Zum 80. Geburtstag von Andrew J. Offutt

Bibliotheka Phantastika erinnert an Andrew J. Offutt, der heute 80 Jahre alt geworden wäre. Auch wenn der am 16. August 1934 in Louisville, Kentucky, geborene Andrew Jefferson Offutt V bereits im zarten Alter von 20 Jahren mit seiner ersten Story “And Gone Tomorow” in der Dezemberausgabe des SF-Magazins If debütierte, sollte es bis 1970 dauern, bis sein erster SF-Roman auf den Markt kam. Wobei das nur die halbe Wahrheit ist, denn Evil Is Live Spelled Backwards war nur Offuts erster Roman unter seinem richtigen Namen. Eigentlich war er nämlich schon seit 1963 als Romanautor aktiv, allerdings praktisch ausschließlich im Bereich der erotischen oder pornografischen Literatur (mit mal mehr, mal weniger, mal gar keinem SF-Anteil) unter Verlagspseudonymen wie J.X. Williams und John Cleve, und er ist diesem Genre – parallel zu seinen Arbeiten im Bereich der SF und Fantasy – mindestens bis Mitte der 80er Jahre (vor allem unter dem Cleve-Pseudonym) treu geblieben und hat u.a. sämtliche 19 Bände der erotischen SF-Serie Spaceways (1982-85) teils allein, teils mit Co-Autoren verfasst.
Was die oben erwähnten Arbeiten im Bereich der SF und Fantasy angeht, war Offutt in den 70er und 80er Jahren in diesem Segment sehr fleißig, wobei er sich ab Mitte der 70er Jahre mehr und mehr von der SF ab- und der Fantasy zuwandte bzw. die beiden Genres miteinander vermischte. Das Ergebnis waren zurecht inzwischen mehr oder weniger vergessene Romane wie Messenger of Zhuvastou oder Ardor on Aros (beide 1973, wobei Letzterer mehr als nur eine kräftige Prise fragwürdiger “Erotik” enthält), sowie Chieftain of Andor (1976; auch als Clansman of Andor) und My Lord Barbarian (1977; dt. Valeron der Barbar (1982)), der vielleicht beste Roman aus dieser Epoche.
Mit Sword of the Gael (1975) begann ein sechs Bände umfassender Zyklus, der sich um den von Robert E. Howard erfundenen gälischen Krieger Cormac Mac Art The Tower of Death von Andrew Offuttdreht und mit The Undying Wizard (1976), The Sign of the Moonbow, The Mists of Doom (beide 1977), When Death Birds Fly (1980; mit Keith Taylor) und The Tower of Death (1982; mit Keith Taylor) fortgesetzt wurde. Wie so häufig bei Howard-Pastiches haben diese Romane mit dem Ausgangsstoff nur wenig gemein; während die ersten drei Bände eine Weiterführung der originalen Howard-Stories darstellen, schildern die letzten drei die Jugend Cormac Mac Arts bzw. seine Abenteuer vor den Geschehnissen in den Howard-Stories (stellen also praktisch Prequels dar) und funktionieren – vermutlich vor allem dank der Mitarbeit Keith Taylors – zumindest als historische Fantasyromane ganz ordentlich. Der Zyklus, der es im Zuge des Conan-Booms auch nach Deutschland geschafft hat, wurde hierzulande interessanterweise in einer der Handlungschronologie entsprechenden Reihenfolge veröffentlicht: Auf die Prequels Die Nebel des Untergangs, Die Todesvögel und Der Turm des Todes (alle 1987) folgte ein Band mit Howard-Material, ehe es mit Das Schwert des Kelten, Der unsterbliche Hexer und Das Zeichen des Mondes (alle 1988) weiterging.
Auch zum Conan-Franchise durfte Andrew J. Offutt mit Conan and the Sorcerer (1978; dt. Conan und der Zauberer (1983)), The Sword of Skelos (1979; dt. Conan und das Schwert von Skelos (1982)) und Conan the Mercenary (1981; dt. Conan der Söldner (1983)) drei Romane beitragen, die zwar nicht die schlimmsten Conan-Pastiches sein mögen, deren Hauptfigur mit dem Howard-Conan allerdings ebensowenig gemein hat wie die Hauptfiguren der meisten anderen Pastiches.
