Zum 40. Geburtstag von James A. Sullivan

Bibliotheka Phantastika gratuliert James A. Sullivan, der heute seinen 40. Geburtstag feiert. Als Co-Autor von Bernhard Hennen mischte der am 14. Februar 1974 in West Point, New York, geborene James Arthur Sullivan zunächst bei Die Elfen (2004) mit, zu denen er auf Solo-Pfaden in jüngster Vergangenheit auch mit Nuramon (2013) wieder zurückgekehrt ist.
Wir haben anlässlich seines Geburtstages sein Portrait aktualisiert, wo ihr euch genauer informieren könnt.

Wer James gratulieren möchte, kann dies übrigens auch in unserem Forum tun, wo er hin und wieder als “Nuramon” unterwegs ist. Wir sagen hier schon mal: Alles Gute, Jamie!

Hinterlasse einen Kommentar

Zum 70. Geburtstag von Walter Wangerin jr.

Bibliotheka Phantastika gratuliert Walter Wangerin jr., der heute 70 Jahre alt wird. Der am 13. Februar 1944 in Portland, Oregon, geborene Autor, Theologe und Hochschullehrer Walter Wangerin jr., der seit 1991 an der Valparaiso University in Indiana Literatur, Theologie und Kreatives Schreiben lehrt, hat seit Ende der 70er Jahre ein umfangreiches Oeuvre geschaffen, das praktisch immer einen religiösen Hintergrund hat und etliche Sach- und Kinderbücher sowie Romane wie z.B. The Book of God: The Bible as Novel (1996; dt. Das Buch von Gott: die Bibel als Roman (1997)), Paul: A Novel (2000; dt. Der Apostel: Paulus, ein Leben (2001)) und Jesus: A Novel (2005; dt. Jesus: der Roman (2006)) umfasst. Dass er hier in diesem Blog auftaucht, verdankt er allerdings seinen Fantasyromanen, die – wen kann das in Anbetracht von Wangerins Hintergrund noch überraschen? – einen deutlichen allegorischen Charakter haben. Dessen ungeachtet sind sie durchaus unterhaltsam, was möglicherweise damit zusammenhängt, dass es sich bei The Book of the Dun Cow und dessen Fortsetzungen um Animal Fantasies handelt, und dass Wangerin etliche seiner Protagonisten überaus gelungen sind.
The Book of Dun Cow von Walter Wangerin jr.The Book of the Dun Cow (1978; dt. Der weiße Hahn und die braune Kuh (1981)) erzählt die Geschichte Chauntecleers, eines eitlen, selbstgefälligen “Gockels” im wahrsten Sinne des Wortes, der in einer Zeit, in der die Menschen noch nicht in Erscheinung getreten sind – einer unschuldigeren Zeit, in der die Welt noch im Mittelpunkt der Schöpfung steht, die Sonne um sie kreist und die Tiere sprechen können und menschliche Eigenschaften haben – über seinen Hühnerhof und das umliegende Land herrscht. Und auch wenn er schnell wütend wird und sich selbst viel zu wichtig nimmt, will er doch eigentlich ein guter, gerechter Herrscher sein. Als es Wyrm, einem uralten Monster, das tief unter der Erde haust, durch einen Trick gelingt, auf einem anderen Hühnerhof seinen Sohn Cockatrice (Basilisk in der deutschen Ausgabe) – ein Mischwesen aus Schlange und Hahn – in die Welt zu bringen, und besagter Cockatrice dort ein Schreckensregime errichtet, mit den Hennen ein Heer tödlicher Basilisken erschafft und sich anschickt, mit ihnen den Rest der Welt zu erobern, sieht sich Chauntecleer seiner größten Herausforderung gegenüber. Natürlich nimmt er diese Herausforderung an – er kann gar nicht anders – und er ist auch nicht allein, denn die Tiere seines kleinen Reiches folgen ihm willig, und er weiß um die Unterstützung seiner engsten Vertrauten, zu denen seine Lieblingshenne Pertelote (die Cockatrices Schreckensherrschaft entkommen ist), John Wesley Weasel und Mundo Cani, der traurige, schwermütige Hund, zählen. Doch der Kampf, der alsbald beginnt, erweist sich als verlustreich und kaum zu gewinnen – und er fordert Opfer und zwingt zu Entscheidungen, an denen diejenigen, die sie treffen, schwer zu tragen haben …
The Book of the Dun Cow (und ja, die im Titel genannte braune Kuh spielt durchaus eine Rolle, auch wenn sie eher indirekt in die Handlung eingreift) ist kein fröhliches Buch, auch wenn es seine heiteren Momente hat, doch verglichen mit der Fortsetzung The Book of Sorrows (1985) wirkt es wie eine leichte Gute-Nacht-Lektüre. Die düstere, um nicht zu sagen pessimistische Grundstimmung des zweiten Bandes hat vor allem mit der Entwicklung zu tun, die Chauntecleer durchmacht. Schon im ersten Band hat sich der anfangs so stolze Gockel verändert, doch in The Book of Sorrows wird ihm die Bedeutung dessen, was es heißt, zu herrschen, zu entscheiden und Verantwortung zu tragen, voll und ganz bewusst. Und in dem Versuch, frühere Entscheidungen zu revidieren und zum Besseren zu wenden, macht er neue Fehler und bürdet sich weitere Schuldgefühle auf. Schildert der erste Band einen epischen Kampf zwischen Gut und Böse – wenn auch “nur” auf einem Hühnerhof –, so geht es im zweiten um Schuld und Sühne, und da spielt es eigentlich keine Rolle, dass die Welt, in der das alles sttattfindet, vergleichsweise klein ist.
So ganz glücklich scheint Walter Wangerin jr. mit dem düsteren Ende des zweiten Bands seiner Hühnerhof-Saga auf Dauer selbst nicht gewesen zu sein, denn im November 2013 hat er sie mit The Third Book of the Dun Cow: Peace at the Last zur Trilogie ergänzt (und bei dieser Gelegenheit zumindest die eBook-Ausgabe von The Book of Sorrows in The Second Book of the Dun Cow: Lamentations umbenannt), und dieser Titel lässt auf einen versöhnlicheren Ausgang der Geschichte schließen.
The Book of the Dun Cow (das 1980 mit dem National Book Award ausgezeichnet wurde) und dessen Fortsetzung(en) sind sicher nicht jedermanns Sache, denn die Figuren sind schon sehr holzschnittartig angelegt (vor allem die Bösen sind nur böse); dessen ungeachtet kann man ihr Denken und Tun jederzeit nachvollziehen, und wenn man sie erst kennengelernt hat, vergisst man weder den stolzen Chauntecleer, noch die kluge Pertelote, den vorwitzigen John Wesley Weasel und vor allem den traurigen Mundo Cani – der zeigt, dass es möglich ist, die eigenen Ängste zu besiegen und wirklich über sich hinauszuwachsen – so leicht wieder.
Die christlich-allegorische Komponente ist zu erkennen, wenn man sie erkennen will, doch genausogut kann man auch nach den Spuren der mittelalterlichen Fabel Chantecleer and the Fox suchen, oder nach denen, die noch von The Nun’s Priest’s Tale (einem von Geoffrey Chaucers Canterbury Tales) zu finden sind, denn auf ihnen basiert The Book of the Dun Cow (allerdings sehr locker). Und natürlich kann man die Geschichte auch einfach nur lesen.

