Vorgeschichte zu diesem dramatischen Akt noch nicht kennt, bitte hier entlang.

-Alles Sense- interpretiert von Tom Steyer
© Tom Steyer

Technisch ist das ganze eine offensichtliche Zumutung. Es sieht aus wie die ersten Gehversuche mit 3D-Programmen. Schlechte Render-Effekte und Texturen in Sense und Himmel, die den Eindruck machen, 1990 erstellt worden zu sein. Auch die  steife Haltung der Figur wirkt befremdlich und unnatürlich – selbst für ein knochiges Skelett. Eines meiner Highlights dürfte der kleine Rattentod auf der Schulter sein, dessen Erscheinungsbild in seinen Grundzügen verdächtig stark an das große Vorbild von Paul Kidby angelehnt zu sein scheint. Da wären noch die seltsamen Falten, die sich in einer perfekten Rundung dem CGI-Weizen entgegen biegen und den ganzen Umhang wie eine Plastikfigur aussehen lassen. Es scheint wohl auch nichts in dem Umhang drin zu stecken, hohl wie die Kapuze daherkommt. Würde ich jeden Mangel auflisten, den dieses erstaunlich detailarme Werk zu bieten hat, würde dieser Beitrag vermutlich einen Meter lang werden.

-Tod- von Paul Kidby
Im Vergleich - © Paul Kidby

Nur mal so zum direkten Vergleich: nebenstehend die aktuelle britische Interpretation des Sensenmannes von Paul Kidby.

Im Ernst, lieber Manhatten Verlag, hasst ihr eure Leser? Mir fehlt das Verständnis dafür, wie diese neue Cover-Linie bei Manhattan passieren konnte. Gerade da es diese überwältigend guten Vorbilder gibt.
Die deutschen Ausgaben würde ich inzwischen nicht einmal umsonst haben wollen. Ein Hoch auf meine Englischkenntnisse, die mich in solchen Fällen davor bewahren, auf eine übersetzte Version mit solch einer Gestaltungsform angewiesen zu sein. Traurig für den Autor und seine deutschen Fans bleibt es trotzdem.

Angesichts dieser Machwerke könnte man als Fantasy-Fan nun eigentlich schon wieder froh sein, dass man Pratchett bei Manhattan nicht mehr in der Fantasyabteilung sehen will.
Stellt diese grausam entstellten Geschöpfe also ruhig zu den gesellschaftskritischen Romanen! Ändert am besten auch gleich alle Titel und gebt dem Autor ein Pseudonym! Wäre ich Terry Pratchett, ich würde mich für diese Aufmachung in Grund und Boden schämen müssen. Es blutet einem Auge und Herz. Auf Rückfrage eines unserer Forumosen bekamen wir übrigens diese überzeugende Erklärung geliefert.

Nein, werte Manhattaner, so nicht! Mich seid ihr als Kunden los.

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Neue Inhalte

It was long ago and it was far away…
Nachdem letztes Mal mit Paolo Bacigalupi ein Blick in die Zukunft geworfen wurde, geht es diesmal in die ferne Vergangenheit, in die Zeit des Trojanischen Krieges.

Schon 3000 Jahre hat dieser Mythos auf dem Buckel – und ist doch noch quicklebendig. Noch immer wird die Geschichte weitererzählt, sei es in italienischen Sandalenfilmen, Hollywoodproduktionen mit Happy End (Damn you, Wolfgang Petersen!) oder indem man den armen Odysseus nach Dublin, in den Deep South, auf ein Raumschiff des 31. Jahrhunderts oder ins Hallo-Spencer-Dorf versetzt. Achillessehne und die sprichwörtliche Odyssee, Tales of Brave Ulysses und Temporary like Achilles, Trojanisches Pferd und Trojanischer Hase, Homer Simpson und eine Forumosin, auf die niemand hört – man könnte meinen, wo man nur hinspuckt, tönt einem ein “Malaka!” entgegen.

Irgendwann war dann bei mir der Punkt erreicht, an dem mir dieses diffuse Halbwissen aus Filmen und ins Märchenhafte entrückten Sagen, die sich in den Details irgendwie alle nicht auf eine Version einigen konnten, nicht mehr reichte und ich wissen wollte, was denn jetzt stimmt, was im “Original” steht.

