: Elben, Elfen, Feen

Das Cover von Artemis Fowl 1 von Eoin ColferArtemis Vater hat der russischen Mafia ins Handwerk gepfuscht und gilt seitdem als verschollen. Durch diese Unternehmung ist das Fowlsche Familienvermögen erheblich geschrumpft. Arm kann man Artemis und seine Mutter nun nicht gerade nennen – aber Milliardäre sind sie nicht mehr. Also beschließt Artemis die Einkünfte wieder aufzustocken. Der hochbegabte Junge faßt einen ebenso genialen wie verbrecherischen Plan: Er will eine Elfe kidnappen, um an das sagenhafte Elfengold zu gelangen.

-Ho Chi Minh City im Sommer. Unerträglich heiß und drückend. Artemis Fowl hätte selbstverständlich solche Unannehmlichkeiten niemals auf sich genommen, wenn nicht etwas ungeheuer Wichtiges auf dem Spiel gestanden hätte.-
Kapitel 1: Das Buch

Artemis Fowl ist ein Antiheld, aber nur fast: Ein blasses zwölfjähriges Kerlchen, das zuviel Zeit vor dem Computer verbringt, skrupellos seinen genialen Plan verfolgt und von einem gewalttätigen, ihm treu ergebenen, Leibwächter beschützt wird. Bei näherem Hinsehen ist Artemis aber keineswegs so skrupellos, wie es auf den ersten Blick scheint und wie er es gerne von sich selbst glauben möchte. Der Junge leidet unter dem Verlust seines Vaters und unter der psychischen Krankheit seiner Mutter und erkennt daher folgerichtig am Ende der Geschichte, daß Geld nicht alles im Leben ist. Aber vorher muß er sich noch mit den Unterirdischen herumschlagen, wobei das “Herumschlagen” hauptsächlich von seinem Leibwächter namens Butler übernommen wird. Artemis hat zwar einen scharfen Verstand, aber anscheinend hat er sein Körpertraining sträflich vernachlässigt, so daß ihn sogar eine kaum ein Meter große Elfe mit einem gezielten Schlag auf die Nase zu Boden schicken kann. Peinlich, peinlich. Die Elfe heißt Holly, ist der erste weibliche Officer bei der ZUP, der Polizei der Unterirdischen, und hat meistens Ärger mit ihrem Vorgesetzten, Commander Root, da sie des öfteren die Vorschriften außer acht läßt. Jetzt gerade hat sie es schon seit längerem versäumt, ihre Magie aufzuladen, was dazu führt, daß sie von Artemis gekidnappt wird und Commander Root höchstpersönlich in Aktion treten muß, um Holly zu retten. Es entspinnt sich ein Kampf zwischen Artemis und den Unterirdischen, der stellenweise recht gewalttätig geführt wird, aber bei dem letztendlich niemand wirklich zu Schaden kommt und bei dem ein pupsender Mulch eine zentrale Rolle spielt. Spätestens an dieser Stelle sollte man als Leser erkennen, daß die ganze Geschichte mit Augenzwinkern und Ironie erzählt wird. Ansonsten könnte man Artemis Fowl anstatt für einen humorvollen James-Bond/Star-Trek/Krimi-Verschnitt für die Verherrlichung jugendlichen, gewalttätigen Verbrechertums halten und würde damit dem Buch bitter Unrecht tun.
Um dieses Buch zu mögen, darf man nicht ironieresistent sein (bzw. man muß alt genug sein, um Ironie zu verstehen) und man darf sich nicht an Welten stören, die von Technik bestimmt sind, denn die Welt der Unterirdischen, wozu Elfen, Zentauren, Mulche und Trolle gehören, hat hier nichts Romantisches. Die Technik ist weiter fortgeschritten als in der Menschenwelt und in der ZUP herrscht ein militärischer Kommandoton, jedenfalls dann, wenn alle sich an die Dienstvorschriften halten. Der Ablauf des Einsatzes erinnert an die Star-Trek-Abenteuer. Es wird zwar niemand von einem Raumschiff auf einen Planeten hinuntergebeamt, aber die Unterirdischen werden aus dem Erdinneren auf die Erde hinaufbefördert. Als etwas schiefgeht, wird eine Bergungseinheit hinterhergeschickt, die nicht wirklich erfolgreich ist (und deren Mitglieder hauptsächlich daran interessiert sind, daß ihre Mama stolz auf sie ist) und schließlich müssen die verantwortlichen Offiziere die Sache selbst in die Hand nehmen.
Wenn Sie sich mit einem verletzlichen, aber arrogant wirkenden, hochbegabten, alles und jeden herumkommandierenden, reichen, halbwüchsigen Kriminellen anfreunden können und Sie keine Abneigung gegen Technik hegen, dann bietet Ihnen Artemis Fowl eine unterhaltsame Lektüre.

Artemis’ Vater geht es besser. Hollys Magie hat ihm nicht nur geholfen wieder gesund zu werden, sie hat auch seinen Charakter beeinflußt. Er möchte er ein ganz normales Familienleben ohne Verbrechen führen. Artemis kann sich mit dem Gedanken an ein bürgerliches Leben noch nicht so ganz anfreunden und plant einen letzten genialen Coup. Er benutzt den mit Elfentechnologie entwickelten Minicomputer C Cube um John Spiro, den skrupellosen Chef einer der größten Computerfirmen der Welt, zu erpressen. Doch dieser hat nicht vor, sich von einem Dreizehnjährigen um seine Firma bringen zu lassen. Er will den C Cube und damit ist auch das Erdland in Gefahr. Captain Holly Short muß eingreifen.

– Artemis Fowl war beinahe zufrieden. Sein Vater sollte bald aus dem Universitätskrankenhaus in Helsinki entlassen werden. Er selbst freute sich auf ein leckeres – wenn auch recht spätes –
Mittagessen im En Fin, einem Londoner Fischrestaurant, und der Geschäftsmann, mit dem er verabredet war, mußte jeden Moment eintreffen. Alles lief nach Plan.-
Kapitel 1 Der Würfel

Auch der erneute Anfall von Arroganz zu Beginn des Romans kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß Artemis mit jedem Buch sympathischer wird. Obwohl er wieder dem Traum vom großen Geld nachjagt, lernt er recht schnell, daß Freundschaft mehr wert ist als alles Gold der Welt, auch wenn er noch so oft das Familienmotto zitiert: aurum potestas est – Gold ist Macht. Doch zunächst will er unbedingt seinen großen Coup landen, der jedoch nicht so genial ist wie Artemis glaubt. Sein Geschäft mit Spiro scheitert auf furchtbare Weise. Das hat fatale Folgen für seinen treuen Leibwächter Butler und die Bewohner von Erdland müssen ihre Entdeckung fürchten. Es kommt wieder zu gewalttätigen Szenen, die Colfer aber in bewährter Manier mit Witz und Ironie abmildert. Der Geheimcode (The Eternity Code) ist das komischste der drei Artemis-Bücher. Allerdings gilt auch hier, daß Kinder alt genug sein müssen, um die Ironie und das Augenzwinkern zu verstehen, mit denen Colfer seine Geschichte erzählt. Die Gewaltszenen sind für jüngere Kinder, die alles für bare Münze nehmen, was hier geschildert wird, zu heftig. Alle anderen dürfen sich köstlich amüsieren. Noch nie hat ein Autor so witzig beschrieben wie jemand lebendig begraben wird.
Neben Artemis und Holly spielt auch wieder Mulch Diggums eine wichtige Rolle. Er arbeitet mittlerweile für die Chicagoer Mafia. Diggums hat immer noch die Angewohnheit, im richtigen Moment Gas auszustoßen und die Tatsache, daß er seine Haut mit dicken Schichten Sunblocker zukleistern muß, weil er Sonnenlicht genauso gut verträgt wie ein Vampir, trägt auch nicht gerade zu seinem Wohlgeruch bei. Der Zentaur Foaly überwacht und dirigiert die Operation “Rettet Erdland”, bei der, wie gewohnt, ausgefeilte Technik und Hollys Magie zum Einsatz kommen und Butlers Schwester Juliet hat verschiedene Auftritte als weibliche Kampfmaschine.
Das Ende des Romans läßt auf eine Fortsetzung der Geschichte hoffen, allerdings weiß man nicht so recht, ob man sie sich wünschen soll, denn es hat den Anschein, als würde Artemis bald selbst zu seinem ärgsten Feind.

Endlich einmal ist in Erdland alles in Ordnung. Opal Koboi, die gefährliche Verbrecherin, liegt im tiefen Koma und stellt keine Bedrohung mehr dar. Artemis Fowls Gedächtnis wurde gelöscht, so dass auch er Erdland nicht mehr gefährlich werden kann. Captain Holly steht kurz vor einer Beförderung. Es ist zu schön, um wahr zu sein. Und tatsächlich: Opal Koboi täuscht ihre behandelnden Ärzte, sie liegt überhaupt nicht im Koma. Mittels eines Klons gelingt ihr die Flucht und sie will sich an allen rächen, die ihre Machtübernahme verhindert haben. Commander Root erteilt Holly den Befehl, Artemis vor der rachsüchtigen Opal zu retten. Bald wird klar, dass Holly nicht nur Artemis, sondern ganz Erdland retten muss, doch die Lage erscheint aussichtslos.

-Die Argon-Klinik war kein staatliches Krankenhaus. Niemand wurde dort kostenlos aufgenommen. Argon und sein Psychologenteam behandelten nur Unterirdische, die es sich leisten konnten.-
Kapitel 1 Völlig besessen – Argon-Klinik, Haven City, Erdland. Drei Monate zuvor.

Erneut müssen Holly und Artemis gemeinsam das Böse in Gestalt von Opal Koboi bekämpfen und wieder einmal wenden sie dazu ihre bewährte Mischung aus Methoden á la James Bond und Star-Trek-Besatzung an. Die Spannung kommt dabei nicht zu kurz. Der Leser muss mit dem Verlust einer beliebten Figur fertig werden, es gibt Bombenanschläge auf Artemis Leben und er und Holly müssen vor liebeswütigen Trollen fliehen – das ist nicht lustig.

Genau das ist das Manko des vierten Artemis-Fowl-Romans Die Rache (The Opal Deception), die Ironie und der Witz, die bisher für Colfers Geschichten so typisch waren, kommen nur höchst selten zum Zuge. Das ist schade, denn da auf diese Weise z.B. die gewalttätigen Einsätze Butlers nicht mehr ironisch gebrochen werden, kommen sie überhaupt nicht mehr vor und das wirkt, als ob Colfer diesen Roman mit angezogener Handbremse geschrieben hätte. Vielleicht hängt dies mit der großen Popularität der Artemis-Fowl-Geschichten zusammen, eventuell fürchtet man, daß Colfers bisherige Erzählweise auf jüngere Kinder gewaltverherrlichend wirkt, weil sie die Ironie nicht verstehen. Das ist eine ehrenwerte Vorgehensweise, aber sie nimmt der Story einen Teil ihres besonderen Charakters und macht aus Artemis Fowl – Die Rache einen “normalen” Fantasykrimi mit Science-Fiction-Anteil. Außerdem verdichten sich die Hinweise, dass Artemis dem Verbrechen völlig entsagen und sein Talent ausschließlich im Dienste des Guten ausüben will. Bitte nicht.

Artemis Fowl: Die verlorene Kolonie von Eoin ColferCaptain Holly Short ist alles andere als zufrieden mit ihrer Privatdetektei, die sie mit ihrem ehemaligen Gegner, dem verdauungswütigen Zwerg Mulch Diggums, betreibt. Seit sie die ZUP, die unterirdische Polizei von Erdland, verlassen hat, hat sie nur noch mit kleinen Fischen zu tun. Hollys Hilfe wird jedoch benötigt, als der Zeitstrom, in dem sich die Insel der Dämonen befindet, zusammenzubrechen scheint. Dadurch würden die Dämonen in alle möglichen Welten zerstreut werden. Unangenehm für die Erde, denn die Dämonen meinen, noch eine Rechnung mit der Menschheit offen zu haben, und das Auftauchen von Dämonen an der Erdoberfläche hat bereits begonnen …

-Holly Shorts Karriere als unterirdische Privatdetektivin entwickelte sich nicht wie geplant. Das lag vor allem daran, dass Erdlands beliebteste Fernsehshow in den letzten Monaten gleich zwei Sondersendungen über sie gebracht hatte. Es war nicht einfach, als verdeckte Ermittlerin zu arbeiten, wenn das eigene Gesicht dank der zahllosen Wiederholungen ständig über den Bildschirm flimmerte.-
Kapitel 2 – Doodah Day

Endlich ist er da, der neue Artemis Fowl, und kaum habe ich den fünften Band Die verlorene Kolonie (The Lost Colony) im Buchladen gesehen, habe ich direkt mein restliches Geld auf die Kasse gelegt und das noch recht frische Exemplar gekauft. Nun, direkt das erste Kapitel enttäuschte mich. Zu Anfang fühlt man sich an Kapitel Eins des ersten Fowl-Bandes erinnert: Artemis und sein stets wachsamer Leibwächter Butler halten sich in einer erhitzen, altertümlichen Stadt im Hochsommer auf – diesmal ist Barcelona dran, und zunächst können wir nichts weiter als mit Butler leiden: wir haben keine Ahnung, wovon Artemis spricht. Er “wartet auf etwas”, leider verschweigt er Butler schon die ganze Zeit über, worum es sich dabei handelt, und nach kurzer Zeit nervt dies schon. Es sorgt nicht sonderlich für Spannung, dass es einige Seiten lang so weiter geht. Und dann taucht aus einem Lichtstrahl plötzlich ein verdutzter Dämon auf, verschwindet wieder und reißt Artemis mit in einen Zeitenstrom. Butler kann Artemis nur mit Glück und großem Zufall retten. Zuvor aber reist Artemis mit dem Dämon durch die Zeit und trifft dabei kurz auch noch den berühmten Architekten Gaudí und hinterlässt seine Spuren an der Casa Milà. Das ist nicht witzig, finde ich, und Eoin Colfer hat dieses erste Kapitel wirklich vollkommen verbraten. Vor allem, da diese Zeitreise Artemis mehr als zufriedenstellt, aber Butler immer noch zu großen Teilen im Unklaren lässt.

Ab dem zweiten Kapitel findet Colfer wieder in die alten und geliebten Höhen seiner Fowl-Romane zurück, und das alte Gefühl ist wieder da. Zwischen Mulch und Holly besteht weiterhin eine Art Hassliebe à la Spock & McCoy aus Star Trek, und der folgende Teil des Buches bleibt weiterhin eine angenehme Mischung aus Spannung, High-tech und Sarkasmus, der schön über das Buch gestreut ist. Die alte Stimmung bleibt zum großen Teil erhalten. Doch storymäßig wackelt es stellenweise sehr. Eine Art weibliche Ausgabe von Artemis Fowl, die junge Minerva Paradizo, hat selbst etwas über die Welt der Dämonen herausbekommen und wünscht diese zu vernichten. Zwar ist die Auseinandersetzung zwischen ihr und Artemis spannend und interessant gestaltet, aber dennoch kommt uns all dies bekannt vor: noch ein hochbegabtes Kind, das in das Geschehen der Nichtmenschen eingreift. Es ist, als kämpfte der junge Artemis Fowl gegen sein nicht sehr originell gestricktes Spiegelbild.

Zudem ist wenig von dem alten, unsympathischen, fast abstoßenden Fowl übrig geblieben: diesmal handelt Artemis nur aufgrund seines “Gewissens”, es geht ihm nicht einmal um Geld. Das mag für Holly und ihre Konsorten erstaunlich und moralisch richtig wirken, doch die Figur wird dadurch eher weniger interessant. Artemis Fowl war immer ein Schlitzohr, ein bisschen Verbrecher steckte immer in ihm, selbst wenn er stets auf der Seite des Guten stand. Dieser Zwiespalt machte den gewissen Reiz von Artemis Fowl aus, der leider von Buch zu Buch immer weiter ausgemerzt wurde. Letztendlich scheint aus Artemis doch ein richtiger Held geworden zu sein. Ein Genie und verrückt vielleicht, aber dennoch ein gewissenhafter Held. Den Ganoven in ihm vermisst man hingegen sehr, der Irrsinn der Figur, ihr inneres Feuer, scheint erloschen. Dies war der Grund, warum ich das Geschehen um Holly und Butler viel lieber verfolgt habe als die Geschichte um Artemis und Minerva. Und ab dem dritten Viertel des Buches wird endgültig klar: das ist nicht mehr Artemis Fowl, wie man ihn kennt. Dass weiterhin Spannung herrscht und Eoin Colfers großartiger Humor wie immer zu begeistern weiß, ist nicht zu verleugnen. Aber wie schon gesagt: je näher das Buch auf sein Finale zusteuert, desto mehr geht die Fowl-Atmosphäre verloren.

Ein schlechtes Buch ist Artemis Fowl: Die verlorene Kolonie ganz bestimmt nicht. Aber das missratene Finale bringt ihm weitere Minuspunkte ein. Um dem Leser nicht die Spannung zu rauben, nehme ich keinen direkten Bezug auf den Inhalt. Insgesamt würde ich jedoch sagen: es war zuviel. Weniger wäre in diesem Falle mehr gewesen, Qualität hätte vor Quantität stehen müssen.
Artemis Fowl bleibt dennoch in meinen Augen eine gelungene Buchreihe, und auch den fünften Band habe ich sehr gerne gelesen. Er mag zwar gewisse Ecken und Kanten haben, von denen einige wirklich unsanft auffallen, aber dennoch war es eine Lektüre, die mich entspannt und zurück in eine andere Welt geführt hat, allein schon aufgrund Colfers humorsprühender, sarkastischer Sprache.
Ich hätte nicht mehr erwartet, sondern eher weniger Beliebigkeit, die in diesem Buch vorrangig ist.
Fans der Fowl-Reihe würde ich das Buch dennoch empfehlen, es ist wirklich nicht zu verachten. Doch die ungewohnten Neuheiten in Artemis’ Welt sind nicht einfach aufzunehmen.

Cover von Die Verschwörung von Eoin ColferCaptain Holly Short ist strafversetzt worden und muss jetzt einen Druckaufzugsschacht beobachten, der kaum benutzt wird. Ein total langweiliger Job – bis sie und ihr Kollege von Schmugglern angegriffen werden. Offensichtlich haben sich Menschen mit verbrecherischen Unterirdischen verbündet, mit den B’wa Kell, einer Art Kobold-Mafia. Holly hat sofort Artemis Fowl im Verdacht.
Doch den plagen im Moment ganz andere Sorgen. Es verdichten sich die Hinweise, dass die russische Mafia seinen Vater entführt hat.
Holly und Artemis schließen einen Vertrag…

-Im Alter von dreizehn Jahren wies unser Untersuchungsobjekt Artemis Fowl Zeichen einer Intelligenz auf, die größer war als die sämtlicher Menschenwesen seit Wolfgang Amadeus Mozart.-
Artemis Fowl: Ein psychologisches Gutachten, Die Jugendjahre

Artemis Fowl: Die Verschwörung (The Arctic Incident) ist noch tempo- und spannungsreicher als der erste Teil und ebenso humorvoll. Die Handlung ist so dicht, dass dem Leser kaum Zeit gelassen wird, Atem zu holen. Doch trotz aller Action, vernachlässigt Colfer nicht die Darstellung der Charaktere. Es wird immer deutlicher, dass Artemis durchaus nicht soooo skrupellos ist, wie er es selbst gern wäre. Zwar wird dem Leser noch vor dem Prolog mitgeteilt, dass er eine Reihe von Verbrechen begangen hat, aber im Roman benimmt er sich kooperativ, er steht auf der richtigen Seite und schließlich ist es bestimmt nicht ehrenrührig, seinen eigenen Vater aus der Hand von Entführern zu befreien. Über seinen Vater sagt Artemis übrigens mehrmals, dass er zwar einige illegale Dinge getan hat, aber trotzdem ein Ehrenmann ist. Es sieht ganz so aus, als ob die männlichen Mitglieder der Familie Fowl sich langsam aber sicher zu edlen Verbrechern á la Robin Hood entwickeln.
Sogar Holly, die ja bisher glaubte, alles Übel in der Welt käme von Artemis Fowl, entdeckt an dem Jungen einige positive Charakterzüge.

Wieder dabei sind auch der kampferprobte Butler, der harte aber herzliche Commander Root, Zentaur Foaly, den sein Humor auch in der prekärsten Situation nicht verlässt, die Offiziere Kelp, die leider nur kurze Auftritte haben und Meisterdieb Nummer 2 Mulch Diggums, der seine Umwelt immer noch mit seinen Abgasen belästigt.

Arthur Spiderwick's Field Guide von Holly Black und Tony DiTerlizziArthur Spiderwick legt – in der Hoffnung auf eine Veröffentlichung – sein wissenschaftliches Werk zur Klassifizierung und Bestimmung von Fabelwesen vor. Mit bunten Farbtafeln und erläuternden Texten werden Pixies, Boggarts, Elfen, Nixen, Kobolde und vieles mehr beschrieben. Zeitungsausschnitte, nachträgliche Notizen und weitere Materialien ergänzen den Band.

– Dear Sir or Madam,
I began the book you see before you many years ago, after my brother was killed and devoured, before my very eyes, by a troll. –

Arthur Spiderwick’s Field Guide (Arthur Spiderwicks Handbuch für die fantastische Welt um dich herum) ist Teil des (inzwischen auch verfilmten) Spiderwick-Franchises, zu dem sich im Buchhandel Notizbücher, zig kleine Zusatzbände und dergleichen mehr stapeln. Der Field Guide sticht aus dieser Fülle angenehm hervor, denn er ist mitnichten nur für Fans oder jugendliche Leser interessant, sondern kann auch als eigenständiges fiktives Forscherhandbuch punkten – und zwar als eines der überzeugendsten, die sich finden lassen: Die Fiktion des wiederentdeckten, wiederhergestellten alten Notizbuches wurde von der ersten bis zur letzten Seite erhalten, die opulente Gestaltung zeugt vom Bemühen um eine authentische Präsentation. Selbst die Verlagsinfos und die Werbung für weitere Bücher aus der Spiderwick-Reihe sind stilvoll angepasst, und am Ende steht sogar eine Erklärung, wie und warum Arthur Spiderwicks Aufzeichnungen, die ja als handgeschriebener, wiederaufgetauchter Dachbodenschatz eingeführt werden, von Tony diTerlizzi und Holly Black für eine Massenproduktion aufbereitet wurden.

Die Geschichte, die zwischen den Zeilen in Zeitungsausschnitten, ‘handschriftlichen’ Ergänzungen und anderen Hinweisen erzählt wird, ist ein Kernstück der Spiderwick-Geschichten, allerdings ist sie hier eher Nebensache, denn inhaltlich schlägt der Band mit der Vorstellung verschiedener Feen- und Fabelwesen in dieselbe Kerbe wie Brian Frouds World of Faerie oder Von Elfen, Goblins, Spukgestalten (BrianFroud/AlanLee): Es werden vor allem die Wesen der englisch-keltischen Sagenwelt vorgestellt, Goblins, Boggarts, Banshees und so weiter (Schauplatz sind allerdings die USA). Sobald man sich von den Hausgeistern weiter wegbewegt, wird aber auch der Bezugskreis größer, so dass man auch Phoenix, Einhorn und Konsorten im Field Guide finden kann – mit wissenschaftlicher Akkuratesse auf ein realistisches Maß reduziert, klassifiziert und genauestens beobachtet. Tony diTerlizzi und Holly Black haben dabei eine beeindruckende Balance gefunden, die phantastischen Inhalte mit der wissenschaftlichen Präsentation zu verbinden, die das Spannungsmonent des Field Guide darstellt und ihn von vergleichbaren Werken abhebt.

Optisch macht das Buch einiges her: äußerlich ist es mit Lesebändchen und einem wunderschön gestalteten Einband versehen (unbedingt mal den Schutzumschlag abnehmen!), während sich im Inneren Beschreibungen und Bilder abwechseln. Manchmal sind es Bleistiftskizzen, aber zu jedem Wesen gibt es auch mindestens eine wissenschaftlich aufbereitete Farbtafel, bei einigen der größeren Tiere sogar zum (mehrfachen) Ausklappen – Maßstabsangaben sind nämlich immer dabei (hier einige Beispielseiten). Sind es bei den Hausgeistern vor allem noch die kleinen Details und Ideen, die bestechen – der Federball-Feudel eines Brownie zum Beispiel – macht an den größeren Wesen die realistische, detaillierte Ausgestaltung Freude, in die mit Sicherheit einiges an Überlegung geflossen ist, welche biologischen Grundlagen man dem ein oder anderen Fabelwesen verpassen könnte. Die gedeckten Farben, die Anmutung alten Papiers und die teils skurrilen Bilder wirken dabei zu einem überzeugenden Ganzen zusammen, farbenfrohe Wasserfarbenbilder der jeweiligen Umgebung setzen Kontraste.
Besonders gelungen sind neben den kleinen Hausgeistern der charmant grinsende Phooka, die insektoiden und floralen Kobolde, die zähneklauenden (Hob)goblins und die Meerjungfrauen (auch wenn hierbei anders als beim Rest Details zur Beobachtungssituation fehlen), wohingegen der Kelpie – vielleicht der doch eher unter jungen Lesern vermuteten Zielgruppe geschuldet – nicht sonderlich gruslig geworden ist.

Um dem Anspruch des wissenschaftlichen Werks zu genügen, den Arthur Spiderwick im Vorwort an sich stellt, dürfen (meist alberne) lateinische Namen und eine Einordnung in eine kunterbunte zoologische Taxonomie nicht fehlen, des weiteren gibt es Abschnitte über die Ausrüstung angehender Fabelwesen-Forscher und unterwegs immer wieder die fürs Märchenreich so bedeutsamen Verhaltensregeln. Eine von diTerlizzi und Black zusammengestellte, recht umfangreiche Literaturliste schließt den Field Guide ab – ein rundes, handwerklich absolut überzeugendes Werk, das in die erste Reihe der literarischen Mockumentaries gehört und unbedingt einen Blick wert ist, selbst wenn man mit den Spiderwick-Büchern nichts am Hut hat.

Arthur Spiderwicks Handbuch für die fantastische Welt um dich herum von Holly Black und Toni DiTerlizziArthur Spiderwick legt – in der Hoffnung auf eine Veröffentlichung – sein wissenschaftliches Werk zur Klassifizierung und Bestimmung von Fabelwesen vor. Mit bunten Farbtafeln und erläuternden Texten werden Pixies, Boggarts, Elfen, Nixen, Kobolde und vieles mehr beschrieben. Zeitungsausschnitte, nachträgliche Notizen und weitere Materialien ergänzen den Band.

Zu Arthur Spiderwicks Handbuch für die fantastische Welt um dich herum liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Ash

Ash von Malinda LoAisling, genannt Ash, wächst wohlbehütet in dem Landhaus ihrer Eltern auf, bis ihre Mutter eines Tages sehr plötzlich erkrankt und stirbt. Der Vater bringt wenig später eine neue Ehefrau samt zweier Stiefschwestern nach Hause. Als kurz darauf auch Ashs Vater stirbt, bleibt das Mädchen mit ihrer Stiefmutter und den Stiefschwestern alleine zurück und wird zur Dienstmagd erklärt, die die angeblichen Schulden ihres Vaters abarbeiten soll. Den einzigen Trost in diesem traurigen Leben bietet ihr die Welt der Feen und Geister.

– Aisling’s mother died at midsummer. She had fallen sick so suddenly that some of the villagers wondered if the fairies had come and taken her, for she was still young and beautiful. She was buried three days later beneath the hawthorn tree behind the house, just as twilight was darkening the sky. –
Part One, The Fairy, S. 1

Ash ist der Versuch, das allseits bekannte Märchen von Aschenputtel neu aufzugreifen und mit alten Mythen und Legenden zu verknüpfen. Im ersten Moment erwartet man daher eine neuartige Aschenputtel-Geschichte und es gibt sie tatsächlich, die Parallelen, doch die Ausarbeitung enttäuscht und vermag letzten Endes leider nicht zu überzeugen. Während der Sprachstil dieses Romans eigentlich recht flüssig und malerisch daherkommt, wird die Story durch langweilige Nebenerzählungen zu einem zähen Gemisch von Mythen, dem Dahinvegetieren eines depressiven Teenagers und immer wieder eingeworfenen Anekdoten aus der Feenwelt, die so gar nichts Magisches oder Märchenhaftes an sich haben.

Wie schon in anderen Büchern, die versucht haben, eine Brücke zwischen Feenland und unserer Welt zu schlagen, wird die Melancholie der Protagonisten zu einem Stolperstein und so zieht sich in diesem kurzen Roman die Handlung unendlich langsam und belanglos dahin. Malinda Lo schafft es trotz ihrer Bemühungen nicht, diesem alten Märchen neues Leben einzuhauchen, trauriger noch, sie schafft es nicht einmal das Märchen zu bewahren und erzählt schlicht in leicht abgewandelter Form nach, ohne den Zauber transportieren zu können. Obwohl das Buch kaum 300 Seiten zu bieten hat, kommt es bis zum Schluss nicht in Fahrt und dümpelt entsprechend träge vor sich hin.

Auch die Charaktere vermögen den Leser nicht zu fesseln. Sie sind blass und oberflächlich gezeichnet, ihre Motivationen und Reaktionen wirken oft unglaubwürdig oder einfach nur unüberlegt, manchmal geradezu nervtötend dumm. Was ihnen fehlt, ist ein wenig Tiefgang und Dynamik. Ash wirft einmal mehr die Frage auf, weshalb Feen in solchen Büchern derart bewundert werden, wie sie als fröhliches, feierndes Volk bezeichnet werden können und gleichzeitig so entsetzlich motivations- und freudlos dargestellt werden. Es spricht ja nun nichts gegen einen ruhigen Erzählstil, doch in diesem Fall hat es die Autorin mit der Ruhe etwas zu gut gemeint.

Einen Versuch, Innovation zu zeigen, unternimmt die Autorin, indem sie das typische Aschenputtel-trifft-Prinz in ein Aschenputtel-trifft-Prinzessin umwandelt. Für einen Jugendroman zumindest mal ein etwas ungewöhnlicherer Ansatz und sicherlich auch positiv zu bewerten, wenn es darum geht, dadurch die Aufgeschlossenheit junger Leser gegenüber gleichgeschlechtlicher Liebe zu fördern. Aber auch dieser Aspekt bleibt wieder ohne atmosphärische Ausarbeitung und reiht sich unauffällig in die allgemein blasse Erzählung ein.
Sehr schade, denn die Idee klingt beim Lesen des Klappentextes erst einmal verlockend und auch die wirklich schöne Aufmachung des Buches ließ Großes hoffen, so jedoch eignet sich Ash lediglich als optisches Schmankerl im Buchregal.

Ash von Malinda LoAisling, genannt Ash, wächst wohlbehütet in dem Landhaus ihrer Eltern auf, bis ihre Mutter eines Tages sehr plötzlich erkrankt und stirbt. Der Vater bringt wenig später eine neue Ehefrau samt zweier Stiefschwestern nach Hause. Als kurz darauf auch Ashs Vater stirbt, bleibt das Mädchen mit ihrer Stiefmutter und den Stiefschwestern alleine zurück und wird zur Dienstmagd erklärt, die die angeblichen Schulden ihres Vaters abarbeiten soll. Den einzigen Trost in diesem traurigen Leben bietet ihr die Welt der Feen und Geister.