Hinterlasse einen Kommentar

Zum 75. Geburtstag von Jane Yolen

Bibliotheka Phantastika gratuliert Jane Yolen, die heute 75 Jahre alt wird. Es dürfte kaum eine zweite Fantasyautorin geben, bei der die Diskrepanz zwischen dem Bekanntheitsgrad in ihrem Heimatland und bei uns ähnlich groß ist wie bei der am 11. Februar 1939 in New York City geborenen Jane Hyatt Yolen. Das mag einerseits mit daran liegen, dass ein Großteil ihres Schaffens aus Bilderbüchern und teils phantastischen, teils nichtphantastischen Büchern für Kinder und Jugendliche besteht, erklärt aber trotzdem nur teilweise, warum noch nicht einmal zehn Prozent der ca. 300 Bücher, die sie geschrieben und/oder herausgegeben hat, übersetzt wurden. Vor allem, wenn man bedenkt, wie groß ihr Ansehen in ihrer Heimat ist, wo sie als “Hans Christian Andersen of America” bezeichnet wird und zehn Jahre lang eine nach ihr benannte Kinder- und Jugendbuchreihe herausgegeben hat.
Jane Yolens Karriere begann 1963 mit dem sich an Kinder richtenden Sachbuch Pirates in Petticoats, in dem es um Piratinnen geht, und dem Bilderbuch See This Little Line. Auf diese beiden Bücher folgte 50 Jahre lang ein stetiger Strom weiterer Veröffentlichungen, die zumeist zur Fantasy zu zählen sind, so dass die o.g. Titelzahl nicht mehr verwunderlich sein dürfte. Ebensowenig dürfte überraschen, dass dieser Beitrag nur Schlaglichter auf ein derart umfangreiches Oeuvre werfen kann, die vor allem ein paar von Jane Yolens phantastischen bzw. Fantasy-Romanen für Jugendliche und (jüngere) Erwachsene ein wenig beleuchten sollen.
Auf der schmalen Grenzlinie zwischen SF und Fantasy bewegt sich die aus den Romanen Dragon’s Blood (1982; dt. Drachenblut (2001)), Heart’s Blood (1984; dt. Herzblut (2002)) und A Sending of Dragons (1987; dt. Die Drachenbotschaft (2002)) bestehende The Pit Dragon Trilogy (unter diesem Titel auch als Sammelband (1998); dt. Der Drachenkämpfer von Sarkkhan (SB, 2006)), die auf einem fernen Planeten spielt, auf dem Drachen gezüchtet werden, um sie gegeneinander kämpfen zu lassen. Der junge Jakkin, der sich als Knecht auf einer Drachenfarm verdingen musste, will sich aus dieser Abhängigkeit freikaufen, indem er heimlich einen Kampfdrachen aufzieht. Als Heart’s Blood ausgewachsen ist, erweist er sich tatsächlich als großartiger Kämpfer – doch damit fangen Jakkins Probleme erst so richtig an … Die Jahre später mit dem Band Dragon’s Heart (2009) fortgesetzte Jugendbuch-Trilogie verdankt ihre Entstehung vor allem der Tatsache, dass Jane Yolen unbedingt einmal über Drachen schreiben wollte, und das tut sie hier auf recht originelle Weise.
Eindeutig SF – die sich dennoch irgendwie ein bisschen wie Fantasy anfühlt – ist Cards of Grief (1984; dt. Eine Welt der Traurigkeit (1988)), Yolens erster Roman für Erwachsene. In dem 1985 mit dem Mythopoeic Fantasy Award (!) ausgezeichneten Roman geht es um die Anthropologist Guild, die mit ihren Raumschiffen durch die Galaxis fliegt, um die Bewohner fremder Planeten zu studieren, und dabei auf eine Kultur stößt, in der Trauern die höchste Kunstform ist.
Sister Light, Sister Dark von Jane YolenIhre nächsten Romane für Erwachsene waren dann aber reinrassige Fantasy und ihr vielleicht wichtigster Beitrag zum Genre: Sister Light, Sister Dark (1988) und White Jenna (1989), die eigentlich einen Roman bilden und einige Jahre später auch unter dem Titel The Books of Great Alta (1990) als Sammelband veröffentlicht wurden. Sie erzählen die Geschichte der jungen, weißhaarigen Jenna, die dreimal zur Waise wird: ihre Mutter stirbt bei ihrer Geburt, die Hebamme, als sie sie in Sicherheit bringen will, und die Kriegerin, die sie adoptiert, wird einige Zeit später im Kampf getötet. Jenna wird von einer Gemeinschaft von Amazonen aufgenommen, die ihr Dasein nach den Vorgaben der Great Alta – einer gütigen Göttin – ausrichten und nicht nur ohne Männer als Kriegerinnen, Bäuerinnen und Priesterinnen leben, sondern auch ihre Dark Sister heraufbeschwören können, ihre andere, dunkle Seite, die sie erst “ganz” macht. Bei diesen Frauen