Bibliotheka Phantastika Posts

Es ist gute Tradition, über peinliche Fantasy-Cover zu schimpfen, aber das Ganze lässt sich noch steigern: In manchen Fällen sind Cover und Gesamtaufmachung nicht nur hässlich, sondern auch noch vollkommen irreführend und um Welten vom Inhalt entfernt, so dass man eigentlich nur danebengreifen kann und ganz bestimmt nicht das Buch zwischen den suggestiv gestalteten Deckeln findet, mit dem man gerechnet hat. Oder man lässt etwas links liegen, ohne zu ahnen, was einem entgeht.

1. Die Fahrt der Shadowmoon
Die Fahrt der Shadowmoon von Sean McMullenSean McMullens skurrile Moonworlds-Saga ist in der deutschen Ausgabe einer sehr gewollten und wenig gekonnten Me-Too-Strategie zum Opfer gefallen: Cover, Titelgebung und sogar Klappentext legen nahe, dass jeden Augenblick Captain Jack Sparrow einen Urheberrechtsverstoß anmahnen könnte. Dummerweise gibt es im ganzen Roman keinen einzigen richtigen Piraten, sondern lediglich ein Boot voller Geheimagenten. Und der einzige Untote der Welt Verral ist ein Jahrhunderte alter Vampir, der an seinem Teenagerkörper verzweifelt und sich nur da vollsaugt, wo es Karmapunkte zu verdienen gibt. Von Schätzen, Seeschlachten und Flüchen weit und breit keine Spur – aber wer High-Magic-Settings mit viel Humor mag, sollte reinschauen und nicht auf schwarze Flaggen warten.

2. Necromancer
Ein nicht übersetzter Einworttitel und ein Cover, das entweder Horror- oder SF-Assoziationen weckt, hat Martha Wells’ charmanter Gaslichtfantasy sicher auch keine Leser und Leserinnen beschert, die mit einer Gentleman-Ganoven-Geschichte mit Rachemotiv rechnen. Falsche Okkultisten, opiumsüchtige Zauberer und Katz-und-Maus-Spielchen mit der Polizei, grusliger wird es meistens nicht, und technisch gesehen ist der allerletzte Schrei die neu eröffnete Eisenbahnstrecke aufs Land. Die einzige Entschuldigung für diesen Fehlgriff mag vielleicht sein, dass Necromancer schon ein Weilchen vor dem Steampunk-Kult veröffentlicht wurde, der recht anschaulich gezeigt hat, was man in diesen Zusammenhang Schönes mit Buchcovern machen kann …

3. Gormenghast
Zu Schloss Gormenghast, dem Sitz des Adelsgeschlechts Groan, will einem allerhand einfallen: düster, gotisch, verkrustet, einschüchternd, öde, bombastisch, fröhlich pastellfarben, regenbogenbunt … Moment! Was immer mit den Gestaltern der deutschen Ausgabe durchgegangen ist, vom Geist von Gormenghast waren sie nicht durchdrungen. Möglicherweise wurde versucht, eine naheliegende Brücke (Adel, ausladende Anwesen, einsame Gegenden) zu Rosamunde Pilcher zu schlagen? Zum Glück gibt es seit ein paar Jahren eine Neuausgabe, die zwar ebenfalls durch allzu satte Farbenvielfalt besticht, aber zumindest nicht mehr ganz so zuckrig wirkt.
Gormenghast-Tilogie, alte Cover

4. Elegie an die Nacht
Herr der Dunkelheit von Jacqueline CareyJacqueline Carey hat für die zwei Bände von The Sundering, wie das Ganze im Original heißt, durchaus eine Kehrtwendung hingelegt und sich von der romantisch-erotischen Ecke ins epische Abenteuer begeben und ein bisschen Tolkien gechannelt, dabei allerdings den Blickwinkel vertauscht. Das hat aber niemanden so recht interessiert, wie der zart-duftige Reihentitel und die mehr oder weniger romantischen Cover nahelegen, die ganz bestimmt weder einen orkartigen Fjell noch einen der Herolde der Dunkelheit zeigen, aus deren Sicht die Geschichte meist erzählt wird. Ein gefallener Gott, eine Prophezeiung und eine Allianz des Guten, der man eigentlich nicht so recht den Sieg wünscht, stehen im Zentrum der auch stilistisch anspruchsvollen Geschichte. Ganz großes Erzählgarn für Fans der epischen Fantasy!

5. Das Haus der Ketten
Auch nach mehrmaligem Lesen ist mir noch nicht klar,Das Haus der Ketten Steven Erikson warum sich fünf der sieben Zwerge auf diesem Eriksoncover tummeln, ob Miraculix seine Brüder aus Ziergründen eingeladen hat oder warum der Weihnachtsmann so bläulich daherkommt (ist es die Kälte?). Statt epischer, bildgewaltiger Fantasy gibt es also Mistelernt-Romantik auf dem Cover, und das verstehe, wer will. Mit Erikson hat das nicht viel zu tun, und die herausragende Qualität der Reihe verschwindet hinter Bärten und Kapuzen.
Einziger Pluspunkt, der mir einfällt: immerhin spricht das Cover durch seine blau-rosa Gestaltung sowohl Leser als auch Leserinnen an. Und natürlich Druiden. Sehr fortschrittlich!