– Aislings Mutter starb mitten im Sommer. Sie war so plötzlich erkrankt, dass im Dorf schon gemunkelt wurde, die Feen hätten sie geholt, denn sie war noch jung und schön gewesen. Drei Tage später, bei Anbruch der Abenddämmerung, wurde sie unter dem Rotdornbaum hinter dem Haus beerdigt. –
Prolog, S. 7

Zu Ash liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Avempartha von Michael J. SullivanDie naive Bauerntochter Thrace bittet Hadrian und Royce um Beistand: Ihr Dorf wird von einem Ungeheuer heimgesucht, dessen nächtliche Angriffe schon zahlreiche Menschenleben gefordert haben. Die einzige Waffe, mit der es besiegt werden kann, soll in der verlassenen Elfenfestung Avempartha verborgen sein – doch dorthin ist seit Jahrhunderten niemand mehr vorgedrungen. Schnell stellt sich heraus, dass hinter dem Hilferuf in Wahrheit der Zauberer Esrahaddon steckt, der eigene Gründe hat, nach Avempartha gelangen zu wollen. Aber auch die Kirchenoberen haben Interesse an den Vorgängen und gedenken, sie im Sinne ihrer Machtambitionen auszuschlachten …

– They stood very near the ridge of the cataract and could see the white mist rising from the abrupt drop like a fog. Out in the middle of the river, at the edge of the falls, a massive shelf of bedrock jutted out like the prow of a mighty ship that ran aground just before toppling over the precipice. On this fearsome pedestal rose the citadel of Avempartha. –
(Chapter 5 – The Citadel)

Michael J. Sullivans Konzept, seine epische Geschichte in mehreren in sich abgeschlossenen Episoden zu erzählen, geht auf: Avempartha hat zwar seine Schwächen, aber es sind nicht die eines klassischen Übergangsbands. Das Abenteuer um den Kampf gegen den drachenähnlichen Gilarabrywn funktioniert durchaus auch als Einzelbuch, obwohl natürlich einige Handlungsstränge aus The Crown Conspiracy ihre Fortsetzung finden. Manch ein Rückbezug bringt einen dabei zum Schmunzeln (so entdecken die Helden etwa ein Theaterplakat, das ein Stück über ihre im Eingangsband der Reihe geschilderten dramatischen Erlebnisse anpreist).

Ein Übermaß an Originalität darf man auf der Plotebene nicht erwarten. Es kommen wieder zahlreiche altbekannte literarische Motive zum Einsatz, allen voran der Herrschaftserwerb im Drachenkampf, wobei dieses Element recht gelungen mit der ebenfalls gängigen Vorstellung verknüpft ist, dass die Überwindung eines Ungeheuers Heiligkeit und Gottesnähe beweist. Auch die klassische Entführung (mehr als) einer damsel in distress durch den Drachen darf natürlich nicht fehlen, nimmt aber immerhin eine ganz erfrischende Wendung. Für den Leser amüsant ist die innerhalb der Geschichte eher beklemmende Tatsache, dass die schurkischen Kirchenleute mit solchen Erzählkonventionen bestens vertraut sind und sie zu ihren Gunsten auszunutzen verstehen.

Die Antagonisten sind jedoch nicht die einzigen, die in Avempartha an Profil gewinnen. Sullivan entwickelt seine Charaktere nach wie vor mit viel Verständnis und gelegentlich auch mit unterschwelligem Humor. Besonders der ambivalent gezeichnete Zauberer Esrahaddon ist mit seinem fortdauernden Kampf gegen die Tücken der modernen Sprache und seiner Selbstironie für einige Lacher gut. Manch eine Entwicklung kommt nicht weiter überraschend (so ahnt man z.B. schon seit dem ersten Band, worin Royces hier enthülltes großes Geheimnis besteht), aber die lockeren Frotzeleien des Heldenduos und die unbedarfte Entschlossenheit, mit der die rebellische Prinzessin Arista wieder einmal durch jedes Klischee stiefelt, sind so unterhaltsam, dass man ein gewisses Maß an Vorhersehbarkeit gern in Kauf nimmt.

Auch der Weltenbau ist vertrauten Mustern verhaftet: Sullivan schildert weiterhin ein typisches Pseudomittelalter. Vor allem die seit Jahrhunderten versiegelte Elfenfestung Avempartha bietet genau das, was man von einem solchen Gebäude erwartet, von wundersamen Artefakten über magische Kraftorte bis hin zu düsteren Spuren älterer und neuerer Tragödien. Was allzu gewohnt und daher langweilig sein könnte, funktioniert erstaunlich gut, denn wie im Falle der Figuren gelingt es dem Autor, einen emotional anzusprechen und eine Art nostalgisches Lesegefühl zu erzeugen, das eher von erfüllten Erwartungen als von ihrer heute schon allgegenwärtigen ironischen Brechung getragen wird.

Störend sind allerdings die zahlreichen Tippfehler, die sich eingeschlichen haben; gerade bei einem für Fantasyverhältnisse recht kurzen Roman in überwiegend schnörkelloser Sprache sollte man eigentlich annehmen dürfen, dass das Korrekturlesen nicht zu viel Mühe bereitet und dementsprechend gründlich erfolgt.

Banewreaker von Jaqueline CareySeit Jahrhunderten haust der dunkle Herrscher Satoris in seiner Festung Darkhaven und brütet Armeen von Fjelltrollen und Weren aus, um die freien Völker zu versklaven. Aber eine Prophezeiung des Ersten Schöpfers Haomane besagt, daß Satoris vernichtet werden kann. Eine Verbindung zwischen Ellyl und Menschen ist der erste Punkt der Prophezeiung, und so planen Cerelinde, die schöne unsterbliche Herrin der Ellylon, und Aracus, der vertriebene König des Westens, zu heiraten, um die Erfüllung in die Wege zu leiten. Satoris, der sich seinem rachsüchtigen Bruder ewig widersetzt, versucht die Hochzeit zu verhindern und schickt seine drei Marschälle Tanaros, Vorax und Ushahin hinaus in die Welt. Er ficht einen verzweifelten Verteidigungskampf.

-The place was called Gorgantum.
Wounded once more, he fled there, and having fled, seethed. It was not a defeat, not wholly.-
Prologue

Wo andere Autoren sich damit begnügen, Tolkien-Epigonen zu sein, nimmt Jacqueline Carey im zweibändigen Epos The Sundering den Herrn der Ringe und Das Silmarillion auf, um mit den Themen und Aussagen Tolkiens zu arbeiten, mit seinen Figuren, seiner Weltschöpfung und seiner Interpretation von Gut und Böse. Wer Tolkien begeistert gelesen hat und sich schon lange eine Geschichte mit ähnlicher epischer Breite und mythologischem Hintergrund wünscht, wird bei The Sundering fündig werden. Vieles ist direkt entliehen, etwa die (ähnlichen) Namen und Aufgabenbereiche der der sieben Schöpfer, die ganz verdächtig Tolkiens Valar ähneln, genauso wie Carey ihre Ellylon auch gut und gerne als Elben hätte bezeichnen können. Auch sprachlich macht Carey bei ihrer Hommage eine gute Figur und beherrscht den epischen Stil, ohne ins Überkandidelte abzugleiten. Einen zweiten Herrn der Ringe hat sie allerdings trotzdem nicht erzählt.
Denn – und jetzt wird’s interessant – auch LeserInnen, die mit Tolkiens extremer Schwarz-Weiß-Malerei schon immer auf Kriegsfuß standen, die sich längst gefragt haben, ob Morgoth oder Sauron nicht doch nur Rebellen waren, und nicht die Verkörperung des absolut Bösen, bekommen hier eine interessante Variante der Geschichte aufgetischt. In erster Linie schaut man nämlich in Banewreaker (Der Herr der Dunkelheit) den überall anerkannten Bösewichten über die Schulter. Die alte Leier von Gut und Böse wird verdreht und undurchsichtig, wenn man sich plötzlich auf der Seite des großen Übels der Welt wiederfindet.

Haomane, der erstgeborene Schöpfer, der für Vernunft und rationales Denken steht, läßt seine Anhänger, die “guten” freien Völker, im besten Glauben gegen den ausgewiesenen Obermotz Satoris – einst ebenfalls einer der sieben Schöpfer, doch längst aufgrund seiner Widerspenstigkeit in Ungnade gefallen – in den Krieg ziehen, und das schon seit Jahrhunderten. Satoris, der für Leidenschaft und die fleischliche Zeugung von Leben steht, wird als mächtige, düstere Kreatur gezeichnet, die ein immerwährender Schmerz plagt und für die Rebellion gegen seinen Bruder bitter büßen muß. Verzweifelt kämpft er dagegen an, das zu werden, was die Welt in ihm sieht. Der Ansatzpunkt ist somit ein ganz anderer als bei Tolkien (und dem Großteil seiner Nachfolger).

Man verfolgt durchaus auch die Machenschaften der “guten” Seite, die sich voll im Recht fühlt, das Land vom Zerstörer zu befreien. Carey schafft dabei auf beiden Seiten faszinierende und sehr menschliche Charaktere (auch wenn eine ganze Reihe davon quasi-unsterblich ist, als würde man bei Tolkien nicht die Hobbits, sondern die Herren und Zauberer als Identifikationsfiguren anbieten), die Düsterlinge liegen ihr aber eindeutig mehr. Was durch diesen verwirrenden Standpunkt allerdings komplett wegfällt, ist das Böse. Widerlinge gibt es hier nicht, und alle Charaktere, egal welcher Fraktion, haben eine edle Seite, sie sind höchstens einmal starrköpfig und uneinsichtig oder verletzt an Körper und Geist – aber abgesehen von diesem immerwährenden Konflikt scheint die Welt Uru-alat von Schlechtigkeit relativ frei zu sein. Der dichte Reigen von Ereignissen mythischer Dimension verhindert allerdings, daß man vom Alltag der Welt (und ihrer etwaigen alltäglichen Schlechtligkeit) bis auf wenige Ausnahmen viel mitbekommt.

Ein wenig leidet die Intensität des Romans unter der Fülle von Figuren – man hätte sich gewünscht, ein wenig länger bei den Einzelnen verweilen zu können, statt gleich wieder zum nächsten aus der Riege überzugehen.
Dennoch ist Banewreaker ein großes Lesevergüngen für Fans von klassischer Fantasy. Wo es nötig ist, beherrscht Carey die epische Breite und hochtrabende Sprache und fängt so die Atmosphäre der mythischen Umwälzung der Welt sehr gut ein. Dabei bietet sie mehr Stoff zum Nachdenken – auch über die Konventionen der tolkienesken Fantasy – als ein weiterer Tolkien-Abklatsch, denn es wird deutlich, dass sie sich  ausführlich mit den Themen auseinandergesetzt und sie zu etwas Neuem verarbeitet hat. Die Vielzahl der verdrehten Anspielungen auf Tolkien zu entdecken, ist dabei noch das kleintse Vergnügen, das die Lektüre bereiten kann.

Cover des Buches "Im Bann der Sturmreiter" von Cecilia Dart-ThorntonBeim Turm der Sturmreiter, die auf ihren geflügelten Pferden Nachrichten und kostbare Güter überbringen, wird ein entstelltes und stummes Wesen gefunden, und als einer der untersten Bediensteten aufgenommen. Als er erfährt, dass es in der Hauptstadt weit weg eine Heilung für seine Entstellungen geben könnte, flieht er auf einem Luftschiff und wird von Sianadh, einem halb-verrückten Piraten, gerettet.
Sianadh verrät dem Jugendlichen, der sich an nichts aus seinem Leben erinnern kann, ein großes Geheimnis und gibt ihm einen Namen: Imrhien. Doch die unberührte Wildnis, durch die sie sich schlagen müssen, ist genau so heimtückisch und gefährlich, wie es die Geschichten berichten. An jeder Ecke lauern üble Wesen…

-Der Regen war ohne Anfang und ohne Ende, ein unentwegtes Klopfen wie das Getrommel von ungeduldigen Fingern. Das Geschöpf kannte nur den Klang des Regens und das Rasseln seiner Atemzüge. Es wußte nichts über sich selbst, hatte keine Ahnung, wie es hierhergekommen war.-
Prolog

Cecilia Dart-Thornton breitet in diesem Roman ein pittoreskes Panorama vor den Augen ihrer Leser aus, das alles enthält, was den Freunden der Fantasy Freude macht.
Imrhien, ein Geschöpf mit entstelltem Gesicht, trifft auf seiner Suche nach Heilung auf Elfen, Wichtel, Kobolde, Geister, Wasserfrauen, Trolle, Seelies und Unseelies, Glastyns, einen Magier und Heilerinnen und nur selten ist einer von ihnen Imrhien wohl gesonnen. Dieses Szenario sorgt für Spannung und gute Unterhaltung, vor allen Dingen auch dann, wenn die Helden nicht ihre Muskelkraft, sondern ihr Köpfchen gebrauchen müssen, um einer Gefahr zu entrinnen. Es gibt eine köstliche Episode, in der einer von Imrhiens Freunden sich ein Reimduell mit einem Kobold liefert, bei dem es darum geht, wer von beiden das letzte Wort hat.

Ihre Inspiration hat Cecilia Dart-Thornton vor allem aus keltischen Sagen, aber auch aus der Odyssee, den Märchen der Brüder Grimm und vielleicht auch bei Rowling geschöpft oder die beiden Damen haben zufällig eine gemeinsame Vorliebe für das Schachspiel.
Aber während die Autorin bei der Darstellung der übernatürlichen Wesen aus dem Vollen geschöpft hat, hat sie die Ausarbeitung von Imrhiens Charakter ein wenig vernachlässigt. Das liegt auch daran, dass Imrhien das Gedächtnis verloren hat, nichts über sich weiß und sogar eine ganze Weile ohne Namen ist. Man denkt unwillkürlich an Quasimodo, den Glöckner von Notre Dame, denn ebenso wie er ist Imrhien ein entstelltes, von anderen gequältes Geschöpf, das unglücklich, aber sensibel ist und trotz mangelnder Bildung intelligent und von schneller Auffassungsgabe. Daher erwartet man einen in eine Fantasygeschichte gekleideten Entwicklungsroman. Aber in diesem ersten Band macht Imrhien noch keine charakterbildende und -verändernde Entwicklung durch, sondern schöpft eigentlich nur das Persönlichkeitspotential aus, das von Anfang an gegeben ist.

Blade of Tyshalle Matthew Woodring StoverHari Michaelson tritt nicht mehr als Caine auf. Seit seinem letzten Abenteuer auf Overworld hat er einen Posten beim Studio, und dort sitzt er – von der Hüfte abwärts gelähmt – seine Zeit ab, entfremdet von sich selbst und seiner Frau. Die Studio-Bosse haben allerdings Pläne, die weit über die bisherigen Eingriffe auf Overworld hinausreichen, denn wartet dort nicht eine neue Welt, die alle Ressourcen bietet, die die Menschheit bereits verbraucht hat?
Hari und seine Frau Shanna, auf Overworld die Flussgöttin Pallas Ril, wollen nicht tatenlos zusehen, ahnen aber nicht einmal, wie mächtig die Feinde sind, die sie sich auf der einen und der anderen Welt gemacht haben. Sie warten nur auf ihre Gelegenheit …

-A tale is told of twin boys born to different mothers.
One is dark by nature, the other light. One is rich, the other poor. One is harsh, the other gentle. One is forever youthful, the other old before his time.
One is mortal.-
Zero

Heroes Die, das erste Abenteuer des Schauspielers Hari Michaelson, der als Caine zum Fantasyhelden in einer Parallelwelt wird, definierte 1998 die Sword & Sorcery neu. Der Nachfolger Blade of Tyshalle sprengt Genregrenzen und überschreitet auch alle anderen Grenzen, auf die er im Laufe von knapp 800 klein bedruckten Seiten stößt.
Die Handlung könnte man zunächst als zweiten Aufguss von Heroes Die verstehen: Protagonisten, Antagonisten und der Konflikt ähneln sich, doch das Spiel mit Schauspieler und Publikum, mit der Geschichte und ihrer Verquickung mit den Rezipienten, das den ersten Band bestimmt, wird von einer breiteren Thematik abgelöst: Die Erde hat entdeckt, dass sich das von sogenannten Elfen und Zwergen bewohnte Overworld (diese Volksbezeichnungen sind ähnlich pejorativ zu verstehen wie in unserer Geschichte etwa “Rothäute”) noch viel direkter ausbeuten lässt als nur als Abenteuerspielwiese für Reality Shows. Vor allem aber ist Blade of Tyshalle größer, epischer, die Abgründe klaffen tiefer, es steht mehr auf dem Spiel, es wird mehr gelitten (oh, was wird zwischen diesen Buchdeckeln gelitten), und es gibt mehr zu bestaunen.

Statt nur Caine und hin und wieder einigen Nebendarstellern gibt es nun eine ganze Riege wichtiger Figuren; statt vorrangig auf einer Welt zu spielen, gibt es zwei Schauplätze, die nicht unterschiedlicher sein könnten: das magische Overworld kommt diesmal weit über eine bloße Kulisse hinaus, weite Teile des Romans spielen jedoch auch auf der zukünftigen Erde, in einer dystopischen, gnadenlosen Kastengesellschaft, in der nur Dinge weitergedacht wurden, die im Ansatz bereits vorhanden sind – Medienmacht, Reichtum, der bei einigen wenigen im Hintergrund bleibenden Mächtigen gebündelt ist, eine hoffnungslose Unterschicht und eine starke Polizeimacht, die dieses (anti-)soziale Gefüge zusammenhält. Stovers Gesellschaftskritik umschließt sowohl das große Ganze als auch kleine Details, wenn man von Einzelschicksalen in diversen Schichten erfährt oder das klassische Motiv des in einem solchen System gefährlichen gedruckten Buches zur Sprache kommt.
Da das Regime nun auch nach dem vergleichsweise idyllischen (wenn auch von paradiesischen Zuständen weit entfernten) Overworld lechzt, kann es seine ganze Brutalität in Form von Kolonialismus auch dort ausspielen, wo zwar keine Technik, sondern nur Magie funktioniert, indem es auf bewährte, alte Methoden zurückgreift, die schon den europäischen Konquistadoren gute Dienste geleistet haben.

Nietzsche, Heinlein und Howard, die innerhalb des Textes und in der Widmung genannt werden, zeigen die Eckpunkte für das auf, was dann als Reaktion folgt.
Trotz großer Figurenriege ist Blade of Tyshalle ein Buch Caines. Die Figur wird demontiert, filetiert sogar: Hari Michaelson/Caine (der noch viele weitere Namen bekommt und auch das Verhältnis zwischen seinen Persönlichkeiten ausloten muss) ist die Sorte Held, die erst ganz unten sein muss – und bei einem zähen Burschen wie ihm geht es verdammt weit nach unten – bis er wieder aufsteigen kann. Der Caine aus Heroes Die, der jede Situation im Griff hat, blitzt nur kurzzeitig auf, etwa dann, wenn er sich wie sein Vorgänger Conan auf einem Thron wiederfindet, ein Heer von Untertanen vor sich, obwohl er nicht zum Herrschen geschaffen ist und sein Fall bereits feststeht. Wenn man meint, aufgrund der Rückblenden in Blade of Tyshalle seine Biographie zu kennen, nimmt man Caine auch den fließenden Wechsel zwischen der Fäkalsprache des Slums seiner Herkunft und komplexen philosophischen Betrachtungen ab. Und am Ende wird man feststellen, ihn doch nicht gekannt zu haben.

Himmel und Erde werden in Blade of Tyshalle in Bewegung gesetzt, die Konflikte nehmen olympische Dimensionen an, existentialistische Philosophie steht neben knallharter Action, bluttriefender Brutalität und erhebenden, in beeindruckende Worte gefassten Momenten.
Die Grausamkeiten, die im Vorgängerband eigentlich schon eine Nummer zu groß waren, werden mit Links überschritten, Stover bedient sich hier klar aus der Effektschublade des Horrorgenres. Statt Sex und Gewalt gibt es nur Gewalt, denn brutaler Sex ist für Stover noch weniger als Gewalt ein Selbstzweck, sondern immer ein Machtmittel. Jedem Leser und jeder Leserin, die unappetitlichen Körperflüssigkeiten und Beschreibungen, bei denen man nur die Zähne zusammenbeißen und hoffen kann, sie mögen bald vorüber sein, lieber aus dem Weg gehen, kann man von der Lektüre nur abraten. Diese Szenen sind nicht nur um des Effekts willen vorhanden – extrem sind sie trotzdem.
Gerechtfertigt sind sie, wenn man so will, durch die extremen Themen, die Stover beackert: Wie in Blade of Tyshalle die Mechanismen der Adiaphorisierung und der Amoral der Massen greifbar gemacht und ins Zentrum der Handlung eines Fantasy-Romans gerückt werden, dürfte ein einzigartiges Meisterstück sein.

Die philosophischen Betrachtungen und Belastungstests der Ethik spielen sich nicht nur im Hintergrund ab, auch wenn Stover stark mit Leitmotiven arbeitet und seinen lebendigen, atemlosen Erzählstil beibehalten hat. Hinzu kommt ein Spiel mit der Erzählsituation des Romans und der Mythologisierung des Geschehens – wenn man sich also durchbeißen kann (durch die komplexe Thematik und die Brutalität) gibt es zum Ausgleich eine Ästhetik, die Ihresgleichen sucht. Die Sword & Sorcery wird in Blade of Tyshalle damit auf eine andere Ebene gehievt: Sie ist ein Erzählmodus, der den Rahmen für eine Geschichte vorgibt, die an allen Ecken und Enden aus ihrer Handlungsebene herausquillt.

Zu einem solchen monströsen Leviathan von einem Buch kann es auch nur ein persönliches Schlusswort geben: Mit Blade of Tyshalle hat Stover hoch gezielt, und es gibt allerlei Gründe, die dafür sprechen, dass er grandios gescheitert ist, dass man ein überambitioniertes, aus dem Ruder gelaufenes Projekt vor sich hat. Blade of Tyshalle ist vielleicht auch einer der Gründe, weshalb Stover trotz seiner innovativen, literarischen Romane nicht in einem Atemzug mit Steven Erikson genannt wird. Für mich ist Blade of Tyshalle dennoch ein großer Wurf, ein in allen Belangen beeindruckendes, erschlagendes Buch, das ich öfter als alle anderen aus dem Regal nehme. Und wer ein Nachwort verfassen kann, wie es in Blade of Tyshalle zu finden ist, darf vorher meinetwegen auch so oft “fuck” schreiben, wie er will.

Blood and Iron von Elizabeth BearIm New York der Gegenwart verfolgt Matthew der Magier, ein Mitglied des Prometheus-Clubs, die „Sucherin“ der Feenkönigin, die für ihre Herrin Kinder ins Feenreich entführt. Er zieht zwar im Kampf den Kürzeren, doch die Vorherrschaft der Menschen mit ihrem kalten Eisen ist besiegelt. Allerdings taucht ein begnadeter Magier auf – ein sogenannter Merlin – der das Gleichgewicht verschieben und den Konflikt beenden könnte. Sowohl Feen als auch Magier machen sich auf die Suche nach dem Merlin, um seine Gunst zu gewinnen. Die Sucherin, die durch grausame Bande an die Feenkönigin gebunden ist, und Matthew werden dabei in einen Strudel aus uralten und immer wieder neuen Ereignissen gerissen.

-Matthew the Magician leaned against a wrought iron lamppost on Forty-second Street, idly picking at the edges of his ten iron rings and listening to his city breathe into the warm September night.-
Chapter 1

Das Spannungsfeld zwischen modernem Großstadtleben und archaischer Märchenwelt bedient mittlerweile ein ganzes Genre mit Stoff, in dem gefährliche Vampire und Werwölfe auf toughe Frauen von nebenan stoßen oder abgerissene Detektive übernatürliche Fälle lösen müssen. Der Fokus liegt in der heutigen Urban Fantasy aber nur selten auf dem Wunderbaren, das einerseits nahtlos in den modernen Alltag eindringt und andererseits nicht seiner ureigenen Atmosphäre beraubt wird – wenn das geschieht, heißt der Autor mit großer Wahrscheinlichkeit Neil Gaiman oder Peter S. Beagle.
Elizabeth Bear könnte mit ihrer Promethean Age-Reihe in diesen illustren Kreis eintreten, wenn die guten Ansätze des Eröffnungsbandes Blood and Iron fortgeführt werden. Dabei pflegt Bear weder den elegant-sparsamen Stil eines Gaiman noch die lyrische Sprache eines Beagle, sondern fasst irgendwo dazwischen Fuß. An lyrischen Momenten fehlt es trotzdem nicht, bezieht sich doch die Handlung neben einer ganzen Reihe an anderen Mythenstoffen (von der Artus-Legende über Dracula bis hin zu nordischen Sagas und vielem mehr) auf traditionelle Balladen um Menschen, die ins Elfenland entführt worden sind, insbesondere Tam Lin. Kenntnisse in diesem Bereich eröffnen eine weitere Handlungsebene und machen das ein oder andere besser verständlich, sind aber nicht zwingend zum Genuss von Blood and Iron erforderlich.

Bear ist eine mit allen Wassern gewaschene Erzählerin, aber nicht immer einfach zu lesen. Sie verflicht ihre Handlungsstränge um die Sucherin aus den Elfenlanden und Matthew den Magier ausgesprochen vielschichtig, nutzt die Unterschiede zwischen Ich-Erzähler und Erzählern in der dritten Person für plot-relevante Kniffe und bringt eine Spirale in Gang, in der sich ihre Figuren in einem immer wiederkehrenden dramatischen Muster wiederfinden, das dem versierten Leser (und den Protagonisten) aus Geschichten und Mythen wohlbekannt ist. Sie wehren sich mit Zähnen und Klauen dagegen, sind aber so tief darin verstrickt, dass sie letzten Endes mit unlösbaren Entscheidungen konfrontiert werden. Nahezu nebenbei bekommt man auch Einblicke in eine alternative Weltgeschichte, die bis in die Moderne hinein vom ewigen Kampf menschlicher Magier gegen die Einflüsse der Elfenlande geprägt ist – ein Konzept, das Elizabeth Bear in den sehr locker zusammenhängenden Bänden der Promethean Age-Reihe weiter verfolgt und das in seiner ambitionierten Planung durchaus als eine Art Lebenswerk gesehen werden kann.

Der beschreibungsreiche Stil der Autorin fügt sich vor allem dort gut ein, wo das düster-blutige, aber trotzdem farbenfrohe Elfenland lebendig werden soll; bei den Figurenbeschreibungen grenzt er manchmal ans Überladene. Was Bear allerdings aus ihrem Drachen macht, sollte jeden Fantasyleser überzeugen, der der Ansicht ist, dass gute Drachen rar sind. Und auch den ambivalenten Kelpie namens Whiskey vergisst man garantiert nicht so schnell …
Die Bandbreite an Mythen, Literatur und Geschichte, die in Anspielungen verpackt oder direkt als Stoffgeber genutzt wird, ist riesig, und Bear liefert fast immer eine erkennbar eigene Interpretation – unter anderem trifft man etwa auf eine eifrig häkelnde und doch in keinster Weise zu unterschätzende Morgan von Cornwall.
Der im modernen New York angesiedelte Handlungsstrang um Matthew, den menschlichen Magier, ist weniger opulent und gewinnt erst in der zweiten Hälfte des Romans Dynamik, wenn sich herausstellt, wie stark alle Figuren und Geschichten ineinander verschachtelt sind, und die Ereignisse sich überschlagen.
Bears Talent für beeindruckende Szenen kann sich richtig austoben, wenn sich das ganze Drama entfaltet, und nach dem stimmigen Ende, das dem Leser viel Raum für weitere Spekulationen lässt, fragt man sich eigentlich lediglich noch ein klein wenig, weshalb der eigentliche Aufhänger der Geschichte, die Merlin-Figur, um deren Gunst die Parteien ringen, in dem ganzen Spektakel etwas zu kurz gekommen ist.

Und wenn man schon auf hohem Niveau jammern möchte: In Blood and Iron wartet man vergeblich auf große Erklärungen zu dem teils hochkomplexen Geschehen. Weite Teile kann man sich gut zusammenpuzzeln, aber hin und wieder geschehen manche Entwicklungen einfach, und dem Leser sind weder Ursachen noch Folgen bekannt. Auch die Sucherin als Protagonistin, mit der Bear gegen sämtliche Konventionen verstößt, was ihre Charakterentwicklung und die Fortführung ihrer Geschichte angeht, ist bei einigen –schwerwiegenden– Entscheidungen schlecht nachvollziehbar. Der drastischen und beeindruckenden Entwicklung der Figur tut das allerdings keinen allzu großen Abbruch, denn die Naturgesetze des Promethean Age gründen sich häufig eher auf Mythen und alte Erzählmuster als auf Rationalität, und das macht einen großen Teil der Faszination dieser Geschichte aus.

Cover von Der Blumenkrieg von Tad WilliamsTheo ist dreißig Jahre alt und es sieht nicht danach aus, als würde er in naher Zukunft auf einen grünen Zweig kommen. Dann muß er auch noch zwei Schicksalsschläge verarbeiten, die ihn völlig unvermittelt treffen. Theo zieht sich in ein abgelegenes Haus zurück und denkt darüber nach, wie er sein Leben weiterführen soll. Manchmal fühlt er sich, als gehöre er nicht in diese Welt, er hat Albträume und gelegentlich kommt es ihm vor, als sei sein Körper von einem zweiten Ich besetzt. Kann es noch schlimmer kommen? Ja, es kann: Eines Tages erhält Theo Besuch von einer Elfe namens Apfelgriebs. Kaum hat er sich von dieser Überraschung erholt, greift ihn ein Untoter an. Theo kann sich mit Apfegriebs gerade noch durch einen mysteriösen Spalt in eine andere Welt retten.

-Theo verspürte einen leisen Gewissensbiß, als er das Handy wieder anstellte, vor allem als er merkte, daß er es über zwei Stunden lang nicht angehabt hatte.-
1 Wolken

Die originellste Figur in Tad Williams Roman Der Blumenkrieg (The War of the Flowers) ist ohne Zweifel die kleine Elfe Apfelgriebs. Ein klarer Fall von “klein, aber oho”. Sie ist mutig, treu, gewitzt, burschikos, kann Shakespeares Kaufmann von Venedig zitieren, bedient sich jedoch gewöhnlich einer derberen Sprache, deren Ton zwischen rauh und herzlich changiert und die man eher einem Matrosen auf Landgang zutrauen würde, als einer zarten Elfe. Es macht Spaß zu verfolgen, wie Apfelgriebs dem durch die Ereignisse leicht verstörten Theo hilft, sich in der neuen Welt zurechtzufinden. Leider übernimmt diese Aufgabe nach einiger Zeit der Laborassistent Wuschel Segge, auch ein treues, aufopferungsvolles und symphatisches Kerlchen, dem aber die Originalität und der Witz der kleinen Elfe fehlt. Und ohne Apfelgriebs ist Der Blumenkrieg ein Fantasy-Roman, der dem üblichen Muster folgt: 1. Held muß die Welt retten. 2. Held gerät zwischen die Fronten rivalisierender Elfenclans und rebellierender Goblins. 3. Held wird von den Bösen verfolgt und wird auf der Flucht mit überraschend auftauchenden und gar schröcklichen Gefahren konfrontiert, aus denen er ebenso überraschend gerettet wird. 4. Held findet Freunde und verliebt sich. 5. Happy End. Das ist nun wahrlich nicht neu, aber Tad Williams ist ein guter Schriftsteller und deshalb gehört Der Blumenkrieg zu den besseren Fantasy-Romanen. Tatsächlich ist einiges in diesem Buch zu gut beschrieben. In einer Vobemerkung entschuldigt sich der Ator, daß es Abschnitte gibt, die die Leser an den 11. September und die Vernichtung der Twin Towers in New York erinnern könnten, er habe diese Szenen aber schon im Jahr 2000 konzipiert und sie seien so elementar für den Roman, daß er nicht gänzlich darauf verzichten konnte.
Das Problem ist weniger, daß es diese Szenen überhaupt gibt, das Problem ist, daß sie zu wenig verfremdet sind. Es gibt einzelne Sätze, die klingen, als sage sie ein im World Trade Center Verschütteter und plötzlich verfolgt der Leser nicht mehr distanziert die Geschehnisse in einem phantastischen Elfenland, sondern er befindet sich für einen Moment in der Realität des 11. Septembers 2001 und da will er mit Sicherheit nicht sein. Es genügt nicht, die Flugzeuge durch etwas anderes zu ersetzen und die Opfer durch Fabelwesen. Gewalt in Romanen kann nur so lange unterhaltsam sein, wie sie sich eindeutig in einem fiktiven Rahmen abspielt und der Leser in seinem bequemen Sessel sicher sein kann, daß sie mit der Realität nicht das Geringste zu tun hat.