gibt es eine alte Prophezeiung, und Jenna entspricht genau der Anna, dem weißhaarigen Kind, das gemäß besagter Prophezeiung drei Mütter verloren hat und eine Messiasfigur ist, die eines Tages alles verändern wird. Und genau das tut Jenna, als sie im Wald den jungen Prinzen Carum rettet und dessen Verfolger tötet. Doch die erste Veränderung ist keine zum Guten, denn sie führt dazu, dass Jennas neues Zuhause zerstört und ihre Familie getötet wird … Was die – 1998 um den Roman The One-Armed Queen ergänzte – Great Alta Saga zu etwas Besonderem macht, ist allerdings nicht der Plot, der eine Mischung aus vertrauten und originellen neuen Elementen wie dem Prinzip der Dark Sister bietet und mit seiner feministisch-humanistischen Ausrichtung in vielerlei Hinsicht typisch für (vor allem in den 80er Jahren) von Frauen geschriebene Fantasy ist, sondern die Art, wie die Geschichte erzählt wird. Denn in den Romanen gibt es Zwischenüberschriften wie “The Story” (für die Kapitel, in denen die eigentliche Geschichte erzählt wird), “The Myth”, “The Legend”, “The Ballad” und “The History”, in denen Jane Yolen zeigt, wie eine Geschichte zum Mythos und zur Legende werden kann – und was die Historiker viele Jahre später aus dem überlieferten Stoff machen. Vor allem Letzteres bietet einen ironischen Blick auf die Tatsache, wie sehr Vorannahmen oder Denkstrukturen die Interpretation nur als Überlieferungen vorliegender Geschehnisse beeinflussen. Faszinierend ist dabei nicht zuletzt, wie stimmig die einzelnen Ebenen miteinander verwoben sind, und es ist mehr als schade, dass ausgerechnet Romane wie diese, die einmal mehr zeigen, was im Rahmen der ach so eskapistischen Fantasy möglich ist, es nie zu einer deutschsprachigen Veröffentlichung gebracht haben.
Sehr wohl auf Deutsch erschienen ist hingegen The Devil’s Arithmetic (1988; dt. Chaja heißt Leben (1989)), ein Jugendbuch, in dem die von den Geschichten ihrer Großeltern genervte Hannah am Vorabend des Passah-Fests die Tür öffnet, um symbolisch den Propheten Elijah zu begrüßen – und sich schlagartig im Jahre 1942 wiederfindet und dort als Chayah nicht nur in ein Konzentrationslager kommt, sondern auch bald vor der Tür zu den Duschen steht. Zwar kehrt Hannah/Chayah zu ihrer Familie zurück, doch das, was sie in der Vergangenheit erlebt hat, wird sie niemals vergessen. Auch Briar Rose (1992; dt. Dornrose: die Geschichte meiner Großmutter (2010)) dreht sich um die Schrecken des Holocaust, allerdings kommt die Geschichte – die vage an das Märchen Dornröschen angelehnt ist – ohne eine phantastische Komponente aus.
Die Rock ‘n’ Roll Fairy Tales, die Jane Yolen zusammen mit ihrem Sohn Adam Stemple schreibt, könnte man der Urban Fantasy zuordnen; das gilt zumindest für den ersten Band, Pay the Piper (2005), der als Rattenfänger: ein Rock-‘n’-Roll-Märchen (2007) auch auf Deutsch erschienen ist und die Geschichte vom Rattenfänger von Hameln nach Northampton, Massachusetts, und ins Rock-‘n’-Roll-Milieu verlegt. Der zweite Band, Troll Bridge (2006), harrt bis heute einer Übersetzung. Zu einer solchen hat es immerhin Sword of the Rightful King (2003; dt. Das Geheimnis des magischen Schwertes. Ein Artus-Roman (2004)) gebracht – und viel mehr als die bislang genannten Titel (plus einem halben Dutzend Bilderbücher) wird man von Jane Yolen nicht in deutscher Sprache finden.
White Jenna von Jane YolenWer auf Englisch liest und die Autorin einfach mal antesten will, sich aber vom feministisch-humanistischen Grundton der Great Alta Saga – ihres besten bzw. beeindruckendsten Werks – abgeschreckt fühlt, der kann auch zu einer Kurzgeschichtensammlung wie etwa Tales of Wonder (1983, mit “Cards of Grief”, der Story, aus der der gleichnamige Roman hervorging) oder Merlin’s Booke (1986, Gedichte und Geschichten, die sich um Merlins Leben drehen) greifen, um Jane Yolens Erzählstimme und damit eine Autorin kennenzulernen, die in ihrer Heimat gerne mit Dianne Wynne Jones oder Patricia McKillip verglichen wird und 2009 für ihr Lebenswerk mit dem World Fantasy Award ausgezeichnet wurde.

