Zum 80. Geburtstag von Barry Hughart

Bibliotheka Phantastika gratuliert Barry Hughart, der heute seinen 80. Geburtstag feiert. Mit nur drei veröffentlichten Romanen hat der am 13. März 1934 in Peoria, Illinois, geborene Barry Hughart sich unangefochten an die Spitze der Fantasy-Autorinnen und –Autoren gesetzt, deren Werk sich auf fernöstliche Mythen gründet.
Cover von The Story of the Stone von Barry HughartSein Interesse an jenen Traditionen wurde geweckt, als er während seines Militärdienstes in den 1950ern in Asien stationiert war. Es dauerte dann aber noch knapp dreißig Jahre, bis 1984 Bridge of Birds (dt. Die Brücke der Vögel (1986)) erschien, der erste Band der Meister Li-Romane bzw. Chronicles of Master Li and Number Ten Ox, der im darauffolgenden Jahr auch den World Fantasy Award gewann. Das detektivische Mastermind der Romane, Meister Li Kao, wird darin als versoffener, verschlafener und ziemlich tattriger Mann von zweifelhafter Moral eingeführt, er ist jedoch der einzige Gelehrte, den sich der Bauernjunge Nummer Zehn der Ochse mit dem Geld seines Dorfes leisten kann, um eine Seuche zu bekämpfen, von der alle Kinder befallen sind. Meister Li gehört zu der Sorte Ermittler, die jeden Spuk, vor dem andere ehrfürchtig staunend zurückweichen, mit Wonne als Humbug entlarvt, was um so erstaunlicher ist, weil er mit Ochse, der ab dem zweiten Band The Story of the Stone (1987, dt. zunächst Meister Li und der Stein des Himmels (1988), dann Der Stein des Himmels (2004)) nicht mehr Kunde, sondern Gehilfe ist, ständig in Angelegenheiten mythischer Ausmaße irgendwo zwischen Himmel und Hölle gerät. Doch am Rande großer Ereignisse wimmelt es von kleinen Gaunereien, und der schlitzohrige Meister Li ist selbst kriminellen Methoden nicht abgeneigt, auch wenn seine kleinen amoralischen Anwandlungen von einem insgesamt recht umfassenden Moralverständnis geleitet werden.
Die Meister-Li-Bände sind eine bunte Mischung aus Abenteuer, Schelmenroman und Detektivgeschichte und bestechen durch eine jeweils sehr fein strukturierte Handlung und einen trockenen und skurrilen Humor, der aus ganz alltäglichen Szenen entsteht, die urplötzlich einen Schwenk ins Absurde vollziehen – sei es nun während eines pompösen Hinrichtungsspektakels oder im bürokratischen Wahnsinn der chinesischen Hölle.
Während man im ersten Band die Suche nach der Großen Wurzel der Macht begleitet und das Geheimnis einer Kammerzofe löst, macht im zweiten der grausame, aber eigentlich längst verstorbene Lachende Prinz ein abgelegenes Tal unsicher. Der dritte Band, Eight Skilled Gentlemen (1990, dt. Die Insel der Mandarine (1992)), spielt dagegen in der Verbotenen Stadt, wo es mysteriöse Morde aufzuklären gilt.
Im Unterschied zu einem richtigen Krimi geht es aber bei Meister Li nur selten darum, bei der Aufklärung der Fälle mitzurätseln, denn obwohl sich der Erzähler Nummer Zehn der Ochse nach Kräften bemüht, auch für die “Barbaren unter den Lesern” alles zu erklären, müssen die göttlichen Kräfte, die in den alles andere als normalen Fällen walten, für die Meister Li sich ausschließlich interessiert, letztlich geheimnisvoll bleiben. Man hat aber ohnehin genug damit zu tun, mit Meister Lis (meist von Ochses Schultern aus anberaumtem) rasantem Tempo mitzuhalten.
Dass es von den Abenteuern dieses Zweiergespanns eventuell noch mehr zu berichten gegeben hätte, deutet sich schon dadurch an, dass in den drei Romanen immer wieder Andeutungen auf weitere, zwischen den beschriebenen Fällen liegende Ereignisse gemacht werden. Doch Barry Hughart war offenbar nicht mit der Art zufrieden, wie der Buchmarkt mit ihm umging, und kam darüber hinaus später noch zu dem Schluss, dass er sich bei weiteren Abenteuern lediglich wiederholt hätte. Schade ist daran, dass er nicht nur Meister Li und Ochse hinter sich gelassen hat, sondern sich auch keinen neuen Geschichten mehr zuwandte – zumindest keinen, die das Licht der Öffentlichkeit erblickt haben.

