Eines gleich vorweg: Dieser Blogeintrag ist ein Experiment. Ein Experiment insofern, als dass ich hier nur ein paar Fragen in den Raum werfe, auf die ich selbst keine befriedigende Antwort geben kann. Es ist also ein bewusst/notgedrungen “unfertiger” Blogeintrag. Wenn euch zu diesem Thema etwas einfällt, dann schreibt es doch bitte in den Kommentaren.
Stories, Welten, Motive und inzwischen auch Autoren wandern durch verschiedene Medien. Was als Buch begann, kann als Film wiederkehren oder als Comic oder der Weg verläuft umgekehrt. Bei Videospielen scheint die Beziehung aber sehr einseitig zu verlaufen: Bücher liefern unter anderem den Hintergrund (etwa die Stalker-Reihe, der Picknick am Wegesrand zugrundeliegt), oft auch gemeinsam mit der Story (Metro 2033, The Witcher, die Spiele im Herr der Ringe-Universum) oder auch Marken (etwa Tom Clancy’s oder Clive Barker’s).
Die Frage, die sich mir gestellt hat, ist: Bleibt die Beziehung zwischen Buch und Game eine einseitige oder können auch Einflüsse ausgemacht werden, die von den virtuellen Welten „zurück“ in die gedruckten fließen? Denn schließlich müssen die angeeigneten Stoffe transformiert werden, um den Anforderungen von Computerspielen zu genügen, etwa im Zusammenwirken von Narrativ und Spielmechanik.
Die Beantwortung dieser Frage ist schwierig, denn Videospiele sind an sich schon ein sehr eklektizistisches Medium, das sich etwa bei der Inszenierung sowohl an Filmen, als auch an Comics orientieren kann, wie etwa das jüngste Beispiel A New Beginning zeigt. Gleichzeitig hat sich auch bei den Büchern filmisches Erzählen durchgesetzt, sodass es schwierig ist, eindeutige Verbindungslinien vom Game-Sektor zu den Fantasyromanen zu ziehen.
Umgekehrt fließen Setting und Story aus Games aber auch wieder zurück auf den Printmarkt, etwa in Form von Tie-ins. Die Autoren, die solche Romane verfassen, bilden allerdings eine sehr geschlossene Gruppe, die sich beinahe ausschließlich nur Tie-ins zu verschiedenen Marken widmet. Gleichermaßen hat sie wohl nur die Spieler des entsprechenden Titels zur Zielgruppe. Es finden sich aber doch einige Beispiele für bekanntere Genre-Autoren mit Verbindungen zu Videospielen. So verfasste etwa Greg Keyes einen Roman im The Elder Scrolls-Universum und die Story zum SF-Shooter Crysis 2 stammt aus der Feder Richard Morgans – beides übrigens Szenarien, die ohne Buchvorlage entstanden sind. Wie die jüngste Partnerschaft zwischen Randomhouse und dem Publisher THQ zeigt, ist man bemüht, Marken auf möglichst vielen Medien zu vermarkten. Wenn sich Spiele auf anderen Medien breit machen, scheint dies bisher also eher eine Merchandising-Angelegenheit zu sein.
Jüngst haben düstere Weltentwürfe, die in der Fantasyliteratur schon länger Erfolge feiern, auch in großen Fantasy-Rollenspielen Einzug gehalten, wie etwa Dragon Age oder The Witcher zeigen, die klar ein düster-brutales oder ambivalentes Weltbild entwerfen. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Spielfiguren: Der wenn schon nicht namen-, so doch zumeist erinnerungslose – und damit ziemlich unbedarfte – Held gerät zunehmend ins Hintertreffen. Stattdessen wird die Vergangenheit der eigenen Spielfigur bedeutender, indem man sie sich etwa selbst erspielt, wie in den Origin-Stories aus Dragon Age: Origins, oder indem man mehr oder weniger ständig damit konfrontiert wird, wie etwa in The Witcher.
Der Einfluss einer Form des Spielens auf die Fantasyliteratur ist sicher unbestritten: Pen & Paper-RPGs. Mehrere Autoren haben ihre Karriere in dieser Szene begonnen. Deren Queststruktur liegt auch der Spielmechanik der Computer-Rollenspiele zugrunde, sodass sich auch hier wiederum keine direkten Verbindungslinien zwischen Games und Fantasyliteratur ergeben, und die Pen & Paper-Rollenspiele haben sicher den Vorteil, dass man darin selbst als Erzähler tätig werden kann.
Das Hauptproblem bleibt jedoch, dass sich das zentrale Element eines Videospiels kaum auf ein Buch übertragen lässt, nämlich die Interaktivität. Könnte man Markus Heitz’ Versuch, Abenteuer-Spielbücher wiederzubeleben, mit der Bedeutung, die Videospielen in der Popkultur inzwischen erlangt haben, in Verbindung bringen? Schließlich ist dies eine Möglichkeit, genau an diesem Punkt anzusetzen und Bücher interaktiv zu machen.
Noch lässt sich also nicht genau sagen, ob Computerspiele Einfluss auf Fantasyliteratur haben. Die Verbindungen zwischen diesen beiden Medien existieren bisher eher oberflächlich, indem Marken auf möglichst vielen Medien beworben und vermarktet werden. Ob und wie sich dieser Trend längerfristig auswirken wird, muss an dieser Stelle leider unbeantwortet bleiben.