Titelkatalog: m

Cover des Buches "Das magische Herz" von Donna BoydIm alten Ägypten werden Han, Akan und Nefar im Hause des Ra zu Magiern ausgebildet. Rasch erkennen sie, dass sie die Welt beherrschen können, wenn sie ihre magischen Kräfte gemeinsam einsetzen. Nachdem die drei im Haus des Ra eine Katastrophe ausgelöst haben, gelingt es ihnen tatsächlich, die Macht in Ägypten an sich zu reißen, doch gleichzeitig beendet ein Verrat ihre Freundschaft. Von diesem Zeitpunkt an geht Han jahrhundertelang seinen eigenen Weg, an dessen Ende ein aufsehenerregendes Verbrechen steht.

-Selbst jetzt hatte er das Bild vor Augen: die Blutfontäne, die in einem hohen Bogen aus der Halsschlagader schoss und sich anmutig gegen den sonnendurchtränkten Himmel wölbte, wo sie einen Moment lang wie erstarrt in Zeit und Raum verharrte, feucht glänzende Tropfen des Lebensflusses, die wie geschmolzenes Gold in einer zähen Suspension wirbelten und tanzten, ehe sie in einem weichen, sanften Sprühregen Gesicht und Haut und Haare benetzten.-
NEW YORK GEGENWART

Obwohl -oder vielleicht gerade weil- die Autorin eine Vielschreiberin ist, die schon mehr als fünfzig Bücher veröffentlicht hat, wirkt Das magische Herz (The Alchemist) als hätte sie sich beim Verfassen dieses Romans genau an das Handbuch für den hoffnungsvollen Fantasyautor gehalten:
1. Zu Beginn mache man den Leser neugierig, indem man ein möglichst grausames Verbrechen schildert.
2. Danach lasse man einen mysteriösen Fremden auftreten, der von sich behauptet, er lebe schon seit ewigen Zeiten und der seine Geschichte einem Normalsterblichen des 20./21. Jahrhunderts erzählt. Am besten geeignet ist die Konstellation “Vampir/Journalist”, sollte Ihnen jemand diese Idee unverschämterweise gestohlen haben, bevor Sie mit dem Schreiben ihres Romans angefangen haben, behelfen Sie sich mit einem ägyptischen Magier und einer Psychotherapeutin.
3. Um zu verhindern, daß der Leser sich langweilt, schildern Sie in regelmäßigen Abständen ein schreckliches Ereignis, das eines der folgenden Szenarien beinhaltet: Ein verheerendes Feuer, einen Mord, bei dem unbedingt Blut spritzen muß oder jemand verspeist ein lebenswichtiges Organ eines anderen. Gegebenenfalls kann man diese Vorgänge beliebig miteinander kombinieren.

Auf gewisse Weise funktioniert dieses Konzept sogar. Die Geschichte ist einigermaßen spannend, Han, Akan und Nefar sind so gestaltet, daß der Leser ihr Schicksal mit Interesse verfolgt und es gibt einige gut geschriebene Szenen, z.B. die, in der die drei entdecken, daß sie fliegen können. Die Freude, die sie dabei empfinden, springt direkt auf den Leser über. Andererseits merkt man dem Roman zu sehr an, daß er schnell dahingeschriebenes Unterhaltungs-Fast-Food ist.

Donna Boyd hat sich wenig Mühe mit der Schilderung des Umfeldes gegeben. Die Orte, an denen die Handlung spielt, sind, wenn überhaupt, nur durch wenige Worte charakterisiert. Ägypten erkennt man hauptsächlich daran, daß die Begriffe “Pharao”, “Wüste” und “Ra” vorkommen. Diese marginale Charakterisierung ist nicht dazu geeignet, vor dem geistigen Auge des Lesers die reiche Kultur des alten Ägyptens entstehen zu lassen.
Ganz unglaubwürdig wird die Geschichte, wenn der mysteriöse Fremde erzählt, daß sie an elektronische, mit Solarstrom betriebene Verkehrsmittel (dachten). Auch wenn er dies in der Gegenwart erzählt und wenn die drei die mächtigsten Magier des alten Ägyptens waren, dann wäre es weitaus stimmiger, wenn sie daran gedacht hätten Wagen zu bauen, die durch die Kraft der Sonne angetrieben würden.Boyds Wortwahl ist unpassend und zu häufig anachronistisch. Erstaunt ist der Leser auch, wenn Han, Akan und Nefar mitten in Ägypten darüber nachdenken, in ein anderes Land zu reisen und zwar nach Afrika (!!!).
Der zweite Teil des Buches trägt die Überschrift Zeitalter der Entdeckungen Venedig 1586. Zeit und Ort sind hier völlig willkürlich gewählt und austauschbar. Die Episode könnte genauso 1498 in Madrid oder 1743 in Paris spielen.

Ein wenig mehr Mühe hätte sich die Autorin schon machen dürfen, so ist der Roman zwar durchaus lesbar und unterhaltsam, wirkt aber lieblos dahingeschludert.

Cover des Buches "MacBest" von Terry PratchettIn einer stürmischen Nacht stolpert Verence, König von Lancre, äußerst unglücklich und fällt dabei in seinen eigenen Dolch, den ganz zufällig Lord Felmet in der Hand hält. Von nun an ist Felmet König von Lancre. Da er aber weder der rechtmäßige noch ein guter König ist, beschließen Oma Wetterwachs und ihre beiden Freundinnen einzugreifen, und einen Würdigeren auf den Thron zu setzen. Natürlich gibt es dabei einige Komplikationen, doch dank einer reisenden Theatertruppe regiert am Ende der beste, der für dieses Amt zu finden war.

-Wind heulte. Blitze stachen ziellos herab, wie ein ungeschickter Mörder. Donner rollte über das dunkle, regengepeitschte Land.-

Leute, es hilft alles nix: Um den Roman richtig genießen zu können, muss man Macbeth gelesen haben. Also begebt Euch in die nächste Buchhandlung, sucht eine zeitgemäße Übersetzung und legt los. Außerdem sollte man eine vage Vorstellung davon haben, worum es in Hamlet geht, welche Stücke Shakespeare noch so geschrieben hat, wer Shakespeare überhaupt war und wie das Theater seiner Zeit aussah. Wenn der Leser von alldem nur wenig weiß, dann entgehen ihm viele der besten Anspielungen und die Lektüre ist für ihn nur halb so vergnüglich wie für jemanden, der diese Voraussetzung erfüllt. Der darf sich dann als Belohnung für seine Literaturkenntnisse nach fast jeder Seite vor Lachen kringeln.

Trotzdem kann man sich beim Lesen von MacBest (Wyrd Sisters) auch ohne Shakespeare-Kenntnisse amüsieren. Pratchett schildert auf witzige Weise Oma Wetterwachs’ ersten Theaterbesuch, ihre Schwierigkeiten zu fliegen, warum es keinen Sinn macht, Hexen zu foltern und wie Überfälle auf der Scheibenwelt ablaufen. TOD hat nur wenige Auftritte, aber immerhin wird das Geheimnis gelüftet, warum er in Großbuchstaben spricht. Dieser Roman gehört zu den besten Büchern, die Pratchett geschrieben hat.