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Zum Gedenken an John Wyndham

The Chrysalids von John WyndhamBibliotheka Phantastika erinnert an John Wyndham Parkes Lucas Beynon Harris, besser bekannt als John Wyndham, dessen Todestag sich heute zum 45. Mal jährt. Der am 10. Juli 1903 bei Birmingham geborene britische Autor ist besonders durch seinen Roman The Day of the Triffids (1951, dt. Die Triffids (1955)) bekannt geworden und ist aus der Science Fiction nicht mehr wegzudenken. Mehrere Romane dieses Autors wurden verfilmt und er zählt sicher zu Recht zu den Klassikern des Genres. Als sein bedeutendstes Werk gilt jedoch nicht The Day of the Triffids, sondern der postapokalyptische Roman The Chrysalids (1955, dt. Wem gehört die Erde; auch: Wiedergeburt (1961)).

Da John Wyndham mindestens zwei Blicke wert ist, haben wir ihm heute ein Portrait auf der Hauptseite spendiert und laden euch ein sein Leben, aber insbesondere seine Werke ein wenig näher kennenzulernen.

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Neu rezensiert: Das Land ManGlaubtEsKaum

Das Land ManGlaubtEsKaum von Norman MessengerDer Erzähler legt mit seinem Boot an einer merkwürdigen Insel an und macht sich auf Erkundungstour – seine aufgezeichneten Entdeckungen lassen sich in diesem Bilderbuch nachlesen.

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The Dispossessed

Cover von The Dispossessed von Ursula K. Le GuinFür den März haben wir Ursula K. Le Guins „ambivalente Utopie“ The Dispossessed (dt. Planet der Habenichtse/Die Enteigneten) ausgewählt. Verfasst Mitte der 1970er Jahre, in einer vom Kalten Krieg (und seinen Stellvertreterkriegen) geprägten Zeit, stehen sich auch im Roman die Vertreter zweier unterschiedlicher Gesellschaftssysteme argwöhnisch gegenüber. Auf der einen Seite die politische Führung der parlamentarischen Republik A-Io auf dem fruchtbaren Planeten Urras, die gerade in einen mal mehr, mal weniger heißen Konflikt mit dem totalitären Thu verwickelt ist, auf der anderen Seite die egalitäre, regierungslose Gesellschaft des kargen Mondes Anarres, gegründet von politischen enfants terribles, die den Lehren der anarchistischen Philosophin Odo anhingen und deswegen von Urras verbannt wurden. Aus (wissenschaftlicher) Neugierde und um die Gegensätze zu überwinden, kehrt der renommierte Physiker Shevek nach über 100 Jahren als erster Anarresti nach Urras zurück.

Ursula K. Le Guin liefert in zwei zeitlich weit auseinander liegenden, aber doch stets zueinander in Beziehung stehenden Handlungssträngen – Shevek auf Urras und Shevek auf Anarres –, die von Kapitel zu Kapitel wechselnd beleuchtet werden, eine durch die Erzählweise mitreißende Studie zweier Gesellschaftssysteme, die der Leserschaft jedoch kein Urteil aufzwingt. Vielmehr sieht man sich mit den Ambivalenzen der Gesellschaften auf Urras und Anarres konfrontiert. Somit impliziert der Roman einerseits einen – angesichts seines historischen Kontexts erstaunlich abwägenden – Vergleich zwischen USA und UdSSR, liefert andererseits aber auch eine Alternative (eben die Utopie), von der aus beide Positionen kritisch zu betrachten sind. Die beiden Zeit- und Gesellschaftssphären sind dabei nicht nur über Shevek, sondern auch durch übergreifende Motive miteinander verdrillt, was nicht nur zusätzliche Aspekte eröffnet, sondern auch schlicht großen Spaß macht, wenn sich die Geschichte auch über die Querbezüge entfaltet.

Während modernere Romane (Iron Council, Aether) mit einem resignierten Abwinken der Hoffnung auf (revolutionäre) Weltverbesserung den Rücken zukehren, zeigt Le Guin, dass diese Hoffnung schon immer irreführend war (und die Resignation daher verfrüht ist). Das Austauschen der Elite kann niemals ausreichen, vielmehr bedarf es des Engagements aller und des steten Aushandelns, was erreicht werden soll – mit all den Schwierigkeiten, die dies birgt. Denn Le Guin verabsäumt es auch nicht, zu zeigen, wie schnell aus dem Verteidigen von Idealen Orthodoxie werden kann und wie rasch sich informelle Hierarchien in einer egalitären Gesellschaft ausbilden können.
Man liegt nicht ganz falsch, wenn man vermutet, The Dispossessed hätte etwas von einem akademischen Vergnügen. Der Entwurf ist ein Vehikel für eine genaue gesellschaftliche Beobachtung, aber eine lebendige und gerade im Bezug auf den Umgang jüngerer Autoren und Autorinnen mit Revolution und Utopie sehr aktuelle.

