Jugendsünden oder Wie ich zum Fantasyfan wurde

Für einige der Portraits, die ich in den letzten Monaten für die  Bibliotheka Phantastika geschrieben habe, musste ich mich mit Autoren und Büchern auseinandersetzen, die mich zu Beginn meiner Fantasyzeit begeistert haben. Das Problem dabei? Selbst bei meinem unglaublich löchrigen Gedächtnis war es verwunderlich, wie wenig Spuren diese Bücher in ihrer Mehrzahl hinterlassen haben.

Selbstverständlich hat sich auch meine Einstellung gegenüber den Autoren und vielen ihrer Werke geändert, seit ich sie gelesen habe – weil sich meine Leseerfahrungen geändert haben und weil ich in Kontakt mit Leuten gekommen bin, die schon viel länger Erfahrungen mit phantastischer Literatur gemacht haben. Deswegen betrachte ich viele meiner früheren Fantasybücher eher mit Scham denn mit Nostalgie, und ich stelle mir die Frage: Was für eine Aufgabe hatten diese “Jugendsünden”? Haben sie mich tatsächlich an die Fantasy herangeführt?

Man sagt ja, frühe Leseerfahrungen prägen auch den späteren Lesegeschmack, und das trifft sicherlich zum Teil auch zu. So zählt etwa die Grundkonstellation der Enwor-Saga (hartschaliger, aber eigentlich guter Krieger, düster-fantastische Welt) durchaus immer noch zu meinen persönlichen guilty-pleasures, und meine Vorliebe für Geralt von Riva spricht in diesem Zusammenhang wohl für sich.

Immerhin haben mich manche Bücher auch tiefer in die Materie geleitet. So haben mich die Romane um den Hexer von Salem etwa auf Lovecraft gebracht – nur um festzustellen, dass der Unterschied krasser nicht sein könnte. 😀
Aber dass mich viele dieser Bücher zum Fantasy-Fan gemacht haben, bezweifle ich im Rückblick doch sehr – zumindest nicht direkt. Denn angewiesen auf das, was die Verkaufstische in den großen Buchhandlungen oder die kleine Stadtbibliothek zu bieten hatten, verließ ich mich doch eher auf das, was ich schon kannte und kaufte damals noch viel mehr nach Autoren als nach Plots, über die ich mich auch kaum informieren konnte, angesichts meines internetlosen Daseins. Anreize boten neben Autorennamen lediglich Versandkataloge, Verfilmungen oder Bestsellerlisten. Ich landete folgerichtig eher bei klassischer (um nicht zu sagen generischer) Fantasy. Diese war zwar durchaus spannend zu lesen, hinterließ aber auch keinen tieferen Eindruck und gab einem auch kaum Argumente an die Hand, um das “Schmuddelgenre” Fantasy zu verteidigen. Nachdem ich die Suche nach dem Gleichen inzwischen ja fehlerfrei beherrschte, bot mir ein heimatlicher Internetanschluss endlich die Möglichkeit mich auch auf andere Weise zu informieren. So führte mich die Suche nach empfehlenswerter neuer und etwas anderer Genreliteratur in die Arme der Bibliotheka und erst diese hat es geschafft, mich an das Genre zu binden, was ohne sie wohl kaum der Fall gewesen wäre.

Allerdings auch mit einem “traumatischen” Erlebnis zu Beginn: Mein Faible für düstere Welten und ambivalente Helden hat mich kurz nach der Entdeckung der Bibliotheka – und man muss dazu sagen, dass meine Leseerfahrung in der Fantasy sich damals mehr oder weniger auf den Herr der Ringe und die drei großen Hs der deutschsprachigen Fantasy (Hohlbein, Hennen, Heitz) sowie Harry Potter beschränkte –  auf der Basis einer 5-Sterne-Rezi (damals gab’s noch Sterne) dazu gebracht, mir Gene Wolfes The Book of the New Sun (ja, im Original) zuzulegen. Was soll ich sagen? Die Reihe habe ich nie fertig gelesen und ich traue mich seitdem nicht mehr, sie nochmal anzufangen. 😉
Warum ich trotzdem dabeigeblieben bin – beim Genre und bei der Bibliotheka – ist für sich genommen weniger einfach zu erklären als in der Wechselbeziehung: Mir wurde die Vielfalt und Fülle an Alternativen, die die Fantasy zu bieten hat, gezeigt, wobei dieses Angebot gleichzeitig  personenbezogen kommentiert war. Es unterschied sich also insofern von der Vielfalt, die man erhält, wenn man bei einem großen Onlinehändler auf die Kategorie “Science Fiction & Fantasy” klickt, dass ich mir die bewertenden Personen bis zu einem gewissen Grad erschließen konnte – ich war beim Stöbern also nicht ganz auf mich allein gestellt. Dadurch bot sie aber auch ganz andere Formen der Empfehlung als sie etwa Bestsellerlisten oder prominente Verkaufsplätze darstellen. Denn wie ich durch meinen ersten Kontakt mit Gene Wolfe erfahren musste, erfordert das persönliche Verwerten einer Rezension auch sehr viel  mehr Selbstreflexion als eine rein quantitative Empfehlung (à la “Kunden denen dieses gefallen hat, haben auch jenes gekauft”) und so konnte ich die Fantasy entlang meiner sich ausbildenden Lesepräferenzen entdecken.

