Das Land des Lachens

Das Land des Lachens von Jonathan CarrollDas Buch des Monats im August hätte auch gut zu den Fünf Büchern über Bücher gepasst, denn darin geht es vor allem um eines: Eine an Obsession grenzende Büchersucht. Das Objekt der Begierde in Das Land des Lachens von Jonathan Carroll ist der (fiktive) Kinderbuch-Autor Marshall France. Thomas Abbey, ein etwas zielloser Mann mit einem ernsthaften Vaterkonflikt, durchforstet mit Vorliebe Antiquariate nach Frances Werken, die mit ihren eindringlichen phantastischen Figuren und ihrer filigranen, beinahe gespenstischen Welt in ihm wohlige Kindheitserinnerungen heraufbeschwören. In einer solchen Situation lernt er Saxony kennen, eine weitere France-Jüngerin, in der er zunächst eine Nebenbuhlerin sieht – kann ja gar nicht sein, dass es einen anderen Fan gibt, der den angebeteten Autor mit der gleichen Leidenschaft liebt! Trotzdem beschließen die beiden, sich zusammenzutun und eine ultimative Marshall-France-Biographie zu schreiben. Zu diesem Zweck reisen sie nach Galen, dem Ort, an den sich der Autor zurückzog und schließlich viel zu früh verstarb. Wenn man nun vermutet, dass es im Land des Lachens nicht viel zu lachen gibt, liegt man richtig – der Trip nach Galen führt nicht in eine Idylle, sondern in einen Abgrund.
Dort beginnen deutlich phantastischere Elemente als lediglich ein erfundener Star-Autor in die Handlung einzubrechen: In dem beschaulichen Örtchen wimmelt es nicht nur von unheimlich intelligenten Bullterriern (Frances Lieblingshunden), auch die dem Biographen-Duo gegenüber höchst aufgeschlossenen Einwohner kommen Thomas und Saxony merkwürdig vertraut vor. Die einzige, die sich der Recherche anfangs entgegenstellt, ist ausgerechnet Frances geheimnisvolle Tochter Anna. Als die Biographie langsam Gestalt annimmt, werden auch die Zwischenfälle häufiger …
Mit Horrorelementen und einer symbolisch stark aufgeladenen und mit Frances Werk verwobenen Handlung spielt Das Land des Lachens mit Autorschaft und Autorenverehrung, Fiktion und Realität und steuert auf einen Clou zu, der wahrscheinlich niemanden mehr überrascht, aber selten auf so verstörende Weise umgesetzt wurde.
Kleiner Wermutstropfen: Als Bücherwurm würde man sich am liebsten sofort – vergeblich – im Antiquariat seines Vertrauens auf die Suche nach Marshall-France-Klassikern wie “Das Land des Lachens” oder “Der grüne Hund” begeben, die bestimmt zu den unvergesslichsten Büchern zählen, die niemals ein Mensch gelesen hat …

Die deutsche Übersetzung Das Land des Lachens von Rudolf Hermstein (1986, ISBN 3518384546) ist nur noch antiquarisch erhältlich, anders als die TB-Ausgabe des Originals Land of Laughs (1980, ISBN 0312873115).

2 Kommentare zu Das Land des Lachens

  1. Raskolnik sagt:

    Und meine ewig wachsende Wunschliste ist schon wieder um einen Titel länger geworden …

  2. 'Pingback: Zum 65. Geburtstag von Jonathan Carroll in der Bibliotheka Phantastika

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