Hinterlasse einen Kommentar

Zum 50. Geburtstag von Ashok K. Banker

Bibliotheka Phantastika gratuliert Ashok K. Banker, der heute seinen 50. Geburtstag feiert. Auch wenn es nur eine Buchreihe (und die nicht einmal komplett) des am 7. Februar 1964 in Mumbai, Indien, geborenen Ashok Kumar Banker überhaupt nach Deutschland geschafft hat, ist schon das eine große Ausnahme in einem Genre, das so stark von westlichen Autoren und Autorinnen dominiert wird wie die Fantasy.
Banker allerdings scheint – ganz leicht lässt sich das von außen ja nicht abschätzen – auch auf seinem heimischen Buchmarkt in Indien ein Sonderfall zu sein: Am Anfang seiner Karriere standen Krimis mit einer weiblichen Ermittlerin, und aktuell schreibt er eine Thriller-Reihe mit einer rein weiblichen Figurenriege. Seine Fantasy-Projekte sind vor allem eines – ambitioniert. Denn er hat sich nicht weniger zum Ziel gesetzt, als die indischen Nationalepen Ramayana und Mahabharata im Stile einer Prince of Ayodhya von Ashok K Banker.epischen Fantasy-Saga (durchaus auch am westlichen Vorbild orientiert) nachzuerzählen. Dass sich der Stoff hervorragend dafür eignet, macht ein Blick auf Prince of Ayodhya (2002, dt. Der Prinz von Ayodhya (2004)), den ersten Band des Ramayana-Zyklus, deutlich: Maharadscha Dasaratha hat den Stämmen Indiens Wohlstand und Frieden gebracht und will nun, da er selbst todkrank ist, seinen jungen Sohn Rama zum Kronprinzen machen, muss sich allerdings gegen innerfamiliäre Intrigen behaupten. Als auch noch ein großer Seher vor dem Dämonenherrscher Ravana warnt, der sich die Welt untertan machen möchte, wird schnell klar, dass dem jungen Rama Großes bevorsteht – er wird zusammen mit seinem Ziehbruder und besten Freund auf eine Queste ausgesandt. Und der große Kampf gegen die Dämonenheere, der ihnen am Ende des Bandes bevorsteht, ist erst der Anfang der Abenteuer des Rama.
Dass sich Banker acht Bände lang Zeit nimmt, um dem durchaus umfangreichen Versepos gerecht zu werden, hilft gerade Lesern und Leserinnen, die mit dem historisch-mythischen Indien nicht vertraut sind, bei der Eingewöhnung, denn man muss sich in die Begrifflichkeiten in Sanskrit und die sowohl kulturell als auch bezogen auf Fantasy-Stereotypen (es gibt zum Beispiel Brahmanen statt Magier) ungewohnte Welt erst einmal einlesen. Spannend ist dabei vor allem die Gratwanderung, die Banker zwischen dem mythischen Grundton, der in den Ereignissen und ihrer Aufbereitung immer durchschimmert, und einer Modernisierung vollführt, die sich sehr auf die handelnden Personen konzentriert und diese samt ihrer nicht ganz alltäglichen Probleme sehr plastisch wirken lässt. Selbst Götter und Dämonen haben dabei etwas Menschliches an sich und kämpfen mit der Akzeptanz des dharma, und Sterbliche können zurücktreten und Trost in dem größeren Zyklus aus Werden und Vergehen finden, in dem sie agieren.
Die Ramayana-Reihe wurde in insgesamt acht Bänden abgeschlossen, auf Prince of Ayodhya folgten Siege of Mithila (2003, dt. Die Belagerung von Mithila (2004)), Demons of Chitrakut (2004, dt. Die Dämonen von Chitrakut (2005)), Armies of Hanuman (2005), Bridge of Rama (2005), King of Ayodhya (2006), Vengeance of Ravana (2011) und Sons of Sita (2012).
Während die Reihe in Indien offenbar eine Schwemme von mythologisch inspirierter Fantasy-Literatur ausgelöst hat – und auch etliche Folgeprojekte des Autors selbst nach sich zog, der sein ehrgeiziges Ziel, die Epen seiner Heimat behutsam zu modernisieren, weiter verfolgt –, wurde sie in Deutschland nach dem dritten Band eingestellt.

Hinterlasse einen Kommentar

Neu rezensiert: Das silberne Einhorn

Das silberne Einhorn von Max KruseEin König verscherzt es sich mit einer mächtigen Fee, als er es versäumt, sie zum Geburtstagsfest seiner kleinen Tochter einzuladen, und steht fortan unter einem Fluch, der nur gebrochen werden kann, wenn der Fee eines der seltenen – vielleicht gar ausgestorbenen – Einhörner übergeben wird. Geschieht dies nicht, bleibt der König zu ewiger Traurigkeit verdammt, was sich auch auf sein ganzes Reich äußerst nachteilig auswirkt. Herangewachsen begegnet die Prinzessin wider Erwarten tatsächlich einem silbernen Einhorn und macht sich mit ihm und ihrem Spielkameraden, einem Müllerjungen, zur fernen Insel der Fee auf, um den Bann zu brechen …

Zur ganzen Rezension bitte hier entlang.