Das soll kein (reiner ;-)) Werbeblogpost für die Bibliotheka sein, aber ich wage zu behaupten, dass ohne Anleitung (und diese kann auf unterschiedlichste Weise erfolgen – vom genre-interessierten Buchhändler bis zur entsprechenden Internetseite) die geneigten LeserInnen dem Genre eher verloren gehen, als dass sie es mit ihren Leseerfahrungen zu fassen bekommen.

3 Kommentare zu Jugendsünden oder Wie ich zum Fantasyfan wurde

  1. Katerchen sagt:

    Tja…
    Dazu kann ich sagen, dass es mir ähnlich erging. Damals war ich immer wieder mal auf der Suche nach lesenswerten Büchern und bin bei meinen Internetrecherchen immer wieder bei der “Bibliotheka Phantastika” gelandet.
    Irgendwann wollte ich dann nicht nur immer selbst von dem immensen Fundus an Rezensionen profitieren, sondern auch selber etwas beitragen. So kam es, daß ich meine ersten Rezensionen einreichte und als ich dann zum Forum stieß und mir in vielen Diskussionen, Gesprächen aber auch Plaudereien und Plänkeleien manche Dinge klarer wurden bin ich hängengeblieben.

    Ich werde nie ein absoluter „Fantasyfan“ werden.
    Ich mag einfach schön erzählte Geschichten, die ein gewisses sprachliches Niveau haben. Und da hat die “Bibliotheka” mich auf manches literarische Schmankerl aufmerksam gemacht…

  2. Pogopuschel sagt:

    Meine persönliche Erfahrung widerspricht dieser These. Ich habe mit Fantasy Mitte der 90er Jahr ein meinen Teenagerjahren angefangen. Damals hatten wir noch kein Internet, und ich bin durch reines Stöbern (ohne Hilfe von Buchhändlern) zum Genre gekommen. Ausgangspunkt war Stephen King mit seinem Fantasywerk »Die Augen des Drachen«. Ich suchte nach ähnlichen Werken und landete nach einigem Stöbern bei Raymond Feists »Der Lehrling des Magiers« – es war um mich geschehen und das Genre hatte einen neuen Fan. Ich hatte keine Fanzines, Magazine oder sonstige Empfehlungen; ich suchte mein Lesefutter einzig und allein durchs Stöbern in der Buchhandlung aus. Nach Feist folgten dann schnell Moorcock, Tokien, Michael Scott Rohan, Goodkind, Salvatore, Weis/Hickham, Martin usw.. Alles ohne Internet, nur nach Einschätzung der Klappentexte. Ich wage aber mal zu behaupten, dass die durchschnittliche Buchhandlung damals noch besser im Bereich der Fantasy sortiert war. Damals standen, zumindest bei Bouvier in Koblenz, noch sämtliche Teile einer Reihe im Regal (auch vom Rad der Zeit) und nicht nur der aktuelle Teil.
    Trotzdem bin ich heute dankbar für verlässliche Rezensionsseiten, mit Kritikern, die mich auf ein Buch neugierig machen können und sein Wesen erfassen, ohne die halbe Handlung nachzuerzählen. Auch, weil ich heute etwas kritischer und anspruchsvoller bin, was meinen Lesegeschmack angeht.

  3. mistkaeferl sagt:

    @Puschel: Ein Unterschied dürfte sicher auch sein, daß es noch vor ein paar Jahren (also vor dem Boom) deutlich weniger Ausstoß an Fantasytiteln gab. Anders gesagt: Ich finde, die Fantasyabteilungen in den Buchhandlungen sind eher größer geworden, trotzdem sind kaum ältere Titel vorhanden. Es war früher deutlich leichter für Buchhandlungen, alle Bände von irgendwas auf Lager zu haben.
    Und ich als Leser habe mich früher in Buchladen und Bücherei einfach durch alles durchgefressen, was da war. Ergebnis: durchwachsen, aber oft ganz ok.
    Heute könnte man durch die Vervielfachung des Angebots auch um ein Vielfaches mehr Schrott auf diese Weise heimtragen, und hätte doch nur einen Bruchteil der erscheinenden Titel gelesen.

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