Acacia: Macht und Verrat von David Anthony DurhamLeodan Akkaran herrscht über das mächtige Reich Acacia, doch hinter der prunkvollen und Frieden stiftenden Fassade lauern finstere Geheimnisse und Abkommen, die diese Vormachtstellung garantieren. Während Leodan bemüht ist, seine Kinder in ihre Rollen als zukünftige Herrscher einzuführen und sie gleichzeitig zu Erbauern einer besseren Welt zu erziehen, droht Hanish Mein das Volk der Mein aus dem eisigen Norden herabzuführen und Leodans Platz einzunehmen. Dabei verlässt er sich nicht nur auf die Militärmacht der Mein, sondern auch auf ein Netz von Intrigen, das von jenseits der Bekannten Welt bis in den innersten Zirkel des Königs reicht …

– Obwohl er seine unterschiedlichen Verkleidungen mit Würde trug, war er in Wahrheit nichts von alledem, was er darstellte. – S. 14

Acacia: Macht und Verrat (The War With the Mein) stellt den äußerst gelungenen Auftaktband der Acacia-Trilogie von David Anthony Durham dar und ist vor allem eine Empfehlung für Fans epischer Fantasy in epischen Ausmaßen. Dabei ist der Roman trotz seiner knapp 800 Seiten sehr dicht, und Durham erzählt in diesem einen Band eine Geschichte, die andere auf mindestens eine Trilogie ausgewalzt hätten (Yes, I’m looking at you, Mr. Martin!).

Dabei verleiht dem Einsatz bekannter Topoi ((Königs-)Kinder müssen die Welt vor einem großen Übel bewahren) und Stilmittel (wechselnde Figuren, aus deren Sicht geschildert wird) zum Trotz besonders Durhams Erzählweise dem Werk seine Eigenständigkeit. Zwar mag deren Gerafftheit zu Anfang gewöhnungsbedürftig erscheinen, nach kurzer Zeit werden ihre Vorteile aber offenbar: Sie gewährt dem Leser/der Leserin nicht nur eine willkommene Abwechslung vom Beschreibungsschwall typischer High Fantasy, sondern sie lässt auch wesentlich mehr Raum (und hält an) zum Mitdenken, bleibt die Subjektivität der Eindrücke doch in den gerafften, aber erzählerisch dichten Passagen erhalten.

Beim Weltenbau offenbart Durham sein feines Gespür für die engen Verflechtungen von Wirtschaft und Politik und weckt mit regelmäßigen Hinweisen auf eine viel größere „Arena“, die sich wohl im zweiten Band weiter öffnen wird, Interesse an den Folgebänden. Auch bei der Entwicklung der Figuren nimmt sich Durham viel Zeit und schafft nicht nur ein ausgewogenes Verhältnis zwischen gelungenen männlichen und weiblichen Protagonisten, sondern verleiht auch den Antagonisten entweder Tiefe oder belässt ihnen ihre Undurchschaubarkeit, wobei sogar die Fronten zwischen HeldInnen und „Bösewichten“ gegen Ende verschwimmen. Scheinen sich bei der Geschichte der Königskinder zunächst sehr traditionelle Handlungsmuster Bahn zu brechen, schafft Durham es, hier am Ende der Erwachsenwerdungen mehrere gelungene Entwicklungen zu kreieren, die teilweise mit den überkommenen Mustern brechen. Dies sind die Aspekte, die mit den größten Raum im Roman einnehmen, und sie sind eng mit den Entwicklungen in der Bekannten Welt verwoben, das Ende des Konfliktes zwischen Acaciern und Mein wirkt gegen diesen umfangreichen Mittelteil beinahe hastig, lässt einen aber auch gespannt den zweiten Band erwarten.

Die Mächte des Feuers von Markus HeitzAls Großmeisterin Silena, eine Nachfahrin des Heiligen Georg und Kämpferin beim Officium Draconis – der Drachenjägersparte der Kirche – ihre beiden Brüder durch einen mutmaßlichen Angriff von Drachen verliert, ist das erst der Anfang. Seltsame Dinge gehen vor in München und Berlin, Hellseher und andere Spiritualisten haben schreckliche Visionen. Die Altvorderen Drachen tragen Machtkämpfe aus, und neben Silena werden noch andere Menschen in die Sache gezogen, bei der es bald um die Jagd nach mächtigen Artefakten des Drachenkampfes geht. Zusammen mit dem russischen Fürsten Grigorji und dem Medium Madame Sátra – zwei wenig vertrauenswürdigen Verbündeten – nimmt Silena den Kampf gegen die grausamen Ungeheuer auf.

-„Wann der Herr wohl wieder zurückkehrt?“ Xing streifte die Oberfläche der Daunendecke glatt, die sie aufgeschüttelt hatte, und blickte nachdenklich aus dem Fenster.-
1. Januar 1925, Korumdie Gebiet, Zarenreich Russland,
An der Grenze zu China

2006, als Markus Heitz  nach seiner episch angelegten Ulldart-Saga, den leicht tolkienesk angehauchten Zwergen samt Nachfolgern und den auf den Spuren von Pakt der Wölfe wandelnden Ritus  mit Die Mächte des Feuers an den Start ging, war Steampunk noch nicht in aller Munde. Nur so kann man sich das Nachwort erklären, das man auch als Verteidigungsschrift für das Setting mitten im Glamour und der sich entwickelnden Technik der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts  lesen kann. Nicht, dass es das gebraucht hätte: Der Reiz dieser ungewöhnlichen Drachengeschichte liegt gerade darin, dass hier auch Doppeldecker über den Fantasy-Himmel brummen dürfen und man in ein alternatives Europa eintauchen kann, in dem Drachen ihren Einfluss genommen haben. Oder genommen haben sollen, doch dazu später mehr. Markus Heitz kennt sich gut aus mit der Zeit, die er beschreibt, da ist es fast schade, dass er sich oft auf Name-Dropping beschränkt und den zeitlichen Kolorit auf weiter Strecke auch sprachlich nicht vermitteln kann. Nur selten hebt sich das Ambiente von der modernen oder einer beliebigen anderen Fantasy-Welt ab. Das Potential des Settings ist damit verschenkt, denn die wenigen wirklich atmosphärischen Szenen – wie etwa der Prolog des Romans – machen Lust auf mehr. Ansonsten ist man gut beraten, sich vielleicht doch lieber nochmals Sky Captain anzusehen, wenn man das Flair der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts erleben will.

Die Weltgeschichte mit Drachen und einem eigenen Kirchenamt für Drachenfragen (das aus den Drachenheiligen hervorgegangen ist) neu zu schreiben, ist ein schöner Ansatz, allerdings scheint sich trotz der ausdrücklich massiven Einflüsse der Drachen geschichtlich nicht allzu viel geändert zu haben, und die kulturgeschichtlichen Einflüsse sind gering und wirken manchmal sehr bemüht (ein beispielhaftes Detail: ein Flugzeug mit ausfahrbarer Lanze, um Drachen damit aufzuspießen, hat die Typenbezeichnung “Lanzelot”). Obwohl die Kirche eine große Rolle spielt, bleiben religiöse Hintergründe äußerst vage. Auch wenn Die Mächte des Feuers auf unserer Welt spielt, hätte mehr Weltschöpfung dem Roman gutgetan, gerade im Bezug auf das Konzept der Drachen.