Hinterlasse einen Kommentar

Gerfalke

Unser Buch des Monats Februar ist ein weiterer viel zu wenig beachteter Klassiker: Leslie Barringers Gerfalke (ISBN 3-596-22741-0; im Original: Gerfalcon), der erste Band seines in einem alternativen spätmittelalterlichen Frankreich angesiedelten Neustrischen Zyklus.
Gerfalke von Leslie BarringerAuf den ersten Blick scheint das schon 1927 erschienene Buch ein Entwicklungsroman wie so viele zu sein: Früh verwaist wächst der junge Adlige Raoul von Marckmont unter der Vormundschaft eines missgünstigen Onkels heran und hat angesichts seiner musischen Interessen einiges an Spott und Zurücksetzungen auszustehen. Als der unerlaubte Besuch eines Turniers schlimmere Folgen denn je für ihn nach sich zieht, flieht er aus der Obhut seiner Verwandten. Doch statt, wie zunächst geplant, Schutz bei Freunden zu finden, bekommt er es mit Hexen und Raubrittern zu tun und muss bald befürchten, seine herbeigesehnte Volljährigkeit gar nicht mehr zu erleben.
Dass man den Gerfalken trotz des recht klassischen Grundgerüsts der Handlung als frisch, abwechslungsreich und erstaunlich aktuell empfindet, ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass Barringer einiges vorwegnimmt, was die moderne Fantasy gern als eigene Innovation beansprucht, so etwa die Darstellung eines unromantisierten Mittelalters oder eine differenzierte Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen und sozialer Ungleichheit, zum anderen aber der Figur des Raoul, aus dessen Perspektive man das Geschehen überwiegend erlebt. Anders als bei manch einem Leidensgenossen in ähnlich gearteten Geschichten ist seine Charakterisierung als nachdenklicher Träumer nicht nur ein oberflächlicher Lack, sondern bestimmend für seinen reflektierten und beständig kommentierenden Umgang mit den Phänomenen seiner Umwelt, der trotz einiger entsetzlicher Erlebnisse ein Abgleiten in bloßen Zynismus verhindert.
Dieses Philosophieren bleibt dabei in seinen Grundlagen konsequent dem Mittelalter verhaftet (über das Barringer offensichtlich profunde Kenntnisse besaß), und so ist Raouls Weg durch das oft verstörende, ebenso häufig aber auch beglückende Neustrien zugleich eine Entdeckungsreise durch eine Epoche der europäischen Geistesgeschichte, von spezifischen Formen christlicher Religiosität über die Astrologie bis hin zur höfischen Dichtung, die dem Protagonisten mehr als einmal und mit wechselndem Erfolg zum Ausdrucksmittel wird.
Erzählt wird dies alles in einer poetischen Sprache, die auch in der deutschen Fassung zum Tragen kommt (wenn es auch einige für ältere Übersetzungen nicht untypische Merkwürdigkeiten gibt – so darf man z.B. getrost spekulieren, ob sich hinter dem mehrfach auftauchenden ominösen Wintergarten im Englischen wohl ein solar verbergen mag). Alles in allem glückt so ein Besuch in einer fernen Welt, die trotz ihrer ungeschönten Authentizität viel menschliche Wärme zulässt und einen in mehr als einer Hinsicht bezaubert.

Hinterlasse einen Kommentar

Zum 75. Geburtstag von Dennis Schmidt

Bibliotheka Phantastika erinnert an Dennis Schmidt, der heute 75 Jahre alt geworden wäre. Über den am 30. Januar im amerikanischen Bundesstaat Illinois geborenen Dennis Arthur Schmidt ist außer der Tatsache, dass er zwischen 1978 und 1990 zwei SF-Serien und einen Fantasyzyklus bei Ace Books veröffentlicht hat, kaum etwas bekannt. Während die beiden SF-Serien nur in den USA erschienen sind, hat es der von ihnen im Hinblick auf die Veröffentlichungsdaten eingerahmte Fantasyzyklus namens Twilight of the Gods immerhin auch nach England geschafft.
Als 1985 mit The First Name, dem Auftaktband von Twilight of the Gods, Schmidts erster Fantasyroman erschien, war für die Sword & Sorcery längst die im Zyklustitel beschworene Götterdämmerung angebrochen. Das ist vor allem deswegen bedauerlich, da das Subgenre zu diesem Zeitpunkt deutlich über die Conan-Epigonen der 70er Jahre hinausgewachsen war und neue, vielversprechende Autoren die Szene betreten hatten, die mit mehr als barbarischen Schwertschwingern (oder zumindest interessanten Variationen davon) aufwarteten, sich aber letztlich gegen die meist tolkieneske oder dynastische High Fantasy ebensowenig behaupten konnten wie viele andere, weitaus originellere Konzepte.
The First Name von Dennis SchmidtThe First Name scheint sich zunächst auf vertrautem Terrain zu bewegen, denn ein Blick auf die Karte zeigt aus der nordischen Mythologie bekannte Begriffe: von Asaheim (mit der Hauptstadt Asgard) über Vanaheim, Jotunheim, Alfarheim und Swartalfheim bis hin zu Muspellheim ist da Einiges vertreten, das man aus der Edda und ähnlichen Quellen kennt, und im beigefügten Glossar finden sich noch mehr bekannte Namen. Allerdings geht Schmidt sehr eigenwillig mit der nordischen Mythologie um und verschmilzt sie mit Elementen aus dem Kalevala, aus den Mythen Mesopotamiens und des Fernen Ostens und den Legenden der nordamerikanischen Indianer und inszeniert das Ganze wie eine – zugegebenermaßen reichlich blutrünstige – Wagner-Oper. Das Ergebnis dieser Vorgehensweise ist gleichermaßen faszinierend wie irritierend, wenn immer wieder einmal eigentlich vertraut wirkende Figuren plötzlich in einem völlig neuen Kontext auftauchen. Leider wird das originelle Konzept auf der erzählerischen Ebene nicht entsprechend unterstützt, da Schmidts unentschlossener, mal gedrängter, mal “tönender” Erzählduktus weder dem Setting noch den Figuren ausreichend Raum zur Entfaltung gewährt. Im Zusammenhang mit den reichlich vorhandenen Sex- und Gewaltszenen verleiht das der Trilogie (die angesichts des abrupten Endes von Band drei vermutlich eine Tetralogie hätte werden sollen) einen kräftigen Trash-Faktor.
Die Geschichte selbst ist schnell umrissen: in The First Name lässt der Aesir-Krieger Borr (Borr Skullcracker, genauer gesagt) nach dem Überfall auf eine Karawane einen schwer verwundeten zeitweiligen Verbündeten zum Sterben zurück. Der Sterbende – ein nicht sonderlich mächtiger Magier namens Surt – verflucht ihn und sein Geschlecht … und stirbt anschließend keineswegs, da er einen Pakt mit dem Totengott schließt. Bald darauf ist er Priesterkönig von Muspellheim und macht sich daran, dafür zu sorgen, dass sein Fluch sich tatsächlich erfüllt, was nicht nur Borrs (auf dem Schlachtfeld gezeugten) Sohn Voden in diesem und den Folgebänden Groa’s Other Eye (1986) und Three Trumps Sounding (1988) einige Probleme bereitet, sondern dem ganzen Volk der Aesir und der mit ihnen verbündeten Vanir – und irgendwann steht noch sehr viel mehr auf dem Spiel. Im Laufe der Geschichte zieht Voden (der zwei familiars namens Hugin und Munin besitzt) quer durch die ganze Welt, findet Freunde, trifft auf Feinde und tut das, was die typischen Helden der Sword & Sorcery eben so tun – allerdings ist besagte Welt wie schon erwähnt eine reichlich bizarre Alternativwelt, in der die Mythen-Weber zumindest kurzfristig deliriert und ihre Mythen durcheinandergebracht haben.
Wer Sword & Sorcery mag und mit einem gewissen Trash-Faktor leben kann (wobei man sagen könnte, dass Erstere ohne Letzteres ohnehin nur schwer möglich ist) und sich auch an ein bisschen mehr Blut und Sex als bei den zahmeren Conan-Epigonen üblich nicht allzu sehr stört, dem könnte Twilight of the Gods durchaus Spaß machen. Denn trotz ihrer Schwächen ist die Trilogie durch ihre unbekümmerte, verfremdende Verwendung altbekannter Figuren und Motive deutlich farbiger und origineller als Vieles von dem, was das Subgenre sonst zu bieten hat, und mit ein bisschen mehr editorischer Sorgfalt und einer eventuell auf vier Bände gestreckten Handlung hätte sie sogar richtig gut werden können.
Nach seinem Ausflug in die Fantasy hat Dennis Schmidt sich wieder der SF zugewandt und eine vom Ansatz her ebenfalls ungewöhnliche dreibändige Space Opera verfasst; danach ist er als Autor praktisch verstummt (abgesehen von einer 2001 in einer Anthologie erschienenen Kurzgeschichte) – und am 29. Mai 2003 ist er im Alter von 64 Jahren verstorben.