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Zum 105. Geburtstag von Edgar Pangborn

Bibliotheka Phantastika erinnert an Edgar Pangborn, dessen Geburtstag sich heute zum 105. mal jährt. Wer sich für Fantasy interessiert und diesen Namen noch nie gehört hat, braucht sich nicht zu wundern, denn ganz egal, wie man es betrachtet – Fantasy im engeren Sinn hat der am 25. Februar 1909 in New York City geborene Edgar Pangborn nie geschrieben. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sein zweiter unter seinem richtigen Namen erschienener Roman A Mirror for Observers 1955 mit dem International Fantasy Award ausgezeichnet wurde (denn den gab’s für das beste SF- oder Fantasybuch). Warum wir Edgar Pangborn an dieser Stelle dennoch erwähnen, hat mit seinen Tales of a Darkening World zu tun, einer Reihe locker miteinander verbundener Romane und Geschichten über eine Welt, die ein als “Twenty Minutes War” bezeichneter Atomkrieg drastisch verändert hat.
Bevor Pangborn mit der Story “Angel’s Egg” 1951 in der Juniausgabe von Galaxy das erste Mal als SF-Autor von sich reden machte – und gleich einen nachhaltigen Eindruck hinterließ – hatte er bereits mehr als zwanzig Jahre lang unter Pseudonym Krimigeschichten für die Pulps geschrieben (und davor hatte er zwei Mal ein Musikstudium – das erste Mal mit fünfzehn – angefangen und nach relativ kurzer Zeit wieder abgebrochen). In der SF machte er sich rasch einen Namen, und nachdem bereits sein erster Roman West of the Sun (1953; dt. Westlich der Sonne (1989)) wohlwollend aufgenommen worden war, erhielt er für A Mirror for Observers (1954; dt. Der Beobachter (1978), auch: Der Spiegel des Beobachters (1986)) den o.e. Preis. Danach verfasste er einen historischen Roman und einen Krimi (seinen zweiten – der erste war bereits 1930 unter dem Pseudonym Bruce Harrison erschienen), ehe er sich in den 60er Jahren wieder verstärkt der SF zuwandte und jene Romane und Erzählungen veröffentlichte, die die Tales of a Darkening World bilden.
Davy von Edgar PangbornDen Auftakt machte Davy (1964; dt. Davy (1978)), ein Roman, den man ein bisschen flapsig als “Huckleberry Finns Abenteuer in Post-Doomsday-Land” bezeichnen könnte. Davy wird rund 300 Jahre nach einem verheerenden Atomkrieg, der den größten Teil der menschlichen Bevölkerung ausgelöscht hat, als Sohn einer Prostituierten in eine in unzählige feudalistische Kleinstaaten zerfallene Welt geboren, die sich technisch und zivilisatorisch auf einem pseudo-mittelalterlichen Niveau befindet. Es gibt zwar noch Überbleibsel aus der Alten Zeit, aber die Menschen können mit ihnen nichts anfangen – und sie sollten sich besser auch gar nicht allzu sehr mit ihnen beschäftigen, wenn sie nicht als Ketzer auf den Scheiterhaufen der mächtigen Kirche enden wollen. In diesem Umfeld erlebt Davy, der in einem Waisenhaus der Kirche aufwächst und als Schuldknecht an einen Gastwirt verkauft wird, seine Abenteuer, die an dem Tag beginnen, als er aus dem Gasthaus flieht, und von denen er uns in der Rückschau als erwachsener, mittlerweile verheirateter Mann erzählt. Das allerdings sehr eigenwillig, denn Davy neigt zu Abschweifungen und Zeitsprüngen – und zu Andeutungen, die nie mit Inhalten gefüllt werden. Dessen ungeachtet entsteht aus diesem Flickwerk aus mal mehr, mal weniger ausgemalten Geschehnissen, Orten und Begegnungen mit Männern und Frauen das Bild einer in vielerlei Hinsicht faszinierenden Welt, die allen widrigen Umständen zum Trotz nicht mit den typischen düsteren Post-Doomsday-Szenarien zu vergleichen ist und auf der tatsächlich so etwas wie Heiterkeit und Lebensfreude Platz haben – zumindest durch die Augen Davys betrachtet, der die Geschichte gelegentlich mit einem ironischen Seitenhieb auf sein abergläubisches und noch nicht zu selbstständigem Denken fähiges jüngeres Ich garniert.