Demnächst an dieser Stelle übrigens der Beweis, dass es auch ganz anders geht – wenn wir euch fünf Bücher präsentieren, die in der deutschen Aufmachung gewonnen haben.

Zettelkasten

Yamada Monogatari von Richard ParksLord Yamada, ein gefallener Adliger, hat sich auf die Lösung von übernatürlichen Problemen spezialisiert – er steht mit Schwert, Witz und buddhistischen Sutras bereit, um sich um Oger, Geister und Dämonen zu kümmern, die die Mitglieder des Hofes von Edo belästigen, ihre Ehre beflecken oder ihre Bauern fressen. Zwischen den Missionen braucht er allerdings immer mehr Sake, denn mit einem simplen Töten der übernatürlichen Erscheinungen ist es meist nicht getan.

Zur Rezension bitte hier entlang.

Neue Inhalte

Bibliotheka Phantastika erinnert an Andrew J. Offutt, der heute 80 Jahre alt geworden wäre. Auch wenn der am 16. August 1934 in Louisville, Kentucky, geborene Andrew Jefferson Offutt V bereits im zarten Alter von 20 Jahren mit seiner ersten Story “And Gone Tomorow” in der Dezemberausgabe des SF-Magazins If debütierte, sollte es bis 1970 dauern, bis sein erster SF-Roman auf den Markt kam. Wobei das nur die halbe Wahrheit ist, denn Evil Is Live Spelled Backwards war nur Offuts erster Roman unter seinem richtigen Namen. Eigentlich war er nämlich schon seit 1963 als Romanautor aktiv, allerdings praktisch ausschließlich im Bereich der erotischen oder pornografischen Literatur (mit mal mehr, mal weniger, mal gar keinem SF-Anteil) unter Verlagspseudonymen wie J.X. Williams und John Cleve, und er ist diesem Genre – parallel zu seinen Arbeiten im Bereich der SF und Fantasy – mindestens bis Mitte der 80er Jahre (vor allem unter dem Cleve-Pseudonym) treu geblieben und hat u.a. sämtliche 19 Bände der erotischen SF-Serie Spaceways (1982-85) teils allein, teils mit Co-Autoren verfasst.
Was die oben erwähnten Arbeiten im Bereich der SF und Fantasy angeht, war Offutt in den 70er und 80er Jahren in diesem Segment sehr fleißig, wobei er sich ab Mitte der 70er Jahre mehr und mehr von der SF ab- und der Fantasy zuwandte bzw. die beiden Genres miteinander vermischte. Das Ergebnis waren zurecht inzwischen mehr oder weniger vergessene Romane wie Messenger of Zhuvastou oder Ardor on Aros (beide 1973, wobei Letzterer mehr als nur eine kräftige Prise fragwürdiger “Erotik” enthält), sowie Chieftain of Andor (1976; auch als Clansman of Andor) und My Lord Barbarian (1977; dt. Valeron der Barbar (1982)), der vielleicht beste Roman aus dieser Epoche.
Mit Sword of the Gael (1975) begann ein sechs Bände umfassender Zyklus, der sich um den von Robert E. Howard erfundenen gälischen Krieger Cormac Mac Art The Tower of Death von Andrew Offuttdreht und mit The Undying Wizard (1976), The Sign of the Moonbow, The Mists of Doom (beide 1977), When Death Birds Fly (1980; mit Keith Taylor) und The Tower of Death (1982; mit Keith Taylor) fortgesetzt wurde. Wie so häufig bei Howard-Pastiches haben diese Romane mit dem Ausgangsstoff nur wenig gemein; während die ersten drei Bände eine Weiterführung der originalen Howard-Stories darstellen, schildern die letzten drei die Jugend Cormac Mac Arts bzw. seine Abenteuer vor den Geschehnissen in den Howard-Stories (stellen also praktisch Prequels dar) und funktionieren – vermutlich vor allem dank der Mitarbeit Keith Taylors – zumindest als historische Fantasyromane ganz ordentlich. Der Zyklus, der es im Zuge des Conan-Booms auch nach Deutschland geschafft hat, wurde hierzulande interessanterweise in einer der Handlungschronologie entsprechenden Reihenfolge veröffentlicht: Auf die Prequels Die Nebel des Untergangs, Die Todesvögel und Der Turm des Todes (alle 1987) folgte ein Band mit Howard-Material, ehe es mit Das Schwert des Kelten, Der unsterbliche Hexer und Das Zeichen des Mondes (alle 1988) weiterging.
Auch zum Conan-Franchise durfte Andrew J. Offutt mit Conan and the Sorcerer (1978; dt. Conan und der Zauberer (1983)), The Sword of Skelos (1979; dt. Conan und das Schwert von Skelos (1982)) und Conan the Mercenary (1981; dt. Conan der Söldner (1983)) drei Romane beitragen, die zwar nicht die schlimmsten Conan-Pastiches sein mögen, deren Hauptfigur mit dem Howard-Conan allerdings ebensowenig gemein hat wie die Hauptfiguren der meisten anderen Pastiches.
Auf den ersten Blick hat die parallel zu Offuts Arbeiten im Howard-Universum entstandene, zusammen mit Richard K. Lyon verfasste Trilogie War of the Wizards nichts mit Howard oder dessen Figuren zu tun, allerdings könnte man die Piratin Tiana of Reme, die sich in The Demon in the Mirror (1978), The Eyes of Sarsis (1980) und Web of the Spider (1981) viel zu häufig lüsterner Gegner mit allen Arten von Schwertern erwehren muss und dabei natürlich immer mal wieder ihre Kleider verliert, durchaus als etwas explizitere Version von Howards Bêlit betrachten, die es immer mal wieder schafft, mit ihrem heaving bosom und anderen körperlichen Vorzügen ihre Gegner zu verwirren. Das würde ihr vermutlich auch bei Orrikson Jarik gelingen, der sich in der aus den Bänden The Iron Lords (1979), Shadows Out of Hell (1980) und The Lady of the Snowmist (1983) bestehenden Trilogie War of the Gods on Earth als weiblichen Reizen gegenüber sehr empfänglich zeigt – wenn er nicht gerade damit beschäftigt ist, in berserkerhafter Raserei seine Feinde niederzumetzeln (schließlich muss sich Jarik Blacksword – wie er alsbald genannt wird – ja seines Beinamens “the-machine-that-fights” würdig erweisen).
Interessanterweise war es dann wieder ein Franchise-Universum, für das Andrew J. Offutt seine besten Arbeiten als Fantasy-Autor abgeliefert hat, denn seine Beiträge zu der von Robert Asprin herausgegebenen Shared-World-Anthologiereihe Thieves’ World sind deutlich besser als so ziemlich alle bislang genannten Romane – und das gilt sowohl für seine insgesamt acht Stories in den Anthologien wie auch für die beiden Romane Shadowspawn (1987; dt. Der dunkle Held (1990)) und The Shadow of Sorcery (1993), in denen mit dem Dieb Hanse Shadowspawn (aka Hanse Nachtschatten) eine der interessantesten Figuren der Reihe die Hauptrolle spielt, die sich zurecht ziemlich großer Beliebtheit erfreut hat. The Shadow of Sorcery war der letzte Fantasyroman, den Offutt veröffentlicht hat (nachdem in den 80ern ohnehin fast nur noch Spaceways-Romane von ihm erschienen waren), so dass seine Autorenkarriere mit seinem vielleicht gelungensten Helden ausgeklungen ist.
Darüberhinaus sollte man nicht vergessen, dass Andrew J. Offutt in seinen produktiven Jahren nicht nur als Autor, sondern auch als Anthologist aktiv war. Die von ihm herausgegebene fünfbändige Anthologiereihe Swords Against Darkness (1977-79) bietet durchaus lesbare und teilweise sogar lesenswerte Sword-&-Sorcery-Stories von Autoren, die man in den meisten thematisch ähnlichen und etwa zu diesem Zeitpunkt veröffentlichten Anthologien eher nicht gefunden hat. In Deutschland ist leider nur eine Auswahl aus den ersten drei Bänden unter dem Titel Atlantis ist überall (1981) erschienen; immerhin haben auf diese Weise auch rein deutschsprachige Leser und Leserinnen die Chance, Ramsey Campbells Ryre oder Manly Wade Wellmans Kardios kennenzulernen.
Andrew J. Offutt, der am 30. April 2013 im Alter von 78 Jahren verstorben ist, war sicher kein Autor, der in der Fantasy allzu deutliche Spuren hinterlassen hat. Andererseits macht es Hanse Nachtschatten einem leicht, sich seiner gelegentlich mit durchaus positiven Gefühlen zu erinnern – und seine fünf SAG-Anthologien sind für jeden Sword-&-Sorcery-Fan eigentlich ein muss …