Also griff ich zu Homers Ilias – und erlebte eine Überraschung.
Denn was ich nicht bedacht hatte: Homer hat seine Epen natürlich nicht aus dem Nichts geschaffen, sondern einen wesentlich älteren Mythos aufgegriffen, aus dem er sich zwei Episoden heraus pickte und diese ausbaute.
Iphigenie, Laokoon und das hölzerne Pferd sucht man vergeblich, Trojas Untergang, Achills Tod und Agamemnons Schicksal werden nur beiläufig erwähnt – wieso auch nicht, die Geschichten waren ja schließlich wohlbekannt.

Um die “komplette” Geschichte zu erfahren, muss man sich durch über 700 Jahre griechisch(-römisch)er Literatur wühlen, angefangen bei Homer über Euripides Iphigenie und Aischylos Orestie bis hin zu Vergils Aeneis. Alternativ kann man natürlich auch auf die zurückgreifen, die dies bereits für einen getan haben, wie z.B. Gustav Schwab mit seinen Sagen des Klassischen Altertums.
Oder, um endlich auf den Titel dieses Posts zu kommen: man liest einen Comic.

Age of Bronze

1991 war nämlich bei Eric Shanower, einem Comiczeichner, der sich bis dahin hauptsächlich mit L. Frank Baums Oz beschäftigt hatte, der oben erwähnte kritische Punkt erreicht und er setzte es sich in den Kopf, die Geschichte des Trojanischen Krieges als Comic umzusetzen. Er begann sich in die Materie zu vertiefen, las die griechischen und römischen Klassiker, Geschichtsbücher und Ausgrabungsberichte, studierte die damalige Architektur und Landschaft – und 1998 war es dann schließlich soweit: das 1. Heft von Age of Bronze erschien bei Image Comics.
Seitdem sind pro Jahr zwei bis drei Hefte erschienen, die zu bisher drei (von rund sieben geplanten) Sammelbänden zusammgefasst wurden: A Thousand Ships, Sacrifice und Betrayal: Part 1.

Südtor von Troja - in echt und im Comic (c) Eric Shanower

Man mag sich jetzt denken: Okay, ein Comic über den Trojanischen Krieg. So what? Den gibt es auch von Marvel.
Nur zeichnet sich Age of Bronze nicht nur durch einen, besonders im Vergleich zu Marvels grausigen Photoshopexzessen, wunderbar klaren Schwarzweißstil aus, sondern vor allem durch unzählige kleine Details, die zeigen, dass man es mit jemandem zu tun hat, der wirklich Ahnung von der Materie hat.
Besonders sind mir zwei Details aus dem Palast des Nestor in Pylos in Erinnerung geblieben: nicht nur entsprechen die Wandbemalungen den Rekonstruktionen aus dem Ausgrabungsbericht, sondern selbst das Zackenmuster am Rande der zentralen Feuerstelle, das heute noch teilweise zu erkennen ist, wurde übernommen. Und wenn Agamemnon später (in Mykene) ein Trankopfer darbringt, so gießt er dies in eine kleine Mulde neben seinem Thron – wie man sie auch in der Ausgrabungsstätte in Pylos findet.

Gerade diese kleinen Details sind es, die Age of Bronze für mich nicht nur zu einem wirklich guten, sondern zu einem herausragenden Comic machen.
In meinen Augen ein Muss für alle, die sich für die Antike, alte Sagen – oder einfach nur für gute Comics interessieren.

__________

Bisher sind bei Image Comics drei Sammelbände erschienen: A Thousand Ships (ISBN 1-58240-200-0, 224 S.), Sacrifice (ISBN 1-58240-399-6, 224 S.) und Betrayal: Part 1 (ISBN 978-1-58240-755-5, 176 S.), die für je um die 14€ erhältlich sind. Eine deutsche Ausgabe scheint derzeit leider nicht geplant zu sein.

Mehr gibt es auf der offiziellen Website Age-of-Bronze.com, z.B. einen Bericht von Shanowers Besuch in Troja (bei dem er nicht nur den Fanboy raushängen lässt, sondern auch noch alle Vorurteile über Amis im Ausland bestätigt) und eine Leseprobe zu Band 2. Außerdem kann man über die Seite auch die Age of Bronze-Hefte abonnieren.