3 Kommentare

Zum 85. Geburtstag von Parke Godwin

Bibliotheka Phantastika erinnert an Parke Goodwin, der heute 85 Jahre alt geworden wäre. In der Phantastikszene zum ersten Mal so richtig auf sich aufmerksam machte der am 28. Januar 1929 in New York City geborene Parke Godwin mit dem gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen Marvin Kaye verfassten Roman The Masters of Solitude (1978; dt. Meister der Einsamkeit (1980)), dem Auftakt eines auch für Fantasyleser interessanten gleichnamigen Post-Doomsday-Dreiteilers, in dem in einem Amerika nach der großen Katastrophe eine bäuerliche, von einer verzerrten Form des christlichen Glaubens geprägte und in kleinen Dörfern lebende Bevölkerung mit den Bewohnern einer Stadt zusammenprallt, die sich um ein wissenschaftliches Weltbild und die Wiederbeschaffung verlorenen Wissens bemühen. Der vermutlich größte Makel der mit Wintermind (1982) fortgesetzten Sequenz dürfte sein, dass der Abschlussband Singer Among the Nightingales nie erschienen ist (auch wenn er inzwischen angeblich fertig sein soll), was es ein bisschen leichter verschmerzbar macht, dass der zweite Band nie übersetzt wurde.
1983 hat Parke Godwin noch ein weiteres Mal mit Marvin Kaye zusammengearbeitet und mit ihm den Spukhaus-Roman A Cold Blue Light verfasst. Einige Zeit zuvor hatte er sich allerdings bereits allein als Autor versucht und sich zunächst der (in einem historischen Setting angesiedelten) Fantasy zugewandt.
Firelord von Parke GodwinFirelord (1980; dt. Feuerkönig) eröffnet eine sehr locker zusammenhängende, im Original auch unter diesem Obertitel laufende Trilogie, deren erster Band Godwins Interpretation des Artus-Mythos darstellt, der hier als historischer Roman mit nur marginalen phantastischen Elementen daherkommt. Dessen ungeachtet wird der Ich-Erzähler Artus in dem eindringlich und kraftvoll erzählten Buch zu einer fast schon übermenschlichen, beeindruckenden Gestalt, die allerdings keineswegs frei von allzu menschlichen Schwächen und Fehlern ist. Im zweiten Band Beloved Exile (1984; dt. unter dem Obertitel Die Erbin von Camelot als Der tote König (1987) und Im fremden Land (1988)) rückt Artus’ Gemahlin Guenevere oder auch Ginevra aus nachvollziehbaren Gründen in den Mittelpunkt des Geschehens. Ihre ebenfalls von ihr selbst erzählte Geschichte – die in fast allen anderen Versionen des Mythos mit Artus’ Tod ebenfalls endet bzw. bisher so gut wie nie erzählt wurde – ist ganz anders als die des “Firelord”, aber keineswegs weniger interessant oder berührend. (Diese beiden Romane bzw. deren Übersetzungen sind 2001 auch noch einmal als Sammelband unter dem Titel Camelot erschienen.) The Last Rainbow (1985), der dritte Band der Firelord Series, entfernt sich dann gänzlich vom Artus-Mythos. In dem auf Deutsch unter dem Obertitel Der Priester und die Elfe als Dorelei und Der letzte Regenbogen (beide 1988) erschienenen Prequel geht es um den heißblütigen jungen Priester Patricius, der die Picten zum Christentum bekehren will und es dabei nicht nur mit dem Unwillen derer, die er bekehren will, zu tun bekommt, sondern auch mit Elfen und Magie. Auch wenn hier das phantastische Element deutlich stärker ausgeprägt ist als in den Vorgängerbänden, ist der Roman aufgrund seines Themas und dessen (vielleicht nicht immer ganz gelungener) Umsetzung ein weiteres Beispiel für die Vielfalt der Fantasy der 80er Jahre.
Nach einem kurzen Abstecher in die SF – der im Falle der zweibändigen Snake-Oil-Sequenz (1988/89) zu einer bitterbösen Satire auf die amerikanische Gesellschaft im Allgemeinen und die Rolle der Religion im Besonderen geführt hat – wandte Parke Godwin sich einer anderen Figur zu, die in der englischen Folklore eine wichtige Rolle spielt, wobei er sich an den älteren Versionen der bekannten Legende orientiert hat: Sherwood (1991) und Robin and the King (1993) erzählen die Geschichte Robin Hoods in einem England, das erst kurz zuvor von den Normannen erobert wurde und dessen mystische und mythische Vergangenheit in den realpolitischen Wirren immer mehr schwindet und allmählich in Vergessenheit gerät. Oder, anders ausgedrückt, sie erzählen vom Zusammenprall der alten angelsächsischen Kultur mit der der Eroberer vom Festland. Mit Lord of Sunset (1998) schuf er einige Jahre später noch eine Art Prequel, in dessen Mittelpunkt Harold Godwinson, der letzte angelsächsische König Englands steht.
The Tower of Beowulf von Parke GodwinWesentlich interessanter als letztgenannter Titel ist allerdings The Tower of Beowulf (1995), ein Roman, in dem Parke Godwin nicht nur dem ach so schrecklichen Monster namens Grendel ein Denkmal setzt (ähnlich wie und kaum schlechter als das John Gardner in seinem gleichnamigen Roman gelungen ist), sondern sich auch mit der Frage befasst, was einen Helden letztlich ausmacht – vor allem dann, wenn Held und Monster sich eigentlich viel ähnlicher sind als Ersterer es sich eingestehen mag. Wer immer noch glaubt, dass man keine intelligente oder tiefgründige Sword & Sorcery schreiben kann, könnte durch The Tower of Beowulf vielleicht eines Besseren belehrt werden.
Einige von Godwins phantastischen Geschichten sind in dem Sammelband The Fire When It Comes (1984) erschienen; mit der Titelstory – in der es um eine Schauspielerin geht, die eines Nachts aufwacht und sich wundert, was die neuen Mieter in ihrem Apartment machen – hat er 1982 den World Fantasy Award gewonnen. Davon einmal abgesehen dürfte der am 19. Juni 2013 verstorbene Parke Godwin zu den zu Unrecht unterschätzten Autoren des Genres gehören, der sowohl im Bereich der historischen Fantasy wie der SF überzeugende, viel zu wenig bekannte Romane vorgelegt hat.