Verglichen mit diesem pikaresken Entwicklungsroman fällt The Judgment of Eve (1966; dt. Die Prüfung (1979)) spürbar ab, was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass der Roman kurz nach der großen Katastrophe und somit zu einem Zeitpunkt spielt, da die alten Strukturen verschwunden sind, sich aber noch keine neuen gebildet haben. Eve ist die Tochter der blinden Alma Newman, die mit ihrer Mutter auf einer heruntergekommenen Farm lebt und sich eines Tages drei Männern gegenübersieht, die sich in sie verliebt haben und sie zur Frau nehmen wollen. Eve schickt die drei mit der Aufgabe in die Welt hinaus, ihr Antworten auf ihre Fragen zu bringen, die sich um Mut, Ehrlichkeit, Reife und Liebe drehen. Die Suche der drei Männer nach den richtigen Antworten ist fraglos interessant, aber dem Buch – das mehr Allegorie als Roman ist – geht die Leichtigkeit vollkommen ab, die selbst in den düsteren Szenen von Davy durchschimmert. Was andererseits nicht weiter verwunderlich ist, denn in einer Welt, in der nur das Recht des Stärkeren zählt, führen die o.g. Fragen ebenso wie die Geschehnisse der Vergangenheit fast zwangsläufig zu Fragen, in denen es um Verantwortung und Schuld geht, und darauf gibt es keine leichten oder leichthin gesagten Antworten.
In The Company of Glory (1975; dt. Ein glorreicher Haufen (1985)) liegt die Katastrophe 47 Jahre zurück, und allmählich etabliert sich eine an mittelalterliche Strukturen erinnernde Gesellschaft. In den Dörfern und Städten dieser Welt ist Demetrios der Geschichtenerzähler ein gern gesehener Gast, denn er, der knapp über 60 ist, kann auf packende Weise von der Alten Zeit erzählen – und davon, was es damals alles gegeben hat: wunderbare Dinge wie Telefone, Autos, Fernseher und Düsenflugzeuge, unter denen sich keiner der Nachgeborenen noch etwas vorstellen kann. Doch nicht alle Menschen wollen die Erinnerung an die Alte Zeit wachhalten, und Demetrios spürt, dass er keine Kraft mehr für große Auseinandersetzungen hat … Der Roman schildert die Anfänge der Entwicklung, die zu der Welt führt, wie man sie aus Davy kennt, und zeichnet über weite Strecken ein überzeugendes Bild davon, wie die Menschen möglicherweise wieder Tritt fassen und sich neu organisieren können. Doch zum Ende hin scheinen Pangborn ebenso wie den etwa gleichaltrigen Demetrios ein bisschen die Kräfte verlassen zu haben.
Abgerundet werden die Tales of a Darkening World durch ein knappes Dutzend Geschichten, von denen sieben in Still I Persist in Wondering (1978; dt. Tiger Boy (1986)) gesammelt sind; sie verteilen sich über einen Zeitraum, der vom Jahr Eins nach der großen Katastrophe bis ins 8. Jahrhundert reicht, in dem die Menschheit annähernd wieder auf dem Niveau unseres 20. Jahrhunderts angekommen ist – allerdings mit einigen signifikanten Unterschieden, denn Pangborn hat hier seinen Vorstellungen von einer idealen menschlichen Gesellschaft ziemlich freien Lauf gelassen.
A Mirror for Observers von Edgar PangbornEdgar Pangborns Werk ist nicht sonderlich groß, und seine Tales of a Darkening World haben Höhen und Tiefen, doch vor allem Davy und etliche der Kurzgeschichten sind mehr als lesenswert (ebenso wie der Roman A Mirror for Observers), weil sich Pangborn in ihnen immer wieder als einer der großen Humanisten des Genres erweist, von dem u.a. Ursula K. Le Guin und Peter S. Beagle (der auch sein Nachlassverwalter ist) beeinflusst wurden. Und eigentlich trifft der bekannte SF-Herausgeber und -Kritiker Damon Knight recht gut, um was es bei Pangborn letztlich immer wieder geht: “… very like the thing that Stapledon was always talking about and never quite managing to convey: the regretful, ironic, sorrowful, deeply joyous – and purblind – love of the world and all in it.”