Von Homers Ilias sind vor allem zwei Übersetzungen hervorzuheben: Johann Heinrich Voß’ aus dem Jahr 1793 (erhältlich z.B. bei Fischer Klassik) überzeugt vor allem durch ihre sprachliche Wucht, während Wolfgang Schadewaldts (z.B. bei Insel) von 1975 den Fokus eher auf Detailtreue setzt. Die vor ein paar Jahren erschienene Übersetzung von Raoul Schrott ist hingegen eher etwas für Fans von Erkan und Stefan.

Wer einmal filmisch in griechische Dramen hineinschnuppern möchte, dem seien Michael Cacoyannis Filme Elektra, Die Troerinnen und vor allem Iphigenia empfohlen, die er mit der wunderbaren Irene Papas gedreht hat.

Über den Tellerrand

Je mehr Publikationen in unterschiedlichen Medien ein bestimmtes Franchise erhält, desto heftiger ist zumeist die Auseinandersetzung der Fans, welche davon nun dem offiziellen Kanon entsprechen und welche nicht.
Würde man zehn Star Trek oder Star Wars Fans zu dem Thema befragen, dürfte man wahrscheinlich elf unterschiedliche Ansichten dazu erhalten. Für die einen sind es nur die Filme (TV- und/oder Kino), für andere nur bestimmte Romane, für den nächsten auch bestimmte Comics, Teile des Rollenspiels und so weiter und so fort.

Der Lizenznehmer sollte sich dabei natürlich eng an den Kanon halten und seine Geschichten und Settings eng abstimmen. Genau aus diesem Grunde gibt es ja dieses Modell überhaupt. Der Lizenzgeber gestattet den Transport des Franchise/des Universums in ein bestimmtes Medium, die umsetzende Partei stellt aber dabei nicht plötzlich die Geschichte/die Welt/das Universum auf den Kopf, sondern beide Seiten achten auf eine gewisse Stringenz der Erzählungen.

Betrachten wir mal ein Monster-Werk wie Perry Rhodan in dieser Hinsicht.
Grundsätzlich kann man hier sagen, dass zumindest die 2500+ PR-Hefte sowie die ca. 900 Atlan-Hefte als kanonisch anzusehen sind. Gerade in früheren Taschenbüchern haben sich die Autoren oft bei Themen ausgetobt, bei denen man vermutete, dass diese nicht nochmals in der Heft-Serie aufgegriffen werden. Dass dem leider oft nicht so ist und war, wurde schon recht schnell sichtbar, weshalb über die Jahre viele der sog. Planeten-Romane nicht mehr kanonisch sind.
Selbst innerhalb der Heft-Serie, die nun seit beinahe 50 Jahren wöchentlich erscheint, gibt es viele Widersprüche in der fortlaufenden Handlung, die zum Teil mit dem Eingreifen von Superintelligenzen, Erlebnissen in Parallel-Universen, Veränderungen im Raum-Zeit-Kontinuum und ähnlichem erklärt werden mussten. Nicht immer schön, aber verständlich, und es wird ohne Murren von den Lesern hingenommen. Je größer ein Universum wird, desto wahrscheinlich ist es, dass man irgendwelche Korrekturen vornehmen muss.

Zurück zum aktuellen Anlass dieses Beitrages, welches ein Posting im neu eingerichteten “Redaktions-Stübchen” auf den Ulisses-Foren ist, wo folgende Frage aufkam:

Zählen Hintergrundinformationen, die nur in Romanen zu finden sind, zum offiziellen Aventurien? Oder erst dann, wenn sie in einer Spielhilfe oder einem offiziellen Abenteuer verwendet werden?

Reichlich erstaunt war ich über die erste Antwort von Alex Spohr (Einer der beiden neu einberufenen Redakteure) darauf:

Romane sind generell nicht Teil des Rollenspiel-Kanons.
Das ändert sich aber dann, wenn DSA-Rollenspielmaterial auf Inhalt von Romanen oder direkt auf Romane sich bezieht.