The Spiderwick Chronicles: Care and Feeding of Sprites von Tony DiTerlizzi & Holly BlackSimon Grace wendet sich in einem persönlichen Brief an die beiden Chronisten der Spiderwick Chronicles. Darin schildert er seinen Beitritt in eine Organisation namens International Sprite League, die sich mit der artgerechten Aufzucht und Pflege von Elfen befasst. Auf seine Bitte, ein Handbuch für die Mitglieder dieser Organisation zu erstellen, legen die beiden Autoren DiTerlizzi und Black nun ebenjenes vor.

– A sprite is a constant reminder of all that is magical. Magnificent creatures with vast variation in color and form, these tiny faeris, some smaller than a toothpick, may make flowers bloom yet can deliver surprisingly fierce bites when threatend. –
The Magnificent Sprite, S. 1

Wer Arthur Spiderwick’s Field Guide to the Fantastical World Around You (Arthur Spiderwicks Handbuch für die fantastische Welt um dich herum) bereits gelesen hat, dem wird nicht entgangen sein, dass darin Waldgeister erwähnt werden, auf die das große Handbuch jedoch nicht allzu genau eingeht. Care and Feeding of Sprites (Über Haltung und Pflege von Elfen) schließt diese Lücke und widmet den kleinen Geschöpfen einen eigenen, liebevoll aufgemachten Leitfaden für den interessierten Laien. Hierin erfährt er alles über Verhalten, Krankheiten, Eigenschaften und nicht zuletzt auch Anatomie von Elfen.

Das Handbuch nimmt die Funktion eines Ratgebers ein, aufgebaut wie gängige Fachliteratur zur Tierhaltung, zeigt die erste Seite zunächst eine erklärende Schautafel. Anhand eines Beispiels werden die verwendeten Symbole und Angaben vorgestellt. Neben einer ganzseitigen, naturgetreuen Illustration der jeweiligen Elfe in ihrer wahren Form werden charakteristische Merkmale ihres Körpers offenbart, eine scheinbar lateinische Fachbezeichnung ihres Namens genannt, sowie ihre Größe in Millimeterangaben. Auch Abweichungen zwischen den Geschlechtsformen werden, wo nötig, durch vergleichende Detailskizzen – etwa von Fühlern oder auch Krallen etc. – aufgeführt. Anhand charmant entwickelter Symbole wird auf den Schautafeln außerdem auch Auskunft über den bevorzugten Lebensraum, Fähigkeit oder Fortbewegungsart der besprochenen Elfe gegeben. Hier finden sich Eigenschaften wie: schelmisch, kann singen, glaubt singen zu können, erziehbar oder: bringt Blumen zum Blühen.
Zu den einzelnen Schautafeln gehört auch jeweils ein Begleittext und ein in Rot gerahmter Warnhinweis (mit einem eigenen amüsanten Symbol) zu verschiedenen Themen.

Als besonderes Schmankerl dieser speziellen Ausgabe lässt sich der Einband zu einem ca. A2 großen Poster im Querformat ausbreiten, welches die Zeichnungen und Namen der im Buch vorgestellten Elfen zeigt. Löscht man dann am Abend das Licht entdeckt man eine weitere Überraschung: Teile der Elfen leuchten im Dunkeln!

Für Freunde detailreicher Illustrationen oder Elfen im Allgemeinen ist dieses kleine Büchlein trotz seiner überschaubaren Seitenanzahl zu empfehlen. Auch Fans von Brian Froud werden bei Care and Feeding of Sprites auf ihre Kosten kommen. Vor allem die realistisch wirkende Aufmachung des Buches und der durchdachte Aufbau lassen es zu einer zauberhaften und überzeugenden Lektüre für jedes Alter werden. Mehrfaches Schmökern garantiert!

City of Bones von Cassandra ClareClary dachte, sie und ihr bester Freund Simon würden einen ganz normalen Abend im Club Pandemonium verbringen. Ein wenig tanzen, feiern und das normale jugendliche Leben genießen. Doch dann sieht sie wie ein Teenager von drei anderen ermordet wird und sich anschließend vor ihren Augen in Rauch auflöst. An diesem Abend ändert sich für Clary alles, denn nun muss sie erkennen, dass neben ihrer bekannten Welt eine ganz andere, düstere Welt voller übernatürlicher Kreaturen existiert, und dass sie irgendwie mit ihr in Verbindung steht. Doch die einzige Person, die Klarheit schaffen könnte, Clarys Mutter, wird entführt, bevor Clary die Chance hat, Antworten zu bekommen.

– »Are there any more with you?«
The blue-haired boy could feel blood welling up under the too-tight metal, making his wrist slippery. »Any other what?«
»Come on now.« The tawny-eyed boy held up his hands, and his dark sleeves slipped down, showing the runes inked all over his wrists, the backs of his hands, his palms. »You know what I am.«
Far back inside his skull, the shackled boy’s second set of teeth began to grind.
»Shadowhunter,« he hissed.
The other boy grinned all over his face. »Got you,« he said. –

City of Bones ist der Auftakt der populären Jugendbuchreihe The Mortal Instruments (Die Chroniken der Unterwelt) und Debütroman der Autorin Cassandra Clare. Um die Problematik dieses Romans (und auch der restlichen Reihe) gleich zu Anfang zu nennen: City of Bones begann als Fanfiction basierend auf J.K. Rowlings Figur Draco Malfoy aus der Harry Potter-Reihe, und so sehr Frau Clare auch versucht hat, die Geschichte zu überarbeiten und ihr ihren eigenen Stempel aufzudrücken, so unübersehbar sind doch gewisse Ähnlichkeiten. Leider ist es dadurch sehr schwierig zu entscheiden, wie viel eigene Kreativität die Autorin in dieses Buch eingebracht hat und ob der Roman nun Spaß macht oder ärgert. Die Magie in Clares urbaner Fantasywelt funktioniert gut und ist stimmungsvoll, man sieht nur immer wieder vertrautes aus Harry Potter, Star Wars, Angel Sanctuary … Da fragt man sich unweigerlich, ob die Autorin sich auch irgendetwas von diesem Roman selbst ausgedacht hat. Die subtile Runenmagie, Vampire, Warlocks, Werwölfe, Halbengel, Menschen, Feen und andere Kreaturen in City of Bones haben es schwer, sich über das offensichtlich Kopierte zu erheben. Somit ist die Frage, wie gut einem das Buch gefallen wird, vor allem eine Frage danach, wie gut man einen Neuaufguss anderer Geschichten findet.

Um aber auch einmal auf das Positive zu sprechen zu kommen, gehen wir doch weiter zu den Charakteren. Hier liefert die Autorin zunächst einmal eine breite Vielfalt an Figuren, was sowohl deren Charakter als auch deren ethnische Herkunft oder sexuelle Orientierung angeht. Es ist von allem etwas dabei, so dass sich wirklich jeder mit wenigstens einer der Figuren identifizieren kann. Entsprechend werden auch bestehende Vorurteile unserer Gesellschaft auf unterschiedliche Weise kritisch thematisiert.
Die Charaktere wirken auch sonst recht solide und sind unterhaltsam, ab und an verleiten sie einen zu einem Schmunzeln, ein anderes Mal möchte man sie herzhaft schütteln vor Unverständnis. Fast alle haben emotionale Narben (manche auch körperliche). Das verschafft ihnen eine glaubhafte Lebendigkeit und hält den Leser bei Laune. Nur der Bösewicht ist flacher als ein Blatt Papier. Einzig ärgerlich ist dabei aber die in Jugendbüchern inzwischen obligatorische Dreiecksbeziehung der Hauptfiguren, die, neben anderen Teilen der Handlung, von Anfang an durchschaubar ist. Was dagegen sicherlich noch nicht viele Jugendbuchautoren gemacht haben, ist, eine derart frustrierende Auflösung an den Schluss des Romans zu setzen, dass man das Buch entweder mehr als schlecht gelaunt in die Ecke wirft (immerhin hat man eigentlich nur wegen der einen Sache solange durchgehalten) oder man zerfließt vor Sehnsucht angesichts der dramatischen und schier hoffnungslosen Ereignisse … Für letzteres muss man vermutlich noch zur jüngeren Lesergruppe zählen oder deutlich weniger Jugendbucherfahrung haben.

Wenn man nichts Innovatives erwartet und sich mit den zahlreichen »Inspirationen« in City of Bones arrangieren kann, ist der Roman flüssiges und schnelles Lesefutter mit einer guten Atmosphäre im modernen New York und sympathischen Charakteren. Überraschungen hat der Roman allerdings keine zu bieten, vielleicht bessert sich das noch im Nachfolger: City of Ashes

Verfilmung:
City of Bones wurde 2013 mit Lilly Collins und Jamie Campbell Bower in den Hauptrollen verfilmt.

Cover des Buches "Der verschenkte König" von Terry BrooksQuestor Thews, der unfähige Hofzauberer Landovers, findet einen Zauber, um den hundegestaltigen Hofschreiber Abernathy in einen Menschen zurück zu verwandeln. Doch dabei wird Abernathy samt dem Medallion, das dem König die Gewalt über den Verteidiger des Reiches verleiht, in die alte Welt des Königs Ben Holiday transportiert und gegen eine bunte Flasche mit einem bösen Dämon, dem Darkling, vertauscht. Während Ben und seine Freunde den G’heim Gnomen Filip und Sot, die die Flasche gestohlen und den Darkling befreit haben, hinterher jagen, muss Abernathy zu seinem Entsetzen feststellen, dass er bei Michel Ard Rhi, dem ehemaligen König von Landover, gelandet ist; denn einst hatte Questor Abernathy in einen Hund verwandelt, um ihn vor Michel zu verstecken…

-Ben Holiday seufzte müde und wünschte, er wäre woanders als dort, wo er gerade war.-
Niesen

Die Welt Landover ist immer noch dieselbe, wie im ersten Band und alle Bekannten treten wieder auf. Dieses Mal werden die Charaktere von Abernathy und Questor Thews etwas näher beleuchtet, doch leider bleiben sie recht maskenhaft.
Strabo, der Drache, soll einer der größten Feinde des Königs sein, doch die Rolle kann man ihm kaum mehr abkaufen. Kallendbor nimmt sich einiges heraus, ohne die Konsequenzen tragen zu müssen. Insgesamt sind die bekannten Elemente nicht um interessante Facetten bereichert worden und können ihre Rollen kaum glaubwürdig füllen.
Neue Elemente gibt es kaum, nur den Schattenwicht, der eine kleine Rolle spielt, und den Darkling. Diese beiden Gestalten sind aber durchaus gelungen – der erbärmliche Schattenwicht, der um weiter existieren zu können Leichenteile zusammenstehlen muss, lässt einen schon erschaudern. Auch die grausam-schönen Kunstwerke des Darklings haben viel Potential – leider nutzt der Autor dieses nicht voll aus.
Die in unserer Welt angesiedelten Charaktere gelingen allesamt besser, treten aber nur kurz auf; Michel Ard Rhi allerdings wird so aufgrund der nebulösen Ferne zu einer interessanten Figur.

Die Geschichte lässt sich vielleicht am besten als Mischung aus urbaner Abenteuergeschichte und klassischer Fantasy-Queste beschreiben. In Landover wird dem Darkling nachgejagt und die bekannten Charaktere abgeklappert. Einige der Verknüpfungen wirken dabei etwas zu konstruiert, als wenn es nur darum ginge, den Charakter auftreten zu lassen; aber glaubwürdig sind sie dennoch. Questors Magie ist leicht störend: Sie schwankt zwischen Slapstick und Lebensrettung, aber fast immer so, dass es die Geschichte voran treibt – nur an einer Stelle verkompliziert sie die Geschichte; diese Stelle ist aber wirklich gelungen. Schade, das es nicht mehr davon gibt.

Im Strang in den USA gilt es Abernathy nach Virginia zu lotsen, damit er nach Landover zurückkehren kann. Alles in allem durchaus gelungen, aber auch kein Meisterwerk. Es lässt sich gut lesen, es tauchen keine Ärgernisse auf, aber leider auch keine überragenden Einfälle.

Auch wenn der Autor versucht humorvoller zu sein als in den vorigen Geschichten, sind mir die auflockernden Slapstick-Szenen zu albern. Sprachlich sind wieder einmal einige der fantastischen Wesen etwas unangemessen: “Und wen nennt Ihr ‘alt’? Ihr seid selbst ein halbes Fossil!” So der Drache Strabo.

Wie alle Teile des Zyklus, so lässt sich auch Der verschenkte König (Wizard at Large) als eigenständiger lesen, da alle wichtigen Zusammenhänge kurz erläutert werden. Es fehlt dann eventuell nur etwas Tiefe.

Cover des Buches "Elfenhügel" von Raymond E. FeistPhil Hastings ist ein glücklicher Mann: Er hat Geld, Erfolg und eine Familie, die das Leben auf dem Land in vollen Zügen genießt. Das Haus der Hastings liegt jedoch im Schatten eines sagenumwobenen Hügels, der seit jeher Okkultisten und Abenteurer anlockt.
Hier machen Hastings Söhne eine unheimliche Entdeckung. Im Elfenhügel hausen tatsächlich seltsame Geschöpfe. Aus dem Spiel wird bald gefährlicher Ernst, als Hastings feststellen muss, dass seine Söhne vertauscht wurden …

-Vor dem Schlafzimmerfenster der Jungen glitt etwas Dunkles und Fremdartiges die Regenrinne hinab und schwang sich auf den nächstgelegenen Ast. Es kletterte den Baum hinunter, sprang von Ast zu Ast und ließ sich die letzten Meter fallen. Es bewegte sich unnatürlich schnell und mit wiegendem Gang, ein gebeugeter, affenartiger Schemen. –
Der Hügel des Erlkönigs – Juni; 5. Kapitel

Raymond Feist versteht es, wirklich gute Fantasy-Bücher zu schreiben – und Elfenhügel ist so eines. Die Geschichte der Familie Hastings, die in ein altes Haus mit riesigem Grundstück zieht, ist eines der besten Bücher, die ich bisher gelesen habe.

Schon auf den ersten Seiten wird Spannung erzeugt, die sich das ganze Buch über halten kann. Der keltische Hintergrund der Geschichte ist wunderbar eingebaut und führt zu einem atmosphärisch dichten Roman, der mich sofort gefesselt hat. Die Ereignisse, in welche die Hastings hineingezogen werden, werden grandios erzählt und erzeugen (besonders gegen Ende) ein Gänsehautgefühl beim Leser. Die Charaktere des Romans werden facettenreich und glaubwürdig dargestellt, so dass es leicht fällt, sich mit ihnen zu identifizieren.

Was mir besonders gut gefallen hat, ist, dass Feist nicht zum alten Schema Gut/Böse greift. Es gibt natürlich einen magischen Gegenspieler, doch seine Position wird gegen Ende in ein ganz anderes Licht getaucht, als man es zu Beginn erwartet. Überhaupt ist der Roman vor allem eines: unvorhersehbar. Ich hatte bis zum Schluss keine Ahnung, wie es enden würde, was es mit den seltsamen Geschöpfen auf sich hat und wie die geheimnisvollen menschlichen Besucher in das Bild passen.
Die Lösung, die Feist präsentiert, ist genauso faszinierend wie überraschend. Ein wirklich gelungener Roman. Das einzige, was fehlt, ist Langeweile!

Cover von Elfenwinter von Bernhard HennenÜber hunderttausend verkaufte Exemplare, monatelang auf der Spiegel-Bestsellerliste: Bernhard Hennens Die Elfen war der in Deutschland erfolgreichste Fantasy-Roman seit Jahren. Mit Elfenwinter kehrt er zurück in die Welt der geheimnisvollsten Geschöpfe, die es je gegeben hat. Dies ist die definitive Geschichte über ein Volk, das aus dem Mythenschatz der Menschheit nicht wegzudenken ist – unentbehrlich für jeden Herr-der-Ringe-Leser.

-“Sie werden versuchen, die Königin zu töten.”.-
Das Fest der Lichter

Als ich durch Zufall erfuhr, dass es einen Nachfolger zu Die Elfen geben sollte, war die Vorfreude natürlich groß, wieder von Farodin und Nuramon zu lesen. Nach den ersten Buchseiten war ich dementsprechend verwundert, als die Geschichte nicht nach dem Ende des ersten Bandes einsetzte, sondern einen deutlich früheren Handlungsfaden aus Die Elfen aufnimmt. Trotz dieser enttäuschten Erwartung ist Elfenwinter ein durchaus gelungener Roman. Bernhard Hennen erzählt im Nachfolger von Die Elfen Geschichten, die im ersten Band durch Zeitsprünge überflogen und nur am Rande erwähnt wurden.

Dies soll man nun aber nicht in geringster Weise so verstehen, dass der Autor die Überreste aus dem ersten Band verwerten wollte und diese auf knapp 900 Seiten gestreckt hat, vielmehr wird das Schicksal der Nordmänner nach dem Weggang Mandreds weitergesponnen. Daher ließe sich auch über die Titelwahl streiten, denn im Gegensatz zum ersten Band stellen Elfen nur noch einen geringen Teil der Protagonisten, allerdings spielt das ambivalente Verhältnis zwischen Elfen und Nordmännern auch in diesem Band wieder eine große Rolle, auf das hier durch die Figur Alfadas’ ein etwas anderer Blick geworfen wird. Die Hauptpersonen (Alfadas, Ollowain und meiner Meinung nach auch Orgrimm) kommen aus drei verschiedenen Rassen und es werden mehrere verschiedene Handlungsstränge aufgegriffen. Die Trennung zwischen Gut und Böse wird stärker verwischt als in Die Elfen, wo der Devanthar klar den Antagonisten stellte. Bernhard Hennen gibt den Trollen, den Gegenspielern des vorliegenden Bandes, eine Hintergrundgeschichte (die Vertreibung aus ihrer Heimat), durch die man die Trolle sogar machmal verstehen kann, dazu trägt gerade die Figur des Orgrimm bei. Dagegen fällt es schwerer, mit Alfadas warm zu werden. Einerseits hält er auf den ersten Blick einem Vergleich mit Mandred, dem kantigen Sympathieträger aus dem Vorgängerband, nicht stand, andererseits ergeben sich diese unterschiedlichen Charakterzüge aus der jeweiligen Vergangenheit der Figur, und aus Alfadas einen zweiten Mandred zu machen, wäre ein starker Bruch in der Entwicklung der Figur. Lässt man sich auf Alfadas ein, entwickelt er gerade durch seine Andersartigkeit zu Mandred durchaus eine eigene Faszination.

Bernhad Hennen schreibt seine Geschichte in der ihm eigenen, sehr bildreichen Sprache, die manche Leser auch von alten DSA-Romanen kennen werden. Besonders die Grausamkeiten und die rohen Manieren der Trolle werden sehr gut veranschaulicht. Dies alles trägt zur Authentizität des Romans bei, schildert es doch die Begebenheiten und Geschehnisse während des zweiten Trollkriegs. Hennens Angewohnheit, zwischen den Handlungssträngen hin und her zu springen, gefällt mir persönlich sehr gut, da die Geschichte dadurch an Abwechslung gewinnt.

The Elves and the Otterskin von Elizabeth H. BoyerEher aus Unbedarftheit als aus bösem Willen töten einige unfähige Elfenspione im Zwergenreich einen Fischotter, mit dem es mehr auf sich hat als auf den ersten Blick zu erkennen. Wenn sie das Wergeld, das der Zwergenkönig von ihnen fordert, nicht binnen kürzester Frist auftreiben, droht ein Krieg zwischen Zwergen und Elfen, und genau darauf baut der intrigante Nekromant Lorimer, der gern selbst die Macht im Zwergenreich übernehmen würde. Den Elfen bleibt nur die Hoffnung, rasch den Schatz des Drachen Fafnir an sich zu bringen. Doch Fafnir kann nur mit einem magischen Schwert erschlagen werden, und als dessen neuer Träger ist ausgerechnet der wenig heldenhafte Zauberlehrling Ivarr ausersehen …

– Second sons of poor fishermen always got the short shrift, Ivarr reflected darkly as the old cart rattled and jerked along. The horse pulling it was much older than he was, and the cart itself was certainly from the first landing on Skarpsey long ago. Ivarr glanced sideways at the owner of these relics and summed her up as the oldest and most sinister-looking woman he had ever seen – even barring the fact that she was the famous witch of Hvitafell. –
Chapter One

Ein Held wider Willen, der zusammen mit einem Zauberer und einem Trupp nur bedingt abenteuertauglicher Angehöriger eines Fantasyvolks auszieht, um einem Drachen einen Schatz abzujagen, an dem auch Dritte viel Interesse haben? Für passionierte Fantasyleser ist es sicher gar keine Frage, von welchem Buch da die Rede ist, und obwohl man ohne viel Mühe auch noch gewisse Parallelen zu Gollum oder Gandalfs Kampf mit dem Balrog aufspüren kann, greift der Vergleich mit Tolkien zu kurz, um The Elves and the Otterskin zu beschreiben.

Was Boyer bietet, ist vielmehr eine ganz eigene Mischung aus einer augenscheinlich auf fundierten Kenntnissen basierenden Interpretation altnordischer Mythologie und Slapstickhumor, der nicht selten an Klamauk grenzt. Dabei hätten die einzelnen Elemente, die in den Roman Eingang finden, durchaus reichlich Gelegenheit geboten, sich in Dramatik und Düsternis zu ergehen: Der Schurke Lorimer ist wortwörtlich eine wandelnde Moorleiche und hält sich den wiederbelebten Kopf eines toten Gegners als Ratgeber, Mord, Totschlag und Verzauberung sind allgegenwärtig, und der eindrucksvoll geschilderte Handlungsort Skarpsey erinnert mit seinen dünn besiedelten Gebirgen und Lavafeldern an ein phantastisches Island, das auch als Kulisse für eine weniger heitere Geschichte getaugt hätte.

In gewissem Maße ist es erfrischend, solche sonst oft ganz anders verwendeten Zutaten jeglichen Pathos’ entkleidet zu sehen, und besonders, wenn man einige Vorkenntnisse der Sagen, die Boyer verarbeitet hat, mitbringt, kann man sich sehr darüber amüsieren, was hier etwa aus Andvari und seinem Fluch, Ottar, Regin und Fafnir oder sogar dem Konzept der Fylgja wird. Auch die titelgebenden Elfen selbst bieten (mit Ausnahme des enigmatischen Eilifir) nicht gerade das, was man aus Mythologie und Fantasy von ihnen zu erwarten gewohnt ist, sondern glänzen über weite Strecken vor allem durch Inkompetenz und Streitigkeiten untereinander.

Doch dieser Humor ist ein zweischneidiges Schwert, und das nicht nur, weil er manchmal etwas zu bemüht wirkt – er untergräbt auch, und das wohl größtenteils unfreiwillig, die Wirksamkeit derjenigen literarischen Motive, die im Rahmen der Handlung ihren ganz klassischen Zweck erfüllen sollen, wie etwa das des Drachenkampfs. Gerade hier drängt sich der Vergleich zum Hobbit dann doch wieder auf, denn während es Tolkien trotz aller zum Schmunzeln anregenden Momente gelingt, Smaug glaubhaft als bedrohlich zu schildern, kann man Boyers altersschwachen Fafnir beim besten Willen nicht ganz ernstnehmen (und wenn man es doch tut, packt einen vor allem das Mitleid).

Als rite de passage für Ivarr und seine Kumpane taugen die durch den Kakao gezogenen Ereignisse allenfalls bedingt, so dass es einem schwerfällt, die durchaus ein gewisses Heranreifen umfassende Charakterentwicklung der Protagonisten und den bist zuletzt überwiegend farcehaften Plot miteinander in Einklang zu bringen. Doch obwohl die Mischung aus konventioneller Queste und Veralberung somit keine auf allen Ebenen befriedigende Auflösung erfährt, bildet sie streckenweise eine vergnügliche Lektüre, die an ihren besten Stellen beweist, wie frei und fabulierfreudig ein mit seinen Inspirationsquellen gut vertrauter Autor scheinbar Altbekanntes umdeuten kann, in anderen Szenen aber wiederum die möglichen Tücken eines solchen Vorgehens erkennen lässt.

The Emerald Storm von Michael J. SullivanKönig Alric wird ein Brief zugespielt, aus dem hervorgeht, dass für den Kriegserfolg des feindlichen Kaiserreichs die geheime Mission des Schiffs Emerald Storm von entscheidender Bedeutung ist. Obwohl Royce, dessen Hochzeit unmittelbar bevorsteht, und der mit einer privaten Queste beschäftigte Hadrian eigentlich andere Pläne haben, lassen sie sich breitschlagen, die Fahrt als Seeleute getarnt mitzumachen, um mehr herauszufinden. Doch diesmal hat Royces Erzfeind Merrick Marius die Hand im Spiel, und das droht nicht nur den beiden Gaunern zum Verhängnis zu werden, sondern auch Prinzessin Arista zu gefährden, die mittlerweile auf eigene Faust nach dem gefangenen Rebellen Degan Gaunt sucht …

– “Why does this always happen?“ Royce asked. “Why are we always hanging on a wall waiting to die by slow vivisection? I just want to point out that this was your idea – again.“ –
(Chapter 25 – Invasion)

The Emerald Storm ist in mehrerlei Hinsicht der bisher schwächste Roman der Riyria Revelations.  Zum Teil hängt das sicher damit zusammen, dass Michael J. Sullivan an dieser Stelle in der übergreifenden Geschichte schon zu weit vorangekommen ist, um sie noch sinnvoll mit seinem eigentlich angestrebten Konzept der in sich abgeschlossenen Einzelepisode verbinden zu können: Er muss sein Figurenensemble erkennbar für die beiden abschließenden Bände der Serie in Stellung bringen und immerhin einige der bisher aufgeworfenen Sachfragen klären.

Die Konzentration darauf geht zulasten der Handlung. Der Paukenschlag, mit dem sie einsetzt, als gleich im ersten Kapitel eine zentrale Gestalt einem Attentat zum Opfer fällt, täuscht: Was folgt, ist streckenweise nichts als eine mehr oder minder übersteigerte Wiederholung von Elementen der vergangenen Bände. Besonders Aristas Erlebnisse – ein riskanter Alleingang, das Hineinwachsen in die eigenen magischen Fähigkeiten und eine tragisch endende Beziehung zu einem nicht standesgemäßen Mann – wärmen fast exakt das wieder auf, was schon in Nyphron Rising geschildert wurde. Doch auch Hadrian und Royce ergeht es kaum besser. Zwar ist ihr Handlungsstrang auf den ersten Blick komplexer aufgebaut, doch im Grunde wiederholt sich auch hier ein vertrautes Schema.

Wie zum Ausgleich für das, was das Grundgerüst des Plots nicht bieten kann, zwängt Sullivan eine Überfülle von Einzelabenteuern häufig exotischer Prägung in diesen einen Band. Von einem Seegefecht über eine Dschungelexpedition und Begegnungen mit klischeebefrachteten Eingeborenen (die zu allem Elend auch noch mit ausgeschriebenem Akzent sprechen) bis hin zu einem aufgezwungenen Gladiatorenkampf ist wirklich für jeden Geschmack etwas dabei.

In der Summe ist das etwas zu viel des Guten. Gerade die Szenen auf dem titelgebenden Schiff wirken wie ein Fremdkörper in dem vagen Pseudomittelalter, das Royce und Hadrian gewöhnlich durchstreifen. Sullivan schildert Schiffstypen, Kommandostrukturen und Segelmanöver, die eher im 18. bis 19. Jahrhundert zu verorten wären, und wenn auch in einer Fantasywelt per definitionem keine echten Anachronismen möglich sind, werden doch die falschen Assoziationen wachgerufen. Dass Sullivan diesen unvereinbaren Kontrast beabsichtigt hat, ist kaum anzunehmen, und es bleibt ein unfreiwillig merkwürdiges Leseerlebnis, wenn die seekranken Helden sich in eine Mannschaft in bester Age-of-Sail-Tradition einzufügen versuchen, während unter Deck eine Mischung aus Tempelritter und Inquisitor Folter- und Mordgelüste an gefangenen Elfen auslebt.

Das amüsante bis anrührende Zusammenspiel der beiden Protagonisten funktioniert allerdings immer noch, und spätestens, als ein sehr heterogener Trupp von der Emerald Storm in den Dschungel aufbricht, gelingt es Sullivan auch, eine durchaus interessante Gruppendynamik herzustellen. Über einen Mangel an Action kann man sich ebenfalls nicht beklagen, und so ist das Buch insgesamt nicht ohne Unterhaltungswert – nur eben ganz gewiss nicht mehr als die Summe seiner Teile.

L'épée maudite von Olivier MerleDer junge Malven wächst in der Bretagne des 5. Jahrhunderts als Enkel eines mächtigen Burgherrn behütet, aber immer etwas im Schatten seines Großvaters Thorwarzec auf, dessen Ruhm als Krieger alles, was die nachfolgenden Generationen der Familie leisten können, weit überstrahlt. Als eines Tages Thorwarzecs Schwert spurlos verschwindet, wird Malven auf die Suche danach geschickt. Zunächst kommt ihm seine Queste sinnlos  vor, doch verstörende Visionen und eigenartige Begegnungen lassen ihn bald erkennen, dass es um mehr geht als um die Rückgewinnung einer alten Waffe …

La pluie tombait si durement et le vent soufflait si fort, que Malven se courbaeit sur l’encolure de son cheval, dont les sabots commençaient à glisser dans la boue. Le chemin était étroit, bordé par deux haies de genêts qui s’agitaient furieusement, se touchaeient et s’écartaient sous les rafales.
1 – Malven

Man darf nicht mit der Erwartung an Olivier Merles L’épée maudite herangehen, darin einen großen Roman nach dem Vorbild seines Vaters Robert Merle zu finden. Während der jüngere Merle mittlerweile auch Bücher für ein erwachsenes Publikum verfasst hat (und dabei mit  L’Avers et le Revers sogar direkt an das Schaffen seines Vaters anknüpft), handelt es sich bei seinem Erstlingswerk um eine kleine, feine Erzählung für junge Leser, die als reines Kinderbuch unterbewertet wäre, da eine durchaus für jedes Alter interessante Thematik ausgelotet wird.