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Charmed Life von Diana Wynne JonesBibliotheka Phantastika erinnert an Diana Wynne Jones, die heute 80 Jahre alt geworden wäre. Man darf die am 16. August 1934 in London geborene Autorin wohl guten Gewissens zu einer der einflussreichen Autorinnen des phantastischen Genres zählen. Zwar war ihr Kerngebiet das Kinder- und Jugendbuch, da ihre Werke jedoch stets viel Humor und Seitenhiebe enthalten, sind sie auch für Erwachsene ein Lesegenuss.
Diana W. Jones’ Werke wurden häufig mit den Harry Potter Romanen verglichen, aber auch mit Werken von Neil Gaiman. Mit letzterem pflegte die Autorin, bis zu ihrem Todestag am 26. März 2011, eine innige Freundschaft und beide verewigten den jeweils anderen in den eigenen Werken.

In unserer Redaktion ist Diana W. Jones vor allem durch ihren Roman Howl’s Moving Castle (Sophie im Schloss des Zauberers) bekannt. In ihrem Repertoire befinden sich jedoch weitaus mehr gute Geschichten. Eine ebenfalls sehr erfolgreiche Serie trägt den Titel Chrestomanci, deren erster Roman Charmed Life bereits 1977 den Guardian Award for Children’s Books gewann.
Anlässlich ihres Geburtstags haben wir die Bibliografie im Portrait der Autorin noch einmal neu sortiert und aktualisiert. Eltern und kindgebliebene Fantasyleser werden mit dieser Autorin viel Freude haben und sollten daher in das ein oder andere ihrer Werke hinein schnuppern.

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Nach langer Pause lädt Bibliotheka Phantastika wieder einmal zu einem Ausflug in die Welt der Webcomics ein, um ein Werk zu empfehlen, das sich nicht nur in Bezug auf Geschlechterrollen wohltuend wenig um Konventionen schert (bzw. diese munter hinterfragt und durch den Kakao zieht): Noelle Stevensons Nimona.