Eine große Figurenanzahl bringt dem Leser die Handlung näher, und die meisten davon geben nach außen hin ein buntes und interessantes Bild ab, wirken aber insgesamt hölzern. Charakterliche Kehrtwendungen wie die des russischen Fürsten Zadornov, der sich anfangs in der Tat gibt wie der angebliche Sprößling von Rasputin, der er sein soll, kommen mit der Brechstange. Die Protagonistin Silena dagegen ist als Identifikationsfigur für jedermann konzipiert und bleibt charakterlich farblos, darf aber dafür die Phantasie mit Gedanken über ihre Unterwäsche anregen. Subtiler wird es auch nicht, wenn es um die Überraschungen geht, die die ein oder andere Figur bereithält.
Anfangs fällt das allerdings kaum ins Gewicht – die Geschichte beginnt spannend mit vielen mysteriösen Vorkommnissen und wird auf vielen Ebenen eröffnet, so dass man sich ein vielschichtiges Szenario erhofft. Doch die Fraktionen und Inhalte, die aufgefahren werden, nehmen kein Ende, die Logik verabschiedet sich irgendwann zwischen Schauplatzwechseln und Kämpfen zwischen Mensch und Drache und Mensch und Mensch, und irgendwann löst sich alles in eine etwas wirre Schwarz-Weiß-Malerei auf, was so verheißungsvoll begonnen hat.
Ein unverzichtbares Novum für Drachenliebhaber ist Die Mächte des Feuers also nicht – und auch der alternative Weltentwurf ist kein allzu farbenprächtiges Ideenfeuerwerk.

Die Magie des Assassinen von Robin HobbKing Shrewd ist tot. Fitz ist offiziell auch tot. Also machen sich Fitz und Nighteyes auf, um ihren Freund und König Verity zu retten. Dieser ist auf der Mission, die Elderlings zu finden, verschollen. Regal ist nun König der Six Duchies. Fitz fasst den festen Entschluss, erst einmal Regal zu töten, und dann Verity zu retten. Leider entpuppt sich beides als nicht so einfach, zumal niemand weiß, in welchem Niemandsland Verity verschollen ist. Letztendlich gilt es allerdings “nur” die Elderlings zu finden, sie als Verbündete zu gewinnnen und damit die Six Dutchies zu retten.

– Ich erwache jeden Morgen von neuem mit Tinte an meinen Fingern. Manchmal liege ich weit ausgestreckt auf meinem Schreibtisch, inmitten von Schriftrollen und Pergamenten. –
Prolog, Das nicht Erinnerte

Zu Die Magie des Assassinen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Die Magier von Montparnasse von Oliver PlaschkaDer Bühnenkünstler Ravi und seine Assistentin Blanche brechen nach ihrer letzten Zaubervorführung eine Grundregel: Anstatt wie üblich nur mit Illusionen zu spielen, verwenden sie echte Magie. Dabei geht jedoch etwas schief, und Paris ist in einer Zeitschleife gefangen: Jeder Tag beginnt wie der vorherige, und fast niemand in der Stadt scheint auch nur etwas davon zu ahnen.
Das Hotel Jardin im Künstlerviertel Montparnasse wird daraufhin zum Treffpunkt für mehrere äußerst außergewöhnliche Gestalten, die das Rätsel um die stillstehende Zeit zu ergründen versuchen. Nicht nur für Ravi und Blanche, sondern auch für das Personal des Jardin hat die Zeitschleife auf Dauer ungeahnte Konsequenzen.

-»Kreativität«, sagte Barneby, »ist eine Krankheit des Geistes, die einem Übermaß an Vorstellungskraft, gepaart mit einem Mangel an gesichertem Wissen, entspringt – genau wie Verfolgungswahn.«-
Magische Nächte

Zu Beginn der Geschichte scheinen die Vorkommnisse im Jardin noch sehr mysteriös und für den Leser unverständlich – man fühlt sich ähnlich wie die Kellnerin Justine: Sie bekommt zwar mit, dass etwas anders ist, und ihr fallen merkwürdige Einzelheiten auf, aber sie kann sich keinen Reim auf das Ganze machen. Anders als bei Justine werden die Erinnerungen des Lesers zum Glück nicht über Nacht wieder auf Null gesetzt, und so kommt man des Rätsels Lösung mit jedem verstrichenen Sonntag wieder einen Schritt näher.
Die Erleuchtung lässt jedoch eine ganze Weile auf sich warten. Es gibt einige Längen, insbesondere am Anfang von Tag 5 tritt die Handlung ziemlich auf der Stelle. Dafür zieht die Spannung auf den letzten 200 Seiten ordentlich an und das Ende enthält noch eine (zumindest für mich) unerwartete Wendung.

Durch die langwierigeren Passagen helfen die liebenswürdigen skurrilen Charaktere und verrückten Dialoge.
Plaschka verarbeitet bekannte Bibel- und Märchenmotive wie Adam & Eva oder Schneewittchen und verfremdet sie auf eine sinnvolle, interessante Weise. Auch das Stadtviertel Montparnasse entspricht sicher nicht ganz dem Paris der goldenen Zwanziger, ist aber doch deutlich erkennbar und sorgt für eine passende Kulisse.
Das Ganze wird garniert mit einer wohldosierten Portion Ironie, das Buch ist mit einem leichten Schmunzeln im Hinterkopf zu lesen (wie eine Autorenlesung eindrucksvoll bewiesen hat). Lässt man sich auf die Sprache, Atmosphäre und das Tempo des Romans ein, ist Die Magier von Montparnasse eine amüsant-rätselhafte Lektüre.

Cover des Buches "Das magische Messer" von Phillip PullmanWill, ein Junge, der im Oxford “unserer” Welt lebt, hat es nicht leicht. Sein Vater ist vor zehn Jahren bei einer Expedition verschwunden und seine Mutter leidet anscheinend an einer Geisteskrankheit. Als zwei Männer in sein Zuhause einbrechen und versuchen, eine grüne Mappe zu stehlen, tötet er einen der beiden. Will muß fliehen. Bei seiner Flucht gerät er durch ein Fenster in eine andere Welt. In dieser Welt trifft er Lyra, die dort hingeraten ist, als sie ihrem Vater über die Brücke folgte. Die beiden Kinder schließen sich zusammen und helfen sich gegenseitig, Wills Vater zu finden und das Geheimnis des Staubes zu ergründen.