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Zum 70. Geburtstag von Bernard Cornwell

Bibliotheka Phantastika gratuliert Bernard Cornwell, der heute 70 Jahre alt wird. Der am 23. Februar 1944 in London geborene Bernard Cornwell wuchs bei Adoptiveltern auf und trug anfangs deren Nachnamen, nahm aber später den Geburtsnamen seiner Mutter an. Nachdem er eine US-Amerikanerin geheiratet hatte, wanderte er mit ihr 1979 in die USA aus. Da ihm dort die Green Card verweigert wurde, begann er Romane zu schreiben, weil er dafür keine Arbeitserlaubnis brauchte. Auch wenn Cornwell nur notgedrungen Schriftsteller wurde, sollte er sich in diesem Metier als überaus erfolgreich erweisen; mittlerweile kann er auf mehr als 50 Veröffentlichungen zurückblicken, bei denen es sich größtenteils um historische Romane handelt, darunter die teilweise verfilmten, 24 Bände umfassenden Abenteuer des britischen Soldaten Richard Sharpe zur Zeit der Napoleonischen Kriege, die im amerikanischen Bürgerkrieg spielenden vierbändigen Starbuck Chronicles oder die derzeit siebenbändigen Saxon Stories, deren Schauplatz England – genauer, das angelsächsische Königreich Wessex – zur Zeit Afreds des Großen ist.
Mindestens ebensosehr historische wie Fantasyromane sind auch die drei Bände der Warlord ChroniclesThe Winter King (1995), Enemy of God (1996) und Excalibur (1997) –, in denen Cornwell sich dem Artus-Mythos zuwendet. In ihnen entwirft er ein über The Winter King von Bernard Cornwell weite Strecken düsteres Bild einer grausamen Zeit, in der Britannien nach dem Abzug der Römer nicht nur von äußeren Feinden – einerseits in Gestalt angelsächsischer Eroberer, andererseits durch die Raubzüge der Iren entlang der Westküste – bedroht wird, sondern auch unter den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen viel zu vielen Provinzpotentaten leidet. Hinzu kommt der Konflikt zwischen Christen und den Anhängern der alten druidischen Religion. Erzählt wird die Geschichte im Rückblick von Derfel Cadarn, einem loyalen Anhänger und Vertrauten Arthurs bzw. Artus’, der den Aufstieg und Fall des mythischen Kriegerkönigs hautnah miterlebt hat. Neben der teilweise überraschenden Neuzeichnung bzw. Umwertung einiger bekannter Figuren ist Cornwells Version des Artus-Mythos in zweierlei Hinsicht interessant: zu einen nimmt er in seiner Darstellung eines dreckigen, blutigen und in vielerlei Hinsicht als hoffnungslose Zeit gezeichneten Frühmittelalters viel von dem vorweg, was sich mittlerweile in der als Grim & Gritty bezeichneten Fantasy zuhauf finden lässt bzw. zu einem dieses Subgenre mehr oder weniger konstituierenden Element geworden ist. Zum anderen sind die Warlord Chronicles ein Beweis dafür, dass der Erfolg oder Misserfolg mancher Bücher auch etwas mit dem Zeitpunkt ihres Erscheinens bzw. mit ihrer Vermaktung zu tun haben kann, denn ihre erste deutsche Ausgabe – Der Winterkönig (1996), Der Schattenfürst (1997) und Arthurs letzter Schwur (1998) – war nicht sonderlich erfolgreich. Ganz im Gegensatz zur Neuausgabe, die im Gefolge des Erfolgs der deutschsprachigen Ausgabe von Cornwells Saxon Stories auf den Markt gekommen ist. Möglicherweise haben die Bücher erst in dieser Neuausgabe mehrheitlich die Leserschaft gefunden, für die sie gedacht waren, denn ihr Fantasygehalt ist nur schwach ausgeprägt bzw. liegt eigentlich im Auge des Betrachters.
Noch marginaler sind die Fantasyelemente in Stonehenge, 2000 B.C. (2000; dt. Stonehenge (2000)) und in der aus den Romanen Harlequin (2000; auch: The Archer’s Tale (2002); dt. Der Bogenschütze (2004)), Vagabond (2002; dt. Der Wanderer (2006)) und Heretic (2003; dt. Der Erzfeind (2007)) bestehenden Grail Quest Trilogy, die inzwischen mit 1356 (2012; dt. 1356 (2014)) fortgesetzt wurde.