Nimona von Noelle Stevenson
© Noelle Stevenson (www.gingerhaze.com)

Die Titelheldin Nimona, eine jugendliche Gestaltwandlerin mit sehr destruktiven Tendenzen (“I’m not a kid. I’M A SHARK”), überredet den selbsternannten Schurken Ballister Blackheart, sich von ihr im Kampf gegen die umtriebige Institution of Law Enforcement and Heroics unterstützen zu lassen, die, offiziell im Namen der Regierung, ihr eigenes Süppchen kocht und als Helden vom Dienst den strahlenden Ritter Ambrosius Goldenloin beschäftigt, dem Ballister einst sehr nahestand. Dass bei solch einer Ausgangslage nicht alles so ist, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint, versteht sich von selbst, und so beginnt bald eine höchst unterhaltsame tour de force durch eine Welt, die unbefangen eine typisch pseudomittelalterliche Ästhetik (samt Ritterturnier und Kapuzenträgern) mit moderner Technik, zerstörerischen Schusswaffen, großer Regierungsverschwörung und verrückten Wissenschaftlern kombiniert. Manch liebgewonnener Topos sowohl der Fantasy als auch des Superheldengenres wird dabei aufs Korn genommen, und das mit verblüffend einfachen Mitteln: Zeichenstil und Figurenriege sind auf das Nötigste reduziert, wobei ersterer allerdings im Laufe des Comics eine merkliche Verfeinerung erfährt.
Parallel dazu ändern sich auch Inhalt und Atmosphäre Stück für Stück: Herrschen zu Beginn noch schräger Humor (durchaus passend zur Namensgebung der Protagonisten) und eine (wenn auch nur scheinbar) episodische Struktur vor, wird die Haupthandlung im weiteren Verlauf zunehmend ernster und dramatischer, wobei Stevenson sich auch nicht scheut, hier und da kräftig auf die Tränendrüse zu drücken. Wenn man sich durch den Stimmungswandel bereitwillig mitschleifen lässt, dann auch deshalb, weil die Charaktere bei allem Spiel mit den Klischees ihre Individualität und ihren Charme bewahren und man gar nicht umhinkann, wissen zu wollen, wie es mit ihnen ausgeht. Das dürfte man übrigens bald erfahren: Mit dem 11. Kapitel nähert sich Nimona nun der Vollendung, und für 2015 ist eine Veröffentlichung in Buchform geplant.

Bisher bei bp vorgestellte Webcomics:
Widdershins
Die Wormworld-Saga
A Redtail’s Dream
Digger

Eselsohr Über den Tellerrand

A Spell for Chameleon von Piers AnthonyBibliotheka Phantastika gratuliert Piers Anthony, eigentlich Piers Anthony Dillingham Jacob, der heute 80 Jahre alt wird. Der am 06. August 1934 in Oxford geborene Brite und Sohn zweier Oxford-Absolventen kann heutzutage wohl problemlos als ein Urgestein des Fantasy- und Science-Ficition-Genres bezeichnet werden. Mit weit mehr als 150 veröffentlichten Titeln und etlichen Kurzgeschichten im Repertoire, ist es schwierig sich zu entscheiden, welches seiner Werke man nun als Aufhänger für eine Beschreibung dieses Autors wählen sollte. Dabei waren seine Anfänge, wie bei vielen Autoren, gar nicht so einfach und gingen mit verschiedenen Nebenjobs einher.

Vermutlich am ehesten bekannt durch seine Buchreihe Xanth, laden wir euch ein, das frisch aktualisierte Portrait von Piers Anthony zu besuchen und mehr über seine weiteren Romane und Kurzgeschichten zu erfahren. Aber bringt etwas Zeit mit – die Bibliographie ist lang … 😉