Die augenfälligste Stärke des Buchs ist aber zunächst einmal sein Setting. Von der recht genauen historischen Verortung darf man sich nicht täuschen lassen, denn obwohl der ereignisgeschichtliche Kontext des 5. Jahrhunderts, in dem Inselkelten auf der Flucht vor den Angelsachsen in die Bretagne übersiedeln, durchaus handlungsrelevant wird, fühlt man sich eigentlich nicht in die reale Epoche der Völkerwanderung versetzt, sondern eher in eine zeitlose keltische Zauberwelt, wie sie sonst z.B. in der Artusepik begegnet. Merle beschwört sie in Bildern voll schlichter Schönheit herauf, die wohl gerade aufgrund ihrer im wahrsten Sinne des Wortes sagenhaften Einfachheit so überzeugend sind, wie etwa, wenn ein Apfel als bedeutsames Geschenk dient oder eine ganz klassische „weiße Frau“ erscheint.

Auch die erzählte Geschichte kommt auf den ersten Blick unkompliziert und unprätentiös daher: Mehr als eine lineare Queste auf der Suche nach dem titelgebenden „verfluchten Schwert“, die den Übergang zwischen Kindheit und Erwachsenenleben markiert, wird vordergründig nicht erzählt. Tiefgreifender sind hingegen die Implikationen dessen, was Malven unterwegs herausfindet, denn es erweist sich als zentrale Frage dieses Reifungsprozesses, wie man mit der Vergangenheit der eigenen Familie umgehen will, wenn lebenslange emotionale Bindungen und moralisch richtiges Handeln einander widersprechen. Vielleicht der jugendlichen Zielgruppe des Romans geschuldet sind die Konsequenzen dieser Entscheidung letzten Endes zumindest in Teilen etwas glimpflicher  als zunächst befürchtet, doch erspart bleiben sie Malven nicht.

Diese spezielle Stoßrichtung der Selbstfindung ist dabei weniger aus sich selbst heraus als im Vergleich mit typischen Mustern der Fantasyliteratur interessant, zeigt sie doch, worin bei diesen vielleicht zuweilen der wahre Eskapismus besteht: Malven verliert weder durch äußere Einwirkung seine Familie, noch findet er in der blinden Identifikation mit seiner Abstammung seinen Weg, sondern er muss sich noch auf dem Höhepunkt seines Abenteuers wohl oder übel mit der alles andere als idealen Verwandtschaft, die er nun einmal hat, auseinandersetzen.

So besteht der Wert der Erzählung letztlich nicht allein darin, dass sie eine recht nette (wenn auch für einen Erwachsenen rasch verschlungene) Lektüre bildet, sondern auch und vor allem in der Tatsache, dass sie nachdenklich macht und einen anregt, altvertraute Erzählkonventionen und ihre womöglich nicht immer unproblematischen Untertöne einmal zu hinterfragen.

Feenzorn von Jim ButcherIn Harrys neuem Abenteuer trifft der Leser auf einen ausgebrannten und niedergeschlagenen Mann ohne Hoffnung. Die Körperhygiene des Detektivs hat merklich gelitten, seine Wohnung ist ein heruntergekommener Saustall, er hat seine Arbeit vernachlässigt, die unbezahlbaren Rechnungen stapeln sich. Doch am schlimmsten steht es um Harrys seelischen Zustand. Am Tiefpunkt seines Daseins angekommen tun sich nun nicht etwa Silberstreifen am Horizont auf, im Gegenteil. Es beginnt Kröten zu regnen, und um die Probleme noch zu verdoppeln, wollen nicht nur die Vampire des Roten Hofs Harry weiterhin tot sehen, sondern auch seine eigenen Leute vom Weißen Rat. Doch es kommt noch härter, in seinem Büro wartet jemand auf ihn, der tödlicher ist als jeder Vampir: die Winterkönigin der Sidhe.

– An dem Tag, als der weiße Rat in die Stadt kam, regnete es Kröten. –
Kapitel 1

Zu Feenzorn liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover des Buches "Flucht ins Feenland" von Hope MirrleesDas Feenland – ein magischer Ort gleich hinter der Grenze – ist den wackeren Bürgern von Dorimare seit Jahrhunderten ein Dorn im Auge. Gefährliche Früchte gelangen von dort nach Dorimare, doch der Schmuggel lässt sich nicht unterbinden. Wer davon kostet, verwandelt sich auf wundersame Weise, hängt wirrköpfigen Gedanken nach und stellt eine Bedrohung der öffentlichen Ordnung dar – er wird empfänglich für die Wunder der Welt und rebelliert gegen Tradition und Anstand. Dorimare droht im Chaos zu versinken.
Was bleibt dem armen Bürgermeister übrig, als aufzubrechen in die verwunschenen Regionen “jenseits der Hügel” und das Unmögliche zu wagen: das Traumreich der Feen zu versöhnen mit der Realität der Alltagswelt …

-“Ihr verfügt über Phantasie? So ist es für Euch stets ein Abenteuer, einen Laubengang entlangzuspazieren. Ihr betretet ihn kühnen Schritts, doch bald wünscht Ihr Euch, Ihr wäret draußen geblieben – es ist keine Luft, die Ihr hier atmet, es ist Schweigen, das fast greifbare Schweigen der Bäume. Und die kleine runde Öffnung in der Ferne soll der einzige Ausgang sein? Ach, es wird Euch nie gelingen, Euch dort hindurchzuzwängen! Ihr müßt umkehren… zu spät! Die breite Pforte, durch die Ihr eingetreten seid, ist ebenfalls zu einer kleinen runden Öffnung zusammengeschrumpft.”-
1. Kapitel – Meister Nathan Hahnenkamm

Was die Besonderheit dieses Werkes ausmacht, verrät das Nachwort: “Das Buch beginnt als Reisebericht oder als historischer Roman, wird zu einer Pastorale, einem Schwank, einer Gesellschaftskomödie, einer Geistergeschichte und dann zu einer Detektivgeschichte. Und dennoch handelt es sich hier nicht um krude zusammengeschusterte Einzelteile, sondern um die ineinander verwobenen Stränge einer einzigen gewundenen Erzählung.”

Im Mittelpunkt der Handlung von FLucht ins Feenland (Lud-in-the-Mist) steht Meister Nathan Hahnenkamm, der sich im Laufe der Geschichte vom spießbürgerlichen Antihelden zu einer mutigen, starken Persönlichkeit mausert.
Wer Schlachten, Waffengeklirr, wilde Horden und böse Herrscher erwartet, ist hier sicherlich auf dem falschen Dampfer. Noch lange vor dem übermächtigen Einfluss Tolkiens geschrieben, hat Flucht ins Feenland keinerlei Gemeinsamkeiten mit dem Herr der Ringe – außer vielleicht, dass die Bewohner Dorimares für den einen oder anderen Leser leicht “hobbitisch” anmuten.
Wer aber neugierig auf anspruchsvolle Fantasy der etwas anderen Art ist und auch vor teilweise leicht archaischer, blumiger Sprache nicht zurückschreckt – oder wie ich vielleicht sogar eine Vorliebe dafür hat  – für den gilt: LESEN! Im Anschluss an den eigentlichen Roman findet man ein ausgezeichnetes, ca. 70seitiges Nachwort von Michael Swanwick, in dem man eine Menge über die Autorin selbst und über mögliche Interpretationen ihres einzigen Fantasyromans erfährt.

Das Flüstern zwischen den Zweigen von Markolf HoffmannDie acht Kurzgeschichten dieser Sammlung führen nicht selten in den Wald, immer in eine ferne Welt und Zeit, und ihren Heldinnen und Helden steht eine Begegnung mit dem Fremden und Unbehaglichen bevor: mit Dämonen, Elfen, Druiden und nicht zuletzt menschlichen Abgründen.

-Die Jagd liegt meiner Familie im Blut. Mein Urgroßvater, so steht es in den Chroniken, zog mit dem Speer durch die Wälder und erlegte Bären und Wölfe.-
Meine Jagd

Fantasy-Kurzgeschichten finden in den großen Verlagen so gut wie gar nicht statt und haben außerdem mit einer Menge Vorurteile zu kämpfen, die ihnen jegliche Wirkmacht absprechen, wenn sie sich erzählerisch nicht in epischer Breite entfalten können. Die Kurzgeschichten-Sammlung Das Flüstern zwischen den Zweigen ist dagegen nicht nur ein starkes Argument, sondern fährt auch sämtliche Tricks und Kniffe auf, um die Probleme, die bei klassischer Fantasy in kurzer Form vielleicht entstehen könnten, gar nicht erst aufkommen zu lassen.
An erster Stelle steht dabei ein sein Handwerk spürbar beherrschender Erzähler – Markolf Hoffmann, einer der wenigen deutschen Fantasy-Autoren, die man gut im Auge behalten sollte, präsentiert nicht nur dramaturgisch hervorragend konstruierte Geschichten, in denen kein Wort zu viel steht, sondern findet sich auch mühelos in die formal und stilistisch unterschiedlichen Herangehensweisen ein, am häufigsten in verschiedene Ich-Erzähler. Die Sprache ist dabei insgesamt ein wenig zurückgenommener als in Hoffmanns Zyklus Das Zeitalter der Wandlung, dafür gibt es jedoch großartige Sätze, von denen man bisweilen einen nach dem anderen als funkelnd-schönes Zitat markieren möchte.

Der thematische Schwerpunkt der Sammlung liegt auf dem Wald, und auch wenn sie hin und wieder von dort abschweift wie in den alles andere als romantisierten Räubermemoiren Am Strand, kreisen die Geschichten meistens doch um den Konflikt zwischen Natur und Kultur, die Ablösung von Altem, Lebensrhythmen und das Zurückdrängen des Ursprünglichen (das sich aber häufig ohne moralische Einordnung einfach als fremder erweist, nicht unbedingt als besser).
Damit stellt Hoffmann ein mindestens seit Tolkien bewährtes Fantasy-Narrativ auf den Kopf, das sogenannte “Thinning”, bei dem die Magie und das ursprüngliche Wesen der Welt schwinden und nur eine verminderte, profanere Realität zurückbleibt. Und dabei bleibt es nicht, denn Das Flüstern zwischen den Zweigen bedient sich etlicher vertrauter Motive und Strukturen, die in der düsteren, hoffnungslosen Welt, die das gemeinsame Setting der meisten enthaltenen Geschichten bildet, uminterpretiert werden.
Elfen, Faune, Feen, Dryaden und andere Waldbewohner stehen für die düstere, verrottende Seite des Waldes; harmlose Ausgangslagen, die jedem Rollenspieler wohlbekannt sein dürften, wie etwa die Schatzjagd, die in Die Kerker von Abîme führt, verkehren sich rasch in etwas Zwanghaftes und Ungewolltes. Die unvorhersehbaren Folgen des eigenen Handelns führen immer wieder in die Katastrophe, bei wohlmeinenden Aktionen wie in der hervorragenden titelgebenden Geschichte ebenso wie bei pragmatisch-egoistischen Ansätzen wie in der ebenfalls grandiosen Eröffnungserzählung Meine Jagd, was auch vordergründig moralisch überlegene gute Absichten auf bitterböse Weise entlarvt.

Positive Enden wird man hier eher nicht finden, Schweigen und Weitermachen ist vielleicht das Beste, was man erwarten kann – genauso wenig, wie “echte” Helden auftauchen, denn sogar diejenigen, die es in den Augen der Leser und Leserinnen vielleicht sein könnten, wie der naive, aber gutherzige Ludger, der in Feenholz eine richtige Entscheidung treffen möchte, werden letztlich nicht unbedingt belohnt.
Das finstere, von neu interpretierten alten Bekannten bewohnte Setting, das ein wenig an die Geralt-Geschichten von Andrzej Sapkowski erinnert, verweist auf eine unbekannte Vorzeit, in der der Mensch den Wald schon ein Stück weit verdrängt hat, aber auch auf Ruinen zurückbleibt – Das Flüstern zwischen den Zweigen ist also alles andere als Wohlfühl-Fantasy. Da Schaudern und Spannung stets gut Hand in Hand gehen, sollte das kein Hinderungsgrund sein, in die abwechslungsreichen Waldwelten Markolf Hoffmanns einzutauchen.

In seinem Vorwort zur Sammlung liefert Jakob Schmidt bereits einige analytische Ansätze, um sie dann gleich wieder abzuwehren, deshalb soll es nun auch bei einer letzten Beobachtung bleiben: Mit Fabelwesen, RPG-Zutaten und Motiven aus der Fantasy-Tradition, die aber stets weiterentwickelt und verändert werden, fügt Markolf Hoffmann in Das Flüstern zwischen den Zweigen dem (allzu?) Vertrauten wieder das Unbehagliche hinzu und erzählt Geschichten mit den äußeren Kennzeichen der klassischen Fantasy im Modus der Phantastik, denn der Schwerpunkt liegt auf dem Fremdheitsgefühl und dem Ausgesetztsein. Das ist ein effektiver Kniff, um der Fantasy Kürze angedeihen zu lassen, vor allem bei einem talentierten Erzähler wie Markolf Hoffmann.

Cover von Frostfeuer von Kai MeyerMaus lebt seit ihrer Geburt im Edelhotel Aurora in St. Petersburg, das sie noch nie verlassen hat. Alle anderen Bediensteten nennen sie den “Mädchenjungen”, weil sie sich schon immer als Junge gegeben hat, um im Hotel bleiben zu dürfen. Außer dem Eintänzer Kukuschka gibt es niemanden, an den sich Maus wenden kann. Besondere Angst hat sie vor dem “Rundenmann”, der jeden der Bediensteten kontrolliert. Sie ist als Schuhputzerin angestellt und stößt eines Abends auf ein seltsames Schuhpaar, das zu einer überirdisch schönen Dame gehört. Zur gleichen Zeit findet sich eine weitere ausgefallene Gestalt ein: Tamsin Spellwell, die mit ihrem blauen Haar und ihrem Temperament, das so wild ist wie ihre Kleidung, das Hotel auf den Kopf stellt.

-“Guten Tag, Väterchen Frost.” Der Mann blickte auf. Für einen Augenblick schwand sein Lächeln, weil jemand es wagte, ihn bei der Fütterung der Flocken zu stören. Dann aber erkannte er die Frau, die ihn angesprochen hatte. Sein Lächeln kehrte zurück. “Lady Spellwell?”, fragte er. “Tamsin Spellwell?” Eine Frau war aus dem Schneetreiben getreten wie ein kunterbuntes Gespenst.-
Das Kapitel, in dem die wahre Heldin dieser Erzählung noch gar nicht auftritt

Nach Venedig und der Karibik führt der nächste große Jugendroman von Kai Meyer nun nach St. Petersburg. Aber nicht die Stadt selbst bildet die Kulisse für die phantastische Geschichte, sondern das Hotel Aurora. Und dieses Hotel hat Kai Meyer zu einer eigenen Welt gemacht und bemerkenswerte Figuren darin angesiedelt. Das Russland der Zarenzeit zeigt sich in aller Pracht, die allerdings eine schäbige Rückseite hat: Überall finden sich versteckte Türen in einen toten Flügel des Hotels und in den Kellern gibt es Spalten und Nischen, die Maus ein Zuhause geben. Kukuschka und der Rundenmann sind wie der Gut- und Bösepol in Maus’ Leben – so lebhaft, fröhlich und fürsorglich der eine gestaltet ist, so grobschlächtig, kalt und bedrohlich wirkt der andere. Ihre wahren Identitäten sind von Anfang an fraglich; eine überraschende Klärung wartet am Ende der Geschichte. Die Schneekönigin und Tamsin bleiben in ihrer Persönlichkeit und Herkunft immer etwas unscharf, aber das unterstützt nur ihre wundersamen Erscheinungen. Vor allem Tamsin und ihre zaubertüchtigen Utensilien sind eine skurrile, schillernde Bereicherung der Geschichte. In typischer Meyer-Manier muss natürlich noch eine Passage eingebaut werden, die das Grauen auf die Spitze treibt: Was Maus in Tamsins Zylinder erlebt, ist nur den Hartgesottenen unter den Zwölfjährigen zuzumuten, für die das Buch laut Verlag schon geeignet ist. Im Laufe des Romans wird Maus auch mit ihrer größten Angst konfrontiert: Sie muss sich aus dem Hotel hinaus begeben. Ihre krankhafte Panik vor der Außenwelt wird so eindrucksvoll geschildert, dass man in den entsprechenden Szenen das Buch absolut nicht mehr aus der Hand legt. Und die begründete Angst, in den Himmel zu fallen, sobald man einen sicheren Innenraum verlässt, jagt wohl jedem einen Schauer über den Rücken, der sich das als Kind schon mal ausgemalt hat. Vor solchen Ideen sprudelt der Roman über – und wer immer gelacht hat, wenn Kinder sich unsichtbar zu machen versuchen, indem sie einfach ganz fest die Augen schließen, der sollte ihn dringend lesen!

Die Fürsten des Nordens von Guy Gavriel KayDer junge Erling Bern Thorkellson gerät unverschuldet in die Leibeigenschaft und will sich in einer unüberlegten Aktion daraus befreien. Eigentlich ist er chancenlos und malt sich schon aus, wie er von seinem blutrünstigen Volk hingerichtet wird, doch er erhält Hilfe von unerwarteter Seite.
Alun ap Owyn, ein Barde der Cyngael, und sein Bruder Dai geraten bei einem Viehdiebstahl ausgerechnet an das Haus und den Besitz des berühmten Brynn, der einen der bekanntesten Erling-Plünderer getötet hat, auch wenn die Erling nach wie vor an den Küsten der Cyngael einfallen. Nur durch eine List können sich die Brüder retten und werden sogar als Gäste in Brynns Haus empfangen, wo sie die Bekanntschaft seiner schönen Tochter machen.

– Allmählich verstand er, worum es ging. Ein Pferd war verschwunden.
Solange es nicht gefunden wurde, stand alles still. Der Marktplatz der Insel war an diesem grauen Frühjahrsmorgen voller Menschen. –
Eins

Zu Die Fürsten des Nordens liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Das Geheimnis der schönen Fremden von Cecilia Dart-ThorntonImrhien, das einst namenlose Findelkind im Turm der Sturmreiter, ist weiterhin auf der Suche nach ihrer Herkunft und ihren Erinnerungen. Nun, da sie mit Hilfe der Carlin ihre Stimme und ihr Gesicht wieder hat, möchte sie auch dieses letzte Geheimnis endlich lüften und begibt sich in die Residenzstadt des Hochkönigs nach Caermelor. Um unentdeckt zu bleiben, nimmt sie einen falschen Namen an und begibt sich unter das Adelsvolk, wo sie hofft Antworten und einen Hinweis auf den Dainnin Dorn zu finden, der ihr Herz gestohlen hat. Doch was sie zunächst findet, sind Intrigen und eine Spur, die in ein längst vergangenes Zeitalter führt.

– Die junge Frau, die bei der Carlin in White Down Rory Unterschlupf gefunden hatte, fühlte sich wie neu geboren. Sie mußte sich unentwegt in Erinnerung rufen, daß die wunderbare Heilung ihrer Stimme und ihres entstellten Gesichts tatsächlich stattgefunden hatte. Ständig starrte sie in den Spiegel, berührte die makellosen Züge und die zarte Haut und murmelte mit rauher Kehle: »Ich kann reden! Ich kann reden!« –
Kapitel 1, White down Rory

Das Geheimnis der schönen Fremden (The Lady of the Sorrows) beginnt so zauberhaft und lyrisch, wie man es schon aus dem ersten Band der Feenland-Chroniken gewohnt ist. Die Sprache vermag auf Anhieb erneut zu fesseln und besitzt auch wieder die Fähigkeit, eine wahrhaft märchenhafte Welt zu erschaffen, die man sofort vor dem geistigen Auge sieht. Kleinigkeiten in der Aufmachung des Buches wie kleine Gedichte, Liedtexte und Zeichnungen zieren wie schon im ersten Teil die Kapitelüberschriften und unterstützen die märchenhafte Atmosphäre. Zum Einstieg findet der Leser außerdem eine kurze Zusammenfassung des ersten Bands, die es erleichtert, sich auch nach längerer Pause wieder problemlos in die Geschichte einzufinden.

Die eigentliche Handlung ist nicht gerade spannend. Wer Spannung sucht, der wird sie am Anfang und dann erst wieder im letzten Teil des Buches finden. Der Teil dazwischen ist im Grunde genommen nur ein langes Warten darauf, dass es endlich losgeht. In epischer Länge und Breite werden da immer wieder Sagen und Mythen keltischen und angelsächsischen Ursprungs nacherzählt, die viele Leser z.B. schon aus irischen Volksmärchen kennen dürften. Wer sie in diesem Buch das erste Mal erwähnt findet, hat Glück und kann sich der allgemein durchaus schönen Geschichten erfreuen, für den geübten Fantasy-Fan dagegen ist hier nichts Neues zu entdecken, und so harrt man der Dinge, die da hoffentlich bald folgen mögen. Erschwerend kommt hinzu, dass all diese eingeschobenen Erzählungen die Handlung weder vorantreiben, noch einen ernst zu nehmenden Einfluss auf sie haben. Erst gegen Ende des Buches werden diese Geschichten abseits der eigentlichen Haupthandlung noch einmal kurz aufgegriffen und sorgen für kleinere Aha-Effekte, die über den langatmigen Mittelteil ein wenig hinwegtrösten. Dennoch, ganz so ausufernd hätten die Erzählungen, seien sie sprachlich auch noch so schön umgesetzt, nicht sein müssen.
Während der erste Band, Im Bann der Sturmreiter (The Ill-Made Mute), wirklich zu begeistern wusste und nicht viele Wünsche offen ließ, scheint die Autorin diesmal häufig etwas ziellos an den Roman herangegangen zu sein. Das zeigt sich sowohl an den Figuren, deren Persönlichkeiten manchmal seltsame Bocksprünge machen, als auch an den vielen sinnlosen Reisen zwischen denselben zwei Orten. Derweil hat die Protagonistin schon den dritten neuen Namen angenommen, und am Ende folgt gar noch ein vierter.

Auch wenn es nach diesen Schilderungen kaum den Anschein erwecken mag, bleibt dieses Buch trotz seiner Schwächen dennoch interessant zu lesen und macht – zumindest, wenn man eine romantische Ader hat – Lust auf den dritten Band. Denn hat man den lahmenden Mittelteil samt seiner übrigen Schwächen erst einmal überstanden, nimmt das letzte Drittel noch einmal große Fahrt auf. Einige Geheimnisse werden endlich gelüftet und lang erwartete Erkenntnisse tun sich auf. Nachdem man so lange mitgefiebert und ausgeharrt hat, wird die Neugier gestillt, und man kann Imrhiens Entwicklung mit Erleichterung und Freude verfolgen. Doch gerade wenn man denkt, die gewonnene Erleichterung könne sich ausbreiten, endet auch dieses Buch mit einem bösen Cliffhanger, und man will – nun endlich von der Spannung erneut gepackt – sofort zum letzten Band der Reihe greifen.

Grabesruh von Jim ButcherIm dritten Fall von Privatdetektiv Harry Dresden spukt es heftig. In ganz Chicago tauchen randalierende Geister auf, die das Leben der Menschen bedrohen. Harry Dresden und sein befreundeter Kollege Michael machen sich daran, die Ursache für die plötzlich aggressiven Verhaltensmuster der Geister herauszufinden. Die Antwort führt sie allerdings weit weg von der Welt der Geister und treibt sie unweigerlich in die Arme nach Rache dürstender Vampire.

– Irgendwo sang jemand. Eine Frauenstimme, sanft und lieblich.
»Schlaf, Kindchen, schlaf! Dein Vater hüt’ die Schaf!«
Ein letzter Blick über die Schulter zu Michael, dann huschte ich durch die Tür. Sehen konnte ich nichts mehr, aber ich bin nicht umsonst ein Magier.-
Kapitel 2

Zu Grabesruh liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Grave Peril von Jim ButcherIm dritten Fall von Privatdetektiv Harry Dresden spukt es heftig. In ganz Chicago tauchen randalierende Geister auf, die das Leben der Menschen bedrohen. Harry Dresden und sein befreundeter Kollege Michael machen sich daran, die Ursache für die plötzlich aggressiven Verhaltensmuster der Geister herauszufinden. Die Antwort führt sie allerdings weit weg von der Welt der Geister und treibt sie unweigerlich in die Arme nach Rache dürstender Vampire.

– I heard singing. A woman’s voice. Gentle. Lovely.
Hush little baby, don’t say a word. Mama’s gonna buy you a mockingbird.
I glanced back at Michael, and then slipped inside the door, into total darkness. –
Kapitel 2, S. 10

Die Handlung von Grave Peril (Grabesruh) beginnt zunächst vielversprechend. Geister erheben sich aus ihren Gräbern, treiben in der Stadt ihr Unwesen, gefährden das Leben der Menschen und keiner kann sich ihr ungewöhnliches Auftauchen und ihr bedrohliches Verhalten erklären. Harry Dresden findet schließlich heraus, dass die Geister wie Marionetten von jemandem kontrolliert werden, und damit beginnt der Abstieg dieses interessanten Auftakts. Denn gerade als man denkt, es wird nun richtig geisterhaft, vielleicht ein bisschen gruselig, aber auf jeden Fall spannend, flaut die Story merklich ab und die Erzählung tropft eine Zeit lang zäh vor sich hin. Die Handlung selbst entwickelt sich außerdem plötzlich in eine gänzlich andere und nicht recht nachvollziehbare Richtung.

Inhaltlich ist es ab und an schwer, den vielen verschiedenen Ansätzen des Autors zu folgen. Er hat sich in Grave Peril viel vorgenommen – zu viel. Besonders Verweise auf vergangene Ereignisse, die für den Leser nicht stattgefunden haben und lediglich im vorliegenden Band als Tatsachen präsentiert werden, lassen einen immer wieder im Lesefluss stolpern. Man fragt sich unweigerlich, ob einem in den beiden Vorgängerbänden etwas entgangen ist oder ob man sich gar vergriffen hat und statt Band drei vielleicht Band vier oder fünf in Händen hält. Vieles, was in Grave Peril als gegeben angesehen wird, kommt für den Leser völlig unvorhersehbar und ohne erklärende Herleitung. Es gibt unzählige verschiedene Handlungsstränge, die in diesem Roman aufgebaut werden und zwar einiges an Material für kommende Bücher liefern und einem den Mund wässrig machen, in ihrem geballten Auftreten aber zu viel für die Möglichkeiten eines einzigen Bandes sind. Bis zur Buchhälfte bleibt dementsprechend vieles sprunghaft; die Fülle an neuen Informationen verhindert eine Entwicklung der Handlung und erschwert es, das Buch genießen zu können.
Die zweite Buchhälfte dagegen nimmt schließlich doch noch Fahrt auf und konzentriert sich etwas mehr auf den eigentlichen Plot von Grave Peril, auch wenn die Story nicht mehr ganz so ansprechend ist, wie sie eingangs zu werden versprach.

Die Charaktere sind solide und gut gezeichnet wie auch in den beiden Vorgängern schon, vermögen aber in der Interaktion gelegentlich ebenfalls zu verwirren. Es werden außerdem verschiedene neue Charaktere eingeführt die bisher unerwähnt geblieben sind und sich nun etwas zu schnell in das bisher bekannte Bild einfügen, während Murphys Charakter in Grave Peril kaum auftaucht und eher zu Randfigur degradiert wird.

Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass Grave Peril im Vergleich zu seinen Vorgängern einige Schwächen aufweist und die Handlung stellenweise stark konstruiert und erzwungen wirkt. Trotzdem macht das Buch unter dem Strich Lust auf weitere Bände, in denen die vielen nebensächlich angedeuteten Handlungsstränge hoffentlich weiter ausgebaut werden und das etwas tragische Ende vielleicht nur der Anfang von etwas Größerem ist.

Über Haltung und Pflege von Elfen von Holly Black und Toni DiTerlizziSimon Grace wendet sich in einem persönlichen Brief an die beiden Chronisten der Spiderwick Chronicles. Darin schildert er seinen Beitritt in eine Organisation namens International Sprite League, die sich mit der artgerechten Aufzucht und Pflege von Elfen befasst. Auf seine Bitte, ein Handbuch für die Mitglieder dieser Organisation zu erstellen, legen die beiden Autoren DiTerlizzi und Black nun ebenjenes vor.

– Ein Elf erinnert uns ständig an alles Zauberhafte auf der Welt. Diese winzigen Elfen, herrliche Wesen und vielgestaltig in Form und Farbe, sind oft kleiner als ein Zahnstocher. Sie können nicht nur Blumen zum Blühen bringen, sondern auch erstaunlich fest zubeißen, wenn sie sich bedroht fühlen. –
Der wundervolle Elf, S. 7

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Der Herr der Dunkelheit von Jacqueline CareySeit Jahrhunderten haust der dunkle Herrscher Satoris in seiner Festung Darkhaven und brütet Armeen von Fjelltrollen und Weren aus, um die freien Völker zu versklaven. Aber eine Prophezeiung des Ersten Schöpfers Haomane besagt, daß Satoris vernichtet werden kann. Eine Verbindung zwischen Ellyl und Menschen ist der erste Punkt der Prophezeiung, und so planen Cerelinde, die schöne unsterbliche Herrin der Ellylon, und Aracus, der vertriebene König des Westens, zu heiraten, um die Erfüllung in die Wege zu leiten. Satoris, der sich seinem rachsüchtigen Bruder ewig widersetzt, versucht die Hochzeit zu verhindern und schickt seine drei Marschälle Tanaros, Vorax und Ushahin hinaus in die Welt. Er ficht einen verzweifelten Verteidigungskampf.

– Der Ort wurde Gorgantum genannt.
Erneut verwundert floh er dorthin, und nach seiner Flucht erging er sich in finsteren Gedanken. Es war keine Niederlage, jedenfalls nicht ganz. Niemand konnte das behaupten, solange er noch lebte und den Gottestöter in seinem besitz hatte. –
Prolog

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Die Hetzjagd von Kevin HearneAtticus O’Sullivan, vermutlich der letzte echte Druide, hat die letzten 2000 Jahre damit zugebracht vor einem recht aufgebrachten keltischen Gott zu flüchten, dem er das magische Schwert Fragaragh – The Answerer entwendet hat. Nachdem sich der Druide in der Wüste Arizonas niedergelassen und einen okkulten Buchladen eröffnet hat, dauert es nicht lange, bis ebenjener Gott ihn aufspürt und dem Druiden das Leben schwer macht. Atticus wäre jedoch nicht Atticus, wenn er neben seinem Charme und seinem Sinn für Humor nicht auch ein paar ordentliche Kräfte zur Verteidigung hätte.

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Hounded von Kevin HearneAtticus O’Sullivan, vermutlich der letzte echte Druide, hat die letzten 2000 Jahre damit zugebracht vor einem recht aufgebrachten keltischen Gott zu flüchten, dem er das magische Schwert Fragaragh – The Answerer entwendet hat. Nachdem sich der Druide in der Wüste Arizonas niedergelassen und einen okkulten Buchladen eröffnet hat, dauert es nicht lange, bis ebenjener Gott ihn aufspürt und dem Druiden das Leben schwer macht. Atticus wäre jedoch nicht Atticus, wenn er neben seinem Charme und seinem Sinn für Humor nicht auch ein paar ordentliche Kräfte zur Verteidigung hätte.

