Moyas Meckerkiste (1): Faule Eier stinken – manchmal auch aus dem Buchregal

Alles Sense von Terry Pratchett bei ManhattanWährend wir hier auf Bibliotheka Phantastika eigentlich lieber ein Auge auf die schönen und gelungenen Dinge in der Fantasy werfen, liefert ein besonderes Cover den Anlass, mich auch den abschreckenden Beispielen intensiver zu widmen. Es brennt mir nicht nur in den Augen, sondern auch unter den Nägeln, so etwas nicht ohne Kommentar stehen zu lassen. Die Rede ist von diesem, links stehend, jüngst aufgetauchten Schmuckstück unter den Cover-Verfehlungen, welches leider ein tragisches Opfer innerhalb des phantastischen Genres gefunden hat.

Es ist ein Trauerspiel, wie ich es lange, sehr lange, nicht mehr gesehen habe. Was andere als Aprilscherz bloggen würden, hält man beim Manhattan Verlag offenbar für hohe Kunst. Den Art Director möchte ich kennen lernen, der diesen Schund genehmigt hat.

Der Gestalter dieser neuen Scheibenwelt-Cover wird sich freilich ins Fäustchen lachen vor Freude und seine Sparrate erhöhen, während tausende begabte, echte Illustratoren von diesen CGI-Ungetümen verhöhnt und ihre Arbeiten samt ihrer Ausbildung ad absurdum geführt werden.
Ich fürchte, es ist mir kaum möglich, in jugendfreien Worten adäquat auszudrücken, wie unglaublich untragbar diese neuen, erwachsenen (haha!) Cover doch sind. Wer die ganze Vorgeschichte zu diesem dramatischen Akt noch nicht kennt, bitte hier entlang.

-Alles Sense- interpretiert von Tom Steyer

© Tom Steyer

Technisch ist das ganze eine offensichtliche Zumutung. Es sieht aus wie die ersten Gehversuche mit 3D-Programmen. Schlechte Render-Effekte und Texturen in Sense und Himmel, die den Eindruck machen, 1990 erstellt worden zu sein. Auch die  steife Haltung der Figur wirkt befremdlich und unnatürlich – selbst für ein knochiges Skelett. Eines meiner Highlights dürfte der kleine Rattentod auf der Schulter sein, dessen Erscheinungsbild in seinen Grundzügen verdächtig stark an das große Vorbild von Paul Kidby angelehnt zu sein scheint. Da wären noch die seltsamen Falten, die sich in einer perfekten Rundung dem CGI-Weizen entgegen biegen und den ganzen Umhang wie eine Plastikfigur aussehen lassen. Es scheint wohl auch nichts in dem Umhang drin zu stecken, hohl wie die Kapuze daherkommt. Würde ich jeden Mangel auflisten, den dieses erstaunlich detailarme Werk zu bieten hat, würde dieser Beitrag vermutlich einen Meter lang werden.

-Tod- von Paul Kidby

Im Vergleich - © Paul Kidby

Nur mal so zum direkten Vergleich: nebenstehend die aktuelle britische Interpretation des Sensenmannes von Paul Kidby.

Im Ernst, lieber Manhatten Verlag, hasst ihr eure Leser? Mir fehlt das Verständnis dafür, wie diese neue Cover-Linie bei Manhattan passieren konnte. Gerade da es diese überwältigend guten Vorbilder gibt.
Die deutschen Ausgaben würde ich inzwischen nicht einmal umsonst haben wollen. Ein Hoch auf meine Englischkenntnisse, die mich in solchen Fällen davor bewahren, auf eine übersetzte Version mit solch einer Gestaltungsform angewiesen zu sein. Traurig für den Autor und seine deutschen Fans bleibt es trotzdem.

Angesichts dieser Machwerke könnte man als Fantasy-Fan nun eigentlich schon wieder froh sein, dass man Pratchett bei Manhattan nicht mehr in der Fantasyabteilung sehen will.
Stellt diese grausam entstellten Geschöpfe also ruhig zu den gesellschaftskritischen Romanen! Ändert am besten auch gleich alle Titel und gebt dem Autor ein Pseudonym! Wäre ich Terry Pratchett, ich würde mich für diese Aufmachung in Grund und Boden schämen müssen. Es blutet einem Auge und Herz. Auf Rückfrage eines unserer Forumosen bekamen wir übrigens diese überzeugende Erklärung geliefert.

Nein, werte Manhattaner, so nicht! Mich seid ihr als Kunden los.

3 Kommentare zu Moyas Meckerkiste (1): Faule Eier stinken – manchmal auch aus dem Buchregal

  1. Leseratte sagt:

    Was mich interessieren würde ist, ob du einfach generell gegen CGI Covers bist, oder einfach dieses Machwerk wegen seiner unterirdischen Ausarbeitung nicht magst? Ansonsten ist die Idee des Motives doch nicht schlecht.

    Gruß
    Leseratte

  2. moyashi sagt:

    Hallo Leseratte,

    generell dagegen bin ich nicht, auch wenn ich traditionelle Illustrationen bevorzuge. Es gibt aber Künstler, die das mit der CGI richtig gut beherrschen und damit ganz wunderbare Effekte erzielen. Wenn man sich die ganzen Artworks zu Computerspielen ansieht, sieht man auch, was damit alles machbar ist.
    Es gibt also Illustratoren, die z.B. in Photoshop derart gut arbeiten können, dass es von einer händischen Illustration kaum noch zu unterscheiden ist.
    In diesem Fall, ist das aber keiner dieser Virtuosen gewesen, wie man unschwer erkennt.

    Mit der Idee des Motivs meinst du vermutlich die Bildinhalte und die Anordnung? Klar, das kann man machen. Hätte man das entsprechend ausgearbeitet, wäre vermutlich etwas daraus geworden, was deutlich weniger Angriffsfläche bieten würde.

    Was mich an der Sache so enorm stört ist, dass es hier einfach wunderbare Vorlagen gibt und diese mit so einem Schund ersetzt werden. Natürlich arbeitet jeder Künstler anders und hat seinen eigenen Stil, das hier stammt allerdings nicht von einem Künstler. Das hat weder Stil noch Seele.

  3. J.P. sagt:

    Man (oder “frau”) kann – was die technische Umsetzung des Covers betrifft – über die neue “Illustre” Gestaltung ja (in meinen Augen völlig berechtigt) sehr distanzierter Meinung sein…

    Wo ich aber VOLLKOMMEN zustimme, ist die Tatsache, daß die warmherzig-witzigen Cover eines Paul Kidby, deren Detail-Verliebtheit ohne Vergleich sind, hier einen völlig “seelenlosen” (und das “seelenlose” nicht nur, weil “Gevatter Tod” abgebildet wird)Nachfolger haben… SCHADE!!!!

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