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Bibliotheka Phantastika erinnert an Clifford D. Simak, dessen Geburtstag sich heute zum 110. mal jährt. Man darf den am 03. August 1904 in Milville, Wisconsin, geborenen Clifford Donald Simak gewiss zu den Großen der amerikanischen SF zählen, dessen Werke viele Jahre lang mit schöner Regelmäßigkeit ins Deutsche übersetzt wurden, auch wenn sie heute – gut 26 Jahre nach seinem Tod am 25. April 1988 – mit einer Ausnahme nur noch antiquarisch erhältlich sind. Die Romane und Geschichten, die Simak im Laufe seiner mehr als 50 Jahre dauernden Karriere geschaffen hat, bieten eine etwas andere SF als man sie – nicht zuletzt in Anbetracht der Zeit, in der sie entstanden sind – vielleicht erwarten könnte, denn in ihnen geht es kaum einmal um galaktische Imperien, Raumschlachten oder riesige Raumschiffe; statt dessen stehen in ihnen häufig ländliche Gebiete im Mittelpunkt (für die sein heimatliches Wisconsin Pate stand – wenn sie nicht gleich dort spielten), in die der technische Fortschritt noch nicht vorgedrungen oder über die er bereits hinweggegangen ist. Das lässt seine Werke – vor allem, von heute aus betrachtet – ein bisschen altmodisch wirken, und man muss sich auf sie bzw. ihren oft leicht elegischen Ton einlassen, wenn man City, das fix-up aus in den 40er Jahren entstandenen Geschichten (1952, erw. 1981; dt. Als es noch Menschen gab (zuletzt 2010)) oder Romane wie Time and Again (1951; dt. Tod aus der Zukunft (1961, NÜ 1974)), den Hugo-Gewinner Way Station (1963; dt. Raumstation auf der Erde (1964)), A Choice of Gods (1972; dt. Die letzte Idylle (1973)) oder A Heritage of Stars (1977; dt. Ein Erbe der Sterne (1980)) – um nur einige wenige zu nennen – genießen will.
Simak hat in seiner SF nie auf technische Gimmicks gesetzt; in den späten 60er Jahren hat er dann angefangen, ein bisschen mit Fantasy bzw. Phantastik zu flirten und phantastische Elemente in seine SF einzubetten, z.B. in The Werewolf Principle (1967; dt. Mann aus der Retorte (1968)), wo die Fähigkeit des Gestaltwandelns als PSI-Talent erklärt wird, oder in The Goblin Reservation (1968; dt. Die Kolonie der Kobolde (1969)), wo in einer fernen Zukunft die Existenz von Geistern, Trollen und Kobolden wissenschaftlich anerkannt ist, oder in Out of Their Minds (1970; dt. Verteufelte Welt (1971)), wo durch den Glauben der Menschen eine Fantasywelt geschaffen wird, deren – ebenso ausgedachter – Teufel mit der Entwicklung der Menschheit bzw. deren Interessen nicht so ganz einverstanden ist. In Anbetracht dieser Werke und angesichts der Tatsache, dass Simaks Protagonisten sich bereits in einigen SF-Romanen auf eine Suche begeben mussten – häufig in interessanter, nicht nur menschlicher Gesellschaft –, ist es nicht weiter verwunderlich, dass er sich im Herbst seiner Karriere auch der Fantasy zugewandt hat und drei – nun gut, zweieinhalb – “richtige” Fantasyromane geschaffen hat, die alle eine klassische Queste behandeln.
Enchanted Pilgrimage von Clifford D. SimakDen Anfang machte Enchanted Pilgrimage (1975; dt. Marc Cornwalls Pilgerfahrt (1977)), die Geschichte des Scholaren Marc Cornwall, der in einer mittelalterlichen Parallelwelt lebt, die sich irgendwann von unserer Welt abgespalten hat, und in der nicht nur all die Wesen leben, die man bei uns aus Sagen und Legenden kennt, sondern auch Magie und Zauberei den Platz einnehmen, den bei uns Naturwissenschaft und Technik haben. Besagter Marc Cornwall entdeckt in einem alten Folianten den Reisebericht eines Mannes, der die Wastelands erkundet hat, in denen schreckliche Bestien und böse Mächte hausen – aber das wirklich Interessante ist die Bibliothek, die jenseits der Wastelands liegen soll. Marc ist durch und durch ein Scholar, und so ist es kein Wunder, dass er sich – begleitet von seinem Dachkobold – aufmacht, die Bibliothek zu finden. Schon bald schließen sich ihnen weitere Gefährten auf ihrer Queste an, die sie tief in die Wastelands führt, und an deren Ende sie etwas ganz anderes finden als erwartet … Man muss Clifford D. Simak vielleicht zugute halten, dass Enchanted Pilgrimage sein erster richtiger Fantasyroman und das Genre für ihn noch Neuland war, denn so lässt sich am ehesten erklären, warum sich allmählich Hinweise auf einen SF-Hintergrund in die ansonsten auf typische Fantasyelemente wie Riesen, magische Schwerter und heilende Einhorn-Hörner etc.pp. zurückgreifende Queste mischen, bis schließlich Dinge auftauchen, die eindeutig dem Instrumentarium der SF zuzurechen sind. Ob diese Mischung funktioniert, sollte jeder Leser für sich entscheiden.
In The Fellowship of the Talisman (1978) dt. Die Brüderschaft vom Talisman (1979) bzw. Die Bruderschaft des Talisman (überarb. NA, 1987)) lassen sich zwar ebenfalls (allerdings nur schwache) SF-Einflüsse finden, aber vor allem schildert der Roman eine ziemlich traditionelle – um nicht zu sagen generische – Fantasyqueste (die natürlich zum Zeitpunkt seiner Entstehung noch nicht annähernd so traditionell oder generisch war). Auch dieses Mal geht es um ein Manuskript, das auf einer Welt, die durch die ständigen Überfälle und Invasionen der abgrundtief bösen Harriers gesellschaftlich und technologisch auf einem mittelalterlichen Level verharrt, aus dem Norden Englands nach Oxenford gebracht werden muss – eine Aufgabe, die dem jungen Adligen Duncan Standish zufällt. Und natürlich muss er diese Aufgabe nicht allein erfüllen, sondern mit einer bunt gemischten Gruppe (keineswegs nur menschlicher) Gefährten an seiner Seite, deren Unterstützung der etwas naive Duncan auch dringend braucht, denn es gilt, die Forlorn Lands zu durchqueren, in denen die Harriers ihr Unwesen treiben … Während die Queste an sich wenig Neues bietet, macht es durchaus Spaß, den unterschiedlichen Wesen in Duncans Gruppe dabei zuzusehen, wie sie sich mehr und mehr kennen- und dabei schätzen lernen, nicht zuletzt, weil auch die merkwürdigsten von ihnen von Simak auf überaus warmherzige und humorvolle Weise geschildert werden.
Where the Evil Dwells von Clifford D. SimakAuch Where the Evil Dwells (1982; dt. Im Land der Drachen (1984)) weist ein paar Gemeinsamkeiten mit den beiden vorangegangenen Fantasyromanen Simaks auf, etwa eine Welt, die nicht ganz die unsere ist, oder ein dieses Mal Empty Lands genannter Landstrich, in dem – wie es der Titel schon sagt – das Böse haust, doch auffälliger sind die Unterschiede. Da wäre zum einen die wesentlich düsterere Atmosphäre, die den ganzen Roman durchzieht, oder die Tatsache, dass sich eine nur aus Menschen (wenn man den Begriff ein bisschen streckt) bestehende kleine Gruppe in die Länder des Bösen aufmacht, oder auch das Böse selbst, das sich aus allen nichtmenschlichen Wesen aus unseren Sagen und Legenden bis hin zu Feen und Einhörnern zusammensetzt. In dieser Welt ist das Römische Reich (letztlich ironischerweise dank des Bösen) nie untergegangen, wird aber weiterhin vom Bösen bedroht und wankt unter dem Ansturm. Deswegen zögert der junge Adlige Charles Harcourt keinen Augenblick, in die Empty Lands aufzubrechen, als er von seinem Onkel erfährt, dass sich dort nicht nur seine seit langem verschollene große Liebe sondern auch Lasandras Prisma befinden soll, das der Legende nach die Seele eines Heiligen enthält. Letzteres ist für den Abt Guy Grund genug, sich Charles anzuschließen, dessen alter Freund, der geheimnisvolle Knurly Man, natürlich ebenfalls mitkommt (und mit seinen theologischen Streitgesprächen mit dem Abt einen wesentlichen Anteil an der Unterhaltsamkeit der Queste hat). Die Vierte im Bunde ist die Waise Yolanda, die über einige merkwürdige Fähigkeiten verfügt. Die Queste selbst verläuft nach dem üblichen Muster – die Gefährten müssen sich zusammenraufen, um die Gefahren, denen sie sich gegenübersehen, zu überstehen (wobei die Schrecknisse in den Empty Lands deutlich größer als die in den verheerten Gebieten der beiden anderen Romane sind) – und auch das Ende bietet letztlich das erwartet Unerwartete.
Clifford D. Simaks drei Fantasyromane sind jeweils gradlinig erzählte Abenteuerromane, die einige Gemeinsamkeiten aufweisen, an denen sich aber auch eine Entwicklung ablesen lässt. Während Enchanted Pilgrimage noch ein wenig unentschlossen zwischen SF und Fantasy hin und her pendelt, bietet The Fellowship of the Talisman eine traditionelle Queste, die vor allem mit der Interaktion der Figuren (und dem warmherzigen Blick, den uns der Autor auf sie gewährt) punkten kann, während Where the Evil Dwells die in den anderen beiden Romanen bereits angeklungenen moralischen und theologischen Fragen – sprich: die Frage nach der Natur des Menschen und der Natur Gottes – stärker in den Mittelpunkt rückt und eine fast schon pessimistische Grundstimmung aufweist (und nebenbei noch ein bisschen Cthulhu-Mythos-Feeling bietet). Interessant ist, dass in allen drei Romanen verwüstete, öde oder von bösartigen Kreaturen heimgesuchte Landstriche eine wichtige Rolle spielen, deren Verwüstungsgrad von Roman zu Roman zunimmt.
Grundsätzlich kann man sagen, dass Clifford D. Simak gewiss bessere Romane als diese drei Fantasyromane geschrieben hat, dass man aber auch ihn ihnen so manches von dem findet, was seine SF interessant und einzigartig macht.