– I have been around long enough to discount most superstitions for what they are: I was around when many of them began to take root, after all. But one superstition to which I happen to subscribe is that bad juju comes in threes. –
Kapitel 3, S. 24

2011 erschien mit Hounded (Die Hetzjagd) der erste Teil der Iron Druid Chronicles von Debütautor Kevin Hearne – und was für ein gelungenes und unterhaltsames Debüt er hier abgeliefert hat! Mit seinem Beitrag zur Urban Fantasy kommt frischer und gleichzeitig uralter Wind in das Genre, denn wir bewegen uns mit Druide Atticus O’Sullivan auf den Pfaden keltischer Mythologie. Die Gottheiten anderer Religionen und Kulturen werden am Rande ebenfalls erwähnt, einige davon kommen auch zu einem kurzen Auftritt. Ebenso dabei sind Menschen unterschiedlichster Herkunft. Polen, Russen, Iren, Inder, Dänen, Isländer, Indianer, Norweger, Mexikaner … und zur Freude aller ohne rassistische Vorurteile. Ähnlich erfreulich zeigen sich auch die Geschlechterrollen in Hounded, vornehmlich dadurch, dass es keine nennenswerten Unterschiede gibt. Im Fantasy-Genre heißt es gerne “Damals war das halt so”, womit ein überdominantes Rollenbild des Mannes und eine chronische Opferrolle der Frau in modernen Romanen und TV-Produktionen gerechtfertigt wird. Kevin Hearne scheint da andere Ansichten zu haben. Denn wie Atticus gleich zu Anfang betont, stammt er aus der Eisenzeit, wo man, anders als heute, auch als Mann besser kleine Brötchen backte und einer Frau mit ebensoviel Respekt begegnete wie einem Mann. Sonst konnte es passieren, dass man(n) ruckzuck durch weibliche Hand das Zeitliche segnete, denn die klischeehaften Rollenbilder von starkem und schwachem Geschlecht gab es zu seiner Zeit noch nicht (Gesetze gegen Selbstjustiz auch nicht). Auf diese Weise wird aus “Damals war das halt so” mal ein positives Argument statt einer billigen Ausrede und der Roman zu einer wirklich angenehmen Abwechslung.

Hounded ist auch sonst ein wunderbar gelungener Roman mit seinem Mix aus Moderne, Mythologie und Humor. Druide Atticus versteht es, gleichzeitig aus Star Wars und Shakespeare zu zitieren. Anders als in der ähnlich aufgebauten Buchreihe um den Magier Harry Dresden stellt die Technik für Atticus auch kein Problem dar – im Gegenteil. Er hat sich die Errungenschaften der Moderne zunutze gemacht, besitzt ein Mobiltelefon, führt einen Online-Shop, und in seinem okkulten Buchladen, wo er Heilkräuter mischt und magische Utensilien verkauft, ist eine Video-Überwachung angebracht. Kevin Hearne schafft es insgesamt sehr gut, unsere moderne Welt mit der alten, mythologischen Welt zu kombinieren ohne merkwürdige Ausflüchte finden zu müssen, um die Mystik zu bewahren. Hounded wirkt in sich rund, gegenwärtig und überzeugend. Man hat zu keiner Zeit das Gefühl, dass sich der Autor bemüht haben muss um bestimmte Details zusammen zu bringen.

In dieser sehr lebendig gezeichneten Welt existieren alle von Menschen erdachten Götter gleichzeitig. So kommt es, dass nicht nur eine Gottheit des Todes oder nur eine Gottheit der Liebe etc. herum streifen, sondern so viele davon, wie es verschiedene Religionen gibt. Hast du als charmanter Druide einen vorteilhaften Deal mit der keltischen Göttin des Todes abschließen können, schützt dich das noch lange nicht vor dem christlichen Tod … Erfreulicherweise ziehen es die meisten Götter vor, ihre Sphäre nicht zu verlassen – was zu herrlich absurden Momenten führt, wenn sie es doch einmal tun und feststellen müssen, dass sie nicht ganz auf dem aktuellen Stand der herrschenden Gepflogenheiten und Erfindungen sind. Die Gefahr, in einen Gott hineinzurennen, ist allerdings eher gering, zumindest solange, bis einer dieser Götter beschließt, sich ein Schwert zurückzuholen, das ihm vor verdammt langer Zeit abhanden gekommen ist – und damit plötzlich eine ganze Schar Gottheiten sich veranlasst sieht, dem letzten Druiden einen Besuch abzustatten.
Zu der Schar Götter gesellen sich außerdem auch noch Hexen, Ghoule, Vampire, Werwölfe, Riesen und ein paar Höllendämonen.

Die Gottheiten in Hounded sind besser mit Vorsicht zu genießen. Sie haben durchweg interessante Persönlichkeiten, die von undurchschaubar über listig bis hin zu soziopathisch reichen. Völlig egal wie menschlich die Götter einem ab und an dabei erscheinen, sie brauchen nur Sekunden, um zu beweisen, dass sie tickende Zeitbomben für den normalsterblichen Bürger sein können und eigentlich nur sich selbst im Kopf haben. Sie sind allerdings so naiv gleichgültig, dass man sie trotz einer harschen Urteilsweise als Leser ins Herz schließen muss.
Atticus dagegen, der einem mit seinen 2100 Jahren eigentlich auch schon göttlich vorkommen müsste, ist fest in der irdischen Welt verwurzelt, achtet als Druide die Natur, hat ein liebenswertes Wesen und kennt die Götter gut genug, um sie mit Respekt zu behandeln, ihnen aber auch auf recht lockere, freundschaftliche Art zu begegnen. Noch dazu ist er ein sexy Schwerenöter, lässt sich gerne mal von den keltischen Göttinnen sagen, wo der Hase lang läuft, und flirtet sich mit all seiner jugendlichen Ausstrahlung in die Herzen der Protagonistinnen und die der Leser, ohne dabei zum oberflächlichen Macho zu werden. Um seine Figur noch sympathischer zu machen, gesellt sich auch sein Sinn für Humor dazu, der am besten in Verbindung mit seinem liebsten Gesprächspartner, dem irischen Wolfshund Oberon, funktioniert. Oberon, dessen Instinkte sich im wesentlichen auf sein Fressen und französische Pudeldamen konzentrieren, ist einer der amüsantesten Charaktere dieses Buches. Im Team sind er und Atticus unschlagbar unterhaltsam.

Den einzigen Punktabzug, den man geben kann, gibt es dafür, dass sich der Autor gelegentlich wiederholt und seine Scherze manchmal ein wenig zu konstruiert wirken. Vermutlich ein Anfängerfehler, der jedoch nicht weiter ins Gewicht fällt bei der sonst so überzeugenden Arbeit, die er mit Hounded abgeliefert hat. Als abschließendes Urteil gilt daher: höchst empfehlenswert für jeden, der Urban Fantasy lesen möchte und ein Herz für keltische Mythologie hat.

Sprachlich ist Hounded eher den etwas geübteren Englisch-Lesern zu empfehlen. Das Vokabular besticht öfter durch weniger gängige Begriffe und die nicht wenigen Einsprengsel irischer Namen, Sprichwörter und Bezeichnungen könnten ungeübte Leser durchaus aus dem Lesefluss bringen. Mit verschriftlichtem Akzent ist ebenfalls zu rechnen. Im Vorwort gibt es allerdings auch ein paar Tips, wie die irischen Namen und Orte betont werden (wenn einen das interessiert) und eine kurze Erläuterung ihrer Bedeutung.

Der Kampf des Rabenprinzen von Cecilia Dart-ThorntonTahquil ist die Einzige, die den Schlüssel zu den geheimen Toren zwischen dem Reich der Menschen und dem der Feen besitzt. Der Rabenprinz, dessen Plan einst scheiterte und ihn selbst in die Welt der Menschen verbannte, ist nun auf der Jagd nach Taqhuil, um vor seinem Zwillingsbruder, dem Hochkönig Angavar, zurückzukehren, die Herrschaft an sich zu reißen und seinen Bruder zu töten. Doch der Rabenprinz ahnt noch nichts von dem Geheimnis, welches Taqhuil und Angavar teilen, und davon, dass dieses Geheimnis seinen Sieg endgültig vereiteln könnte.

– Die Qual der Langothe wuchs Tag für Tag. Sie raubte Tahquil zunehmend den Appetit und den Schlaf, die Kraft und die Lebensfreude – und würde ihr letzten Endes das Leben selbst rauben. Dazu kam eine weitere unstillbare Sehnsucht, die sie unerbittlich dem Wahnsinn entgegentrieb, ein aus verzweifelter Liebe geborener Schmerz. Die Gedanken an den einen, der sie verzaubert und in seinen Bann geschlagen hatte, ließen sie Tag und Nacht nicht los, und die Ungewissheit, ob er noch unter den Lebenden weilte, wurde unerträglich. –
Kapitel 3 – Lallillir, Seite 153

Mit Der Kampf des Rabenprinzen (The Battle of Evernight) befördert die Autorin ihre Buchreihe leider endgültig völlig ins Aus. Alles, was den ersten Band sprachlich und storytechnisch so lesenswert und bezaubernd machte, ließ bereits im zweiten Band häufig zu wünschen übrig, aufgrund einer vermehrt dahinschleichenden Handlung und einem leicht erhöhten Schnulzenfaktor. Dieser finale Roman übertrifft darin nun leider nicht nur seinen Vorgänger, sondern auch so manchen Groschenroman – um Längen.

Wer sich noch an die scheinbar endlosen Wanderungen aus Das Geheimnis der schönen Fremden erinnert, der wird in Der Kampf des Rabenprinzen doppelt viel Freude damit haben. Es ist schwer, etwas über die Handlung dieses Romans zu sagen, denn es dauert extrem lange, bis überhaupt irgendetwas Nennenswertes passiert. Das geht los mit einer völlig sinnlosen Wanderung, die mal eben 200-250 Seiten schluckt, nur um dann darin zu gipfeln, dass man die Suche abbricht, um wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Zäh und nahezu ohne Spannungsmomente wirkt auch die Hauptfigur mit ihren ständig wechselnden Namen die inzwischen so gut wie keine Eigeninitiative, keine Entschlossenheit und auch keine Willenskraft mehr zeigt, und von der ersten bis zur letzten Seite an der herzzerreißenden Langothe leidet – der schrecklichen Krankheit, die den Menschen befällt und unweigerlich zum Tod führt – oder ihrer noch schrecklicheren Sehnsucht nach ihrem Geliebten Dorn. Es ist fast schon wieder amüsant, wie die eine leidvollere Sehnsucht unsere Protagonistin davor bewahrt, an der anderen zu sterben. Schlimmer ist, dass dabei so wenig Stimmung aufkommt, dass einen dieses schier unmenschliche Leiden eigentlich nicht berührt. Die Sätze zeigen keine Wirkung, außer der, dass man auf die Uhr schaut, um die persönliche Langothe mit diesem Buch zu beenden. Unser männlicher Held Dorn legt derweil auch eine zweite Identität an den Tag, und schon wieder hat man jemanden mit drei Namen/Identitäten mehr im Buch. Welche Wonne!

Sicher, die Autorin beherrscht ihr Handwerk und vermag es noch immer, wunderschöne, lebendige Bilder mit ihrer Sprache zu erschaffen, doch das Gesamtergebnis wirkt in diesem Roman wie ein missglückter und bruchstückhafter Textbausatz. Häufig kommt das Gefühl auf, hier wurden Szenen eingesetzt, die in sich wunderschön geschrieben sind, aber auch nur deswegen noch irgendwie in die Handlung hinein gequetscht wurden. Die Charaktere sind stupide geworden, haben völlig überzeichnete Eigenschaften angenommen oder legen restlos unglaubwürdige Reaktionen an den Tag. Die Figur Dorn wird außerdem zu einer zusätzlichen Probe für die eigenen Nerven. Es lässt sich kaum zählen, wie oft erwähnt wird, wie das makellose Gesicht Dorns von den glänzenden Locken seiner schwarzen Haare eingerahmt wird, wie das Haar ihm in sanften Wasserfällen locker über die perfekte Schulter fällt, wie Imrhien/Taqhuil/Rohain/Ashalind vor Begierde zu zittern beginnt und seiner Anziehungskraft nicht widerstehen kann. Das Ganze wiederholt sich wirklich unerträglich oft!
Auch anfängliche Ideen wie das Metall Sildron z.B., welches eine faszinierende Basis für viele interessante technische Entwicklungen hätte sein können, gerät in diesem letzten Band schließlich völlig in Vergessenheit, und man fragt sich, wozu es ursprünglich in die Handlung eingeführt wurde.
Gegen so viele schwere Mängel kommt letztlich auch die lyrische Sprache der Buchreihe nicht mehr an.

Wer noch nicht gänzlich davon überzeugt ist, die Finger von diesem bedauernswerten Buch zu lassen, dem sei noch ein wenig zum längst erwarteten Endkampf gesagt (keine Spoiler): Es gibt selten Momente, in denen ein finales Aufeinandertreffen zweier Kontrahenten derart sanft verpufft wie in diesem Fall. Nach all den langen Schilderungen und dem Aufbau eines bösen Gegenspielers erwartet man natürlich wenigstens einen fulminanten Schluss, sofern man bis hierher überhaupt durchgehalten hat. Von den ca. zwei Seiten, die dieser Kampf in Anspruch nimmt, muss man locker nochmal eine halbe Seite für die fallende Haarpracht und entsetzliche Sehnsüchte abziehen. Nichts mit heroischem Endkampf, statt dessen kindische Rangelei gefolgt von 100 Seiten höfischem Geplänkel, Händchen halten, Liebesbekundungen, noch ein Dinner, nochmal Händchen halten, nochmal Liebesbekundung. Wer meint, damit aber müsse nun endlich das Ende von Der Kampf des Rabenprinzen erreicht sein, der irrt schon wieder.
Nachdem doch noch alles höchst dramatisch im letzten Moment gescheitert ist, um dann auf fünf weiteren Seiten alles aus den drei Büchern der Feenland-Chroniken noch einmal schnell passieren zu lassen, endet das Ganze in einem krönenden Epilog, der ein dermaßen unbefriedigendes Leseerlebnis zurück lässt, dass man das Buch auf der Stelle zerreißen und in einen offenen Kamin werfen möchte.

Dieses Buch ist von A bis Z gähnend langweilig und bietet einem nichts als Entschädigung. Ein trauriges Ende für einen so vielversprechenden Anfang, wie es Im Bann der Sturmreiter war.

Ein Kind von Licht und Schatten von Guy Gavriel KayVon allen verlassen, gejagt, gehasst oder gefürchtet, begibt sich Darien, das Kind von Licht und Schatten, auf die Suche nach seiner Bestimmung. Doch für ihn gibt es im Webmuster Fionavars keinen Faden – und so muss er selbst entscheiden, welchen Weg er einschlagen möchte. Er ahnt, dass von seiner Entscheidung das Wohl und Wehe Fionavars und all seiner Bewohner abhängig sein wird. Kriege, Zweifel und Verrat lassen scheinbar keinen Platz für Hoffnung – doch noch immer streiten Kimberley, Jennifer, Dave und Paul für das Licht und wandeln dabei auf dunkelsten Pfaden.

Einen Augenblick später rannte er durch die Ebene, seine Geschwindigkeit war schneller, als die des Slaug jemals hätte sein können, er rannte so schnell er konnte nach Westen, vergessen war die Schlacht, der Krieg, fast vergessen.
Nach Westen, wo die Lichter brannten und jemand im Raum stand, in jenem Raum, der einst Lisen gehört hatte.
Teil I: Das letzte Kanior

Alle Fäden, die Autor Guy Gavriel Kay in den ersten beiden Bänden der Fionavar-Trilogie so meisterhaft wob, bilden in diesem letzten Buch endlich das finale Muster und lassen den Leser teilhaben am Ende der Geschichten von Dave, Kim, Paul und Jennifer. Mit den einfach bis anstrengend gestrickten Charakteren des ersten Bandes haben die Vier nicht mehr viel gemein: alle haben sich zu Persönlichkeiten weiterentwickelt, die durch phantastische Gaben und Fähigkeiten brillieren und sich durch Zweifel, Angst und Unsicherheit immer weiter wandeln. Und das ist auch bitter nötig: keiner zweifelt mehr an der Existenz von furchterregenden, göttlichen oder verdorbenen Gestalten, denn in mannigfaltiger Form begegnen sie den vier „Fremden“ in Fionavar immerzu; und man kann gestrost annehmen, dass es Dave nicht bis in den 3. Band geschafft hätte – wäre er nicht zu einem Anderen geworden. Die Charaktere sind die große Stärke von Kays Roman: sie bleiben menschlich, auch wenn sie mit Macht beladen sind, und sie sind einer ständigen Entwicklung unterworfen. Selbst Jaelle, die kalte Tochter der Göttin, kommt im Laufe der Handlung nicht umhin, sich selbst im Frage zu stellen und aufgrund neuer Selbsterkenntnisse weitreichende Konsequenzen zu ziehen.

Und so sind Entscheidungen und Veränderungen die beiden Motive, die sich wie rote Fäden durch das kunstvolle Bild Fionavars ziehen. Sind wir frei genug, um wahrhaftig eine Entscheidung zu treffen, oder ist selbst die Entscheidung vorgezeichnet? Mit dieser Frage nähert sich Kay einer uralten und zur gleichen Zeit sehr modernen Problematik: die Natur des freien Willens. Der Autor lässt seine Figuren die Frage mit einem entschiedenen „Ja!“ beantworten, wobei jedoch auch deutlich wird, dass die Abkehr vom Schicksalsglauben einen hohen Preis fordert. Und genau dies beeinflusst die Grundstimmung des Werkes entscheidend: keine Seite wird gewendet, ohne dass dem Leser unaussprechliche Traurigkeiten, tiefste Miseren und schwierigste Entscheidungen offenbar werden. Mit dem Gewicht vom Curdardhs Hammer drücken die Ungerechtigkeiten und Unfassbarkeiten auf das Gemüt eines jeden, der ihnen ausgesetzt ist – da geht es Figuren wie Lesern. Jede kleine Handlung ist derart mit Bedeutung angereichert, dass es dem Leser bald die Sprache verschlägt: wandelt denn niemand auf Fionavars Boden, der nicht reinkarniert oder seit tausend Jahren von Seelenschmerz gezeichnet ist? In diesem Band vernachlässigt Kay leider einen wichtiger Aspekt, der die beiden vorhergehenden Bücher auszeichnet: eine gewisse Leichtigkeit und eine Schönheit der Sprache, die nicht erdrückend wirkt.

Man kann es den Bewohnern Fionavar jedoch wahrlich nicht verübeln, dass ihnen der Spaß gründlich vergangen ist: im andauernden Schlachtgetümmel – auf den Felder Fionavars und im Inneren von hin- und hergerissenen Seelen – beschränkt sich sogar der schillernde Prinz Diarmuid auf lahme Scherze, die ihm der Leser nicht mehr so recht abnehmen mag.

Die Einflechtung der Arthussage erreicht in diesem Band ihren Höhepunkt sowie ihre überraschende Auflösung. Das Trio Guinevere, Lancelot und Arthus ficht, ungeachtet der allzu weltlichen Dinge wie Raum und Zeit, auf Fionavar seinen letzten Kampf aus, um der unsterblichen Liebe willen. Ich komme nicht umhin, mich zu fragen, weshalb in diesem fundamentalen Kampf zwischen Gut und Böse jedes Fass aufgemacht wird, dessen Bodensatz nach Pathos riecht. Scheinbar endlos wird die Liste der Traurigkeiten, will man sie alle aufzählen. Endlos ist jedoch nicht die Aufnahmefähigkeit des Lesers, und so kommt es, dass gebrochene Herzen zur Lesegewohnheit werden und humorige Passagen zum ungläubigen Zweimallesen anregen.

Was als Urteil allzu vernichtend klang, soll jedoch nicht als einziges Bewertungskriterium herangezogen werden. Für seine Geduld belohnt Kay den Leser mit feinfühlig und differenziert gezeichneten Figurenkonstellationen und ausdrucksstarker, sprachlicher Bildlichkeit. Und an Ideen mangelt es dem Autor wahrlich nicht: furchterregende, beeindruckende Wendungen in der Handlung lassen den Leser in eifriger Hast weiterlesen. Erwähnt seien hier die nächtliche Meerfahrt auf einem Schiff, dass bereits vor tausend Jahren sank, oder die Enthüllung des Geheimnisses vom Kristallsee – und der Gesang der Paraiko, der nicht nur die weißhaarige Kimberley tief berührt.

Trotz allem Ideenreichtums möchte ich Isaac Asimov mit seiner Bewertung „Tolkienesk“ zustimmen: einige Motive kommen dem geneigten Tolkianer sehr bekannt vor, sei es das entrückte Land im Westen oder das lichterfüllte Gründervolk, welches in raren friedlichen Zeiten den Abendstern huldigt. Kay interpretiert diese motivischen Traditionen jedoch oft in erstaunlicher oder erschreckender Art und Weise neu, sodass dem Leser viele neue Facetten eines Stoffes gewahr werden – so auch des Artusstoffes.

Zum Schluß kommen endlich auch Freunde der blutreichen Kampfszenen auf ihre Kosten; auf den letzten 50 Seiten entscheiden sich – oder enden – recht abrupt etliche Schicksale, die den Leser in tiefer Trauer zurücklassen. Doch nicht ohne Hoffnung: auf den letzten Seiten entwickelt sich erneut ein heiterer Unterton in der Erzählung, der das Abschiednehmen des Lesers von Fionavar und seinen Bewohnern von seiner allumfassenden Tragik und Dramatik zumindest für einen Moment befreit und damit versöhnlich stimmt – wenn man nicht vorher durch einen Tränenschleier gehindert wird, bis zum Ende der Geschichte zu lesen.

Cover von Die Königin der Träume von Patricia A. McKillipAls Talis in einem versteckten Winkel der Zaubererschule von Chaumenard ein Buch mit magischen Anleitungen entdeckt, ahnt er noch nicht, dass es unberechenbare Kräfte in sich birgt. Als er dies erkennt, ist es zu spät und er ist bereits in den Bann der Königin des Waldes geraten, die ihn darum bittet, ihr bei der Suche nach ihren Angehörigen zu helfen, die vor zwanzig Jahren durch einen mächtigen Zauberbann in Talis’ Welt geraten sind …

-Er ließ die Feder fallen und stand auf. Bevor er sich bewegen konnte, hörte er im Nachbarzimmer Schritte auf ihn zukommen. Murehtrhekrev, sagte eine fremde Stimme. Und der Nachtjäger vom Jägerfeld stand auf der Schwelle.-
Kapitel 6

Als erstes: Punktabzug für die deutsche Übersetzung des Buchtitels. Die geht nämlich am Kern der Sache gründlich vorbei und die “Königin”, die hier gemeint ist, regiert mitnichten über irgendwelche Träume sondern über eine Art Feenreich, das durch die verquere Magie des Magiers Arun Wulf in eine andere Welt “geknotet” wird. Hätte man dem Buch einfach den Titel “Das Buch des Arun Wulf”, also gleichsam die 1:1-Übersetzung des englischen Originals gegeben, wäre der Sache mehr gedient gewesen. – Denn genau darum geht es in dieser Geschichte: Um das “Magie-Lehr-Buch” von Arun Wulf, das ein dunkles Geheimnis in sich trägt … denn alle Zaubersprüche, die in diesem Buch aufgeschrieben wurden, gehen entweder “nach hinten los” oder es kommt etwas ganz anderes dabei heraus. Die Magie dieses Buches ist “verdreht” und warum das so ist, ist die Handlung der Geschichte, in der die “Königin” zwar eine tragende und wichtige, aber keineswegs die ausschließliche Hauptrolle spielt.
Die drei wichtigsten Personen im Buch sind der bebrillte Prinz Talis, des Reiches von Pelucir und Chaumenard mächtigster Magier Arun Wulf und eine Topfwäscherin namens Trawa, die schlussendlich eine Schlüsselposition in der Handlung einnimmt.

Das Buch dreht sich wieder um Patricia McKillips Lieblingsthema Magie: Hier ist die Handlung allerdings gleichsam in zwei Teile geteilt. Der eine Handlungsstrang befasst sich mit den Versuchen des Prinzen Talis mit dem Buch Arun Wulfs. Diese Teile des Romans sind in der für Patricia McKillip typischen, kryptischen Sprache verfasst, die ein wenig Mitdenken und Aufmerksamkeit erfordert.
Der andere Teil spielt sich in der Schlossküche von Pelucir ab, in der das einfache Volk zu Wort kommt. Hier wird getratscht und geschwatzt, gelästert und gestritten. Diese Teile sind eine Erholung im Handlungsablauf, denn sie sind, eben weil das einfache Volk hier die Bühne betritt, auch in einfacher, klarer Sprache geschrieben.

Diese beiden Handlungsstränge gehören zusammen, was man aber nicht gleich auf den ersten Blick bemerkt. Sie werden im Lauf des Romans immer weiter miteinander verwoben und man versteht immer mehr, wie eigentlich alles zusammengehört. Am Ende der Geschichte wird buchstäblich alles “Verstrickte” (Königreiche und Magie) aufgelöst und “verkehrt herum” wird wieder “richtig herum”, wenn auch zu einem hohen Preis …

Cover des Buches "Königreich zu verkaufen" von Terry BrooksDer verzweifelte Chicagoer Anwalt Ben Holiday erhält ein seltsames Angebot: Für 1.000.000 Dollar kann er das magische Königreich Landover kaufen und dort ein neues Leben als König beginnen. Dort angekommen stellt sich jedoch schnell heraus, dass es in Landover nicht zum Besten steht. Nachdem 20 Jahre lang die Könige im Fluge wechselten, haben sich die Untertanen vom Thron entfremdet, den Mächtigen des Reiches ist der neue König bestenfalls gleichgültig, schlimmstenfalls würden sie ihn gerne tot sehen. Die Magie, die Landover belebte, schwindet. Kann der König rechtzeitig das Rätsel lösen, das den magischen  Verteidiger, den Paladin, Landovers umgibt?

-Landover: Reich der Magie, Reich der Abenteuer, Heimat von Rittern und Knappen, Drachen und Edelfräulein, Zauberern und Hexen.-
Ben: Aus der Annouce des Rosen Weihnachts-Wunschbuch

Das Königreich Landover ist nicht besonders groß, mit dem Pferd kann man es in wenigen Tagen durchreiten. Um das Königreich herum liegen die Elfennebel, die einen gefährlichen Raum bilden, der Tore zu anderen Welten bietet.

In Landover sind die politischen Verhältnisse einfach, denn es gibt nur vier Völker und zwei weitere mächtige Wesen. Die Herren des Grünlandes sind relativ langweilig. Eine menschliche Feudalgesellschaft mit Rittern und Bauern. Geben sie sich auch offen und ehrlich, so sind sie doch intrigant und machtgierig. Einst bildeten sie das militärische und wirtschaftliche Rückgrat, heute zerfleischen sie sich selbst und nehmen die Verschmutzung der Flüsse in Kauf. Die Elfen des Seelandes sind ein Sammelsurium von sonderbaren Wesen, kaum zwei gleichen einander. Die Exilanten aus den Elfennebeln sind zufrieden, wenn sie ruhig und abgeschieden vom Rest der Welt in ihren Wäldern und Gewässern leben können. Die Trolle vom Melchor sind wilde Bergarbeiter und Waffenschmiede. Bleiben die G’Heim Gnome (engl.: “G’Home Gnome!”), ein diebisches Pack rattengesichtiger Hunde- und Katzenfresser, die von überall fortgejagt werden. Die Hexe Nachtschatten ist die Herrin über den Tiefen Schlund und der Drache Strabo macht nicht nur das Königreich unsicher.
Magie ist der zentrale Faktor in Landover: die Blaubonnie-Bäume, die auch die Ärmsten ernähren können; Burg Silberstein, der Sitz des Thrones, ein magisches Wesen, welches seinen Bewohnern – so lange die Magie fließt – stets volle Vorratskammern und eine starke Feste bietet; die schönen Regenblumen und schließlich der magische, unbezwingbare Paladin… Aber die Magie schwindet unaufhörlich aus Landover.

Doch lebt diese von Brooks erschaffene Welt von seinen bunten Figuren: Da ist Questor Thews, der inkompetente Hofzauberer, der nur gelegentlich die Magie beherrscht; der bierernste Hofschreiber Abernathy, ein Zyniker, halb-Mensch, halb-Weizenterrier dank eines misslungenem Zaubers; Weide, die wunderschöne Sylphe, die sich gelegentlich in einen Baum verwandelt; der Drache Strabo, der sich über den menschlichen Mangel an Quellenkritik zu Geschichten über Drachen beschwert; dieses sind nur ein paar der grotesken, nahezu karikierenden Ansammlung von Romanfiguren.

Der Plot in Königreich zu verkaufen (Magic Kingdom for Sale – Sold) ist allerdings nicht wirklich neu: Der Held muss eine magische Queste bestehen um die Welt vor einer Horde Dämonen zu retten. Dem Autoren gelingt es aber mittels überraschender Wendungen, die Geschichte immer spannend zu halten. Der Form nach ist es deutlich ein Bildungsroman – es geht in der Geschichte um Ben Holiday, der einen Platz in Landover suchen muss. So liegt der Schwerpunkt auf dem zwar nicht übermäßig glaubwürdigen aber doch interessanten Charakter des Anwalts und seiner Entwicklung von einem verzweifelten, depressiven, der Alkoholsucht nahen Stadtmenschen, der den Tod seiner Frau nicht verwunden hat, zum König von Landover, der sein altes Leben zwar nicht vergisst, das neue aber Schritt für Schritt annimmt. Dazu gehört auch die gelungene und überraschende Auflösung um den Paladin.
Je weiter die anderen Charaktere von Holiday entfernt sind, desto oberflächlicher bleiben sie auch für den Leser. Es gibt bessere Bildungsromane (Voltaires Candide oder Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre), aber ein fantastischerer ist mir noch nicht untergekommen.
Interessant, aber leider nur angerissen, sind die Elemente der Umweltverschmutzung der Herren vom Grünland und die Parabel des Paladins als Krieg.

Cover des Buches "Die Königstochter aus Elfenland" von Lord DunsanyDas Parlament von Erl hofft Ruhm durch Zauberei zu erlangen. Darum schickt der König von Erl seinen Sohn Alveric aus Lirazel, die Tochter des Königs der Elfen, zu freien. Es gelingt ihm im fremdartigen Elfenreich Lirazel zu finden, sie erkennen die Liebe, die sie für einander empfinden und kehren nach Erl zurück – jedoch gegen den Willen des Elfenkönigs. Von seinen drei mächtigen Runen nutzt er eine um seinen ältesten Soldaten wiederzubeleben und die zweite um seine Tochter zurückzuholen. Alveric macht sich erneut auf die Suche nach der Königstochter aus Elfenland.

