Nicholas Valiarde ist ein Edelmann mit einem Doppelleben als größter Dieb der Stadt Vienne – und seine Verbrechen dienen nur einem Ziel: Er will den Grafen Montesq ausschalten, der einst seinen Mentor wegen Nekromantie zum Tode verurteilen ließ. Nicholas ist näher als je zuvor an seinem Ziel, als ihm ein ungelegener Zwischenfall in die Quere kommt: Ein zwielichtiger Spiritualist, der angeblich mit Verstorbenen kommunizieren kann, geht in den Adelshäusern der Stadt ein und aus und benutzt eine der Erfindungen von Nicholas’ verstorbenem Mentor. Als ob das nicht genug wäre, sieht sich Nicholas bei seinen Nachforschungen plötzlich echter Nekromantie gegenüber. Er geht der Sache nach – weitaus besser als die inkompetente Präfektur der Stadt …
-The most nerve-racking commissions, Madeline thought, where the ones that required going in through the front door.-
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Auf den ersten Blick besticht Martha Wells’ Roman durch das Ambiente: Gaslicht, Magie, rauschende Feste, erbärmliche Elendsviertel, und der letzte Schrei in der opulenten Großstadt ist die neu eröffnete Eisenbahn – Ile-Rien ist ein atmosphärisches Steampunk-Setting, wie es schöner nicht sein könnte, und die Ähnlichkeit zum Frankreich der Vormoderne geht auch ein klein wenig über die frankophilen Namen hinaus. Noch dazu spielt die Geschichte im illustren Halbwelt-Milieu: ein gerissener Gentleman-Dieb samt seiner Bande (einer Schauspielerin, einem abgehalfterten Kavalleristen, einem opiumsüchtigen Zauberer und etlichen ordinären Langfingern) will sich an einem der Mächtigen der Stadt Vienne rächen, der seinen Ziehvater mit einem Komplott der Nekromantie bezichtigt hat und ihn damit einen Kopf kürzer machte. Das ist der Stoff, aus dem Mantel-und-Degen-Abenteuer gestrickt sind, und auch in den Figurenkonstellationen finden sich solche Anklänge.
Damit wären wir beim zweiten großen Pluspunkt von The Death of the Necromancer, den Charakteren. Es ist eine einprägsame Ansammlung von skurrilen, liebenswerten und interessanten Figuren, die hier auf kriminellen Pfaden zu ihrem Recht zu kommen sucht. Abgebrüht genug, um große Nummern in der Verbrecherwelt zu sein, aber mit dem kleinen Rest Gewissen, so daß man sie allesamt noch gern haben kann. Martha Wells versteht es, die Hintergründe ihrer Figuren ganz natürlich nach und nach aufzudecken, so daß sie am Ende alle nachvollziehbar sind und die Charakterentwicklung immer dynamisch bleibt.
Als die gutherzigen Schlitzohren durch ihren geplanten Racheakt in ein viel größeres Geschehen gezogen werden, hängt man schon an ihnen – der lebendige Stil, der nahe an den Personen bleibt, trägt das Seine dazu bei. Einige Charakterentwicklungen zeichnen sich schon im Voraus ab, wie etwa die Beziehung zwischen Nicholas und seinem Feind Inspektor Ronsarde, dem Ermittler, der ihm auf der Spur ist – sie sind aber nicht minder lesenswert.
Die vielen kleinen, spannenden Coups, die sich die Verbrecherbande leistet, sorgen für großartige Dynamik – die Geschichte hat keinerlei Längen und das Tempo ist durchgehend hoch, ohne daß der rote Faden verloren geht. Trotzdem bleibt Zeit für einige bewegende Szenen, und auch Humor ist bei den gerissenen Schurken zu Hauf vorhanden – was die teilweise düstere Stimmung, die sich schon aus dem Grundthema “Nekromantie” ergibt, größtenteils aufhebt.
Der locker-leichte Stil der Geschichte wird auch dadurch unterstrichen, daß der Tod in diesem Roman erstaunlicherweise keine große Ernte einfährt. Da sich zeitgenössische Fantasy oft auch in den Darstellungen von Grausamkeiten überbietet, außergewöhnlich – denn angeboten hätten sich so manche entsetzlichen Szenen, aber diese werden in der Regel elegant umschifft. Um so schöner ist, daß die geringe Sterberate der Spannung gar keinen Abbruch tut und man dennoch gehörig um die Protagonisten zittern kann.
Magie, ihre Verknüpfung mit Technik, aber auch ihre altertümliche Form mit Fabelwesen, Feen und anderen Erscheinungen ist stimmig in die Handlung eingebunden und wird zwar spärlich, aber immer eindrucksvoll eingesetzt.
So läßt allein die Auflösung der Haupthandlung ein klein wenig zu wünschen übrig – auch hier kommen zwar wie im gesamten Roman überraschende und interessante Kniffe zum Tragen, aber ingesamt geht es doch ein wenig schnell über die Bühne. Dafür gibt es aber für alle Beteiligten ein schönes, rundes Ende – ingesamt also eine Lektüre, die sehr viel Vergnügen bereitet und ganz in sich geschlossen ist – obwohl man Ile-Rien in weiteren Romanen von Martha Wells noch ausführlicher erkunden kann.