Hinterlasse einen Kommentar

Zum 65. Geburtstag von Jonathan Carroll

Bibliotheka Phantastika gratuliert Jonathan Carroll, der heute seinen 65. Geburtstag feiert. Die Wahlheimat des am 26. Januar 1949 in New York, USA, geborenen Jonathan Samuel Carroll ist schon seit Jahrzehnten Wien, literarisch residiert er ganz am Rande des Genres und ist am ehesten der Phantastik zuzuordnen, oder, wenn man ihn nicht auf Südamerika beschränkt, dem magischen Realismus.
The Land of Laughs von Jonathan CarrollSchon Carrolls Debütroman The Land of Laughs (1980, dt. Das Land des Lachens (1986)) gibt die Richtung vor, die auch seine folgenden Romane einschlagen sollten: Lange Zeit ist an der Geschichte von Thomas und Saxony, die zusammen ihrem Lieblingsautor nachspüren, um eine Biographie zu schreiben, nichts Übernatürliches, bis dann in der Mitte des Romans ein Bullterrier die Stimme erhebt und damit die meisten Hauptfiguren nicht annähernd so sehr überrascht, wie man es erwarten würde. Den immer skurrileren Entwicklungen, die die Grenze zwischen Realität und Fiktion weiter verwischen, begegnen sie dann lediglich noch mit einem Schulterzucken. Die Schöpfungen aus den fiktiven Kinderbüchern des im Mittelpunkt der Geschichte stehenden Schriftstellers Marshall France bringen dagegen von Anfang an in Form von sprechenden Papierdrachen und traurigen Hunden eine Aura des Surrealen in das Geschehen ein. Auf bitterböse Weise zerlegt der Roman Familienbande, Beziehungen und das Konzept der Autorschaft und kann auch damit stellvertretend für Carrolls Werk stehen.
Den Bullterrier und die mysteriöse Femme fatale, beides für Carroll typische Elemente, findet man auch in Outside the Dog Museum (1991, dt. Vor dem Hundemuseum (1993)) wieder, das vom zunächst widerstrebend angenommenen Projekt des Star-Architekten Harry Radcliffe erzählt, für einen Sultan aus einem fiktiven Land ein gigantisches Hundemuseum zu bauen. Radcliffes Leben, das durch seine Scheidung ohnehin aus den Fugen geraten war, nimmt immer phantastischere Wendungen, je weiter er sich in das Projekt hineinsteigert. Politische Unruhen behindern und verändern das Museumsvorhaben, während spirituelle Entwicklungen das Geschehen in einen religiösen Kontext stellen und Outside the Dog Museum durch wichtige Nebenfiguren und durch eines von Carrolls Lieblingsthemen – die Frage danach, ob es etwas nach dem Tod gibt – mit anderen Romanen aus seinem Werk verbinden.
Seine Hauptfiguren sind häufig zu Beginn der Geschichte bereits als Geister unterwegs, schlagen sich dann aber trotzdem mit recht mondänen Problemen herum, oder sind von Lebenskrisen gebeutelte Künstler und Schöpfer, die den wahren Schaffensakt erst ergründen müssen. Dass diese Mischung aus exzentrischen Ideen und alltäglichen Nöten von der Standard-Fantasy ziemlich weit weg ist und Jonathan Caroll noch dazu ein wenig zwischen den Stühlen sitzt, zeigt sich auch darin, dass seine Bücher seit mittlerweile gut zehn Jahren nicht mehr ins Deutsche übersetzt werden.