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Unser Buch des Monats August ist abermals ein etwas älterer Titel: Schon 1988 erschien The Paladin (ISBN: 978-0671318376; dt. Der Paladin) von C. J. Cherryh (der wir hier zum 70. Geburtstag gratuliert haben).
Die Geschichte, die in ein asiatisch inspiriertes, vor allem an das frühe China angelehntes Setting entführt, hat eigentlich einen Plot, der in anderen Händen The Paladin von C.J. Cherryhzum Patentrezept für ein Desaster hätte werden können. Denn was sich, vom Rachedurst der Protagonistin eher angestoßen als durchgängig dominiert, gemächlich entwickelt, ist primär eine Liebesgeschichte zwischen einer Schülerin und ihrem wesentlich älteren Lehrmeister.
Als die jugendliche Taizu bei dem Einsiedler Shoka alias Saukendar auftaucht, ist der Kampfkunstexperte, der eine glanzvolle Vergangenheit am Kaiserhof hinter sich hat, erst wenig begeistert, in seiner selbstgewählten Einsamkeit gestört zu werden, ganz zu schweigen davon, dass er nichts davon hält, ein Bauernmädchen zur Kriegerin auszubilden. Doch Taizu, die eine Vergewaltigung und den Verlust von Heimat und Familie erdulden musste, will das nötige Rüstzeug, um Rache nehmen zu können, und zieht Shoka so immer tiefer in ein Vorhaben hinein, aus dem bald mehr wird als eine rein private Vergeltungsaktion …
Wie gesagt: Manch ein anderer Autor hätte aus der allmählichen Annäherung des oft recht machohaft denkenden Shoka und der ihm in Alter und sozialem Stand weit unterlegenen Taizu wohl eine fragwürdige Mär gesponnen, doch Cherryh gelingt es, nicht in die Falle zu tappen. Das ist nicht allein Shokas sehr charaktervollem Pferd zu verdanken, das für die Entwicklung der Beziehung eine entscheidende Rolle spielt, sondern auch und vor allem der Tatsache, dass die Verteilung von Lehren und Lernen nicht so eindeutig ist, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte. Spätestens, wenn sich erweist, dass das Alltagswissen einer Reisbäuerin auch in militärischer Hinsicht seinen Nutzen haben kann, ist man mit der Altersdifferenz und dem möglichen Machtgefälle halbwegs versöhnt und fiebert dem nicht überraschenden, aber durchaus charmanten Ende dieses Einzelbands entgegen.
Auf typische Fantasyelemente muss man dabei allerdings größtenteils verzichten: Über weite Strecken könnte The Paladin auch ein historischer Roman sein. Wie allerdings Dämonen- und Drachenglaube der Bevölkerung in die Handlung mit eingebunden werden, ist ebenso geschickt wie amüsant und bildet das i-Tüpfelchen auf einer auch ansonsten rundum gelungenen Reise in eine überzeugende fremde Welt.