Auf den ersten Blick hat die parallel zu Offuts Arbeiten im Howard-Universum entstandene, zusammen mit Richard K. Lyon verfasste Trilogie War of the Wizards nichts mit Howard oder dessen Figuren zu tun, allerdings könnte man die Piratin Tiana of Reme, die sich in The Demon in the Mirror (1978), The Eyes of Sarsis (1980) und Web of the Spider (1981) viel zu häufig lüsterner Gegner mit allen Arten von Schwertern erwehren muss und dabei natürlich immer mal wieder ihre Kleider verliert, durchaus als etwas explizitere Version von Howards Bêlit betrachten, die es immer mal wieder schafft, mit ihrem heaving bosom und anderen körperlichen Vorzügen ihre Gegner zu verwirren. Das würde ihr vermutlich auch bei Orrikson Jarik gelingen, der sich in der aus den Bänden The Iron Lords (1979), Shadows Out of Hell (1980) und The Lady of the Snowmist (1983) bestehenden Trilogie War of the Gods on Earth als weiblichen Reizen gegenüber sehr empfänglich zeigt – wenn er nicht gerade damit beschäftigt ist, in berserkerhafter Raserei seine Feinde niederzumetzeln (schließlich muss sich Jarik Blacksword – wie er alsbald genannt wird – ja seines Beinamens “the-machine-that-fights” würdig erweisen).
Interessanterweise war es dann wieder ein Franchise-Universum, für das Andrew J. Offutt seine besten Arbeiten als Fantasy-Autor abgeliefert hat, denn seine Beiträge zu der von Robert Asprin herausgegebenen Shared-World-Anthologiereihe Thieves’ World sind deutlich besser als so ziemlich alle bislang genannten Romane – und das gilt sowohl für seine insgesamt acht Stories in den Anthologien wie auch für die beiden Romane Shadowspawn (1987; dt. Der dunkle Held (1990)) und The Shadow of Sorcery (1993), in denen mit dem Dieb Hanse Shadowspawn (aka Hanse Nachtschatten) eine der interessantesten Figuren der Reihe die Hauptrolle spielt, die sich zurecht ziemlich großer Beliebtheit erfreut hat. The Shadow of Sorcery war der letzte Fantasyroman, den Offutt veröffentlicht hat (nachdem in den 80ern ohnehin fast nur noch Spaceways-Romane von ihm erschienen waren), so dass seine Autorenkarriere mit seinem vielleicht gelungensten Helden ausgeklungen ist.
Darüberhinaus sollte man nicht vergessen, dass Andrew J. Offutt in seinen produktiven Jahren nicht nur als Autor, sondern auch als Anthologist aktiv war. Die von ihm herausgegebene fünfbändige Anthologiereihe Swords Against Darkness (1977-79) bietet durchaus lesbare und teilweise sogar lesenswerte Sword-&-Sorcery-Stories von Autoren, die man in den meisten thematisch ähnlichen und etwa zu diesem Zeitpunkt veröffentlichten Anthologien eher nicht gefunden hat. In Deutschland ist leider nur eine Auswahl aus den ersten drei Bänden unter dem Titel Atlantis ist überall (1981) erschienen; immerhin haben auf diese Weise auch rein deutschsprachige Leser und Leserinnen die Chance, Ramsey Campbells Ryre oder Manly Wade Wellmans Kardios kennenzulernen.
Andrew J. Offutt, der am 30. April 2013 im Alter von 78 Jahren verstorben ist, war sicher kein Autor, der in der Fantasy allzu deutliche Spuren hinterlassen hat. Andererseits macht es Hanse Nachtschatten einem leicht, sich seiner gelegentlich mit durchaus positiven Gefühlen zu erinnern – und seine fünf SAG-Anthologien sind für jeden Sword-&-Sorcery-Fan eigentlich ein muss …

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