Noch erstaunter war ich allerdings über die Aussage des Autors Michael Masberg hierzu:

In der Tat ist das keine neue Infos. DSA-Romane waren immer schon nur bedingt kanonisch, spätestens ab dem Zeitpunkt, als die Spiel-Redaktion mit dem Wechsel der Spiel-Lizenz vor ein paar Jahren keinen Einfluss mehr auf den Inhalt der Romane hatte. Zwar gab es eine Zusammenarbeit bis zu einem gewissen Grad, aber die Verantwortlichkeit der inhaltlichen Stimmigkeit lag meist in der Eigenverantwortung der Schreiberlinge oder interessierter Redakteure. […] Ein gesamteinheitliches Aventurien hat es in dem Sinne nicht mehr gegeben, seit die Lizenz massiv aufgesplittet ist. Jeder Lizenznehmer hat die Deutungshoheit, sein Parallelaventurien aufzumachen. […]

Im selben Thread schreibt Alex Spohr (aka Disaster) nochmals:

Michael liegt da richtig. In vielen Fällen fand eine Anstimmung statt, in vielen Fällen sind die DSA-Romane auch im Kanon drin (es gibt ja nicht gerade wenig Bezüge).
Dennoch gilt die Regeln (und nicht erst seit Ulisses DSA verlegt): Die Romane sind erst einmal nicht kanonisch.

Nachdem ich darüber leicht kopfschüttelnd ins Bett gegangen bin, wurde am nächsten Tag aber auch ziemlich zurück gerudert:

Da die Frage aufgeworfen wurde, was zum Kanon von DSA zählt und was nicht, hier eine kurze Erklärung bzw eine Richtigstellung:
Generell zählt alles zum Kanon, was unter den DSA-Lizenzen publiziert wird. Beispielsweise Computerspiele und Romane.
Es kann jedoch durchaus passieren, dass die Geschehnisse nicht weiter (oder erst sehr viel später) thematisiert werden.

Nun wird sich der geneigte Leser fragen, wie kann so etwas passieren?
Hier sollte man wahrscheinlich zwei Dinge genauer betrachten. Zum ersten hat Alex in seinem ersten Post schon gewisse Dinge (möglicherweise unbewusst) auf den Punkt gebracht:

Romane sind generell nicht Teil des Rollenspiel-Kanons.

Sobald ich ein Universum in ein anderes Medium transportiere, wird es sehr wahrscheinlich nötig sein, an den Regeln dieses Universum gewisse Veränderungen vorzunehmen. Was in einem (Pen & Paper) Rollenspiel gut funktioniert, mag am Computer todlangweilig sein. Gute Action am Computer wird in einem Roman evtl. schnell zu einer Einschlafhilfe. Wenn ich jedoch an den Regeln etwas ändere, verändere ich auch implizit das zugrunde liegende Universum. Dies wird wohl niemals ausbleiben. Unterschiedliche Publikationsformen ergeben unterschiedliche Sichten auf ein und dieselbe Geschichte, deshalb mag die Geschichte auf einmal in einem ganz anderen Licht erscheinen. Hierin sehe ich allerdings erst mal keinen Widerspruch.

Zum zweiten war möglicherweise die Frage im Ulisses-Forum schon deplatziert.
Die Frage, was zum Kanon von Aventurien gehört, kann meines Erachtens Ulisses als Lizenznehmer überhaupt nicht beantworten. Jedenfalls nicht für Produkte jenseits des Pen&Paper-Rollenspiels. Solche Entscheidungen unterliegen meines Erachtens einzig der Significant Fantasy GbR als Lizenzgeber.

Ich persönlich habe überhaupt kein Problem damit, Unterschiede in Romanen, Computerspielen und anderen Medien zum Rollenspiel am Tisch zu haben.
Bei den Romanen kann ich mir dies z.B. immer gut mit einem unzuverlässigen Erzähler erklären. Selbst im letzten Computer-Spiel (Drakensang 2) würde dies wunderbar zu der ganzen Geschichte passen, die ja rückblickend aus der Sicht von Forgrimm geschildert wird.

Und natürlich gehören bestimmte Sachen aus dem Kanon herausgenommen, etwa wenn ein Autor wie Andreas Brandhorst einfach mal sämtliche Vorgaben ignoriert und einfach irgendwas schreibt, oder wenn Raumschiffe und Atomreaktoren aus einem Solo-Abenteuer von anno dazumal wirklich nicht in das heutige Aventurien passen.