Buch des Monats

Bibliotheka Phantastika gratuliert Kim Newman, der heute 55 Jahre alt wird. Bevor der am 31. Juli 1959 im Londoner Stadtteil Brixton geborene, aber in dem kleinen Dörfchen Aller in Somerset aufgewachsene Kim James Newman seine ersten Romane veröffentlichte, hatte er u.a. bereits als Journalist gearbeitet und sich als Filmkritiker einen Namen gemacht, Letzteres vor allem mit Nightmare Movies: Wide Screen Horror Since 1968 (1984), einer Geschichte des Horrorfilms, die als Nightmare Movies: A Critical History of the Horror Film 1968-1988 (1988) bzw. Nightmare Movies: Horror on Screen since the 1960s (2011) zwei erweiterte Neuauflagen erlebte. Aufsehen erregte auch die gemeinsam mit Neil Gaiman unter dem Titel Ghastly Beyond Belief (1985) herausgegebene Sammlung denkwürdiger Zitate aus SF-Romanen und -Filmen sowie der mit Stephen Jones herausgegebene Band Horror: 100 Best Books (1988). Aber an dieser Stelle soll es ja vor allem um den Belletristik-Autor Kim Newman gehen, der zunächst einmal – angefangen mit “Dreamers” im Sommer 1984 in Interzone #8 – jedes Jahr eine Kurzgeschichte (zumeist ebenfalls in Interzone) veröffentlichte, ehe mit The Night Mayor (1989; dt. Die Nacht in Dir (1995)) sein erster Roman erschien, in dem Newmans Liebe zum Kino einmal mehr deutlich wird, denn er dreht sich um zwei professionelle Träumer, die gezwungen sind, die Traumwelt eines Verbrechers zu betreten, die aus Versatzstücken des film noir zusammengesetzt ist.
Drachenfels von Jack YeovilIm gleichen Jahr begann er unter dem Pseudonym Jack Yeovil mit seinem Abstecher in die Welt des Warhammer-Universums, der zu seinen einzigen “echten” Fantasyromanen führte und zeigte, was man aus dem Szenario “Begleitroman zum (Rollen-)Spiel” alles herausholen kann, wenn man Konventionen hinter sich lässt und die Sache mit Lust und Laune, und, wie in Yeovils Fall, mit breiten Kenntnissen im Grusel- und Horrorfilmgenre, anpackt. In den Warhammer-Romanen tritt außerdem eine zentrale Figur auf, die mit blondem Haar, ewiger lolitahafter Jugend und scharfen Beißerchen durch Yeovils/Newmans gesamtes Werk flattert: Geneviève Dieudonné, Vampirin und wandelbare Dame von Welt, kampferprobte Veteranin und Femme fatale. Ihr erstes Abenteuer Drachenfels (1989, dt. Drachenfels (1996)) beginnt harmlos mit einer prunkvollen Theateraufführung zum Jubiläum einer Heldentat, die in Originalkulisse stattfinden soll. Hinter der Bühne geht es allerdings nicht mit rechten Dingen zu. Man betrachtet das Geschehen meist aus der Sicht von Detlef Sierck, dem Stückeschreiber, was zu einem famosen Abfeiern der Filmvorbilder und –klischees führt, das inmitten der recht bitteren Geschichte von vergangenem Ruhm eine dringend nötige Aufheiterung darstellt. Auch der zweite Roman Beasts in Velvet (1991, dt. Bestien in Samt und Seide (1999)) bezieht sich auf cineastische Vorlagen – darin geht im nebligen Altdorf ein grausamer Frauenmörder um, und der Detektiv Harold Kleindienst, genannt “Filthy Harry”, muss zusammen mit einem Medium die heiklen Ermittlungen aufnehmen, bei denen es aufgrund der angenommenen adligen Herkunft des Mörders eine Menge zu vertuschen gibt. In der Novella-Sammlung Genevieve Undead (1993, dt. Die untote Geneviève (1998)) und der Story-Sammlung Silver Nails (2002) werden einige Lücken zwischen Genevièves Abenteuern gefüllt, und die Vampirin rückt eher ins Zentrum der Handlung, als eine wichtige Nebenfigur abzugeben. Gesammelt sind die Warhammer-Geschichten darüber hinaus auch als The Vampire Genevieve (2005) erschienen.
Yeovils zweite Reihe Dark Future basiert ebenfalls auf einem Spiele-Setting, ist jedoch eher in den Genres Endzeit und Cyberpunk angesiedelt. In der bizarren Welt der Romane Demon Download (1990), Krokodil Tears (1991), Comeback Tour (1991) Route 666 (1994) – bis auf den vierten Band übersetzt als Dämonenjagd, Krokodilsjagd, Mutantenjagd (alle 1994) – hagelt es politische und popkulturelle Anspielungen aus den 1980ern. Konzerne herrschen über die Gesellschaft, weite Teile der USA sind eine unbewohnbare Wüste, in der sich Gangs, religiöse Fanatiker und Mutanten tummeln, Elvis lebt und Leonard Nimoy ist ein echter Astronaut – und die Spezialagentin und Nonne Chantal Juillerat ist Geneviève Dieudonnés Schwester im Geiste. Das bitterböse und überdrehte Szenario gibt auch die Richtung für das vor, was der nicht in Spiele-Szenarios aktive Kim Newman am liebsten schrieb – alternative Geschichtsentwürfe, in denen fiktionale und historische Persönlichkeiten auftreten und die unter einer schillernden Oberfläche genau dort zupacken, wo es wehtut.