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Zum 45. Geburtstag von Christopher Buehlman

Bibliotheka Phantastika gratuliert Christopher Buehlman, der heute 45 Jahre alt wird. Der am 22. Februar 1969 in Tampa, Florida, geborene Dichter, Autor, Schauspieler und Stand-up-Comedian Christopher Buehlman hat sich zunächst mit Gedichten, Theaterstücken und nicht zuletzt mit seinen Auftritten als Christophe the Insulter einen Namen gemacht. In den letzten Jahren hat er darüber hinaus drei Romane veröffentlicht, die sich – was das Setting und ihren Inhalt betrifft – deutlich voneinander unterscheiden.
Sein Erstling Those Across the River (2011; dt. Jenseits des Flusses (2013) – nur als eBook erschienen) bietet klassischen Horror alter Schule, wie man ihn ansonsten nur noch selten zu Gesicht bekommt: Während der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren erbt der ehemalige Geschichtsprofessor Frank Nichols, der nach seiner Rückkehr aus dem Ersten Weltkrieg nie mehr so recht ins akademische Leben zurückgefunden hat, ein Haus in Whitbrow, Georgia. Trotz der – allerdings sehr kryptischen – Warnungen seiner verstorbenen Tante zieht er mit seiner Geliebten Eudora dort ein, nur um alsbald zu erkennen, dass etwas in den Wäldern jenseits des Flusses haust – genau dort, wo sich vor dem Bürgerkrieg die Plantage seines Urgroßvaters befunden hat, auf der einst schreckliche Dinge geschehen sein sollen. Und als die Bewohner von Whitbrow aufgrund ihrer alles andere als rosigen Lebensumstände ein altes Ritual nicht mehr durchführen, dessen Sinn sie längst vergessen haben, zeigt sich, dass die Bedrohung keineswegs jenseits des Flusses bleibt.
Between Two Fires von Christopher BuehlmanWaren in Those Across the River die USA bzw. die amerikanischen Südstaaten in einer für die Bevölkerung schwierigen Zeit der Schauplatz der Handlung, ist es in Between Two Fires (2012) das vom Hundertjährigen Krieg und der Pest verwüstete Frankreich um die Mitte des 14. Jahrhunderts. Hier kreuzen sich die Lebenswege dreier sehr unterschiedlicher Personen, die sich auf eine Queste der besonderen Art begeben. Da wäre zunächst einmal Thomas de Givras, einst ein ehrbarer Ritter, der aufgrund gewisser Umstände tiefer gefallen ist, als er es sich jemals hätte vorstellen können. Immerhin ist er noch nicht ganz auf dem Niveau seiner plündernden, vergewaltigenden und mordenden Kumpane angekommen, und so hat er statt ihrer plötzlich eine neue Begleiterin: die junge Delphine, die die Stimmen von Engeln hört. Schon bald sind die beiden – denen sich noch der am liebsten volltrunkene Priester Père Matthieu anschließt – unterwegs zu jenem Ziel, das die Engelsstimmen Delphine genannt haben: nach Avignon, jenem Ort, an dem der Papst lebt. Doch der Weg dorthin ist weit und gefährlich, und die Gefahren, die auf de Givras, seinen Schützling und den Priester lauern, sind längst nicht alle nur von dieser Welt, denn Luzifer ist zu dem Schluss gekommen, dass Gott sich von den Menschen abgewandt haben muss, und er schickt seine Dämonen aus, um zu überprüfen, ob er recht hat. Between Two Fires ist ein düsterer Roman voller grausamer Bilder, den man durchaus als Grim & Gritty bezeichnen kann – doch im Gegensatz zu vielen anderen Romanen dieses Subgenres sind Buehlmans Protagonisten bemüht, allen widrigen Umständen zum Trotz auf der Leiter der Menschlichkeit zumindest ein paar Sprossen höher zu steigen.
In Buehlmans jüngstem Roman The Necromancer’s House (2013) schließlich werden der Hexer Andrew Blankenship und dessen Freundin Anneke – die nicht nur gemeinsam zaubern, sondern auch zusammen zu den Treffen der Anonymen Alkoholiker gehen – in einen Konflikt mit der aus der slawischen Mythologie bekannten Baba Yaga hineingezogen, der sich rasch bedrohlich ausweitet.
Christopher Buehlman hat mit seinen ersten drei Romanen bewiesen, dass er ein Autor ist, der aus den unterschiedlichsten Settings und Situationen lesenswerte Romane machen kann, von daher – und weil er dem Drang zum Mehrteiler bislang erfolgreich widerstanden hat – könnte es sich lohnen, ihn im Auge zu behalten.