Fazit: Bei so signifikant (no pun intended) unterschiedlichen Medien und Stilmitteln bleibt eine gewisse Diskrepanz wohl niemals aus.
Für mich ist der gesamte Kuchen (RPG, Roman, Computer-Spiel…) das Ganze und somit Kanon.
Ob man sich persönlich hier nur bestimmte Stückchen mit seinen besonderen “Rosinen” heraussucht, bleibt wohl jedem selber überlassen.

Und ich kann zur Abstimmung von Lizenzgebern und -nehmern naturgemäß nichts sagen. Allerdings weiß ich, mit welchen Argus-Augen z.B. Lucas Arts über Star Wars wacht. Sollte hier tatsächlich ein gewisses Defizit vorliegen, sollten die Macher des wohl größten Rollenspiel-Franchise Deutschlands dies mal zum Anlass nehmen, ein wenig darüber nachzudenken und ggf. die Situation zu verbessern.
Allerdings gilt auch hier: Dies obliegt wohl nicht Ulisses alleine, sondern allen Beteiligten.

Demnächst in Teil 2: Wüstenwelten, Handtücher und andere Fortsetzungen.

Reaktionen Über den Tellerrand Zettelkasten

neue Rezensionen:
Mittelerde – Tolkien und die germanische Mythologie (Rudolf Simek) rezensiert von Wulfila
Sophie im Schloss des Zauberers (Diana W. Jones) rezensiert von moyashi

aus der alten BP umgezogene Rezensionen:
Kushiel’s Chosen (Jacqueline Carey) rezensiert von Sam
– Die Saat der Zwietracht (Janny Wurts) rezensiert von Sam
Der Todesstoss (Wolfgang Hohlbein) rezensiert von Sam
– The White Dragon (Laura Resnick) rezensiert von Sam
– Die Winterfestung (Elizabeth A. Lynn) rezensiert von Sam

Neue Inhalte

Eines gleich vorweg: Dieser Blogeintrag ist ein Experiment. Ein Experiment insofern, als dass ich hier nur ein paar Fragen in den Raum werfe, auf die ich selbst keine befriedigende Antwort geben kann. Es ist also ein bewusst/notgedrungen “unfertiger” Blogeintrag. Wenn euch zu diesem Thema etwas einfällt, dann schreibt es doch bitte in den Kommentaren.

Stories, Welten, Motive und inzwischen auch Autoren wandern durch verschiedene Medien. Was als Buch begann, kann als Film wiederkehren oder als Comic oder der Weg verläuft umgekehrt. Bei Videospielen scheint die Beziehung aber sehr einseitig zu verlaufen: Bücher liefern unter anderem den Hintergrund (etwa die Stalker-Reihe, der Picknick am Wegesrand zugrundeliegt), oft auch gemeinsam mit der Story (Metro 2033, The Witcher, die Spiele im Herr der Ringe-Universum) oder auch Marken (etwa Tom Clancy’s oder Clive Barker’s).

Die Frage, die sich mir gestellt hat, ist: Bleibt die Beziehung zwischen Buch und Game eine einseitige oder können auch Einflüsse ausgemacht werden, die von den virtuellen Welten „zurück“ in die gedruckten fließen? Denn schließlich müssen die angeeigneten Stoffe transformiert werden, um den Anforderungen von Computerspielen zu genügen, etwa im Zusammenwirken von Narrativ und Spielmechanik.

Die Beantwortung dieser Frage ist schwierig, denn Videospiele sind an sich schon ein sehr eklektizistisches Medium, das sich etwa bei der Inszenierung sowohl an Filmen, als auch an Comics orientieren kann, wie etwa das jüngste Beispiel A New Beginning zeigt. Gleichzeitig hat sich auch bei den Büchern filmisches Erzählen durchgesetzt, sodass es schwierig ist, eindeutige Verbindungslinien vom Game-Sektor zu den Fantasyromanen zu ziehen.

Umgekehrt fließen Setting und Story aus Games aber auch wieder zurück auf den Printmarkt, etwa in Form von Tie-ins. Die Autoren, die solche Romane verfassen, bilden allerdings eine sehr geschlossene Gruppe, die sich beinahe ausschließlich nur Tie-ins zu verschiedenen Marken widmet. Gleichermaßen hat sie wohl nur die Spieler des entsprechenden Titels zur Zielgruppe. Es finden sich aber doch einige Beispiele für bekanntere Genre-Autoren mit Verbindungen zu Videospielen. So verfasste etwa Greg Keyes einen Roman im The Elder Scrolls-Universum und die Story zum SF-Shooter Crysis 2 stammt aus der Feder Richard Morgans – beides übrigens Szenarien, die ohne Buchvorlage entstanden sind. Wie die jüngste Partnerschaft zwischen Randomhouse und dem Publisher THQ zeigt, ist man bemüht, Marken auf möglichst vielen Medien zu vermarkten. Wenn sich Spiele auf anderen Medien breit machen, scheint dies bisher also eher eine Merchandising-Angelegenheit zu sein.