-Will zog seine Mutter an der Hand und sagte: “Komm weiter, bitte…” Aber seine Mutter zögerte. Sie hatte noch immer Angst.-
Kapitel 1, “Die Katze unter den Bäumen”

Das magische Messer (The Subtle Knife) besticht durch seine Komplexität: Es handelt von Physik, Philosophie, Religion, Schamanismus, von Platons Höhlengleichnis, von der Erschaffung der Welt, von Gott und dem Teufel, von Gut und Böse, von Armageddon, von Engeln und Gespenstern, von Hexen und der Inquisition, von der Kernspaltung, von Freundschaft, Treue, Verrat und Tod und es ermutigt den Leser seinen eigenen Instinkten zu vertrauen und nicht blindlings auf Autoritäten zu hören. Eigentlich müßte die Handlung ein einziges Tohuwabohu sein. Daß der Roman nicht unrettbar im Chaos versinkt, ist der Verdienst von Philip Pullman. Da schreibt jemand, der trotz des umfangreichen Inhaltes klare Handlungsstränge entwickeln kann, und der nie den roten Faden verliert. Dabei wirkt der Roman nicht überfrachtet, sondern alles erscheint völlig natürlich, so daß ein Leser dieses Buches es wahrscheinlich ganz normal finden wird, wenn ihm plötzlich massenhaft Menschen mit außergewöhnlichen Tieren an der Seite begegnen oder wenn demnächst ein Engel durch seinen Computer mit ihm kommuniziert. Außerdem versteht Pullman es, den Leser immer wieder zu verblüffen. Als Lyra Will zum erstenmal trifft, fragt sie das Alethiometer, ob Will ein Freund oder ein Feind ist. Das Gerät antwortet, er sei ein Mörder, worauf Lyra sofort beschließt, Will zu vertrauen.

Trotz einiger Gewaltszenen und trauriger Ereignisse ist das Buch für Kinder ab ca. 12 gut geeignet. Gewalt wird nie unmotiviert ausgeübt, und Kinder, die Grimms Märchen verkraftet haben, in denen Frauen nackt in mit Nägeln gespickten Fässern zu Tode gerollt werden oder in Backöfen verbrannt werden, werden auch hier keinen Schaden nehmen. Allerdings braucht das Buch unbedingt Menschen, die gerne lesen. Kinder oder Erwachsene, die vor Harry Potter noch nie ein Buch in die Hand genommen haben und jetzt auf den Gedanken kommen, sie könnten sich ja mal ein “Zweitbuch” anschaffen, das womöglich auch noch “wie Harry Potter ist” werden an diesem Zyklus keine Freude haben.
Für Erwachsene ist es ein besonderes Vergnügen, sämtliche Anspielungen herauszufinden, die die Literatur und das Weltgeschehen betreffen, aber das ist nur ein besonderer Kick. Für Erwachsene, die sofort zwanghaft zum Lexikon greifen müssen, um nachzuschlagen, ob es dieses anbarische Dingsbums wirklich gibt und was Platon jetzt eigentlich mit seinem Höhlengleichnis genau meinte, ist das Buch ebenfalls nicht geeignet. Dieser Roman braucht Leser, die in eine Geschichte versinken können und ihre Neugier auf das Ende beibehalten, auch wenn ihnen nicht immer klar ist, worauf der Autor hinaus will und wie die Geschichte letztendlich ausgehen wird.

Kaum haben Prinz Tristan und seine Gefährten das Reich Eutrakien geeint, droht neue Gefahr: Ein schwarzer Magier plant, mithilfe zweier mythischer Schriften das Reich in Dunkelheit zu stürzen. Doch dazu benötigt er einen Verbündeten mit besonderen Fähigkeiten, den er in Wulfgar zu finden hofft, einem verschollenen Halbbruder Tristans. Um Eutrakien zu retten, müssen Tristan, seine Zwillingsschwester Shailiha und die Magier Wigg und Faegan sich auf die gefährliche Suche nach der Schriftrolle der Operativa machen. Als Tristan jedoch in einen Hinterhalt gerät und gefangen genommen wird, scheint der Kampf verloren …

-»Ich frage euch ein letztes Mal«, sagte die Hausmutter. »Welchen Namen soll es erhalten?«
Während ihr die Tränen über die Wange strömten, betrachtete die junge Mutter das Gesicht ihres Kindes. Im tiefsten Herzen wußte sie, dass sie es zum letzten Mal sah. (…)
» Wulfgar«, flüsterte sie schließlich und bedeckte, außer sich vor Kummer, das Gesicht mit den Händen.-
Prolog

Das dritte Abenteuer von Tristan und Co. beginnt da, wo das andere aufgehört hat. Nur ein paar Monate sind seit dem Einsturz der Tore der Dämmerung vergangen, da taucht eine neue Gefahr auf, natürlich die »gravierendste Gefahr, der wir uns je gegenüber sahen« (Seite 638). Von dieser allerdings ist über weite Kapitel des Buches nichts zu merken. Nachdem es im Buch davor Tristans Sohn war, kommt nun also der verschollene Halbbruder zum Zuge. Hoffen wir, dass die weitere Verwandtschaft der Auserwählten nicht auch noch irgendwie für die Häretiker interessant ist (wobei das Ende des Buches anderes vermuten lässt). Nach ein paar recht ansprechenden Anfangskapiteln ebbt die Spannung schnell ab und über viele Seiten passiert einfach nicht genug, um erneut Spannung aufkommen zu lassen. In den 500 Seiten zwischen Anfang und Endschlacht geht es hauptsächlich darum, dass Tristan irgendwie den Weg nach Hause sucht und dabei natürlich immer wieder aufgehalten wird, dass Wigg und Faegan irgendwie versuchen Tristan zu finden und dabei immer wieder aufgehalten werden, dass die Bösen ihren heimtückischen Plan ausführen wollen und dabei immer  wieder aufgehalten werden.
Wenn man dann irgendwann zur Endschlacht durchgedrungen ist, fällt diese auch noch recht fad und unspektakulär aus. Natürlich gibt es die Standard-Massaker an Unschuldigen, die Standard-Gemetzel der Guten, die Standard-Endschlacht, wo jedes Mal Unmengen von Blut spritzen und unzählige Körperteile abgeschlagen werden, allerdings ist man durch die beiden Vorgänger bereits hinlänglich mit dem Schema vertraut. Mitreißen tut einen das nicht.

Ein paar Handlungsstränge sind trotz allem durchaus interessant und lassen ein wenig hoffen, dass eventuelle nachfolgende Bücher (es gibt genug offene Handlungen, die Nachfolger rechtfertigen würden) ein wenig mehr an Schwung gewinnen.
Was noch auffällig ist: Der Autor wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass, egal um welche Gruppe es gerade geht (angefangen von Piraten bis zu unschuldigen Sklaven, die als Futter enden), man immer beiderlei Geschlecht vorfindet. Alice Schwarzer wäre stolz auf diese Welt.
Nein, süchtig machen tut der Roman, wie auf dem Buchcover angepriesen, nun wirklich nicht. Allenfalls mal was für Zwischendurch.

Der magische Stein von David ZindellVor vielen Jahrtausenden, so sagen es die Legenden der Menschen, brachte Elahad, der König des Sternenvolks, den Lichtstein nach Ea, in die Welt der Menschen. Der Stein verleiht seinem Besitzer unermesslich große Macht, doch ging er vor Jahrhunderten verloren. Und nun sucht Morjin, der Herr der Lügen, den Stein, um mit seiner Hilfe die Welt zu unterwerfen. Doch auch Valashu, Prinz eines der letzten freien Königreiche Eas, macht sich, unterstützt von seinen treuen Gefährten, im Auftrag des Königs von Tria auf die Suche nach dem Lichtstein.