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Neu rezensiert: Königsblut

Königsblut von Daniel HanoverWährend Cithrin tollkühne Tänze auf dem Finanzmarkt vollführt, Marcus Wester im Zuge seiner Leibwächtertätigkeit wieder zum Schwert greift und im Hause Kalliam eine Vermählung ansteht, stehen in Antea alle Zeichen auf Krieg. Und an dessen Spitze steht kein Anderer als Geder Palliako, dessen priesterlicher Berater noch ganz andere Ziele verfolgt …

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Zum 80. Geburtstag von Frederik Hetmann

Bibliotheka Phantastika erinnert an Frederik Hetmann, der heute 80 Jahre alt geworden wäre. Das vielleicht Faszinierendste am umfangreichen Oeuvre des am 17. Februar 1934 in Breslau geborenen Hans-Christian Kirsch, der in der Anfangsphase seiner schriftstellerischen Karriere noch seinen richtigen Namen benutzt, den weitaus größten Teil seiner Werke dann aber als Frederik Hetmann veröffentlicht hat, ist – neben der beeindruckenden Zahl der von ihm verfassten, herausgegebenen oder übersetzten Bücher – die thematische Bandbreite seines Schaffens, das sich gleichermaßen an Jugendliche wie an Erwachsene richtet. Hetmann hat u.a. mehrfach über Geschichte und Kultur der indianischen Urbevölkerung Amerikas (und der als Sklaven ins Land gekommenen Schwarzen) geschrieben, hat unzählige Märchen und Sagen gesammelt und in etlichen geographisch und/oder thematisch angeordneten Sammelbänden herausgegeben, Biographien politisch und/oder gesellschaftlich relevanter Persönlichkeiten verfasst und zeitkritisch-realistische ebenso wie phantastische Romane geschrieben; hinzu kommen Beiträge zur Märchenkunde und zur Theorie der phantastischen Literatur. Da es schlicht unmöglich ist, den vielfältigen Aspekten von Hetmanns Gesamtwerk in diesem Rahmen auch nur ansatzweise gerecht zu werden, wird es an dieser Stelle fast ausschließlich um einige seiner Fantasyromane gehen. Mit einem kleinen Seitenblick auf ein paar Bücher, die seine Fantasy ganz gewiss beeinflusst, wenn nicht sogar geprägt haben.
Die Reise in die Anderswelt von Frederik HetmannFrederik Hetmann hat Märchen aus aller Welt gesammelt und erzählt; einen Schwerpunkt dieser Tätigkeit bilden die Märchen der indianischen Urbevölkerung Nord- und Südamerikas, den anderen die Märchen und Sagen des irisch-keltischen Kulturraums, von denen er etliche in den drei Anthologien Irischer Zaubergarten: Märchen, Sagen und Geschichten von der Grünen Insel (1979), Die Reise in die Anderswelt: Feengeschichten und Feenglaube in Irland (1981) und Hinter der Schwarzdornhecke: Irlands Märchen und ihre Erzähler (1986) den deutschsprachigen Lesern und Leserinnen nahegebracht hat. (Außerdem dürften diese drei Anthologien nicht zuletzt den Boden für die in den 80er Jahren im Diederichs Verlag erschienene Fantasyreihe bereitet haben, in der Autoren wie T.H. White, Alan Garner, James Stephens oder Mervyn Wall – z.T. von Hetmann übersetzt – veröffentlicht wurden.)
Die Liebe zur irisch-keltischen phantastischen Erzähltradition und ihren Motiven lässt sich auch in Hetmanns phantastischen bzw. Fantasyromanen finden. Dies gilt weniger für seinen (Fantasy-) Erstling Wagadu (1983) – in dem sich die sinnsuchende jugendliche Hauptfigur auf eine Art Traumreise in eine archaische afrikanische Welt begibt – sondern vor allem für die (sich wie Wagadu an jugendliche Leser richtende) Dermot-Saga und seinen vielleicht wichtigsten phantastischen Roman Madru oder Der Große Wald. Ein Märchen (1984). Die Geschichte des Fischersohns Dermot, der davon träumt, eines Tages ein Barde zu werden und die Tochter des Königs aus ihrer Gefangenschaft zu befreien, und auf dem Weg zu seinem Ziel die unglaublichsten Abenteuer in dieser und der Anderswelt erlebt, wurde zuerst in zwei Bänden als Dermot mit dem roten Haar (1985) und Es wird erzählt in Erin … Die Saga von Dermot und Deirdre (1989) veröffentlicht und von Hetmann in den 90er Jahren zu einer Trilogie mit dem Titel Dermot – eine Saga aus Irland (Einzeltitel: Die Suche nach Deirdre (1995), Magier und Mönche (1996) und Dermot und Deirdre (1997)) erweitert und wirkt aufgrund des Settings und des Erzählduktus wie eine nacherzählte alte Sage.
