Zum 65. Geburtstag von Jonathan Carroll

Bibliotheka Phantastika gratuliert Jonathan Carroll, der heute seinen 65. Geburtstag feiert. Die Wahlheimat des am 26. Januar 1949 in New York, USA, geborenen Jonathan Samuel Carroll ist schon seit Jahrzehnten Wien, literarisch residiert er ganz am Rande des Genres und ist am ehesten der Phantastik zuzuordnen, oder, wenn man ihn nicht auf Südamerika beschränkt, dem magischen Realismus.
The Land of Laughs von Jonathan CarrollSchon Carrolls Debütroman The Land of Laughs (1980, dt. Das Land des Lachens (1986)) gibt die Richtung vor, die auch seine folgenden Romane einschlagen sollten: Lange Zeit ist an der Geschichte von Thomas und Saxony, die zusammen ihrem Lieblingsautor nachspüren, um eine Biographie zu schreiben, nichts Übernatürliches, bis dann in der Mitte des Romans ein Bullterrier die Stimme erhebt und damit die meisten Hauptfiguren nicht annähernd so sehr überrascht, wie man es erwarten würde. Den immer skurrileren Entwicklungen, die die Grenze zwischen Realität und Fiktion weiter verwischen, begegnen sie dann lediglich noch mit einem Schulterzucken. Die Schöpfungen aus den fiktiven Kinderbüchern des im Mittelpunkt der Geschichte stehenden Schriftstellers Marshall France bringen dagegen von Anfang an in Form von sprechenden Papierdrachen und traurigen Hunden eine Aura des Surrealen in das Geschehen ein. Auf bitterböse Weise zerlegt der Roman Familienbande, Beziehungen und das Konzept der Autorschaft und kann auch damit stellvertretend für Carrolls Werk stehen.
Den Bullterrier und die mysteriöse Femme fatale, beides für Carroll typische Elemente, findet man auch in Outside the Dog Museum (1991, dt. Vor dem Hundemuseum (1993)) wieder, das vom zunächst widerstrebend angenommenen Projekt des Star-Architekten Harry Radcliffe erzählt, für einen Sultan aus einem fiktiven Land ein gigantisches Hundemuseum zu bauen. Radcliffes Leben, das durch seine Scheidung ohnehin aus den Fugen geraten war, nimmt immer phantastischere Wendungen, je weiter er sich in das Projekt hineinsteigert. Politische Unruhen behindern und verändern das Museumsvorhaben, während spirituelle Entwicklungen das Geschehen in einen religiösen Kontext stellen und Outside the Dog Museum durch wichtige Nebenfiguren und durch eines von Carrolls Lieblingsthemen – die Frage danach, ob es etwas nach dem Tod gibt – mit anderen Romanen aus seinem Werk verbinden.
Seine Hauptfiguren sind häufig zu Beginn der Geschichte bereits als Geister unterwegs, schlagen sich dann aber trotzdem mit recht mondänen Problemen herum, oder sind von Lebenskrisen gebeutelte Künstler und Schöpfer, die den wahren Schaffensakt erst ergründen müssen. Dass diese Mischung aus exzentrischen Ideen und alltäglichen Nöten von der Standard-Fantasy ziemlich weit weg ist und Jonathan Caroll noch dazu ein wenig zwischen den Stühlen sitzt, zeigt sich auch darin, dass seine Bücher seit mittlerweile gut zehn Jahren nicht mehr ins Deutsche übersetzt werden.

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