-In klaren Winternächten habe ich manchmal Berge bestiegen, nur um den Sternen näher zu sein.-
1

Sieben mutige Gefährten, ein jeder mit eigenen Fähigkeiten und eigenen Träumen, machen sich auf die lange und gefahrvolle Suche nach einem mächtigen, vor Zeiten verschollenen magischen Artefakt, mit dem die Welt entweder zum Guten oder zum Bösen gewendet werden kann, verfolgt von den grausamen Schergen des finsteren Herrschers, der diesen sensationellen Lichtstein gerne für sich allein hätte. Hach, wie schön, eine klassische Queste! Wie, das hat man schon tausendmal gelesen, in ungefähr jedem zweiten Buch mit dem Label “Fantasy”?
Für alle, die sich dem ersten begeisterten Seufzer nicht anschließen können und die nicht gleich loslesen und Valashu und seine Getreuen auf der Suche nach dem Lichtstein begleiten möchten, gibt es hier ein paar Gründe, weshalb sich der Blick in diese potentielle Ansammlung von Fantasy-Klischees durchaus lohnt:

David Zindell hat eine ganze Menge Inhalt in seinen Roman gepackt – in den über tausend Seiten steckt weit mehr als die Geschichte der Questenreise, die durch etliche Königreiche und die Wildnisse Eas führt. Dabei ist vor allem die innere Entwicklung von David Zindells Helden interessant, allen voran Valashu, aus dessen Sicht die Geschichte in der Ich-Perspektive erzählt wird. Valashu ist ein widerwilliger Held, eher ein Philosoph als ein Schwertschwinger, und sowohl in seine Überlegungen als auch in die “Heilsgeschichte” der Welt Ea hat der Autor eine Menge ethischer Fragestellungen und einen religiösen Hintergrund einfließen lassen, der von vielfältigen Inspirationsquellen spricht und durchaus zum Mitdenken anregt, die Geschichte aber zum Glück nie überrollt, sondern angenehm begleitet. Dabei hat sich Zindell nicht dogmatisch bei einer Lehre bedient, sondern verschmilzt östliche und westliche Weisheiten – der Lichtstein etwa ist ganz klar an den Heiligen Gral angelehnt, wohingegen das Warten der Welt auf den sogenannten Maitreya dem Buddhismus entnommen wurde, um nur wenige Beispiele anzuführen – das ganze Werk ist durchzogen von Anspielungen auf diverse Lehren und Legenden, die allerdings nicht einfach abgespult werden, sondern als essentielle Bestandteile tief in der Haupthandlung verankert sind und in den Figuren wirken.

Trotz der actionreichen Questengeschichte ist die Handlung eher von Ruhe bestimmt, und einige Längen sind nicht zu verleugnen. Zindell lässt so gut wie nichts unerzählt, so beginnt das Buch erst einmal mit einer 200-seitigen Reise durch diverse kleine Königreiche, wo begrüßt, übernachtet und überstürzt am Morgen geflohen wird (weil der Schwerenöter unter den Gefährten sich mit der Schwester/Nichte/Tochter des jeweiligen Burgherren vergnügt hat). Beinahe jede Rast und Mahlzeit darf der Leser sozusagen in Echtzeit miterleben. Das Tempo ändert sich auch später kaum, nur nimmt mit Beginn der Queste auch die Handlung an Fahrt auf, und dann freut man sich über jede Pause zwischen den aufreibenden Ereignissen. Figuren und Welt nach der ausführlichen Einleitung und Vorstellung so gut kennengelernt zu haben, zahlt sich im weiteren Verlauf der Handlung auch aus – es gibt nicht viele Fantasy-Geschichten, bei denen eine ganze, große Gefährtengruppe so intensiv ausgearbeitet wird und jeder auf seine Weise den LeserInnen dauerhaft ans Herz wächst.

Sprachlich lohnt sich Valashus Queste allemal – Zindell versteht es, beinahe poetische Töne anzuschlagen (die auch in der deutschen Übersetzung zu finden sind) und passend zu den oft ins Transzendente reichenden Inhalten kann man sich davon wunderbar bezaubern lassen.
Wer sich also an der fehlenden Originalität nicht stört – denn wie der Hase laufen wird, ist nicht weiter schwer zu erraten – und wer vom Umfang des Buches und der entsprechenden Ausführlichkeit der Erzählung nicht abgeschreckt wird, der sollte Valashus Queste eine Chance geben – mit diesen Voraussetzungen ist das Buch eher eine Offenbarung als eine Enttäuschung.

Der magische Wald von Paul KearneyMichael wächst bei seinen Großeltern auf einer abgelegenen irischen Farm auf. Im nahegelegenen Wald entdeckt er allerdings auf seinen zahlreichen Streifzügen Unheimliches: Speerbewaffnete Fuchsleute in der Abenddämmerung auf der anderen Seite des Flusses, unsichtbare Wesen, die ihn aus den Bäumen beobachten. Als er sich über den Fluss wagt und von der anderen Seite eine Trophäe mitbringt, dringt die andere Welt auch in sein friedliches Hofleben ein. Fasziniert und entsetzt zugleich zieht es Michael immer mehr in die Welt des Wildwalds, die nur ihm sichtbar und zugänglich ist.

-Für einen Erwachsenen, dem die Müdigkeit der Welt durch die Adern fließt, ist das Land überschaubar und ohne Geheimnisse – wie ein Schiffsmodell in einer Flasche.-
Kapitel eins

Ein Heranwachsender, der Übergänge in eine andere Welt findet und nutzt – das ist beinahe schon ein eigenes Genre innerhalb des Fantasy-(Jugend-)Buchs, an dem sich so viele Autoren versucht haben, dass das Konzept unendlich ausgewalzt wirkt. Paul Kearney hat sich der Thematik des Betretens einer Anderswelt in seinen ersten drei Romanen gewidmet, ehe er sich der heroischen Fantasy zuwandte. In Der magische Wald (A Different Kingdom) macht er daraus eine Hommage an die Vergangenheit seiner Heimat Nordirland und an das Erwachsenwerden, eine akribische Beobachtung der Entwicklung, die sowohl Land als auch Held vollziehen und die mit Wehmut begleitet wird.
Dabei gelingt es ihm, den Zauber der Jugend schon in den schlichten Szenen auf dem Bauernhof von Michaels Großeltern famos einzufangen: die Kinderwelt, in der jeder Wechsel der Jahreszeiten ein Abenteuer ist, die Freiheit, in die das Fremde sowohl in Form von neuen (schulischen) Pflichten eindringt, aber auch in Form von Sexualität – auch dieser Aspekt wird ohne Tabus angesprochen und als elementarer Bestandteil des Aufwachsens nimmt er einen Stellenwert ein, der sämtliche Jugendbuch-Assoziationen, die die Thematik vielleicht wachgerufen hat, schnell unter den Tisch fallen lässt. Gleichzeitig nimmt der Wald – der fremde und wilde Wald, der nicht mehr Bestandteil von Michaels Welt ist und zugleich seine Angst und seine Neugier weckt – immer mehr Raum in Michaels Leben ein.