Jüngst haben düstere Weltentwürfe, die in der Fantasyliteratur schon länger Erfolge feiern, auch in großen Fantasy-Rollenspielen Einzug gehalten, wie etwa Dragon Age oder The Witcher zeigen, die klar ein düster-brutales oder ambivalentes Weltbild entwerfen. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Spielfiguren: Der wenn schon nicht namen-, so doch zumeist erinnerungslose – und damit ziemlich unbedarfte – Held gerät zunehmend ins Hintertreffen. Stattdessen wird die Vergangenheit der eigenen Spielfigur bedeutender, indem man sie sich etwa selbst erspielt, wie in den Origin-Stories aus Dragon Age: Origins, oder indem man mehr oder weniger ständig damit konfrontiert wird, wie etwa in The Witcher.

Der Einfluss einer Form des Spielens auf die Fantasyliteratur ist sicher unbestritten: Pen & Paper-RPGs. Mehrere Autoren haben ihre Karriere in dieser Szene begonnen.  Deren Queststruktur liegt auch der Spielmechanik der Computer-Rollenspiele zugrunde, sodass sich auch hier wiederum keine direkten Verbindungslinien zwischen Games und Fantasyliteratur ergeben, und die  Pen & Paper-Rollenspiele haben sicher den Vorteil, dass man darin selbst als Erzähler tätig werden kann.

Das Hauptproblem bleibt jedoch, dass sich das zentrale Element eines Videospiels kaum auf ein Buch übertragen lässt, nämlich die Interaktivität. Könnte man Markus Heitz’ Versuch, Abenteuer-Spielbücher wiederzubeleben, mit  der Bedeutung, die Videospielen in der Popkultur inzwischen erlangt haben, in Verbindung bringen? Schließlich ist dies eine Möglichkeit, genau an diesem Punkt anzusetzen und Bücher interaktiv zu machen.

Noch lässt sich also nicht genau sagen, ob Computerspiele Einfluss auf Fantasyliteratur haben. Die Verbindungen zwischen diesen beiden Medien existieren bisher eher oberflächlich, indem Marken auf möglichst vielen Medien beworben und vermarktet werden. Ob und wie sich dieser Trend längerfristig auswirken wird, muss an dieser Stelle leider unbeantwortet bleiben.

Über den Tellerrand

Neue Inhalte

Für einige der Portraits, die ich in den letzten Monaten für die  Bibliotheka Phantastika geschrieben habe, musste ich mich mit Autoren und Büchern auseinandersetzen, die mich zu Beginn meiner Fantasyzeit begeistert haben. Das Problem dabei? Selbst bei meinem unglaublich löchrigen Gedächtnis war es verwunderlich, wie wenig Spuren diese Bücher in ihrer Mehrzahl hinterlassen haben.

Selbstverständlich hat sich auch meine Einstellung gegenüber den Autoren und vielen ihrer Werke geändert, seit ich sie gelesen habe – weil sich meine Leseerfahrungen geändert haben und weil ich in Kontakt mit Leuten gekommen bin, die schon viel länger Erfahrungen mit phantastischer Literatur gemacht haben. Deswegen betrachte ich viele meiner früheren Fantasybücher eher mit Scham denn mit Nostalgie, und ich stelle mir die Frage: Was für eine Aufgabe hatten diese “Jugendsünden”? Haben sie mich tatsächlich an die Fantasy herangeführt?

Man sagt ja, frühe Leseerfahrungen prägen auch den späteren Lesegeschmack, und das trifft sicherlich zum Teil auch zu. So zählt etwa die Grundkonstellation der Enwor-Saga (hartschaliger, aber eigentlich guter Krieger, düster-fantastische Welt) durchaus immer noch zu meinen persönlichen guilty-pleasures, und meine Vorliebe für Geralt von Riva spricht in diesem Zusammenhang wohl für sich.