-In ihren rötlichen Lederjacken, die ihnen bis zu den Knien reichten, erschienen die Männer von Erl vor ihrem Herren, dem würdig weißhaarigen Manne, in seinem langen roten Gemach.-
Der Plan des Parlaments von Erl

Wie der Autor im Vorwort ankündigt, spielt sich ein Großteil der Geschichte von Die Königstochter aus Elfenland (The King of Elfland’s Daughter) im Königreich Erl ab, welches wohl im mittelalterlichen Großbritannien zu finden ist. Erl besteht aus einer Burg, einem Dorf und einigen einzelnen Gehöften – und liegt etwa zwanzig Meilen von Elfenland entfernt. Erl wird zwar vom König regiert, doch der muss auf die Meinung des Parlaments achten. Auch der Priester des Befreiers, des wahren Gottes, hat Einfluss auf seine Gemeinde.
Im Elfenland herrscht der König von Elfenland absolut. Er ist namenlos, denn sein Alter ist gewaltig. Er ist ein mächtiger Magier, der über die drei großen Runen gebietet. Sonst leben im Elfenland verschiedene Wesen: Einhörner, Irrlichter, Elfenkrieger und besonders Trolle. Trolle sind kleine, nackte braune Wesen, die beständig in Bewegung sind und deren stärkste Charaktereigensaft entweder ihre Neugier oder ihr Spieltrieb ist. Der Troll Lurulu ist der Bote des Königs und durchaus nicht würdig.

Der bedeutendste Unterschied zwischen Erl und Elfenland ist der Zeitfluß, denn in Elfenland vergeht keine Zeit. Nachdem Orion und Lurulu sich nach zwölf Jahren wiedersehen und Orion fragt, wieviel Zeit vergangen sei, antwortet Lurulu: “Bei mir ist immer noch Heute.” Morgen ist ein Konzept, mit dem Bewohner von Elfenland nichts anfangen können. Was geschieht morgen? Da kann man sich nicht mehr bewegen und die anderen begraben einen in der dunklen Erde, wo man dann für immer liegen muss.
Auch wenn die Charaktere einfach sind – zumeist sind sie auf eine Motivation beschränkt – sind sie keineswegs Klischees oder Schablonen. Alveric nimmt man die brennende Liebe, die er für Lirazel empfindet, durchaus ab. Man leidet mit Alveric auf seiner Suche mit.

Die Geschichte ist schwer zu erläutern; viele Stränge spalten sich auf, laufen nebeneinander her, überkreuzen sich nur um sich wieder zu trennen; es ist allerdings niemals so kompliziert, daß man den Überblick verliert. Alveric jagt Lirazel nach, Lurulu neuen Erfahrungen, das Parlament dem Ruhm, Orion allen Tieren, die sterblich sind, und der Elfenkönig ebenfalls Lirazel. Aber viele werden die Geschichte als langatmig empfinden, zumal es keine “richtige” Bedrohung gibt. Jeder geht seinen Geschäften nach und manchmal haben diese etwas miteinander zu schaffen.

Das Werk glänzt allerdings mittels Sprache; hier ist es nahezu perfekt, auch wenn mancher sich über das wiederholte Auftreten einiger Wendungen ärgern mag. Die Beschreibungen sind so prachtvoll, daß man unweigerlich davon gefangengenommen wird – wenn man sich mit dem altertümlichen Stil anfreunden kann.

Cover des Buches "Last Light of the Sun" von Guy Gavriel KayDer junge Erling Bern Thorkellson gerät unverschuldet in die Leibeigenschaft und will sich in einer unüberlegten Aktion daraus befreien. Eigentlich ist er chancenlos und malt sich schon aus, wie er von seinem blutrünstigen Volk hingerichtet wird, doch er erhält Hilfe von unerwarteter Seite.
Alun ap Owyn, ein Barde der Cyngael, und sein Bruder Dai geraten bei einem Viehdiebstahl ausgerechnet an das Haus und den Besitz des berühmten Brynn, der einen der bekanntesten Erling-Plünderer getötet hat, auch wenn die Erling nach wie vor an den Küsten der Cyngael einfallen. Nur durch eine List können sich die Brüder retten und werden sogar als Gäste in Brynns Haus empfangen, wo sie die Bekanntschaft seiner schönen Tochter machen.

-A horse, he came to understand, was missing.
Until it was found nothing could proceed. The island marketplace was crowded on this grey morning in spring.-
One

In The Last Light of the Sun (Die Fürsten des Nordens) lässt Guy Gavriel Kay die hochzivilisierten Kulturen Süd-Europas hinter sich und entführt den Leser in die kalte, karge Welt der Cyngael, Angclyn und Erling, seiner Variante der (walisischen) Kelten, Angeln und Wikinger. Historisch orientiert sich der Roman am Britannien des 9. Jahrhunderts und den Geschehnissen rund um Alfred den Großen.
Auch in diesem Roman beherrscht Kay meisterhaft die Inszenierung ineinander verwobenen Handlungsstränge. Anfangs scheint er einfache, unzusammenhängende und unspektakuläre Geschichten zu erzählen, die sich um drei Hauptpersonen bzw. Personengruppen ranken, doch es ist ein fragiles Gespinst, in dem Kleinigkeiten auf unvorhersehbare Art große Bedeutung erlangen, der berühmte Flügelschlag eines Schmetterlings, der anderswo einen Orkan auslöst. Auf subtile Weise verbindet Kay die Einzelschicksale zu einem großen Ganzen, und es ist eine Freude, aufzudecken, wie sich alles gegenseitig bedingt und worauf es hinausläuft.

Mehr als in den vorausgegangenen Romanen Kays spielt hier das Magische eine Rolle, das immer mehr vom Glauben an Jad (Kays Paralelle zum Christentum) zurückgedrängt wird. In den Wäldern der erst kürzlich jaddisierten Cyngael lebt das Alte, das Magische fort, und selbst Priester tun sich schwer, die Existenz einer Anderswelt und ihrer Geschöpfe – vor allem der Feen – zu leugnen. Während in The Last Light of the Sun einerseits großartige historische Recherchearbeit geleistet wurde und die dargestellten Kulturen und Ereignisse authentisch geschildert werden, beeindrucken vor allem auch die Passagen, die die Anderswelt mit ihren Geisterwäldern und verborgenen Tümpeln darstellen, durch eine archaische, unheimliche Atmosphäre, verstärkt durch einen lyrischen Präsensstil, der diese Abschnitte ganz wortwörtlich in eine vom Geschehen losgelöste Zeit hebt.

Kays brilliante Sprache passt sich Situationen, Kulturen und verschiedenen Figuren an, verliert aber nie den kleinen Hauch Poesie, der sie so lesenswert macht. Einige Erzählkniffe heben das Buch zusätzlich vom gewohnten, linearen Einheitsbrei ab, am prägnantesten wohl jene eingestreuten Passagen, in denen immer wieder die Schicksale von Figuren, die an der Handlung nur marginal beteiligt sind, vor dem Leser ausgebreitet werden und die Geschehnisse des Romans relativieren, ohne ihnen die Intensität zu rauben. Und Kay beherrscht nach wie vor die Kunst, in einem einzigen Satz eine überraschende Wendung so zu verpacken, dass man erst nach einigen Zeilen den Mund wieder zuklappen kann.
Aber auch seinen Hang zur Tragik hat er beibehalten, und man wünscht sich manchmal doch etwas mehr positive Elemente – trotz eines versöhnlichen Endes überwiegt eindeutig das Düstere.
Weniger bombastisch als in Lions of Al-Rassan oder Sarantine Mosaic, was sicher auch an den weniger üppigen Kulturen und damit einhergehend einer geringeren sprachlichen Verspieltheit liegt, aber fast genauso dicht am Geschehen, schafft es Kay auch hier wieder, den Leser in seinem Mahlstrom menschlicher Schicksale mitzureißen, zumindest diejenigen, die sich für Geschichten und Geschichte begeistern und auf massiven Magie-Einsatz auch verzichten können.

The Lord of the Rings Sketchbook von Alan LeeIn The Lord of the Rings Sketchbook zeigt Illustrator Alan Lee sein einmaliges zeichnerisches Talent und seine Idee von der Herr der Ringe-Trilogie, wie sie die Filmkulissen schlussendlich maßgeblich geprägt haben.

– But here there is still more – an insight into an artist’s mind and a close-up of his pen, pencil and brushes at work. Wonderful. –
Ian McKellen, Foreword, S.9

Dieser Hardcover Bildband kommt in einem für ein Artbook relativ kleinen Format daher. Was im ersten Moment wie ein Manko klingt, wurde jedoch gänzlich positiv umgesetzt. Zunächst einmal liegt The Lord of the Rings Sketchbook gerade wegen des kleineren Formats bequem in der Hand und lässt sich entsprechend angenehm durchblättern. Überwiegend ganzseitige Abbildungen in einer sehr ordentlichen Qualität zeigen jedes kleine Detail der Skizzen und beweisen, dass die geringere Größe des Buchs keine Nachteile mit sich bringt. Aufgeteilt in übersichtliche Kapitel, fällt es auch thematisch leicht, sich in diesem Buch zurechtzufinden, Stellen schnell aufzuspüren und gezielt zu stöbern. Für letzteres sollte man etwas mehr Zeit einplanen, denn es gibt viel zu entdecken!

Tom Bombadil von Alan Lee
© Alan Lee - Scan: The Lord of the Rings Sketchbook

The Lord of the Rings Sketchbook ist, wie der Titel schon verrät, gefüllt mit Bleistift-Skizzen. Es grenzt jedoch beinahe schon an Hohn, diese Arbeiten eines Meisters seines Fachs lediglich als Skizzen zu bezeichnen, denn ihre Ausarbeitung, Detailgenauigkeit und Ideenvielfalt sind an vorbildlichem Können kaum zu überbieten und stellen viel mehr als bloß ein Entwurfsstadium dar. Es haben auch einige der fertig kolorierten Bilder ihren Weg hinein gefunden, sie wirken neben den lebendigen Skizzen geradezu zweitklassig und vernachlässigbar.

Inhaltlich befasst sich das vorliegende Werk – wer hätte es gedacht? – mit den Entwurfsarbeiten zum Filmkonzept der Herr der Ringe Trilogie. Es steuert dabei jedoch noch einige neue Zeichnungen bei, welche erstmalig in The Lord of the Rings Sketchbook gezeigt und teilweise sogar speziell für dieses Buch angefertigt wurden. Dazu gehören u.a. Portrait-Illustrationen von Ian McKellen als Gandalf oder Cate Blanchett als Galadriel. Besonders sympathisch wirkt das Buch aber durch einen gewissermaßen unzensierten Einblick in Alan Lees Arbeitsweise, seine Zeichenübungen und seine schrullig liebenswerte Methode, To-Do-Listen in Form winziger Thumbnails zu führen. Außerdem reflektiert der Künstler den Entstehungsprozess seiner Werke bis hin zum fertigen Ergebnis. In seinen Kommentaren zu den einzelnen Skizzen spricht Alan Lee nicht nur von den obligatorischen Filmanekdoten, sondern auch über seine Inspirationsquellen. Der Künstler scheut dabei nicht davor zurück, selbstkritisch über die Bilder zu urteilen und eigene Fehler, Vertuschungsversuche und Schwächen aufzuzeigen. Der Betrachter freilich wird es auch mit einem noch so kritischen Blick unfassbar finden, wie Alan Lee an dieser Stelle von Fehlern sprechen kann, da sich die Arbeiten auf einem ausgesprochen hohen Niveau bewegen. Vermutlich sind nur echte Meister der Materie in der Lage, hier noch über Mängel diskutieren zu wollen und vor allem zu können. Es zeigt jedenfalls, mit welch hohen Ansprüchen Alan Lee an seine Illustrationen herangeht und wie selten heutige Künstler die klassische Illustration noch (in Perfektion) beherrschen.

Dieses Buch ist nicht nur ein Muss für den bekennenden Herr der Ringe-Fan, sondern auch für jeden (angehenden) Illustrator. Gerade letzterer wird die hilfreichen Tipps des Meisters begrüßen und zu schätzen wissen, denn es dürfte nicht zu viel versprochen sein, wenn einmal gesagt wird, dass man sich auch als talentierter Zeichner getrost noch eine Scheibe von Alan Lee abschneiden kann. Dieses Buch zeigt, dass Lees Skizzen mit ihrer Perfektion gleichermaßen zu begeistern und einzuschüchtern vermögen.

Cover des Buches "Merlin im Elfenwald" von Jean-Louis FetjaineDie Kämpfe in Britannien gehen weiter. Merlin ist auf dem Weg in die Bretagne, um in Brocéliande, dem Wald der Elfen, nach seinem Vater zu suchen, und das Rätsel um seine Herkunft zu lüften. Das Christentum fasst immer mehr Fuß auf der Insel und verdrängt den alten, heidnischen Glauben. Merlin gerät in den Ruf, ein Hexer zu sein und sein Gefährte, Bruder Blaise, wird der Ketzerei angeklagt. Unterdessen bringt Guendoloena, die mit dem König der Skoten verheiratet ist, Merlins Sohn Artus zur Welt.

-Die Schmerzen weckten sie kurz vor Tagesanbruch, und sie waren so heftig, daß sie nach Atem rang, nicht einmal mehr dazu imstande zu schreien, die Hände in ihr linnenes Bettzeug verkrampft, die Beine vor ihrem zum Bersten prallen Bauch angezogen, und es fühlte sich wahrlich an, als ramme man ihr eine brennende Fackel in den Leib.-
1 Die Überfahrt

Man möchte laut seufzen: Fetjaine ist ein wunderbarer Erzähler. An einer Stelle beschreibt er, wie Merlin eins wird mit der Natur, quasi in ihr aufgeht. Er wird zu Wasser, zu Gras, er verwandelt sich in verschiedene Tiere, wird zum Baum. Das ist kein plumper Abrakadabra-Zauber: eben stand hier noch der Zauberer und jetzt kommt die Taube aus dem Zylinder. Das ist wunderschön erzählt und der Leser fühlt beinahe körperlich wie Merlin Teil der Natur wird und die Natur Teil Merlins. Zeit wird unbedeutend. Allein wegen dieser Szene von knapp einer Seite lohnt sich die Lektüre des Romans. Aber es gibt auch viele Kleinigkeiten, die den Genuss trüben. Es ist, als wolle man sich an einem herrlichen Sommerabend erfreuen und würde alle paar Minuten von einer Mücke gestochen.

Merlin hat mittlerweile weißes Haar, er ist seelisch gereift, er ist Vater geworden und am Ende der Geschichte ist er um die Dreißig. Die gleichaltrige Guendoloena beschreibt Fetjaine als eine erwachsene Frau und nicht mehr das junge unbekümmerte Mädchen … Eine erwachsene Frau und Königin … , aber Merlin ist immer noch -na?- richtig, das Kind und zwar bis zu viermal auf einer Seite!
Anscheinend hält entweder der Autor oder die Übersetzerin hartnäckig an der falschen Auffassung fest, daß man einen erwachsenen Mann, der ein Kindergesicht hat und zartgliedrig ist, ständig als Kind titulieren muss. Aber das Wort Kind bezeichnet einen Entwicklungsstand, den Merlin zweifellos schon längst hinter sich gelassen hat und nicht die äußerliche Erscheinung. Wenn der Katholik Günther Jauch einen Konfirmationsanzug besäße, dann würde er darin wahrscheinlich heute noch bei günstigem Licht als 14-jähriger durchgehen. Trotzdem käme niemand auf die Idee zu schreiben: “Das Kind wird im Sommer die XXX-Show moderieren”.

Oft ist nicht nachvollziehbar, warum manche Begriffe in einer Fußnote erklärt werden und andere nicht. Akribisch wird der heutige Name jedes erwähnten Ortes in einer Fußnote festgehalten, Wörter aber wie Guimpe, die nun nicht gerade zum alltäglichen Sprachgebrauch gehören, werden nicht erklärt. In weiteren Fußnoten wird angegeben, wo genau die Bibelzitate zu finden sind, die die geistlichen Herren im Munde führen, und da wirkt es doch eher seltsam oder zumindest anachronistisch, wenn man jedesmal liest: zitiert nach der Luther-Übersetzung. Zwar passt die Sprache Luthers zu der Fetjaines, aber trotzdem mutet es eigenartig an, wenn Geistliche im 6. Jahrhundert die Bibel nach den Worten eines Mannes zitieren, der erst gut tausend Jahre nach ihnen gelebt hat.

Jean-Louis Fetjaine dankt in seinem Buch Johann Goldberg für die lateinischen Übersetzungen und lobt ihn als Koryphäe auf seinem Gebiet. Goldberg hätte sicherlich die benötigten Zitate in angemessener Sprache aus der Vulgata übersetzen können. Fetjaine legt in seinem Roman sichtlich Wert auf historische Authentizität, da hätte diese Vorgehensweise seinen Intentionen besser entsprochen.

Auch eine andere religiöse Frage schadet dem Roman eher als sie ihm nutzt. Im ersten Band konkurrierte das aufkommende Christentum, repräsentiert durch den Klerus mit dem alten, auf dem Rückzug befindlichen, heidnischen Glauben vertreten durch den Barden, bzw. Druiden, Merlin.
In Merlin im Elfenwald (Brocéliande) stilisiert Fetjaine den Magier zum wiedererstandenen Christus, der von den meisten Menschen nicht erkannt und von seinem bisher so treuen “Jünger” verraten wird. Fetjaine genügt es nicht, seinem Roman einen seriösen, fundierten historischen Hintergrund zu geben, er will auch noch philosophische Tiefe hineinbringen und überfrachtet die Geschichte damit, die eigentlich eine schöne runde spannende Fantasygeschichte sein könnte — wenn nur jemand die lästigen Mücken erledigt hätte.

Midwinter von Matthew SturgesDie Intrige eines Rivalen hat Mauritane, den Hauptmann der Leibgarde der Fae-Königin Titania, unschuldig ins Gefängnis gebracht. Nach Jahren erhält er ein überraschendes Angebot: Ihm winkt Straferlass, wenn er sich auf ein Himmelfahrtskommando einlässt, über das er erst unterwegs Einzelheiten erfahren soll. Mit einigen Mithäftlingen (darunter ein amerikanischer Wissenschaftler, den es ins Feenreich verschlagen hat) stürzt Mauritane sich ins Abenteuer. Doch schon bald muss er erkennen, dass er nicht nur die Schergen von Titanias Feindin Mab zu fürchten hat, sondern auch Verrat aus den eigenen Reihen und die Anschläge seines alten Erzfeinds …

– Der Winter kommt nur einmal alle hundert Jahre über das Land. Und wenn er kommt, schließen die immerblühenden Kirschbäume ihre Blüten und wenden sich ab von dem frostigen Wind. Die Tiere des Waldes kommen von ihren Bäumen und Felsen herab und graben sich, auf der Suche nach Wärme, tief in die Erde. Die Kanalsee wird stürmisch und grau. Die Sonne scheint weniger hell und verbirgt ihr Antlitz hinter Wolken, rau wie Granit. Wenn der Fluss Ebe überfriert und ein Mensch über das Eis von Jochdorn nach Midai laufen kann, dann hat der Midwinter offiziell begonnen. –
Erster Teil

Wenn es etwas Ärgerlicheres gibt als ein durch und durch schlechtes Buch, dann wohl eines, in dem eigentlich gute Ideen durch die mangelhafte Umsetzung verdorben werden. Letzteres trifft leider auf Matthew Sturges’ Midwinter zu. Die relativ atmosphärisch geschilderte Ausgangssituation ist zwar nicht rasend originell, hätte aber durchaus eine solide Basis für einen Abenteuerplot bilden können, zumal die Vorstellung einer Parallelexistenz mehrerer verschiedener Feenwelten mit der Erde ein interessantes Setting verspricht, das Sturges denn auch mit netten Details wie winzigen Botenfeen und sprechenden Pferden würzt.

Doch nur an ganz wenigen Stellen blitzt auf, was sich aus dieser Konstellation hätte herausholen lassen, etwa wenn einer der Fae den Amerikaner unbefangen auffordert, doch mal ein bisschen Naturwissenschaft vorzuführen. Der hier so reizvoll angedeutete Kontrast der Kulturen und Denkweisen verschwimmt im Verlaufe der Queste, die sich eher wie eine mit altbekannten Abenteuerelementen gespickte Rollenspielkampagne liest.

Ein solches Konzept kann zwar aufgehen (wie etwa Richard Schwartz mit seiner erfolgreichen Askir-Reihe beweist), aber nur dann, wenn man nicht zusätzlich den Eindruck erhält, dass der Spielleiter etwas konfus ist und die Spieler es versäumt haben, ihre Charaktere überzeugend auszuarbeiten. Sturges’ Figuren wirken zumeist flach und typenhaft. Am Vielschichtigsten dürfte noch der zwischen List, Adelsstolz, Sinnenfreuden und religiöser Erweckung hin- und hergerissene Lord Silberdun angelegt sein. So gut wie jede andere Gestalt entspricht irgendeinem Klischee aus dem Rolleninventar klassischer Fantasy und entwickelt nur wenig Individualität.

Selbst der Held Mauritane bleibt erschreckend blass, und von dem ihm zugeschriebenen militärischen Genie ist, große abschließende Schlacht hin oder her, wenig zu spüren (so darf man z.B. getrost spekulieren, wie der angeblich so gerissene Stratege darauf kommt, sich und seine Gefährten mehrfach ausgerechnet als Fischhändler ausgeben zu wollen, was – wen wundert es – wenig Erfolg hat).

Wohl auch bedingt dadurch, dass einen Großteil des Romans über weder Leser noch Protagonisten erfahren, worum es bei der so hochgefährlichen Mission eigentlich geht, läuft sich die Handlung in zahlreichen Abenteuern am Wegesrand tot, die sich in recht abgehackt wirkenden Abschnitten aneinanderreihen. Eigenartige Doppeltitel für manche Kapitel (z.B. Grübeleien über Freiheit/ Ein Schemel und ein stabiler Dachbalken oder Naturwissenschaft/ Spinnen) lassen fast vermuten, dass ursprünglich eine Untergliederung in noch kürzere Szenen geplant war. Diese Knappheit kommt dem ehrgeizigen Weltenbau nicht entgegen, dessen Einzelheiten oft nur lose in den Plot eingebunden sind und bisweilen fast ungenutzt verhallen (so z.B. der Wechselbälgerschmuggel zwischen Fae- und Menschenwelt). Vielleicht will Sturges hier schon Anknüpfungspunkte für die Folgebände anlegen, aber sehr neugierig auf den Fortgang der Reihe ist man nach diesem wenig überzeugenden Auftakt eigentlich nicht.

Der letzte Rest Unterhaltungswert geht dem Roman durch die sprachliche Gestaltung der Übersetzung verloren. Der Satzbau klammert sich stellenweise wortwörtlich ans Englische, bis hin zu umständlichen Partizipialkonstruktionen wie Königin Mab in ihrer silbernen und goldenen Sänfte in Sicherheit bringend. Daneben tauchen immer wieder Grammatikfehler (v.a. bei Verbformen) auf, aber es fehlt auch jedes Gespür für sprachliche Feinheiten: Der Unterschied zwischen der Verdienst und das Verdienst scheint ebenso unbekannt zu sein wie der zwischen den Anreden Sir und Sire, die fröhlich abwechselnd und anscheinend synonym für dieselben Personen gebraucht werden.

So legt man Midwinter am Ende unbefriedigt aus der Hand und stellt sich allenfalls die Frage, was für ein Buch wohl entstanden wäre, wenn jemand denselben Grundgedanken wie Sturges gehabt und mehr daraus gemacht hätte.

Die Nebelsängerin von Monika FeltenNur mit viel Glück kann die junge Ajana einigen unglaublichen Unfällen entgehen, dann taucht auch noch ein geheimnisvoller Anwalt auf, der sie als Erbin einer fast vergessenen Urgroßmutter ermittelt hat und ihr ein schönes Amulett übergibt. Es übt eine magische Anziehungskraft auf Ajana aus, und schließlich gelangt sie mittels eines magischen Musikstücks nach Nymath, eine Welt, in der Elben und andere Geschöpfe mit Menschen zusammenleben. Doch in Nymath steht es nicht zum Besten: Die Nebel, die das Land vor Eindringlingen schützten, haben sich gelichtet, und das Volk der Uzoma dringt mordend und brandschatzend ein. Ist Ajana die prophezeite Retterin, die die Nebel erneuern kann?

-Es begab sich zur Zeit, da König Sanforan vom Blute der Onur in zwölfter Linie seine Hand zum Wohle über Andaurien breitete, daß große Plagen und schlimme Nöte das Land anheim suchten.-
Aus der Chronik Nymaths

2004 erschien die neue Trilogie von Monika Felten mit einem für damalige (und eigentlich auch noch heutige) Verhältnisse ungewöhnlichen Marketingaufwand: Merchandising mit Puzzles und Kalender begleitete die Veröffentlichung, der Roman selbst war opulent aufgemacht und brachte seinen eigenen Soundtrack auf CD mit.
In der schicken Verpackung steckt jedoch ein etwas biederer Standard-Fantasy-Roman, der ein bisschen wie aus dem Baukasten wirkt und kaum Überraschungen bereithält. Nymath, die Welt, in die es die günstigerweise passend mit einem Fantasy-tauglichen Namen ausgestattete Heldin alsbald verschlägt, ist tolkienesker Prägung – sogar die Elben von Nymath sprechen Tolkiens Elbisch; Sindarin, um genauer zu sein. Für zwei Nebenfiguren wurden zudem die Namen Feanor und Cirdan aus Tolkiens Kosmos entliehen. Eine Verneigung vor dem Altmeister des Genres? Schade, dass er dann im Nachwort, Impressum oder sonstwo in keiner Weise erwähnt wird.  Man findet lediglich einen weniger aufschlussreichen Hinweis auf die Internet-Seite, von der die Elbensprache übernommen wurde – und das gibt dem Ganzen doch einen recht schalen Beigeschmack.

Die Nebelsängerin bietet eine einfach gestrickte Fantasy-Geschichte, in der ein Mensch ein in diesem Fall musikalisches Portal in eine andere Welt findet und dort zum Retter im Kampf gegen das Böse ausersehen ist. Dadurch, dass die Uzoma (Nymaths Orks, die für die Bedrohung zuständig sind) zwar grausam, aber dennoch auch Vertriebene sind, die sich in gewissem Maße nur wehren, wurde versucht, etwas Tiefe in die Geschichte zu bringen und das Schwarz-Weiß-Schema zu verwischen. Aufgegangen ist diese Taktik allerdings nicht, denn die einzelnen Figuren sind alle beinahe vom ersten Satz an als gut oder böse zu identifizieren, und man merkt sogleich, dass der wirkliche Bösewicht der Geschichte kein Opfer widriger Umstände ist.
Aber subtil ist ohnehin nicht Monika Feltens Stärke. Da kann es schon mal passieren, dass man zwei Hauptcharaktere schon bei ihrem ersten Treffen als zukünftiges Liebespaar ausmachen kann, weil sie sich so gerne in die Augen schauen, oder dass sich nach einer halben Seite, auf der ein absolut verwüstetes Dorf beschrieben wird, bei der Heldin Ajana die unheilvolle Erkenntnis einschleicht, dass hier etwas furchtbares geschehen war. Bei diesen Holzhammer-Hinweisen gewinnt man den Eindruck, dass die Autorin ihren Lesern keine eigenen Schlüsse zutraut.

Feltens flüssiger Stil, der dafür sorgt, dass man den Roman in Windeseile durchlesen kann, macht die gemeuchelte Spannung auch nicht wett. Letztendlich werden in der ganzen Handlung nur Vermutungen bestätigt, die man von Anfang an anstellen konnte.
Es gibt seit jeher ein großes Angebot einfach gestrickter Metzel-Fantasy, die mit heldenhaften Abenteuern, Schlachten und muskelbepackten Helden hauptsächlich die Träume von (jungen) männlichen Lesern zu befriedigen versucht. Monika Felten wirkt, als hätte sie sich mit ihren Pferden, Falken, zauberhafter Musik und sensiblen Heldinnen, die ihre Bestimmung und ihre große Liebe finden, eher auf die Träume von kleinen Mädchen spezialisiert. Aber letzendlich ist es eine Frage der Erwartungen, die man an einen Roman stellt: Wenn man sich geradlinige, romantisch angehauchte Geschichten mit einem Schuss Vorhersehbarkeit und hohem Wiedererkennungsfaktor wünscht, ist Die Nebelsängerin so gut oder schlecht wie viele andere maßgeschneiderte Romane.
Die Lektüre lohnt sich langfristig ungefähr genauso sehr wie die begleitende Soundtrack-CD, die mystisch-belanglos vor sich hinhaucht und schnell wieder vergessen ist.

Nuramon von James A. SullivanNuramon ist als einziger Elf in der Menschenwelt zurückgeblieben, als sie auf ewig von der Heimat der Elfen getrennt wurde. Obwohl er zunächst wenig erpicht darauf ist, Kontakte zu Menschen zu knüpfen, entschließt er sich, seine Magie bei der Verteidigung der Stadt Teredyr zum Einsatz zu bringen, in deren Nähe er lebt, und gerät infolgedessen immer tiefer in menschliche Angelegenheiten hinein. Wider Erwarten scheint er sein Glück zu finden, als er sich in die Grafentochter Daoramu verliebt. Doch nicht jeder steht der Verbindung aufgeschlossen gegenüber, und die bedrohliche Magie, die sich immer weiter in der Welt ausbreitet, ruht ebenso wenig wie alte und neue Feinde …

Die Zukunft eilt uns stets voraus und hinterlässt Spuren, die ich zu lesen vermag. Und so entdeckte ich euch in all den Jahren, was vor euch liegen könnte, und mein Blick erwies sich oft als wahr. Gelegentlich aber traten Dinge nicht ein, die ich sah. Manchmal blieb die prophezeite Zukunft aus, gerade weil ich sie euch entdeckte. Etwas zu betrachten heißt oft, es zunichtezumachen. Denn dem Wissen um das Schicksal mögen Taten folgen, welche die gesehene Zukunft verändern. Zum Besseren, wie ich stets hoffe, zum Schlechteren, wie ich fürchte.
(Die Stimme des Orakels)

Obwohl James Sullivan mit Nuramon an Die Elfen (gemeinsam mit Bernhard Hennen verfasst) anknüpft, kann das vorliegende Werk sehr gut als Einzelband bestehen und ist auch ohne Kenntnis des Vorgängerromans problemlos lesbar. Eine einfache Einordnung in eine Schublade ist dagegen kaum möglich: Nuramon ist Weltrettungsepos, Familiensaga, Kriegs- und Intrigenpanorama und fish out of water-Geschichte in einem, wobei der Fisch allerdings mindestens als moralbewusster Tigerhai zu denken ist, denn was den Titelhelden Nuramon vor allem auszeichnet, ist seine Mischung aus für menschliche Begriffe unüberwindlichen Fähigkeiten und erstaunlich idealistischer Grundeinstellung. Als schon mehrfach Wiedergeborener, Krieger und zunächst einziger Nutzer der sehr mächtigen Magie, die von Reisen auf geheimen Wegen über Heilzauber bis hin zum vernichtenden Gebrauch im Kampf zahlreiche Einsatzmöglichkeiten bietet, verfügt er über ein Können, das Begehrlichkeiten weckt und zugleich moralische Probleme aufwirft. Wie er sich damit auseinandersetzt und sich gesellschaftlichen Erwartungen, nicht aber der gesellschaftlichen Verantwortung, zu entziehen weiß, ist sensibel und nuancenreich geschildert. Dass man dieser bisweilen überlebensgroßen Gestalt dabei nicht überdrüssig wird, hängt damit zusammen, dass Sullivan das Kunststück gelingt, Nuramon mit glaubwürdigen Gefühlen, Ängsten und Sehnsüchten auszustatten und ihm so die Sympathie des Lesers zu erhalten.