In diesem Setting konnte Kearney seine Zuneigung zu seiner nordirischen Heimat, zum Gaelischen, zu den Überlieferungen einbringen, wobei die psychologisch ausgefeilte Darstellung seines heranwachsenden Helden nie zu kurz kommt. Das beschauliche Leben im ländlichen Irland ist historisch und kulturell stimmig portraitiert, die akribische Darstellung der Landwirtschaft kurz vor ihrer  Industrialisierung hätte John Seymour wohl Tränen in die Augen getrieben. Diese innerhalb von einer Generation verlorene Lebenswelt wirkt authentisch, vielleicht ein wenig idealtypisch dargestellt, dafür wird einem beim Lesen aber auch ganz warm ums Herz. Dahinter, weniger gemütlich, verbirgt sich immer die archaische, nicht domestizierte Waldwelt, ein phantastisches Irland voller Kelten, magischer Waldwesen und frommer Priester. Der Wald besticht weniger durch seine Details (z.B. gibt es bei den Wyrims, den Waldwesen, nur recht wenige genau zu unterscheidende Arten), sondern durch seine Erhabenheit, und genauso wie die Szenen in Michaels Heimat ein verlorenes Landleben beschwören, rufen die Waldszenen ‘Erinnerungen’ an ein von riesigen Wäldern bedecktes Europa wach, dem der Mensch nur kleine, fragile Bastionen abringen konnte.

Michaels Abenteuer führen immer tiefer in den Wald, immer weiter weg von seiner realen Welt. Die verschachtelte Erzählung auf drei Zeitebenen, die man erst nach und nach zu einem kompletten Bild zusammensetzen kann, tut das ihre dazu, um zu klären, dass die Heldenreise noch weitere Dimensionen aufweist. Die Geschichte des erwachsenen Michael Fay gerät dabei etwas knapp, was aber im Kontext das Gefühl unterstreicht, dass er nach dem Kontakt mit der Anderswelt nicht mehr in und mit den Anforderungen der echten Welt zurechtkommt – die Geschichte vom Menschen, der durch einen kurzen Aufenthalt unter dem Elfenhügel tatsächlich hundert Jahre verpasst hat, wird hier auf sehr clevere Weise variiert. Dazu passt auch das stimmige, aber relativ einfach abgehandelte Ende, das den Kreis schließen kann.

Der magische Wald öffnet für den Leser Tore in mehrere fremde Welten und kann mit dem perfekt eingefangenen Charme der Jugend verzaubern, lässt die Veränderungen im jungen Selbst mit einer sich verändernden Welt korrespondieren und zeigt einen nicht rundum tröstlichen, sondern durchaus auch grusligen und fremdartigen archaischen Zufluchtsort eines Menschen, der an den nötigen Anpassungen zu scheitern droht und sich nicht von der Zivilisation zähmen lässt.

Mainspring von Jay LakeDem jungen Uhrmacherlehrling Hethor erscheint ein Engel mit der Aufgabe, den drohenden Weltuntergang abzuhalten: Die Uhrfeder der Welt muß wieder aufgezogen werden, sonst läuft der Mechanismus aus, der die Erde auf ihrer Bahn um die Sonne hält. Beherzt zieht Hethor los, als erstes zum Hof von Boston, um den englischen Vizekönig von seiner Mission zu überzeugen und um Hilfe zu bitten. Dort ist er aber leider an der falschen Adresse, wird verlacht und schließlich ins Gefängnis geworfen, denn manche erkennen in seiner Mission auch eine Gefahr. Doch so schnell gibt Hethor nicht auf, und er kann auch auf einige geheime Unterstützer zählen …

-The angel gleamed in the light of Hethor’s reading candle bright as any brasswork automaton.-
One

Luftschiffe? Oh ja, ganz genau so, wie es wunderbar von Stephan Martiniere auf dem Cover in Szene gesetzt wurde. Zahnräder? Die größten und wichtigsten, die man sich vorstellen kann, denn sie halten die Welt in Bewegung und sorgen dafür, daß das Universum als göttliches Uhrwerk funktioniert. Entdeckungsfahrten? Hinter den himmelhohen Wällen des Äquators wartet die unerforschte Südhalbkugel, eine Welt, in der die Zivilisation noch nicht angekommen und Magie die treibende Kraft ist.
Mit kleinen Einsprengseln aus der (Kultur-)Geschichte unserer Welt und viel, viel Erfindungsreichtum hat Jay Lake das Konzept “Steampunk” komplett auf die Spitze getrieben: In einer Welt, in der das britische Empire – dessen Klassengesellschaft von Charles Dickens importiert sein könnte – noch über Nordamerika als Kolonie verfügt, kreist die Erde auf einer metallenen Umlaufbahn um die Sonne, und wenn unser verwaister Held Hethor ganz genau hinhorcht, kann er um Mitternacht die Zahnräder einrasten hören.
Dieses mechanistische Weltbild, dessen Beweis göttlicher Schaffenskraft nachts jedem vor Augen steht, hat theologische Konsequenzen, von denen die Kreationisten unserer Welt nur träumen können. Umso fataler ist Hethors Beharren darauf, daß der göttliche Mechanismus fehlgeht – das sorgt für Aufruhr in theologischen und wissenschaftlichen Kreisen, die bei diesem Weltbild ohnehin relativ deckungsgleich sind.

Dieses weltanschauliche Gerüst liefert den Hintergrund für Mainspring (Die Räder der Welt), im Vordergrund steht aber eine klassische Abenteuerhandlung, wie sie phantastischer kaum sein könnte: Nachdem die Aufgabe der Weltrettung ohne Umschweife auf der ersten Seite vom Erzengel Gabriel höchstpersönlich überbracht wurde, natürlich einem (zumindest in Geschichten) vollkommen naheliegenden Helden, dem unbedarften, jungen und machtlosen Lehrling Hethor, verschlägt es diesen alsbald auf ein Luftschiff der Royal Navy und von dort über die Grenzen der bekannten Welt hinaus. Bald wechseln sich gigantische Schauplätze in rascher Folge ab, wobei vor allem die Dimensionen und die Exotik der riesigen äquatorumspannenden Wälle beeindrucken, aber auch die völlig fremdartige Welt auf der anderen Seite. Hinzu kommen apokalyptische Ereignisse, wenn der auslaufende Antriebsmechanismus der Welt ins Holpern gerät – in der Welt von Mainspring ist alles eine Nummer größer, steht der Mensch ganz wie in der Zeit der Entdeckung der Erdgeschichte auf unserer Welt staunend und klein vor dem Erhabenen. Nur daß Mainspring von einem mechanischen Universum mit mechanischen Problemen handelt, in dem sich ein Uhrmacher als Messias-Figur zur Verfügung stellen muß.