Immerhin haben mich manche Bücher auch tiefer in die Materie geleitet. So haben mich die Romane um den Hexer von Salem etwa auf Lovecraft gebracht – nur um festzustellen, dass der Unterschied krasser nicht sein könnte. 😀
Aber dass mich viele dieser Bücher zum Fantasy-Fan gemacht haben, bezweifle ich im Rückblick doch sehr – zumindest nicht direkt. Denn angewiesen auf das, was die Verkaufstische in den großen Buchhandlungen oder die kleine Stadtbibliothek zu bieten hatten, verließ ich mich doch eher auf das, was ich schon kannte und kaufte damals noch viel mehr nach Autoren als nach Plots, über die ich mich auch kaum informieren konnte, angesichts meines internetlosen Daseins. Anreize boten neben Autorennamen lediglich Versandkataloge, Verfilmungen oder Bestsellerlisten. Ich landete folgerichtig eher bei klassischer (um nicht zu sagen generischer) Fantasy. Diese war zwar durchaus spannend zu lesen, hinterließ aber auch keinen tieferen Eindruck und gab einem auch kaum Argumente an die Hand, um das “Schmuddelgenre” Fantasy zu verteidigen. Nachdem ich die Suche nach dem Gleichen inzwischen ja fehlerfrei beherrschte, bot mir ein heimatlicher Internetanschluss endlich die Möglichkeit mich auch auf andere Weise zu informieren. So führte mich die Suche nach empfehlenswerter neuer und etwas anderer Genreliteratur in die Arme der Bibliotheka und erst diese hat es geschafft, mich an das Genre zu binden, was ohne sie wohl kaum der Fall gewesen wäre.

Allerdings auch mit einem “traumatischen” Erlebnis zu Beginn: Mein Faible für düstere Welten und ambivalente Helden hat mich kurz nach der Entdeckung der Bibliotheka – und man muss dazu sagen, dass meine Leseerfahrung in der Fantasy sich damals mehr oder weniger auf den Herr der Ringe und die drei großen Hs der deutschsprachigen Fantasy (Hohlbein, Hennen, Heitz) sowie Harry Potter beschränkte –  auf der Basis einer 5-Sterne-Rezi (damals gab’s noch Sterne) dazu gebracht, mir Gene Wolfes The Book of the New Sun (ja, im Original) zuzulegen. Was soll ich sagen? Die Reihe habe ich nie fertig gelesen und ich traue mich seitdem nicht mehr, sie nochmal anzufangen. 😉
Warum ich trotzdem dabeigeblieben bin – beim Genre und bei der Bibliotheka – ist für sich genommen weniger einfach zu erklären als in der Wechselbeziehung: Mir wurde die Vielfalt und Fülle an Alternativen, die die Fantasy zu bieten hat, gezeigt, wobei dieses Angebot gleichzeitig  personenbezogen kommentiert war. Es unterschied sich also insofern von der Vielfalt, die man erhält, wenn man bei einem großen Onlinehändler auf die Kategorie “Science Fiction & Fantasy” klickt, dass ich mir die bewertenden Personen bis zu einem gewissen Grad erschließen konnte – ich war beim Stöbern also nicht ganz auf mich allein gestellt. Dadurch bot sie aber auch ganz andere Formen der Empfehlung als sie etwa Bestsellerlisten oder prominente Verkaufsplätze darstellen. Denn wie ich durch meinen ersten Kontakt mit Gene Wolfe erfahren musste, erfordert das persönliche Verwerten einer Rezension auch sehr viel  mehr Selbstreflexion als eine rein quantitative Empfehlung (à la “Kunden denen dieses gefallen hat, haben auch jenes gekauft”) und so konnte ich die Fantasy entlang meiner sich ausbildenden Lesepräferenzen entdecken.

Das soll kein (reiner ;-)) Werbeblogpost für die Bibliotheka sein, aber ich wage zu behaupten, dass ohne Anleitung (und diese kann auf unterschiedlichste Weise erfolgen – vom genre-interessierten Buchhändler bis zur entsprechenden Internetseite) die geneigten LeserInnen dem Genre eher verloren gehen, als dass sie es mit ihren Leseerfahrungen zu fassen bekommen.

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