Neben solch einer vielseitigen Hauptfigur wirken einige der anderen Charaktere notwendigerweise skizzenhafter, doch auch wenn man von manchem gern noch mehr erfahren hätte, überzeugt das Gesamtensemble durchaus, vor allem in der über dreißig Jahre umspannenden Herausbildung und Weiterentwicklung seines Beziehungsgefüges: Wie Rivalen zu Verbündeten oder Freunde zu Feinden werden und solch eine schlichte Geste wie ein individueller Racheverzicht im Laufe der Zeit Auswirkungen auf ganze Staaten entfalten kann, wird gekonnt ausgemalt. Ermöglicht wird diese Schilderung mehrerer Jahrzehnte auf gut 800 Seiten vor allem dadurch, dass Sullivan sich häufig von dem im Genre mittlerweile zum Standard gewordenen szenischen Erzählen löst und neue Ansätze wagt. So erlaubt etwa der im Buch so betitelte Orakelblick, der auf engem Raum eine Vielzahl verschiedener Perspektiven zusammenstellt, die schlaglichtartige Beleuchtung aller möglichen Aspekte, doch es gibt auch im eigentlichen Haupttext geschickt genutzte raffende Passagen, die es gestatten, auch langfristige politische, militärische und wirtschaftliche Entwicklungen in den Blick zu nehmen, allen voran die Folgen, die der im Laufe der Geschichte ständig anwachsende Magiegebrauch nach sich zieht. Von dieser flexiblen Nutzung verschiedenster Erzähltechniken könnte manch ein anderer Fantasyautor viel lernen.

Eine beeindruckende Ausdehnung weist übrigens nicht nur die dargestellte Zeitspanne auf, sondern auch die Welt, in der sich Nuramons Abenteuer abspielen. Obwohl die Handlung sich auf zahlreiche unterschiedliche Orte verteilt, behält man immer den Eindruck, dass man hier noch viel mehr entdecken könnte, wenn der Autor einen nur lassen wollte. Dazu trägt sicher bei, dass die Beschreibungen der Schauplätze zwar oft knapp, aber sehr atmosphärisch sind und genau die richtigen Details aufrufen, um in wenigen Worten das Bild einer ganzen Landschaft heraufzubeschwören. Wer hätte nicht sofort eine Assoziation zu einer Weide, auf der die graufelligen Steinschafe ihr Auskommen finden, oder zu Bezeichnungen wie Schlangenforst und Elfengrat? Für eine im weitesten Sinne pseudomittelalterliche (auf alle Fälle noch vorindustrielle) Welt geht es dort übrigens bemerkenswert liberal und progressiv zu: So existieren in einigen der geschilderten Gesellschaften Kriegerinnen und politisch einflussreiche Frauen, und von den Konventionen der Mehrheit abweichende sexuelle Vorlieben (z.B. eine innige Dreierbeziehung) werden nicht nur mit viel Verständnis geschildert, sondern erfahren auch romanintern Akzeptanz. Dementsprechend ist es wohl auch keine gezielte Vermittlung eines gegenläufigen Bilds, wenn Sullivan in der Handlungsstruktur bisweilen eher traditionelle Wege einschlägt und immer dann, wenn der Roman nach einer damsel in distress verlangt, die mit großem Aufwand gerettet werden muss, auch tatsächlich eine Frau die Rolle ausfüllen lässt. Hier dürfte eher die oft unbewusste Wirkmacht bestimmter klassischer Erzählmuster deutlich werden.

Dem positiven Gesamteindruck tut das jedoch keinen Abbruch, denn alles in allem ist Nuramon vor allem eines: Ein Roman, in dem man wunderbar versinken kann und mit dessen Helden man gern durch alle Höhen und Tiefen mitfiebert, und dabei dank seiner originellen Ansätze eine Bereicherung für die deutschsprachige Fantasy.

Elfenritter - Die Ordensburg von Bernhard HennenDies ist die Geschichte von Gishild, Herrscherin des Fjordlands und letzte Hoffnung für die freien Völker der Welt. Und es ist die Geschichte Lucs, Ritter im Dienste eines mächtigen Ordens, dem Todfeind der Elfen. Als Kinder untrennbar, stehen sie sich Jahre später an der Spitze zweier Heere gegenüber. Denn der Kampf um die alte Welt hat begonnen …

-Beklommen dachte Gunnar an seinen Urahnen und den Preis, den Mandred einst für die Hilfe der Elfen gezahlt hatte. Und Sorge war es, die den König endlich sprechen ließ. “Was fordert deine Königin für euere Hilfe?”, fragte er mit heiserer Stimme. Morwenna schwieg.-
Die Spur des Ahnen

Bernhard Hennens Elfensaga geht mit diesem Band in einen weiteren Subzyklus ein. Auch wenn Elfenritter – Die Ordensburg sicherlich nicht an seine Vorgänger heranreicht, ist es an sich immer noch gut gelungen.
Den Leser erwartet wieder eine sehr gut beschriebene und intelligent dargestellte Welt, die weder Fragen noch Zweifel aufkommen lässt. So haben Herrscher ihre Schlösser nicht auf malerischen Hügeln, sondern eher auf Landstrichen postiert, die zweckdienlich sind, daher also gut zu verteidigen.
Die Geschichte an sich ist gut durchdacht und schön zu lesen. Leider geht sie – in diesem Band zumindest – kaum über das Mainstream-Fantasy-Niveau hinaus. Unglaubwürdig ist, dass kleine Kinder trotz ihrer frühzeitigen Reife bereits sämtliche Erwachsenenzüge aufweisen. Ansonsten verstrickt sich die Handlung auf interessante Weise, man kann sehr gut die Intrigen der verschiedenen Machthaber nachvollziehen und die daraus resultierenden Folgen sind glaubwürdig. Die Charaktere sind rund, selbst Nebenfiguren wirken nicht wie “Schattengestalten” sondern haben eine eigenständige Persönlichkeit.
Was mir besonders gut gefallen hat, sind die vielen kleinen Informationen über die Ausbildung bzw. den Lebensweg der verschiedenen Parteien. So kann man leicht verstehen, weshalb die einen Hass auf die anderen hegen, oder aber weshalb sie so kämpfen/reden/sind, wie sie sind. Verbildlicht werden diese Textpassagen z.B. mit einer Skizze zu einem Kriegsvorbereitungsspiel am Ende des Buches.

Bei der Sprache kann man lediglich bemängeln, dass manche kriegerischen Begriffe wie “Arkebusen” auffallend oft genannt werden. Allerdings hat sich der Autor sprachtechnisch in seiner Elfensaga von Band zu Band verbessert, frühere Wortwiederholungen wie “Rückhandschlag” fallen weg. Das Buch kann man daher absolut flüssig lesen.
Insgesamt kann man sagen, dass jedem, dem die Vorgängerbände gefallen haben, auch dieses Buch gefallen wird. Es ist, auch wenn es sich nicht allzu deutlich vom breiten Durchschnitt abhebt, auf jeden Fall der Lektüre wert und daher zu empfehlen.

Cover des Buches "Parlament der Feen" von John CrowleyDer junge Smoky Barnable verlässt die Große Stadt, um nach Edgewood zu gehen, wo er Alice Drinkwater heiraten möchte. Der Ort ist auf keiner Landkarte verzeichnet und Alice hat Smoky die Anweisungen gegeben, er möge nach Edgewood wandern und nicht fahren, er solle einen Hochzeitsanzug haben, der weder alt noch neu ist, als Proviant selbst zubereitete Speise mit sich führen und keine gekaufte und wenn er übernachten muss, soll er eine Herberge finden oder sich erbitten, aber nicht dafür bezahlen. Damit fangen die Merkwürdigkeiten erst an. Die Drinkwaters wohnen in einem Haus mit unzähligen Türen, Gängen und Erkern und es gehen ungewöhnliche Dinge vor sich, von denen einige Familienmitglieder mehr wissen als andere.

-An einem gewissen Tag, im Juni 19–, machte sich ein junger Mann auf den Weg nach Norden, hinaus aus der Großen Stadt, und in ein Städtchen, oder einen Ort namens Edgewood, von dem er hatte erzählen hören, den er aber noch nie gesehen hatte.-
Erstes Buch Edgewood 1

Immer wieder wird in Das Parlament der Feen (Little, Big) betont, diese Geschichte sei ein Märchen mit einem Anfang, einer Mitte und einem Ende. Tatsächlich gibt es viel märchenhaftes und phantastisches in diesem Buch: Sprechende Tiere, schemenhafte Gestalten auf Photographien, ein Held namens Auberon, der seine Titania findet, ein vertauschtes Kind, ein seit langem erwarteter Herrscher, Wahrsagerinnen und alle Protagonisten besitzen sprechende Namen. Daneben gibt es realistische Szenen: Smokys Sohn geht in die Große Stadt, wird Alkoholiker und schreibt Drehbücher für eine Soap Opera.

Auf siebenhundert Seiten entwickelt John Crowley eine nicht einfach zu lesende, komplexe Familienchronik, die sich um Smokys und Alices Liebe rankt,  aber auch viele andere Familienmitglieder umfasst und sich immer wieder in Andeutungen darüber ergeht, dass das Leben der Sippe auch von Wesen bestimmt wird, die einer anderen Welt angehören.
Falls Sie langsam den Eindruck gewinnen, der Rezensent versuche krampfhaft das Wort “Fee” zu vermeiden, dann haben Sie recht. Es kann durchaus sein, dass in dieser Geschichte Feen vorkommen, falls ja, könnte es sein, dass sie nicht dem lieblichen, ätherischen, freundlichen Bild entsprechen, das sich der Mitteleuropäer gemeinhin von ihnen macht.

Wie schon erwähnt, gibt es in diesem Roman viel märchenhaftes und phantastisches, aber Das Parlament der Feen sprengt die Dimensionen eines gewöhnlichen Fantasyromans. Worauf es ankommt, ist die Geschichte hinter der Geschichte. John Crowley hat nicht einfach ein Buch über eine phantastische Welt geschrieben, sondern er hat das Fantasy-Genre genutzt, um eine Parabel über unsere reale Welt zu schreiben. Und so erzählt er in einer wunderschönen poetischen Sprache über die Liebe, das Leben und den Tod, über das Fortgehen und das Nachhausekommen, über das Erinnern und Vergessen, über Träume und das Vergehen der Zeit, wie man sein eigenes Paradies verliert und es wiederfindet, er erzählt von dem langen Weg zu sich selbst und davon, dass manche Menschen in einer Welt leben, die anderen für immer verschlossen bleibt.

Percepliquis von Michael J. Sullivan

Die Invasion eines eroberungslustigen Elfenheers, dem nichts und niemand etwas entgegensetzen kann, trifft die Menschenwelt vollkommen unvorbereitet, und bald ist auch das mächtige Kaiserreich in seiner Existenz bedroht. Nur ein sagenumwobenes Horn, das in der versunkenen Stadt Percepliquis verborgen sein soll, kann die Elfen angeblich aufhalten, aber bisher hatte keine Expedition in die Ruinen Erfolg. Die Magierin Arista macht sich mit einer kleinen Schar von Gefährten auf die Suche nach dem rettenden Artefakt, doch bald drohen nicht nur äußere Feinde, sondern auch Spannungen innerhalb der Gruppe die Mission zum Scheitern zu bringen …

– “The elves have crossed the Nidwalden River,“ Julian announced to the crowd. His voice fought against the wind that viciously fluttered the flags and banners. He walked gingerly, placing his feet upon the frozen ground as if it might be pulled out from beneath him. The old man’s stately robes snapped about him like living things, his cap threatening to fly off. “They’ve invaded and taken all of Dunmore and Ghent.“ He paused, looked at King Alric, took a breath, and said, “And Melengar.“ –
(Chapter 2 – Nightmares)

Michael J. Sullivan beschließt seine Riyria Revelations mit einer klassischen Questengeschichte, die alle, aber auch wirklich alle, Elemente enthält, die man von solch einem Plot erwartet, von der scheinbar unausweichlichen militärischen Niederlage über die bunt zusammengewürfelte Heldentruppe und das legendäre magische Artefakt bis hin zum Auserwählten, der als einziger der dunklen Bedrohung wirksam entgegentreten kann.

Wie auch schon in den anderen Bänden ist nicht nur auf der Motivebene überdeutlich zu erkennen, wo Sullivan sich seine Inspiration gesucht hat. So kann etwa die unterirdische Ruinenstadt Percepliquis, die über weite Strecken den hauptsächlichen Handlungsort bildet, Anklänge an Tolkiens Moria nicht verleugnen, und dass in einem Grab mit hohem Wiedererkennungswert, das die Helden erkunden, dann doch nicht Tutanchamun liegt, dürfte jeden historisch halbwegs interessierten Leser aufrichtig überraschen.

Und dennoch: Die Mischung aus viel Altvertrautem und einigen netten eigenen Ideen funktioniert und kann in manchen Szenen mit durchaus atmosphärischen Schilderungen überzeugen,  so etwa, wenn die in einem behelfsmäßigen Unterschlupf auf die Rückkehr ihrer Herren wartenden Pferdeburschen der Helden von einem plötzlichen Wintereinbruch überrascht werden und man beim Lesen fast den Eindruck erhält, die Kälte selbst spüren zu können.

Vor allem aber kann Sullivan dank der zur Weltrettung ausziehenden Gefährten auf eine seiner größten Begabungen zurückgreifen und eine interessante Gruppendynamik entwerfen. Die Verschiebungen, die sich Stück für Stück im Beziehungsgeflecht zwischen den Protagonisten ergeben, lassen einen auch dann noch mit Neugier weiterlesen, wenn man bemerkt, dass einem der eigentliche Plot so oder so ähnlich schon dutzendfach begegnet ist. Zum Vergnügen an der Lektüre trägt auch bei, dass allerlei gelungene Nebenfiguren, deren große Auftritte bisher auf die verschiedenen Bände verteilt waren, hier zusammengeführt werden und noch einmal glänzen dürfen, etwa der seit dem ersten Teil der Serie sträflich vernachlässigte Mönch Myron, den seine Mischung aus Naivität und erstaunlicher Intelligenz oft zu amüsantem bis anrührendem Querdenken befähigt.

Das Talent, sich eigentlich sattsam bekannten Themen aus ungewohnten Perspektiven zu nähern, hat er dabei mit seinem Autor gemein. So spielt Sullivan beispielsweise genüsslich gleich an zwei verschiedenen Personen durch, welche teils komischen, teils tragischen Auswirkungen es wohl haben könnte, wenn der in der Fantasy weit verbreitete, unerkannt im einfachen Volk aufgewachsene Thronerbe gerade aufgrund seiner Biographie für die ihm zugedachte Aufgabe denkbar ungeeignet ist. Auch die ungewöhnliche Verwendung, die ein magisch erzeugter Wächterdrache erfährt, ist kreativ und zeugt von einigem Humor.

Gewiss, ein wenig Toleranz für Kitsch muss man vor allem gegen Ende durchaus mitbringen, ebenso wie die Bereitschaft, sich auf einige gar zu gewollte Wendungen einzulassen (insbesondere auch, was Sullivans Neigung betrifft, mit quasi unübersetzbaren vorausdeutenden Wortspielen zu arbeiten). Doch vielleicht sollte man Sullivan eher an dem Anspruch messen, den er selbst in seinem Nachwort formuliert: I wrote these books, because in our jaded, embittered world that is so eager to denounce happiness and happily-ever-after as a myth, such tales are rare, and yet are exactly the type of stories that I think are worth telling. Und eine Geschichte mit fast nostalgischem Wohlfühlfaktor und genau jenen Stärken zu erzählen, die vor der Welle des grim&gritty und der allgegenwärtigen Ironisierung viel zum Charme des Fantasygenres beigetragen haben, ist ihm voll und ganz gelungen.

Cover des Buches "Percival und die schöne Elfe" von Anne Eliot CromptonAlle acht Söhne Alannas waren Ritter und jeder einzelne von ihnen ist umgekommen. Nach dem Tod ihres Mannes geht Alanna mit ihrem neugeborenen Sohn Percival in den von Elfen bewohnten Wald. Sie möchte ihn in der Einsamkeit großziehen, um zu verhindern, dass auch er ein Ritter wird. Percival wächst heran und hat nur wenig Kontakte, er ist naiv, ungebildet und ist schwer von Begriff. Eines Tages trifft Percival auf Ritter und wünscht sich von nun an nichts sehnlicher als auch ein Ritter zu werden. Elfe Lili möchte unbedingt ein menschliches Herz, da es die größte magische Macht der Welt ist. Die beiden verlassen den Elfenwald und machen Bekanntschaft mit dem wahren Leben.

-Bis zu den Knien im Teich des Elfenwalds stehend, beuge ich mich über das Wasser, um mein neues, mein anderes Gesicht zu betrachten.-
1 Zum Ritter geboren

Falls Sie demnächst einmal nach Eschenbach kommen und dort im Erdreich mysteriöse Geräusche hören sollten, dann liegt es wahrscheinlich daran, dass Wolfram von Eschenbach in seinem Grab rotiert, aus Verzweifelung darüber, was Anne Eliot Crompton aus dem Parzival-Stoff gemacht hat. Dem französischen Dichter Chrétien de Troyes dürfte es ähnlich ergehen.

Die Artuslegende ist natürlich eine unerschöpfliche Inspirationsquelle für Fantasyautoren, aber gerade die Parzivalgeschichte erfordert auch in einem belletristischen Roman etwas mehr Tiefgang und Ernsthaftigkeit.
Falls Sie also die mittelalterlichen Versepen kennen, verdrängen Sie dieses Wissen bei der Lektüre des Romans aus dem Gedächtnis, falls Sie die Vorlage nicht kennen, schätzen Sie sich glücklich. Nimmt man Cromptons Geschichte als das, was sie ist, als einen leichten, netten Unterhaltungsroman, dann kann die Lektüre durchaus Spaß machen. Es sei denn, sie sind ein strenggläubiger Christ, dann könnten Sie an Percivals Lieblingsflüchen Anstoß nehmen, die da lauten “Gottverdammich” und “Bei Gottes Hoden”.

Percival und die schöne Elfe (Percival’s Angel) ist wieder ein Buch, das die Romantiker unter den Fantasyfreunden ansprechen dürfte. Zwar kommt gelegentlich jemand zu Tode, trotzdem ist der Roman nahezu gewaltfrei. Wie Percival, hier meistens Percy genannt, dank seiner Unerfahrenheit von einem Abenteuer ins andere stolpert und trotz seiner Naivität alle Tücken des Ritterlebens siegreich besteht, entbehrt nicht der Komik. Und schließlich ist da noch die Elfe Lili, die Percy heimlich liebt und die einen erheblichen Anteil daran hat, dass Percy weder von hinterhältigen Rittern, noch von durchtriebenen Frauen ernsthafter Schaden zugefügt wird.

Laut Klappentext schrieb USA Today über das Buch: Großartig wie Marion Zimmer Bradleys “Nebel von Avalon.” Betrachtet man allein den Umfang des Buches, merkt man schon, dass dieser Vergleich wieder einmal nicht stichhaltig ist. Weder die Charaktere, noch die Handlung sind in Percival und die schöne Elfe so komplex und lebensnah gestaltet wie bei Zimmer Bradley.

Cover von Die Ringe der Macht von Helmut W. Pesch & Horst von AllwördenFern im Westen des Imperiums liegt Elderland, die Heimat des friedliebenden Ffolks. Dieses kleine und ruhige Volk lebt dort weitgehend unabhängig und unberührt von den grossen Ereignissen im Reich. Doch eines Tages tauchen längst vergessene Schatten der Vergangenheit wieder auf – ausgerechnet an den Küsten Elderlands. Für Kimberon Veit, den jungen Kustos des Ffolksmuseums zu Aldwick, beginnt somit das gefährliche Abenteuer, die Nachricht vom Angriff der Dunkelelben in das Imperium zu tragen und den Kaiser zu warnen. Auf ihrer langen und gefahrvollen Reise gelingt es den Freunden dabei, so manchens Geheimnis zu lüften und schließlich die Mysterien der Vergangenheit des Ffolks zu ergründen …

-Als Magister Adrion Lerch, der Kustos des Ffolksmuseums von Elderland, bekanntgab, daß er zum fünfzigsten Jahrestags seines Wirkens das Amt an einen Jüngeren abzugeben gedenke, schwirrte die Luft auf dem großen Markt zu Aldswick von Gerüchten.-

Die Ringe der Macht ist gewiss kein Buch, das überraschen oder neue Pfade beschreiten will. Wie Helmut W. Pesch, einer der Autoren, der in Fachkreisen als grosser Tolkien-Kenner und Fantasyexperte gilt und bereits einige theoretische Werke auf diesem Gebiet veröffentlicht hat, im Vorwort selbst schildert, handelt es sich bei diesem Buch eher um eine Art Experiment in Sachen Fantasyerzählung, um eine Homage an Auoren wie J.R.R. Tolkien, eine Entdeckungsreise in die Wirkungsweisen und Mechanismen der Reiche der Fantasy, als um die bewusste Erzeugung eines inovativen Romanes.
Eben dieser Anspruch, dieses absichtliche und gezielte Rückbesinnen und sich Beziehen auf bekannte Inhalte und Ideen ermöglicht es dem Erzähler, völlig unbefangen und frei mit eben diesen Inhalten und Ideen zu verfahren. Entstanden ist so – ohne dies eigentlich zu beabsichtigen – ein grossartiger Fantasyroman. Die Liebe zur Thematik und eine gewisse sprachliche und erzählerische Begabung, großes Einfühlungsvermögen und eine gehörige Portion Humor gestatten es Pesch und seinem Co-Autor Horst von Allwörden eine ungekünstelte, liebevolle und ambitionierte Geschichte zu erzählen, eine ‘neue alte Welt’ zu erschaffen, die gerade aufgrund ihrer offensichtlichen Rückbezüge und Anleihen und den Mut, bereits Dagewesenes und Wohlbekanntes aufzunehmen und spielerisch zu verarbeiten, frischen Wind in das Genre bringt.
Mag sich auch für manchen Die Ringe der Macht als pures Abkupfern bekannter Autoren ausnehmen – was den Leser dahinter erwartet, ist ein charmantes und wohlüberlegtes Jonglieren mit den Grundthemen und -gedanken der klassischen High Fantasy. Trotz aller Anleihen und Referenzen bleibt stets die eigene Erfindungsgabe, das schöpferische Element des Autors bestehen. Ein rundum geglücktes Experiment.

Cover von Der Ritter von Gene WolfeEin Junge entdeckt auf einer Wanderung eine Wolke, die die Gestalt einer riesigen Burg hat. Er folgt ihr und landet in einer Höhle in Mythgarthr, einer fantastischen und mittelalterlichen Welt, welche die mittlere von sieben übereinanderliegender Welten ist. Dort sagt ihm eine alte Frau, sein Name sei Able of the High Heart. Able begibt sich auf eine abenteuerliche Entdeckungsreise, auf welcher er nicht nur mehrere Welten kennenlernt, sondern auch viele Geschöpfe, freundliche wie feindliche, trifft. Eine Liebesnacht mit der Königin der Moosalfar verleiht Able den Körper eines Mannes, schlägt ihn zum Ritter und schickt ihn auf die Suche nach dem Schwert Eterne. Diese führt den jungen Ritter zur Burg des Herzog Marders und schließlich nach Jotunland, wo die Riesen wohnen.

-Und so kam es, daß ich bei Bold Berthold lebte. Er war irgendwie verrückt, und manchmal ist er hingefallen. Aber er war der tapferste Mann, den ich kannte, und er hatte keinen Gram Falschheit an sich.-
Kap. 2, Die zerstörte Stadt

Mit diesem ersten Band der Saga unterstreicht Gene Wolfe seine bemerkenswerte schriftstellerische Klasse, indem er der alten Geschichte vom Ritter auf der Suche nach Ehre und Abenteuern neues Leben einhaucht. Was macht das Buch so außerordentlich? Der Leser wird sofort in den Bann geschlagen von dem ungewöhnlichen, aber zauberhaft leicht anmutenden Erzählstil aus der Sicht des Heldens Able, welcher sich in Form eines Briefes an seinen Bruder Ben richtet. Mythgarthr sowie die anderen Welten sind nach dem Vorbild der nordischen Mythologie erschaffen, wobei es dem Autor gelungen ist, diese sofort vor dem geistigen Auge lebendig werden zu lassen. Dasselbe gilt für die zahlreichen Nebencharaktere, von denen keiner uninteressant oder fehl am Platze wirkt, denn jeder hat eine ureigene magische Wirkung.

Einen zusätzlichen Reiz bekommen die Figuren dadurch, dass der Leser sie (subjektiv) durch die Augen von Able sieht. Gleichzeitig erfährt man viel durch den sehr offen berichtenden Helden: Seine Gedanken und Motive, sein Gebahren und die Auseinandersetzung, sowie die Suche nach Ehre, Liebe und Freundschaft. Es entsteht ein vielschichtiger, auch widersprüchlicher Charakter, der jedoch auch seine Geheimnisse hat (Wer zum Beispiel war er vorher auf der Erde, und was geschah in der Zeit, an die er sich nicht mehr erinnern kann?). Er steht dem Leser sowohl nah als auch distanziert gegenüber. Während der Leser Able auf seinen zahlreichen Abenteuern begleitet, wächst er einem immer mehr ans Herz, doch muss man dabei höllisch aufpassen, nicht aufzuhören, Ables Verhalten moralisch zu hinterfragen. Dies zeigt einem der Autor etwa durch Sätze wie: “Jetzt kommt etwas, worauf ich nicht stolz bin”.
Zusätzliche Spannung wird durch Vorwegnahme von Ereignissen und auftretenden Figuren erziehlt, was einem förmlich zum Weiterschmöckern zwingt. Insgesamt ist Wolfe mit Der Ritter (The Knight) ein sehr überzeugender Roman gelungen, welcher sowohl literarische Ansprüche erfüllt als auch ein ungeheures Lesevergnügen bereitet. Man darf gespannt sein auf den zweiten und abschließenden Band Der Zauberer.

Cover von Der Runenbrecher von Mark AnthonyMogh, der Herr des Sonnenuntergangs, ist frei. Auf der Erde bedient er sich des HighTech-Konzerns Duratek, dessen Forscher mit einer Kombination aus Gentechnik und Magie die Grenze zur Parallelwelt Eldh überwinden lernen. Travis Wilder ist in den tiefsten Niederungen der Verzweiflung, erhält aber immer wieder Hilfe und gelangt zum Ziel seiner Bestimmung. Mehrere Handlungsstränge werden am Ende vereint und führen im letzten Kanpf zwischen Licht und Finsternis zusammen. Ein Teil der Geschichte spielt auf der Erde einer unbestimmten, aber nahen Zukunft, der andere auf der mittelalterlichen Parallelwelt Eldh, auf der Magie und Fabelwesen den Alltag bestimmen.

-Dr. Ananda Larsen beugte sich auf ihrem Schreibtischstuhl nach vorn und trommelte neben der Computertastatur mit den Fingern auf den Tisch. Das Laufwerk summte, die Ladeanzeige schlich über den Bildschirm. Fünfundsiebzig Prozent.-

Ehrlich zugegeben: schon lange hat mich kein Buch mehr so gefesselt wie Der Runenbrecher (The Gates of Winter). Das sieht man vielleicht auch an der Tatsache, dass ich es an einem Tag durchgelesen habe (und damit nebenbei den Ärger sämtlicher Familienmitglieder auf mich gezogen habe, weil ich nichts anderes gemacht habe außer zu lesen…).
Alle Handlungsstränge werden von Anthony wieder aufgegriffen und zu einem (scheinbaren) Ende geführt. Langsam entsteht das Mosaik, das sich im vorherigen Band lediglich abzeichnete, und man erkennt, wo jeder einzelne Stein bzw. Charakter seinen Platz hat.
Scheinbar mühelos gelingt es Anthony trotz der vielen Einzelhandlungen keine logischen Fehler einzubauen, alles in genauestens durchdacht. Bei scheinbaren Unmöglichkeiten (wieso reden Vani und Beltan auf der Erde Englisch?) findet man im Buch oder den Büchern davor die Antworten darauf (Vani lebte schon drei Jahre auf der Erde, Beltan konnte durch das Elfenblut die Sprache lernen). Gerade wegen der Komplexität, die man nach 10 Bänden auch erwarten darf, gibt der Autor manchmal selbst die Antwort und lässt einen seiner Charaktere Fakten aus den vorherigen Büchern wiederholen, aber eben nur genau jene, die auch für die Handlung wichtig sind.
Die Spannung, die sich schon im Vorgänger aufgebaut hat, wird hier fortgesetzt und ohne viele Ruhepunkte immer weiter vorangetrieben, bis zum dramatischen Finale, der Kampf gegen Mohg.
Doch ein Ass hat Anthony noch im Ärmel, denn wider Erwarten ist die Bedrohung noch nicht ganz abgewendet.

The Runes of Elfland von Ari Berk und Brian FroudThe Runes of Elfland ist eine Entdeckungsreise in die Welt keltischer/nordischer Runen, ihre Bedeutung und ihren Ursprung. Das Buch bietet einen erzählerischen und künstlerischen Einblick in die alte Welt, mit Texten von Autor Ari Berk und Illustrationen des bekannten Künstlers Brian Froud.

– How to begin? Not hard to answer. Choose a rune, chant the charm, tell the tale, and step across. –
How to begin, Seite 15

Heutzutage bestimmen Klatschnachrichten den Großteil unserer Unterhaltungen. In einer Zeit, in der es weder Boulevardpresse noch Fernsehen gab, erzählten sich die Menschen Geschichten. Geschichten, die sie über Generationen hinweg von den Alten an die Kleinsten weiter gaben. Mit der Zeit gerieten diese Erzählungen immer mehr in Vergessenheit, bis sie schließlich nur noch in vereinzelten Büchern auftauchten und aus dem Alttag der Menschen verschwanden. Vorbei sind die Zeiten von Gedichten, Fabeln und Limericks.
The Runes of Elfland greift einen Bereich dieser alten Erzählkunst auf und befasst sich mit einem Aspekt von vielen, dem Hintergrund von Runen. Das Buch startet mit verschiedenen kurzen Texten über Runen im Allgemeinen, verfasst vom englischen Literaturwissenschaftler Ari Berk.

Anders, als man es sonst gewohnt ist, sind die Runen nicht alphabetisch nach ihrem Namen sortiert, sondern nach ihrer Bedeutung. So beginnt der eigentliche Inhalt mit Berkanaz – der Rune, die stellvertretend für den Neubeginn steht. Wenn man die Runen jedoch nicht nur als Buchstaben betrachtet, stört dieser Umstand nur wenig.
Jedes der 24 Symbole wird auf den folgenden Seiten in The Runes of Elfland mit einer ganzseitigen farbigen Illustration einzeln vorgestellt, begleitet von einem einleitenden Text zur Charakterisierung der Rune und einem kleinen Zauberspruch zu Beginn, gefolgt von einer Erzählung, die auf alten Sagen und Überlieferungen fußt. Einige der erzählten Geschichten werden vielen Lesern zumindest entfernt bekannt vorkommen, andere dagegen sind bis heute so selten von modernen Medien aufgegriffen worden, dass sie beinahe völlig unbekannt geblieben sind.
Insgesamt widmet das Buch jeder Rune vier Seiten. Brian Froud streut dabei auf allen Seiten charmante Hintergrundillustrationen von Elfen oder Goblins ein, die den Text optisch noch ein wenig aufwerten.