Der Plot fügt sich nahtlos in dieses Konzept ein und läuft mechanisch ab, die Handlung wird von unsichtbaren Zahnrädern am Laufen gehalten, und Hethor agiert meistens nicht, sondern wird durch die Ereignisse und Kulissen geschoben. Undurchsichtige und meistens im Hintergrund agierende Helfer und Feinde sind es, die seine Abenteuer in Bewegung setzen und in Gang halten. Er selbst ist ein argloser, aber treu gläubiger Held, der zur rechten Zeit an Ort und Stelle ist, um bestimmte Hebel in die ihnen vorbestimmte Bewegung zu setzen. Daß daraus eine regelrechte Erlösungs-Maschinerie wird, bei der Hethor eigentlich nichts bleibt, als mitzumachen, setzt der leisen, leisen Kritik nur die Krone auf, die einen immer wieder fragen läßt, wie groß die Unterschiede zwischen diesem mechanischen Weltbild und unserer lang gehegten Vorstellung vom Schöpfergott letzten Endes sind, und das, obwohl wir am Nachthimmel keine Schienen glitzern sehen.
Trotzdem können weder die phantastischen Settings noch die zunehmend phantastische Handlung darüber hinwegtäuschen, daß diese sichtlich gelenkte Plotführung der Erzählung nicht sonderlich dienlich ist: Sie kommt beim Leser als reine Willkür an, Hethors treuliches Beharren auf seiner Queste und die verworrenen Loyalitäten und Motivationen von Freund und Feind entziehen sich jeglichem Verständnis. Das Experiment, auch die Handlung wie ein Uhrwerk ablaufen zu lassen, ist allenfalls interessant, scheitert aber daran, eine dynamische Struktur zu schaffen.

Spaß kann man mit Mainspring trotzdem haben, wenn man die Komponente der irrwitzigen Abenteuer und des Staunens über immer neue Wunder mehr schätzt als die Spannung und Logik der Handlung. Liebenswerte Figuren und Völkchen schlagen sich auf Booten, Luftschiffen und riesigen Leitern und Treppen durch die Welt, und Hethor muß zumindest einige gesellschaftliche Dogmen über Bord werfen, um zu überleben. Die übertriebene Konzepttreue, der Jay Lake mechanisch folgt, läßt die Queste dabei allerdings zur unzureichenden Nebensache verkommen.

Die Märchen von Beedle dem Barden von Jonne K. RowlingMärchen gibt es schon seit Urzeiten in jeder Kultur. Auch die Zauberer und Hexen aus dem Harry-Potter-Universum haben ihre eigenen Märchen, die uns Muggles nun ebenfalls vorgestellt werden. Von springenden Zauberkesseln, über spitzfindige Hexen bis hin zum Zauberbrunnen begegnet der Leser allem, was das junge Herz begehrt.

Zu Die Märchen von Beedle dem Barden liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Märchenmonds Erben von Wolfgang & Heike HohlbeinErneut gelangt Kim nach Märchenmond, in die Welt hinter den Träumen. Eine neue Generation ist herangewachsen, die weder an Magie noch an Träume glaubt. Die Alten wollen nicht verstehen, dass ihre Erben ihr eigenes Leben gestalten möchten. Kim gerät zwischen die Fronten der Generationen, die einander erbarmungslos bekämpfen. Mithilfe des alten, weisen Zauberers Themistokles erhofft sich Kim, den Krieg beenden zu können. Doch als er nach einer langen, gefahrvollen Reise endlich nach Gorywynn gelangt, erfährt er, dass Themistokles seine Kräfte in eine Glaskugel gebannt hat. Jene Glaskugel ging jedoch verloren und die Suche nach ihr wird zu einem haarsträubenden Wettlauf mit der Zeit …

-Kim beobachtete eine Gruppe junger Punker, die auf der anderen Straßenseite entlangschlenderte und offensichtlich auf Streit aus war …-

Mit dem dritten Band der Märchenmond-Reihe wollten Wolfgang & Heike Hohlbein wohl einen würdigen Abschluss setzen, was ihnen teilweise auch gelungen ist. Trotz allem kommen auch hier typische Hohlbein-Merkmale zum Vorschein. Die Art, wie Kim diesmal in das Reich der Träume gelangt, ist äußerst unrealistisch und schwer nachvollziehbar. Die Handlung selbst ist meiner Meinung nach etwas abgedroschen, Kims Agieren in Märchenmonds Erben wirkt wie eine Wanderung ins Blaue. Er gerät von einem Abenteuer ins nächste, ohne jegliche Verschnaufpause. Wird er bei einem Abenteuer verletzt, heilen seine Wunden geradezu unheimlich schnell – schwer nachvollziehbar für ältere Leser.
Auch muss der Leser auf altbekannte Charaktere verzichten. Lediglich der Riese Gorg und Themistokles geben sich die Ehre, doch sind beide zu alt, um an Kims haarsträubenden Abenteuer teilzunehmen. Mit den neuen Figuren wollte man wohl ein bisschen Humor in das ganze Geschehen bringen, was nur an manchen Stellen gelungen ist. Viele Szenen, gerade die Streitereien zwischen der Spinne und der Elfe Twix wirken für erfahrenere Leser übertrieben, wobei junge Leser wohl aber durchaus ihre Freude daran finden werden.
Ein Lob hab ich allerdings: Die Veränderung Märchenmonds ist gut gelungen. Am Anfang zwar verwirrend, doch bringt einen diese Verwirrung auch dazu, weiterzulesen, weil man unbedingt wissen möchte, was eigentlich los ist. Schon früh wird der Leser mit dem Hauptthema, der Hohlbein-Moral in dieser Geschichte, konfrontiert – dem Generationskonflikt. Dies zeigt sich auch an Kim, der mittlerweile erwachsen geworden ist und nicht mehr an Märchenmond glaubt. Eine weitere Idee, die mir besonders gut gefallen hat, ist der Friedhof am Ende der Welt Märchenmonds, durchaus eine der besten Szenen des Buches. Trotz dieser kleinen Mängel ist es den Autoren mit Märchenmonds Erben also gelungen, einen überzeugenden Abschluss der Reihe zu setzen, so dass man das Buch nach dem Lesen mit einem traurigen Lächeln zuklappt.

Der ursprünglich auf drei Teile ausgelegten Reihe folgten 2005 und 2006 weitere Fortsetzungen, die zwar in der Welt Märchenmonds spielen, jedoch mit gänzlich neuen Charakteren besetzt sind.

Mayhem von Sarah PinboroughEs ist 1888 und zerstückelte Frauenkörper pflastern die Straßen in Whitechapel, London. Dr. Bond untersucht die gefundenen Überreste und kommt schon bald zu der Erkenntnis, dass Jack the Ripper nicht der einzige Serienmörder ist. Ein zweiter Killer treibt sich in den Armenvierteln herum und erlegt seine Opfer auf weit grausamere Weise. Was ist seine Motivation? Weshalb finden sich so viele Körperteile in der Themse wieder und andere bleiben verschollen? Bald schon macht Dr. Bond eine dämonische Entdeckung, die sein rationaler Verstand nicht zu begreifen bereit ist.