In der ersten Hälfte der 90er Jahre schrieb Kim Newman neben ein paar Einzelromanen – die alle deutliche Horrorelemente aufweisen und von denen The Quorum (1994; dt. Das Quorum (1995)), die Geschichte eines faustischen Pakts mit dem Teufel, der beste ist – mit Anno Dracula (1992) auch den 1888 im viktorianischen England spielenden ersten Band einer gleichnamigen Reihe von Alternativweltromanen, die über die Stationen The Bloody Red Baron (1995), Judgment of Tears: Anno Dracula 1959 (1998; auch als Dracula Cha Cha Cha (1998)) und Johnny Alucard (2013) mittlerweile in Anno Dracula von Kim Newmanden 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts angekommen sind. In Newmans Alternativwelt ist es Bram Stokers Helden aus Dracula nicht gelungen, den Grafen aufzuhalten oder gar zu vernichten – ganz im Gegenteil, er hat die verwitwete Queen Victoria geheiratet und ist zum Prinzregenten geworden, und Vampire sind ein angesehener Teil der Gesellschaft. Doch manche Dinge haben sich nicht geändert, denn auch in diesem London macht Jack the Ripper Whitechapel unsicher und bringt Prostituierte um, die gleichzeitig Vampire sind. Mit der größte Reiz von Anno Dracula liegt außer in der schlüssig entwickelten Handlung in der überzeugend und überaus atmosphärisch geschilderten viktorianischen Gesellschaft, in der eine Mischung aus teilweise leicht erkennbaren, teilweise deutlich verfremdeten historischen und literarischen Personen agiert. Da die Folgebände auf die ganz spezifische Gaslicht-Atmosphäre des nebligen London verzichten müssen, sind sie zwar immer noch mehr als lesenswert, machen aber nicht mehr ganz so viel Spaß wie der Auftaktband.
Seit den 90ern veröffentlichte Newman auch etliche Kurzgeschichten, darunter jene rund um den von Mycroft Holmes gegründeten Diogenes Club, der eigentlich eine besonders geheime britische Geheimdienstabteilung darstellt, behandeln die Abenteuer der Agenten (die meist übernatürlichen Erscheinungen nachgehen und zu denen auch eine gewisse blonde Vampirin stößt) in Alternativentwürfen der 60er und 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts (The Man from the Diogenes Club (2006)), der viktorianischen Zeit bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts (The Secret Files of the Diogenes Club (2007)) und querbeet durch alle Zeiten (Mysteries of the Diogenes Club (2010)). Während keine der dieser Geschichten auf Deutsch erschienen ist, liegt zumindest eine Geschichte in Übersetzung vor, in der Figuren aus dem Diogenes Club auftauchen: Seven Stars (2000, dt. Der Fluch der Sieben Sterne (2004)), das nur in einer sehr kleinen Auflage erschien, ist die Geschichte eines fluchbeladenen Juwels, das seinen Besitzern Unheil bringt, und in dem Newman noch einmal alle Register zieht und Figuren aus seinem gesamten Oeuvre auftreten lässt.

Reaktionen

Die Legende von Araukarien von Ralf LehmannIm Hochhügelland häufen sich bedrohliche Geschehnisse, und so wird der junge Bolgan ausgesandt, um den Alten Niemand, einen jahrhundertealten Einsiedler, aufzusuchen und seinen Rat einzuholen. Was er erfährt, übertrifft seine schlimmsten Befürchtungen: Alles deutet darauf hin, dass der Schwarze Prinz, der schon in ferner Vergangenheit sein Unwesen trieb, zurückgekehrt ist und sich anschickt, die Lande zu verwüsten und ihre Bewohner zu versklaven. Die Reise in die Hauptstadt, um den Herrscher über das Reich Araukarien vor der drohenden Gefahr zu warnen, gerät zum Wettlauf gegen die Zeit, und bei ihrem Eintreffen müssen Bolgan und der Alte Niemand erkennen, dass ihre Nachricht allein nicht ausreicht, um die Katastrophe aufzuhalten …

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