Frouds Pinselduktus ist in diesem Buchband weniger fein, als man es vielleicht aus anderen Büchern von ihm kennt. Die Figuren sind etwas schrulliger, die Farben etwas intensiver und alles wirkt insgesamt kantiger und grober. Angesichts der Thematik passt das jedoch auf harmonische Weise sehr gut zusammen.

Wer des Runenalphabets nicht mächtig ist und noch Hilfe bei der Entzifferung benötigt, dem wird auf den letzten Seiten geholfen. Dort findet sich das Runenalphabet samt seiner lateinischen Entsprechung. Da verschiedene Überschriften und Beschriftungen in den Bildern in Runen gehalten sind, empfiehlt es sich daher auch, dem Runenalphabet gleich zu Beginn ein wenig Aufmerksamkeit zu widmen.

Kleiner Abzug: Wer gerne die Namen der einzelnen Runen erfahren hätte, wird in diesem Buch leider nicht fündig. Angesichts der sonst großen Fülle an Informationen, wäre es schön gewesen, auch für dieses nicht unwichtige Detail, einen kleinen Platz zu finden.

Cover von Der Schwalbenturm von Andrzej SapkowskiDunkle Vorzeichen rauben rund um die Herbst-Tagundnachtgleiche Menschen auf dem gesamten Kontinent den Schlaf. Ciri ist in Gefahr, ihr Treiben mit den Ratten, ihre Abstammung und ihre Bestimmung führen dazu, dass sie von vielen Akteuren fieberhaft gesucht wird, und der unerbittliche Kopfgeldjäger Bonhart ist ihr dicht auf den Fersen. Wesentlich dichter als der Hexer, der sich mit seinen Begleitern kaum aus den Mühlen des Krieges befreien kann …

 – Die Ziegenmelker sangen mit wilden Stimmen die Totenklage, den Himmel jedoch bedeckten Wolken, die den Rest des Mondlichtes auslöschten. Da begann eine schreckliche Beann’shie zu heulen, die jemandes raschen und gewaltsamen Tod ankündigte, und am schwarzen Himmel preschte die Wilde Jagd einher – ein Heerhaufen flammenäugiger Gespenster auf Pferdegerippen, mit laut flatternden Fetzen von Kleidung und Standarten. – S. 9

Andrzej Sapkowskis Der Schwalbenturm (Wieża Jaskółki) ist der vorletzte Band der Hexer-Reihe und hat mit dem zu erwartenden Problem zu kämpfen, die verschiedenen Handlungsfäden langsam in Richtung Finale zu führen … oder eben auch nicht.

Auf den ersten Seiten des Romans wird ein kurzer, augenzwinkernder Überblick über die wichtigsten Personen gegeben, die von den dunklen Erscheinungen heimgesucht werden (gesegnet sind diejenigen, bei denen der Abstand zum vorangegangenen Band Feuertaufe nicht zu groß war). Man könnte sagen, dies ist bezeichnend für den gesamten Roman, denn Sapkowski bietet eine Vielzahl von Perspektiven auf die Ereignisse der Geschichte. Dabei verschachtelt er die mitunter auch zeitlich zueinander versetzten Erzählebenen durchaus geschickt, vieles wird in Rückblenden erzählt, die zumeist tatsächlich als Erzählung beginnen, bevor Sapkowski direkt ins Geschehen springt. Die zahlreichen Perspektivenwechsel binden größere politische Ereignisse ein und verweben kleinere Geschichten von Nebenfiguren mit der Hauptstory. Allerdings scheint diese Multiperspektivität etwas auf Kosten Geralts und seines Erzählstrangs zu gehen, Ciri hat längst seinen Platz als Hauptfigur eingenommen und macht dem alle Ehre. Ihre dramatische und grausame Geschichte, ihre undurchsichtige Bestimmung und die Entwicklung, die ihre Person durchlaufen hat, machen sie zu einer unglaublich spannenden, ambivalenten Figur, die außerdem noch einen nicht weniger interessanten Sidekick erhält, der gut zu ihr passt, obwohl oder gerade weil die beiden so gegensätzlich erscheinen.

Daneben weist der Band die bereits aus den Vorgängern bekannten Stärken auf: Geschickt eingestreute moralische Dilemmata, eine vielschichtige Welt und augenzwinkernden Humor. Allerdings ist dies der bisher brutalste und düsterste Teil des Geralt-Zyklus, vielleicht ex aequo mit Die Zeit der Verachtung, hier wie da ist besonders Ciris Geschichte davon betroffen. Wie sich das Finale in Die Dame vom See gestalten wird, lässt sich auch am Ende des vorliegenden Bandes kaum erahnen, aufgrund der Multiperspektivität wirkt er manchmal etwas disparat und das rätselhafte Ende verlangt geradezu danach, dass man sofort den nächsten Teil der Reihe liest. Man darf gespannt sein, ob dieser es schafft, die Geschichten gelungen zusammenzuführen.

Das Silmarillion von J.R.R. TolkienVon der Schöpfung der Welt, den ersten Kriegen der Valar gegen Melkor und dem Erwachen der Elben und ihrem Schicksal in den westlichen Landen und Mittelerde handelt das Silmarillion in einzelnen, mehr oder weniger abgeschlossenen Erzählungen, die sich zu einer großen, umfassenden Mythologie verbinden lassen.
Der Höhepunkt der Zusammenstellung ist die Geschichte von den Kriegen um die schönsten Edelsteine, die je von Künstlerhand geschaffen wurden: Die Silmaril, mit denen das traurige und verlustreiche Schicksal der Elben in Beleriand verknüpft ist.

-Es heißt unter den Weisen, der erste Krieg habe begonnen, bevor Arda noch ganz erschaffen und ehe noch etwas da war, das wuchs oder ging auf Erden; und lange hatte Melkor die Oberhand.-
I Vom Anbeginn der Tage

Im Silmarillion kann man vieles sehen: Ein Buch mit weiteren Geschichten  aus Tolkiens Welt, inbesondere jenen, die von den Helden des Herrn der Ringe besungen werden. Ein fragmentarisches Werk, nach dem Tod des Autors zusammengestellt und veröffentlicht. Eine Schau von Tolkiens weitläufiger Mythologie, die er für das leidgeplagte Mittelerde oder vielmehr die ganze Welt Arda geschaffen hat, und als halbwegs durchgängige Erzählung, die von der Schöpfungsgeschichte über Zeitalter hinweg die Geschicke der Welt berichtet, am ehesten so etwas wie sein Lebenswerk – das er allerdings niemals zu seiner vollen Zufriedenheit fertig stellte und dessen einzelne Bestandteile in etlichen Versionen vorliegen. Eines ist Das Silmarillion aber nicht: Eine kohärente, kompakte Geschichte, die man wie einen Roman weglesen kann.

Erzählt werden die Mythen der Elben und Menschen vom Anbeginn der Zeit bis hin zur ‘geschichtlichen’ Epoche, die schließlich auch zum Ringkrieg im Hauptwerk des Autors führt. Trotzdem ist Das Silmarillion nur ein Ausschnitt aus Tolkiens umfassender Mythologie.
Schwere Kost also, und auch der Text an sich ist nicht leicht zugänglich. Der Anhang mit  Namensregistern und Stammbäumen zeigt teilweise schon auf, weshalb: Figuren kommen und gehen als Spielbälle des Schicksals, und zu den einzelnen wichtigen Charakteren kann man nur sehr bedingt Bezüge aufbauen. Gerade anfangs sind auch lange Landschaftsbeschreibungen häufig, in denen Ardas Oberfläche dem Leser detailliert vor Augen geführt wird.
Man erfährt die Handlung nicht aus Charaktersicht, sondern aus einer über den Ereignissen stehenden Perspektive im Stil einer Chronik. Generationen vergehen, Kriege werden geführt und das Angesicht der Welt verändert sich. Diese Art des Erzählens ist nicht auf gewohnte Art spannend und auch anders strukturiert, denn erzählt wird die Geschichte einer Welt, in der nur einzelne Stränge abgeschlossen werden, die aber immer im Fluß bleibt.

Wenn man sich aber auf den Stil einläßt, der so gar nicht dem Leitfaden “wie schreibe ich einen Roman” folgt, dann findet man sich in einer Erzählung wieder, die so monumental, archaisch und ausufernd ist, daß man sie eher in eine Reihe mit Homers Epen, Gilgamesch oder der Edda stellen kann, als neben einen anderen Fantasy-Roman. Die für diese Zusammenstellung gewählten Abschnitte ergeben letztendlich ein erstaunlich rundes Bild der Geschichte und sind meistens in sich geschlossen.
Wer mit einer Mischung aus archetypischen Ursprungsgeschichten, Erzählungen von den ersten und den letzten Dingen, monumentalen Schlachten und echtem, nicht aufgesetztem Pathos etwas anfangen kann, sollte einen Versuch mit dem Silmarillion wagen – wer einen ersten Einstieg in die Geschichte Mittelerdes sucht, ist sowieso an der richten Stelle. Es hat auf jeden Fall mehr zu bieten als nur den Herrn der Ringe geschichtlich zu vertiefen, und wie es sich für ein richtiges Epos gehört, klingen etliche Stellen so schön, als seien sie zum lauten Vortragen geschaffen worden.

Summer Knight von Jim ButcherIn Harrys neuem Abenteuer trifft der Leser auf einen ausgebrannten und niedergeschlagenen Mann ohne Hoffnung. Die Körperhygiene des Detektivs hat merklich gelitten, seine Wohnung ist ein heruntergekommener Saustall, er hat seine Arbeit vernachlässigt, die unbezahlbaren Rechnungen stapeln sich. Doch am schlimmsten steht es um Harrys seelischen Zustand. Am Tiefpunkt seines Daseins angekommen tun sich nun nicht etwa Silberstreifen am Horizont auf, im Gegenteil. Es beginnt Kröten zu regnen, und um die Probleme noch zu verdoppeln, wollen nicht nur die Vampire des Roten Hofs Harry weiterhin tot sehen, sondern auch seine eigenen Leute vom Weißen Rat. Doch es kommt noch härter, in seinem Büro wartet jemand auf ihn, der tödlicher ist als jeder Vampir: die Winterkönigin der Sidhe.

– I was working for the queen of wicked faeries – well, Queen of Winter, of the Unseelie faeries, at any rate –
Kapitel 4, S. 38

Summer Knight (Feenzorn) setzt neun Monate nach den Ereignissen aus Grave Peril (Grabesruhe) an und bringt einen neuen Plot mit, der gleichzeitig an einen der vielen losen Fäden aus Harrys Vergangenheit anknüpft. Auch der Krieg zwischen dem Weißem Rat und dem Rotem Hof ist ein Thema, wird als nun übergeordneter Handlungsstrang jedoch eher beiläufig zu einem Stein, der die aktuelle Handlung ins Rollen bringt. Das zentrale Thema aber ist ein bevorstehender Krieg zwischen den Fae-Königinnen von Sommerhof und Winterhof. Mit der Einführung dieses keltisch verwurzelten Sagenlandes kommen viele märchenhafte und phantastische Figuren und Elemente zum Einsatz: Hochelfen, Feen, Oger, Trolle, Wechselbalge, Einhörner, Satyrn und etliche andere Fabelwesen haben ihren Auftritt in einem gelungen Mix aus Sagenwelt und moderner Realität. Man streift durch Faerie oder dunkle Gassen unterhalb Chicagos und findet verborgene Eingänge in fremde Reiche. In einer wunderbar stimmigen Atmosphäre kommt der Fan von Urban Fantasy mit Summer Knight voll auf seine Kosten.

Neben neu eingeführten Charakteren, die sich neben einigen Mitgliedern des Weißen Rats vor allem aus dem Feenreich der Sidhe rekrutieren, treffen wir auch auf alte Bekannte. Billy und seine Werwolfgang, die Alphas,  aus Fool Moon (Wolfsjagd) beteiligen sich aktiv an Harrys Fall. Dafür muss der Leser auf Michael, der in Grave Peril eine prominente Rolle einnahm, gänzlich verzichten. Was unseren Protagonisten Harry Dresden angeht, so erfährt der Leser einiges mehr aus dessen Vergangenheit und lernt sowohl den Weißen Rat als auch Personen aus seiner Zeit als Lehrling kennen.
Insgesamt ist es sehr schön, wie Summer Knight die oft angedeuteten Begebenheiten aus der Vergangenheit des Magiers aufgreift und weiter ausbaut. Hierdurch gewinnt der Charakter ebenso an Substanz wie auch die Geschichte an Überzeugungskraft. Die Handlung wirkt insgesamt deutlich homogener als der Vorgänger, was nicht zuletzt einem souverän konstruierten Plot zu verdanken ist, der sich auf eine Haupthandlung konzentriert.

Auch der Humor des Autors und seiner Protagonisten ist wieder erfreulich stark präsent und sorgt für zusätzliche Leseanreize. Ein bisschen trocken, ein bisschen schwarz und auch reichlich selbstironisch kommt Summer Knight mit flotten Sprüchen daher. Ein paar Figuren neben Harry verstehen durch bloße Anwesenheit zu amüsieren. Hier sei vor allem der kleine Toot Toot, der zum ersten und letzten Mal in Storm Front (Sturmnacht) einen kurzen Auftritt hatte, hervorgehoben. Was beinahe von der ersten Seite an zu herzhaftem Lachen verführt, steigert sich im Laufe des Buches proportional zu Harrys langsam beginnender seelischer Heilung. Während Grave Peril da insgesamt weniger Gefahren bot, sollte man Summer Knight daher möglichst nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln lesen. Schiefe Blicke, verursacht durch spontanes Auflachen, sind bei diesem Roman vorprogrammiert.

Bei all dem Lob sei darauf hingewiesen, dass auch Summer Knight gelegentlich noch an der ein oder anderen Kinderkrankheit leidet und stellenweise etwas bemüht wirkt. Doch der Roman hat viel zu bieten, was diese kleinen Mängel unwichtig erscheinen lässt. Magie, keltischer Mythos, ein Harry, der sich von ganz unten langsam wieder hocharbeitet, auch seine oftmals überspitzten Leiden kommen ein wenig realistischer daher – so wie Harry Dresden seinen Fokus in diesem Roman wiederfindet, so scheint sich nun auch Jim Butcher in seine Serie eingefunden und eine stabile Linie angepeilt zu haben. Sofern es in diesem Stil weiter geht, darf man von dem Folgeband, Death Masks, nur Gutes erwarten.

Unschöne Dinge von Mark Del FrancoNach einem epochalen Ereignis ist die Welt der Feen mit der unseren verschmolzen und allerlei Fabelwesen mussten in die Gesellschaft der Menschen eingegliedert werden. Auch nach mehreren Jahren herrscht noch immer Argwohn vor und die Zuständigkeiten sind nicht immer so klar wie sie sein sollten. Als ein Elfenstricher ermordet aufgefunden wird, schiebt die Polizei den Fall Connor Grey zu, einem Druidenermittler, der seine Fähigkeiten nach einem missglückten Einsatz fast vollständig verloren hat und sich nun als Detektiv durchschlägt. Bald schon geschehen weitere ähnliche Morde und Connor Grey erkennt nicht nur die Eigenschaften von Ritualmorden, sondern auch einen fatalen Zusammenhang, der eine weltweite Katastrophe auslösen könnte.

– Der nackte Leichnam lag auf dem Rücken und starrte in den leeren Nachthimmel. Es war ein hellhäutiger Elf, nicht besonders gut gebaut, wenngleich sich so etwas nur bedingt beurteilen lässt, wenn jemand tot ist und Blut in alle Richtungen fließt. –
Kapitel 1, S.5

Bei Unschöne Dinge (Unshapely Things) handelt es sich um den 1. Teil einer Reihe paranormaler Detektivromane, in dem die sonst so elegant geschilderten Elfen- und Feenwesen genauso menschlich und verwundbar werden, genauso schmutzig, unschön, verbittert und wenig märchenhaft, wie ein gewöhnlicher, am Leben gescheiterter Mensch. Inhaltlich durchaus solide angelegt, kommt die Handlung zunächst aber nur schleppend in Gang und tut sich schwer damit Atmosphäre zu erzeugen.
So richtig warm wird man daher auch mit den Charakteren nicht. Sie bleiben ein wenig blass und vermögen es nicht, Sympathie oder auch Antipathie zu wecken. Einzig Connor Grey selbst gewinnt gegen Ende ein wenig Substanz und schafft es, die Neugier des Lesers doch noch für einen Moment herauszukitzeln.

Man merkt diesem Roman deutlich an, dass er das erste Werk des Autors Mark Del Franco ist. Die Erzählung holpert hier und da ein wenig, doch vor allem der viel zu bemühte Versuch, humorvoll zu sein, fällt negativ auf. Obwohl die Ideen zu den Figuren und ihrer Welt oft einen interessanten Ansatz bieten und in der Theorie auch witzig sein könnten, fehlt letztlich die richtige Ausarbeitung, um das Ganze funktionieren zu lassen und dem Roman zu einem harmonischen Gesamtgefüge zu verhelfen. Man hat den Eindruck, der Autor wollte hier mit allem Eifer etwas wirklich Lustiges und Spannendes erschaffen, scheitert dabei aber an seiner mangelnden Erfahrung darin, Geschichten lebendig zu erzählen.

Um es kurz zu sagen, dieses Buch weiß nicht recht was es will und dennoch, so richtig schlecht ist es auch nicht. Wenn man den langatmigen Anfang erst einmal überwunden hat, wird die Rahmenhandlung doch ausreichend spannend, sodass man trotz der Mängel weiterlesen möchte; vor allem aber will man mehr über Connor Greys Vergangenheit erfahren.
Ein Must Have ist Unschöne Dinge daher vielleicht nicht, aber wer Detektivgeschichten zu schätzen weiß und das Bedürfnis nach leichter Lesekost verspürt, für den dürfte dieser Roman genau das Richtige sein.

Eine kleine Warnung sollte zum Schluss noch mit auf den Weg gegeben werden: man muss für diesen Roman bereit sein, sich auf homosexuelle Beziehungen zwischen Männern einzulassen. Wer dafür keine Akzeptanz oder Toleranz aufbringen kann, der sollte wirklich die Finger davon lassen. Denn auch wenn Unschöne Dinge keine expliziten Szenen schildert, so ist die romantische Orientierung des Autors doch auf subtile Art allgegenwärtig und erfordert bei manchen Lesern und Leserinnen unter Umständen ein gedankliches Ausbrechen aus den eigenen, konventionellen Bahnen.

Von Elfen, Goblins, SpukgestaltenDieses Buch hat einiges in sich: Geister, die in Höhlen hausen, Nymphen, die zu kleinen Pfützen zerfallen, Kobolde, die sich in Vögel verwandeln, Gnome, die sich zwischen knorrigen Ästen verstecken, hinterlistige Irrlichter und zahlreiche seltsame Geschöpfe mehr finden in Von Elfen, Goblins, Spukgestalten ihren Platz. Nicht alle der beschriebenen Kreaturen sind dem Menschen dabei wohlgesinnt, einige treiben sogar äußerst gerne ihren Schabernack oder schlimmeres mit ihnen.
In diesem Buch werden all die vergessen geglaubten und verschrobenen Lebewesen anhand wunderbarer Illustrationen von Brian Froud und Alan Lee zusammengetragen und beschrieben.

-Einladungen, einen Geisterhügel zu besuchen, soll man nur mit größter Vorsicht annehmen, und man darf sich auf keinen Fall überreden lassen, etwas zu essen oder zu trinken. Wer das tut, ist unweigerlich verloren.-

Anders als die meisten vorgestellten Bücher in der Bibliotheka Phantastika erzählt Von Elfen, Goblins, Spukgestalten (im Original Faeries) nicht direkt eine Geschichte. Vielmehr trägt es verschiedene Sagen und Mythen zusammen und behandelt alles erwähnte wie eine Art wissenschaftliche Studie. Schon bei seiner Erstveröffentlichung im Jahre 1978 stellte Faeries eine ungewöhnliche Seltenheit dar, zeigte es doch Illustrationen, die aufgrund ihres Detailreichtums und wenig bunten Charakters offenkundig nicht an Kinder gerichtet waren.

Einem Handbuch nicht unähnlich, begleitet uns das Buch in eine Welt voller kleiner Lebensformen, die selbstverständlich auch heute noch gut getarnt im Verborgenen hausen. In mehrere Kapitel unterteilt, bringen uns die beiden Autoren walisische, irische und nordische Legenden nahe, zeigen uns magische Pflanzen und die Fähigkeit, wie man die schüchternen Wesen erkennen kann.
Auf jeder Seite findet sich dabei eine großflächige Illustration, die vor Phantasie und Liebe zum Detail nur so strotzt. Mal in Farbe, mal als schlichte Bleistiftskizze oder auch als Mischung aus beidem, lassen diese Darstellungen den Betrachter in das Reich der Elfen und Geister eintauchen. Jedes Bild wird dabei von einer handschriftlichen Notiz begleitet, manchmal auch von einem ausführlicheren Text zu Eigenschaften und Hintergrund der gezeigten Kreatur.

Wer sich bereits mit den Arbeiten von Brian Froud und Alan Lee vertraut gemacht hat, wird außerdem keine großen Schwierigkeiten haben zu erkennen, wer für welche der Illustrationen verantwortlich war. Frouds Skizzen zeichnen sich durch verschrobenen Witz, schrullige Gestalten und insgesamt humorvolle oder verspielte Darstellungen des Heimlichen aus, während Lee ein ernsteres Gemüt zu besitzen scheint. So sind seine Werke ebenso detailreich wie die seines Kollegen, in ihrem eleganten, erwachsen wirkenden Stil aber doch grundverschieden.

Von Elfen, Goblins, Spukgestalten, übrigens eine Neuauflage des ursprünglichen Titels Das Große Buch der Geister (1979), ist ein Schmökerband für Groß und Klein, wobei die Großen wohl noch ein wenig mehr Freude an diesem Werk haben werden. Auch Kindern dürften die Ansichten verschiedener Kobolde und Konsorten gefallen, doch gerade der Bezug zu Mythen und Sagen und die eher gedeckten Erdtöne werden die ganz Kleinen noch wenig interessieren.

Cover des Buches "The War of the Flowers" von Tad Williams Theo, ein Sänger in einer unbekannten Rockband, lebt ein normales, wenn auch unspektakuläres Leben. Plötzlich jedoch taucht eine kleine Elfe auf und rettet ihm im letzten Moment das Leben vor einem Horrorwesen. Die Elfe Applecore bringt Theo nach Faerie, eine Märchenwelt, die aber entgegen unseren Erwartungen nichts Märchenhaftes hat, sondern ein verzerrtes Abbild unserer eigenen Welt ist. Faerie wird von schönen, lustigen aber auch schrecklichen Wesen bevölkert und von einer herrschsüchtigen Elfenrasse regiert.

-The shape of Faerie itself is even stranger than the nautilus plan of the city I call New Erewhon – for it is no shape at all. To accurately reflect the experience of traveling there, a map that land have to revolve like a child´s top or go through some other metamorphosis I cannot quite concieve, for Faerie simply will not lie flat an behave itself….-

The War of the Flowers (Der Blumenkrieg) ist eine Mischung aus Fantasy und Phantastik.
Der Plot ist zuerst in der realen Welt dieses Jahrhunderts angesiedelt, dann taucht der Leser mit der Hauptperson in Faerie ein, eine Märchenwelt, bevölkert mit allerlei märchenhaften, phantastischen, skurrilen und auch albtraumhaften Bewohnern, die den Leser auf den ersten Blick mit allerlei Anachronismen konfrontiert.
Der Einstieg in die Geschichte wird dem Leser einfach gemacht, da der Hauptcharakter Theo als ein ganz durchschnittlicher, ja gewöhnlicher Mensch beschrieben wird. Es ist daher ist leicht, gedanklich in seine Rolle zu schlüpfen, und man hat dabei sogar noch das gute Gefühl, es ein wenig besser zu haben als dieser Blumenzusteller und Musiker in einer unbekannten Rockband.
Der Autor beschreibt seine Figuren, insbesondere Theo, vielschichtig, plastisch und sehr umfangreich. Die Personen wirken in ihrem Charakter und Verhalten erfrischend natürlich und nicht konstruiert oder stereotyp.

Tad Williams ist ein Meister im Erschaffen und Beschreiben von phantastischen Elementen. Er stellt die Bewohner und Gesetze seiner Welt lebhaft und plastisch dar. Nicht selten muss man über besonders skurrile Erscheinungen schmunzeln, wie z. B. einen blinden Taxifahrer, der einem Pferd nicht ganz unähnlich ist und dessen Rasse oder Art sozusagen zum Chauffieren geboren ist, oder auch den “Remover of Inconvinient Obstacles”, dessen Titel schon allein ein Grinsen beim Leser provoziert. Williams schafft es, die Welt mit unterhaltsamen, lebendigen Figuren anzufüllen.
Wer durch die vielen Bezeichnungen von Wesen nicht durchblickt, dem wird im Anhang mit einer kurzen Erklärung von Personen, Wesen und Dingen geholfen.
So interessant Faerie auch ist, der Plot selbst geht teilweise nur schleppend voran und weist häufig Längen auf. Von Williams’ anderen Romanen Der Drachenbeinthron und Otherland mit vielen Handlungssträngen und ebenso vielseitigen Personen verwöhnt, muss der Leser sich in The War of the Flowers nur mit einem größerem Handlungsstrang begnügen. Theo muss folglich die ganze Geschichte tragen, aber leider bleibt er so gewöhnlich, wie anfangs beschrieben, und vollzieht keine charakterlichen Weiterentwicklungen. Die wenigen handelnden Nebenpersonen werden einigermaßen gelungen herausgearbeitet, sind aber genauso entwicklungsarm.
Tad Williams schafft es aber trotzdem, das Leseinteresse durch dichte Atmosphäre, Sprachwitz und ein paar kleine “Highlights” aufrecht zu erhalten.

Die Geschichte endet in einem sehr spannenden und mitreißenden Höhepunkt und gibt dem Leser letztlich das versöhnliche Gefühl, es habe gar keine Längen gegeben. Der Plot wurde von Williams sorgsam durchdacht und ist abgerundet.

Wintertide von Michael J. SullivanDas nahende Winterfest soll der schurkischen Regentenclique des Kaiserreichs dazu dienen, ihren Triumph gebührend zu feiern: Der militärische Sieg über die letzten Widerständler ist in greifbare Nähe gerückt, die machtlose junge Kaiserin sieht einer Zwangsheirat mit einem politisch verlässlichen Mann entgegen, die unbequeme Prinzessin Arista und der Rebellenführer Degan Gaunt schmachten gebrochen im Kerker und Hadrian, der sie zu befreien versucht, wird prompt erkannt und zur Kollaboration erpresst. Um zumindest ihn retten zu können, lässt Royce sich widerstrebend auf einen riskanten Handel mit seinem Erzfeind Merrick Marius ein…

– Royce stood at the edge of the forest trying to decide between the road and the more direct route through the trees. Snow started to fall again, and the wind swept the flakes at an angle. The white curtain muted colors, turning the world a hazy gray. The thief flexed his hands. He had lost feeling in his fingers again. In his haste to find Gwen, he had once more neglected to purchase winter gloves.–
Chapter 5 – Footprints in the Snow

Mit Wintertide gelingt es Michael J. Sullivan nur teilweise, nach dem eher schwachen Vorgängerband The Emerald Storm zum ursprünglich hohen Unterhaltungswert seiner Serie zurückzufinden. Bedauerlich ist vor allem, dass er dem Plot eine der größten Stärken der Reihe opfert: Dadurch, dass Hadrian und Royce hier überwiegend getrennt agieren, fällt ihr freundschaftliches Geplänkel weg, das die Atmosphäre bisher entscheidend geprägt hat. Mit der über weite Strecken hilflos im Verlies dahinvegetierenden Arista ist auch die dritte zentrale Gestalt daran gehindert, für eine Kontinuität der gewohnten Elemente zu sorgen. Die neu eingeführten Charaktere – so etwa der Straßenjunge Mince und der edle Ritter Sir Breckton – bleiben typenhaft und werden oft in sehr generischen Situationen präsentiert, die auch den Weltenbau bestimmen.

Da das Setting in sich schlüssiger als im vierten Band wirkt, möchte man zunächst noch vermuten, dass die Rückkehr an vertraute Schauplätze wie die Kaiserstadt Aquesta dem Buch durchaus gut tut. Bald aber stellt sich ein gewisser Verdruss darüber ein, dass Sullivan den Kaiserhof samt Ritterturnier, Tafelfreuden, Falkenjagd und Schachbegeisterung etwas zu oberlehrerhaft schildert. Mit Hadrian und der aus einfachen Verhältnissen zur Sekretärin der Kaiserin aufgestiegenen Amilia sind zwei Figuren vorhanden, deren Unvertrautheit mit den Sitten und Gebräuchen ihrer neuen Umgebung als Vorwand für weitschweifige Erklärungen dient, die versierteren Gesprächspartnern in den Mund gelegt werden. So entsteht eher der Eindruck eines sehr theoretisch angelegten Konstrukts als der einer glaubwürdigen Lebenswirklichkeit. Dass anlässlich eines höfischen Fests auch noch ein paar Liedzeilen auftauchen, die wie eine ungeschickt umformulierte Entlehnung aus Penelope’s Song von Loreena McKennitt klingen, macht die Sache nicht besser. Auch sprachlich holpert der eine oder andere Satz mehr als üblich.

Ihren gewohnten Charme kann die Geschichte nur in einigen kleinen Szenen am Rande entfalten, so etwa, wenn Royce zu seiner Verblüffung erlebt, dass eine schon halb vergessene gute Tat sich für ihn auszahlt. Ähnlich anrührende Momente gibt es auch in der Schilderung der rauen Welt der Straßenkinder, deren harter Überlebenskampf die Suche nach Freundschaft und menschlicher Wärme nicht ausschließt. Die große Rolle, die für die Jungen die alljährliche Schlachtwoche spielt, in der auch für die Ärmsten der Armen etwas abfällt, wirkt dabei fast wie ein Fanal für die Endphase des Romans, in der es für Sullivans Verhältnisse ungewöhnlich blutig zugeht. Zwar sind auch in den anderen Bänden Kämpfe und Morde keine Seltenheit, aber dass hier einer der Helden im Racherausch eher unbedeutende Helfershelfer der Schurken bei lebendigem Leibe zerstückelt, befremdet im Vergleich doch ein wenig.

Ohnehin kommt es in den letzten  paar Kapiteln zu einer Häufung gewaltsamer Todesfälle unter überwiegend schon seit Beginn der Serie relativ wichtigen Figuren. Es wirkt, als wolle der Autor unter dem Personal ebenso aufräumen wie auf der Handlungsebene, denn der Dauerkonflikt der Protagonisten mit den geistlichen und weltlichen Machthabern des Kaiserreichs wird zu einem wenig originellen Ende geführt, so dass der letzte Band sich wohl auf das immer noch ungeklärte Rätsel um den verschollenen Erben Novrons und die damit verbundene, bisher eher diffus angedeutete dunkle Bedrohung konzentrieren wird. Es bleibt abzuwarten, ob daraus ein überzeugendes Finale oder doch nur eine allzu gewollt wirkende Auflösung wird.