Zum 75. Geburtstag der Gebrüder Hildebrandt

Bibliotheka Phantastika nimmt den heutigen 75. Geburtstag der Gebrüder Hildebrandt zum Anlass, den malenden Zwillingen einen kurzen Text zu widmen. Wie man unschwer erkennen kann, haben wir auf unseren ansonsten in diesen Fällen üblichen Einleitungssatz verzichtet, denn gratulieren können wir nur einem der beiden – nämlich Greg Hildebrandt –, während wir an Tim Hildebrandt nur noch erinnern können, da Letzterer bereits am 11. Juni 2006 an im Rahmen seiner Diabeteserkrankung auftretenden Komplikationen gestorben ist. Beruflich hatten sich die Wege der am 23. Januar 1939 in Detroit, Michigan, geborenen Zwillinge schon um 1982 herum getrennt, nachdem sie zuvor mehr als 20 Jahre in allen möglichen Bereichen hauptsächlich als Illustratoren eng zusammengearbeitet hatten. Der große Durchbruch gelang ihnen 1975: nachdem sie bereits ein Titelbild für J.R.R. Tolkiens Smith of Wootton Major & Farmer Giles of Ham gemalt hatten, wurden sie mit dem Projekt beauftragt, das sie schlagartig bekannt machen sollte – den Illustrationen für die Lord-of-the-Rings-Kalender 1976, 1977 und 1978.
Besagte Illustrationen haben nicht nur das optische Erscheinungsbild von Mittelerde jahrelang geprägt, sondern waren zusammen mit weiteren Arbeiten – wie etwa den Bildern (Titelbild und Innenillustrationen) zu Terry Brooks’ Bestseller The Sword of Shannara, vor allem aber dem bekannten Star-WarsPoster – dafür verantwortlich, dass man wohl mit einer gewissen Berechtigung behaupten kann, dass die Hildebrandts Ende der 1970er Jahre die bekanntesten und bedeutendsten Fantasyzeichner (zumindest in den USA) waren.
Während der Arbeiten am dritten LotR-Kalender reifte in den Brüdern die Überzeugung, dass The Lord of the Rings ins Kino gehört – natürlich mit ihnen als Art Directors. Allerdings war damals noch Ralph Bakshi im Besitz der Filmrechte, und daher beschlossen sie, ihren eigenen Fantasyfilm zu konzipieren. Sie holten sich Jerry Nichols für den Text ins Boot und erarbeiteten die Hintergründe und den Plot ihrer ganz eigenen epic fantasy Urshurak von Greg und Tim Hildebrandt und Jerry Nicholsquest mit allem was dazugehört: Menschen aus verschiedenen Reichen, zweierlei Elfen und Zwergen und natürlich auch einem dunklen Herrscher mit seinen Schergen. Das unter dem Namen “Urshurak” laufende Konzept erwies sich aber – vor allem aus angesichts der erforderlichen special effects nachvollziehbaren Kostengründen – als unverfilmbar. Aber da Greg & Tim Hildebrandt gefiel, was Jerry Nichols geschrieben hatte, und sie bereits eine Unmenge an (farbigen und schwarzweißen) Bildern und Skizzen angefertigt hatten, wollten sie das Projekt unbedingt – dann eben auf eine andere Weise – umsetzen. Und so kam im September 1979 Urshurak als üppig illustriertes Tradepaperback auf den Markt.
Über den Roman selbst gibt es eigentlich nicht viel zu sagen – zumindest nicht viel Gutes. Dass er sich im Hinblick auf Plot und Setting stark bei Tolkien bedient, ist angesichts der Vorgeschichte nicht weiter verwunderlich, dass die Figuren flacher als flach sind und sich kein bisschen entwickeln (und wenn sie sich ändern, ist diese Veränderung nirgends logisch begründet) und das Setting auf den ersten Blick zwar überzeugend und teilweise sogar faszinierend aussieht, sich aber auf den zweiten als Potemkinsches Dorf entpuppt, verweist auf die ursprüngliche Entstehung als Filmscript. Gewiss, die Brüder haben hier und da ein bisschen was besser gemacht als Tolkien – aber mit diesem Vorsatz waren sie schließlich auch angetreten (“We felt that the trilogy lacked certain qualities for a modern movie audience. So we put a mingling of races and different cultures into our own story.”*). Aber was nützt es, wenn Urshurak mit einer im Hinblick auf Hautfarbe und Geschlecht größeren Vielfalt der menschlichen Haupt- und Nebenfiguren punktet, als The Lord of the Rings (und generell ein Großteil der frühen epischen Fantasy) sie aufweist, wenn die Hildebrandts (oder vielleicht Jerry Nichols, der nur dieses eine Buch geschrieben hat) diesen Pluspunkt mit der Figur des Gwarpy Oolu gleich wieder konterkarieren? Oolu ist ein kleines, dickliches, pelziges Wesen, das merkwürdig spricht und wohl als comic relief dienen sollte, und die Gwarpies an sich sind so eine Art vorweggenommene Ewoks – allerdings sind sie nicht annähernd so knuffig.
Was bleibt, sind die mehr als ein Dutzend Farbtafeln, mit denen das Buch ausgestattet ist, und die bieten dem Betrachter – vor allem, wenn er den auf kräftige Farben und Lichteffekte setzenden Stil der Gebrüder Hildebrandt mag – durchaus Schauwerte, und die unzähligen Schwarzweiß-Illustrationen sind teilweise wirklich großartig. Und natürlich gewinnen am Ende die Guten ohne große Verluste beklagen zu müssen. Was das Buch eigentlich zu einem wunderbaren Kinderbuch machen würde … wenn es denn nicht so langatmig und uninspiriert erzählt wäre.
Was bleibt, ist auf die beeindruckende Karriere von Greg & Tim Hildebrandt – gemeinsam und allein – als Grafiker hinzuweisen, die in ihren Tolkien-Kalendern und Bildbänden wie z.B. The Art of the Brothers Hildebrandt (1979), Star Wars: The Art of the Brothers Hildebrandt (1997) oder Greg and Tim Hildebrandt: The Tolkien Years (2001) dokumentiert ist. Von daher sollten die Gebrüder Hildebrandt, die mit ihren Bildern gewiss einen bleibenden Beitrag zur Fantasy geleistet haben, es eigentlich verschmerzen können, mit dem 1980 auch auf Deutsch erschienenen Urshurak allenfalls für eine Fußnote gesorgt zu haben.

* – Tim Hildebrandt in: Karen Haber (Ed.) – Meditations on Middle-Earth (2001)

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