Bei Madru oder Der Große Wald hingegen verweist vor allem die Rolle, die Bäume – und deren mythische Qualität – in dem Roman spielen, auf die irisch-keltischen Einflüsse, doch kommen im Falle der Geschichte um den “Sternensohn” Madru, der aufgrund astronomischer Berechnungen ausersehen wurde, Norrland, das Reich des Großen Waldes, zu schützen, eine spirituelle und eine Madru von Frederik Hetmanngesellschaftskritische Komponente hinzu. Denn Madru bedarf der Hilfe des Baumtarots, um sich für einen von drei Wegen – den Weg des Waldes, den Weg des Allwiss oder den Weg der Ritter – zu entscheiden, und zu kämpfen hat er nicht zuletzt gegen menschliche Herrschsucht und Gier. Diese Mischung, zu der sich auch noch die nicht zu unterschätzende Macht der Liebe gesellt, macht Madru zu einem der ungewöhnlichsten (nicht nur deutschsprachigen) Fantasyromane der 80er Jahre.
In der Fortsetzung Im Haus der Gefiederten Schlange (1990) wird die spirituelle Komponente noch wichtiger, denn Alder, der Sohn Madrus, der von seinem Vater das Baumtarot geerbt hat und zunächst den Verlockungen der Macht erliegt, ehe ein Schamane ihm den Weg zu seiner wahren Bestimmung zeigt, begibt sich auf eine noch weit phantastischere Reise als Madru, die ihn in Gefilde führt, die nichts mehr mit der irisch-keltischen Anderswelt zu tun haben, sondern deren Ursprünge in anderen alten Mythen liegen.
Mit Der wilde Park des Vergessens (1994), Der Kelim der Aphrodite (1995), Traumklänge oder Das längste Märchen, das es je gab (2004), Gaias Schwestern (2006 – dieser Titel scheint allerdings nie erschienen zu sein) und Zeitenwende (2006) hat Frederik Hetmann noch weitere phantastische Romane verfasst, von denen Traumklänge der vielleicht interessanteste ist: eingewoben in eine Rahmenhandlung erzählt er die Geschichte einer geheimnisvollen Kugel, die durch die Jahrhunderte in dieser und der Anderswelt von Hand zu Hand wandert (und manche dieser Hände sind wohlbekannt), und verkündet einmal mehr Hetmanns bereits in der Dermot-Saga oder Madru zu findendes Credo, dass alles miteinander verbunden sei.
Wie eingangs erwähnt, hat Frederik Hetmann auch theoretische Schriften zur phantastischen Literatur verfasst. Hier seien z.B. “Merlin. Porträt eines Zauberers” (in T.H. White: Das Buch Merlin (1980)) oder “Ausflug in die Anderswelt. Ein Plädoyer für die Phantastische Literatur” (in: Le Blanc/Solms (Hrsg.): Phantastische Welten. Märchen, Mythen, Fantasy (1994)) sowie das (allerdings ein bisschen wie ein Schnellschuss wirkende) Die Freuden der Fantasy. Von Tolkien bis Ende (1984) und das sich um Märchen drehende Traumgesicht und Zauberspur. Märchenforschung, Märchenkunde, Märchendiskussion (1982) genannt, die alle mehr oder weniger deutlich zeigen, wie ernsthaft sich Frederik Hetmann mit phantastischer Literatur und Fantasy befasst hat und wie wichtig ihm das Phantastische war. Das mag bei einem Autor, der z.B. in seinen Biographien und den Werken über die nordamerikanischen Indianer fraglos einen aufklärerischen Ansatz verfolgt hat, auf den ersten Blick verwundern – allerdings nur dann, wenn man die Phantastik, vor allem aber die Fantasy ausschließlich in die Eskapismus-Ecke steckt (in der Teile von ihr gewiss zu Recht stehen). Frederik Hetmann hat schon in den 80er Jahren gegen diese Einstellung angeschrieben; umso bedauerlicher ist es, dass er heute, noch keine zehn Jahre nach seinem Tod am 01. Juni 2006, zumindest als Fantasyautor mehr oder weniger vom Markt und auch so ziemlich aus dem Bewusstsein der Leserschaft verschwunden zu sein scheint.

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Neu rezensiert: Dreams of Steel

Cover von The Books of the South von Glen CookNach der Niederlage in Dejagore ist die Lady plötzlich ganz auf sich allein gestellt. Die Black Company ist entweder zerschlagen oder harrt in der von den Schattenmeistern belagerten Festung Dejagore aus. Von Rachegelüsten getrieben, macht sie sich daran, eine neue schlagkräftige Truppe aufzubauen und findet dabei unerwartete Unterstützung von den Anhängern eines finsteren Kultes. Doch diese fragile, von jeder Seite aus Eigennutz geschlossene Allianz birgt mindestens genausoviele Gefahren wie die Ränke, die eine andere ebenfalls auf Rache sinnende Macht gegen die Lady und die Black Company schmiedet.

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