Hinterlasse einen Kommentar

Zum 75. Geburtstag der Gebrüder Hildebrandt

Bibliotheka Phantastika nimmt den heutigen 75. Geburtstag der Gebrüder Hildebrandt zum Anlass, den malenden Zwillingen einen kurzen Text zu widmen. Wie man unschwer erkennen kann, haben wir auf unseren ansonsten in diesen Fällen üblichen Einleitungssatz verzichtet, denn gratulieren können wir nur einem der beiden – nämlich Greg Hildebrandt –, während wir an Tim Hildebrandt nur noch erinnern können, da Letzterer bereits am 11. Juni 2006 an im Rahmen seiner Diabeteserkrankung auftretenden Komplikationen gestorben ist. Beruflich hatten sich die Wege der am 23. Januar 1939 in Detroit, Michigan, geborenen Zwillinge schon um 1982 herum getrennt, nachdem sie zuvor mehr als 20 Jahre in allen möglichen Bereichen hauptsächlich als Illustratoren eng zusammengearbeitet hatten. Der große Durchbruch gelang ihnen 1975: nachdem sie bereits ein Titelbild für J.R.R. Tolkiens Smith of Wootton Major & Farmer Giles of Ham gemalt hatten, wurden sie mit dem Projekt beauftragt, das sie schlagartig bekannt machen sollte – den Illustrationen für die Lord-of-the-Rings-Kalender 1976, 1977 und 1978.
Besagte Illustrationen haben nicht nur das optische Erscheinungsbild von Mittelerde jahrelang geprägt, sondern waren zusammen mit weiteren Arbeiten – wie etwa den Bildern (Titelbild und Innenillustrationen) zu Terry Brooks’ Bestseller The Sword of Shannara, vor allem aber dem bekannten Star-WarsPoster – dafür verantwortlich, dass man wohl mit einer gewissen Berechtigung behaupten kann, dass die Hildebrandts Ende der 1970er Jahre die bekanntesten und bedeutendsten Fantasyzeichner (zumindest in den USA) waren.
Während der Arbeiten am dritten LotR-Kalender reifte in den Brüdern die Überzeugung, dass The Lord of the Rings ins Kino gehört – natürlich mit ihnen als Art Directors. Allerdings war damals noch Ralph Bakshi im Besitz der Filmrechte, und daher beschlossen sie, ihren eigenen Fantasyfilm zu konzipieren. Sie holten sich Jerry Nichols für den Text ins Boot und erarbeiteten die Hintergründe und den Plot ihrer ganz eigenen epic fantasy Urshurak von Greg und Tim Hildebrandt und Jerry Nicholsquest mit allem was dazugehört: Menschen aus verschiedenen Reichen, zweierlei Elfen und Zwergen und natürlich auch einem dunklen Herrscher mit seinen Schergen. Das unter dem Namen “Urshurak” laufende Konzept erwies sich aber – vor allem aus angesichts der erforderlichen special effects nachvollziehbaren Kostengründen – als unverfilmbar. Aber da Greg & Tim Hildebrandt gefiel, was Jerry Nichols geschrieben hatte, und sie bereits eine Unmenge an (farbigen und schwarzweißen) Bildern und Skizzen angefertigt hatten, wollten sie das Projekt unbedingt – dann eben auf eine andere Weise – umsetzen. Und so kam im September 1979 Urshurak als üppig illustriertes Tradepaperback auf den Markt.
Über den Roman selbst gibt es eigentlich nicht viel zu sagen – zumindest nicht viel Gutes. Dass er sich im Hinblick auf Plot und Setting stark bei Tolkien bedient, ist angesichts der Vorgeschichte nicht weiter verwunderlich, dass die Figuren flacher als flach sind und sich kein bisschen entwickeln (und wenn sie sich ändern, ist diese Veränderung nirgends logisch begründet) und das Setting auf den ersten Blick zwar überzeugend und teilweise sogar faszinierend aussieht, sich aber auf den zweiten als Potemkinsches Dorf entpuppt, verweist auf die ursprüngliche Entstehung als Filmscript. Gewiss, die Brüder haben hier und da ein bisschen was besser gemacht als Tolkien – aber mit diesem Vorsatz waren sie schließlich auch angetreten (“We felt that the trilogy lacked certain qualities for a modern movie audience. So we put a mingling of races and different cultures into our own story.”*). Aber was nützt es, wenn Urshurak mit einer im Hinblick auf Hautfarbe und Geschlecht größeren Vielfalt der menschlichen Haupt- und Nebenfiguren punktet, als The Lord of the Rings (und generell ein Großteil der frühen epischen Fantasy) sie aufweist, wenn die Hildebrandts (oder vielleicht Jerry Nichols, der nur dieses eine Buch geschrieben hat) diesen Pluspunkt mit der Figur des Gwarpy Oolu gleich wieder konterkarieren? Oolu ist ein kleines, dickliches, pelziges Wesen, das merkwürdig spricht und wohl als comic relief dienen sollte, und die Gwarpies an sich sind so eine Art vorweggenommene Ewoks – allerdings sind sie nicht annähernd so knuffig.
Was bleibt, sind die mehr als ein Dutzend Farbtafeln, mit denen das Buch ausgestattet ist, und die bieten dem Betrachter – vor allem, wenn er den auf kräftige Farben und Lichteffekte setzenden Stil der Gebrüder Hildebrandt mag – durchaus Schauwerte, und die unzähligen Schwarzweiß-Illustrationen sind teilweise wirklich großartig. Und natürlich gewinnen am Ende die Guten ohne große Verluste beklagen zu müssen. Was das Buch eigentlich zu einem wunderbaren Kinderbuch machen würde … wenn es denn nicht so langatmig und uninspiriert erzählt wäre.
Was bleibt, ist auf die beeindruckende Karriere von Greg & Tim Hildebrandt – gemeinsam und allein – als Grafiker hinzuweisen, die in ihren Tolkien-Kalendern und Bildbänden wie z.B. The Art of the Brothers Hildebrandt (1979), Star Wars: The Art of the Brothers Hildebrandt (1997) oder Greg and Tim Hildebrandt: The Tolkien Years (2001) dokumentiert ist. Von daher sollten die Gebrüder Hildebrandt, die mit ihren Bildern gewiss einen bleibenden Beitrag zur Fantasy geleistet haben, es eigentlich verschmerzen können, mit dem 1980 auch auf Deutsch erschienenen Urshurak allenfalls für eine Fußnote gesorgt zu haben.

* – Tim Hildebrandt in: Karen Haber (Ed.) – Meditations on Middle-Earth (2001)

Hinterlasse einen Kommentar