– »You cannot see it,« he whispered, eventually. »You cannot.« He smiled at her, and she found that she was sobbing. »But I will tell you a secret,« he whispered into her ear. There was a moment’s pause, and in it she held her terrified breath.
»It can see you.« –
Part One

»The Carnival of blood« – so nennen die Zeitungen den Sommer der ersten Morde. Mayhem zeichnet eine alternative Realität der Ripper-Morde und fügt den Fakten ein paar neue, übernatürliche Elemente hinzu, sowie einen weiteren Killer. Das zeitgleiche Agieren der beiden Mörder ist allerdings ein wenig irritierend, da der Roman nicht klar machen kann, weshalb er diese Figuren beide braucht. Zwar gibt es eine früh genannte Erklärung, die Notwendigkeit ist jedoch zweifelhaft, da Jack-the-Ripper stets nur beiläufig genannt wird und keine rechte Funktion erfüllt. Wenn man sich davon nicht zu sehr beeindrucken lässt, ist Mayhem aber ein interessantes und blutiges Leseerlebnis mit unter die Haut kriechendem Horror. Interessant daran ist, dass es nicht die Morde selbst sind, die schocken, sondern vielmehr die langsame Entdeckung des verantwortlichen Dämons und seine … Beschaffenheit.

Aufgebaut ist der Roman in drei Teilen. Im ersten Teil werden die Morde und die Nachwehen beschrieben, die die Bestie hinterlässt. Man startet also mitten im Geschehen, während den jüngsten Mordermittlungen.
Der zweite Teil ist der wirklich unheimliche Teil von Mayhem und wirkt noch besser bei stiller Umgebung und nächtlichen Lesestunden. Hierin lernen die LeserInnen die Bestie kennen, begegnen dem Menschen, von der sie Besitz ergriffen hat, und man verfolgt die schleichende Übernahme, der der Wirt wehrlos ausgeliefert ist.
Im dritten Teil schließlich folgt das Erkennen und Aufspüren der Bestie durch die Ermittler.
Entsprechend wechselt auch die Erzählperspektive. Der Hauptteil wird aus der Sicht von Dr. Bond erzählt, ein anderer Teil aus der Sicht des allwissenden Erzählers und wieder anderes durch Zeitungsschnippsel, die entsprechend optisch aufgemacht wurden. Die Erzählung verläuft nicht in chronologischer Linie, sondern mit Sprüngen in die Vergangenheit, um zur rechten Zeit ein wichtiges Detail zu verraten. Wer Rückblenden in Büchern verwirrend findet, sollte sich Mayhem vielleicht nicht unbedingt zulegen.

Die Charaktere in Mayhem sind ein wenig blass. Dr. Bond, der Arzt mittleren Alters, bietet da noch das beste Profil mit seiner Opiumsucht, seiner Schlaflosigkeit und den Alpträumen. Begleitet wird er von einem verkrüppelten Jesuitenpriester und einem tscheschichen Einwanderer, der von Visionen geplagt wird und dank einer ausgeprägten Furcht vor dem Wasser zum Himmel stinkt. Gemeinsam versuchen sie den Dämon aufzuspüren, scheinen aber immer einen Schritt hinterher zu hinken und müssen noch dazu im Schatten der offiziellen Polizeiermittlungen agieren. Denn wer würde dem seltsamen Trio schon die Geschichte von einem Dämon in Menschengestalt abkaufen? Helfen würde es Dr. Bonds Reputation freilich nicht.

Mayhem ist ein schwierig zu beurteilendes Buch. Einerseits sind die Ideen gut, doch der Ausarbeitung mangelt es zu oft an Herz, so dass alles ein wenig oberflächlich bleibt und es schwerfällt, von der Handlung mitgerissen zu werden. Wer sich aber gerne mit einer alternativen Erzählung der Rippermorde unterhalten möchte und ein wenig Gänsehaut hier und da sucht, findet in Mayhem eine solide Story mit Potential.
Ein weiteres Abenteuer von Dr. Bond ist bereits geplant, Mayhem schließt allerdings mit einem runden Ende ab und kann für sich stehend als Einzelband gelesen werden.

Meer ohne Ufer von Sean RussellVom Palast auf eine Reise um die halbe Welt geschickt, findet sich Tristam mitten im Ozean auf einer geheimnisvollen Insel wieder. Die Bewohner empfangen die Fremdlinge offenherzig. Doch der Friede wärt nicht lange, denn Tristams Kameraden ist jedes Mittel recht, um ihren Auftrag zu erfüllen – die magische regis-Pflanze zu erlangen und zurück nach Farrland zu segeln, wo der altersschwache König bereits auf sie wartet. Doch auch zu Hause in Farrland geht es nicht gerade ruhig zu: Tristams Cousin Jaimas gerät sieht sich einer ungeheuren Intrige gegenüber, in die sogar der Kronprinz selbst verwickelt zu sein scheint. Doch was wollen die Verschwörer und was hat das Ganze mit Tristams verstorbenem Onkel zu tun, der angeblich der letzte Magierlehrling gewesen sein soll?

Zu Meer ohne Ufer liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover von Meister der Schatten von Janny WurtsAlles begann mit dem Nebelgeist. Er hüllte die Welt Athera in undurchdringliche Schleier, überzog sie mit Krieg und vernichtete das Gesetz der Hohen Könige. Fünf Jahrhunderte später lastet der Fluch des Nebelgeistes noch immer auf Athera. Nur zwei Prinzen haben die Macht, diesen zu brechen: Arithon, Meister der Schatten, und Lysaer, Herr des Lichtes, zwei Halbbrüder mit ungewöhnlichen Fähigkeiten. Wenn sie Athera retten wollen, müssen Lysaer und Arithon sich verbünden …

-Die Kriege zwischen Licht und Schatten im Dritten Zeitalter von Athera gelten als die schwerste und kampflustigste Ära in der Geschichte des Kontinents. Zu jener Zeit bekämpfte Arithon, der Herr der Schatten, den Lord des Lichts über fünf Jahrhunderte in einem blutigen und bitteren Konflikt.-
Prolog

Wie bei jedem Auftakt einer großen Romanreihe (auf Deutsch immerhin sechs Bände) kämpft auch hier der Leser zunächt mit dem bekannten Problemen: neue Welten, neue Charaktere, die Grundzüge der Handlung, alles muss erstmal erkundet und nachvollzogen werden. Allerdings merkt man bereits nach ein paar Seiten, dass sich die Autorin viel vorgenommen hat: Athera ist vielschichtig und komplex, die Handlung hat durchaus Potential und die Charaktere sind (meist) glaubwürdig und tiefgründig.
Die Handlung über die ungleichen Halbbrüder, die die Welt Athera vor dem Nebelgeist retten sollen, ist zwar nicht gerade neu, bietet aber genug Freiraum, den die Autorin mit allerlei Eigeninitiative ausfüllt. Nebenhandlungen sorgen für ein wenig Abwechslung, entwickeln aber bis jetzt keine wirkliche Eigenständigkeit, da sie früher oder später wieder zurück zum eigentlichen Handlungsstrang führen. So unglaublich viel passiert dann auf den ersten 400 Seiten auch nicht, hier wird mehr oder weniger der Grundstein für die folgenden Bücher gelegt.

Die Hauptcharakter Arithon und Lysaer sind realistisch und facettenreich gestaltet, allerdings weisen beide Charakterzüge auf, die sie für mich nicht so sympathisch machten. Was mich am meisten gestört hat, war der Übergang zwischen Dascen Elur (der Heimat der zwei Brüder) und Athera – in fünfzig Seiten über einen Thronfolger zu einem Verbannten zu einem Weltenretter. Das geht wirklich schnell, und das umbarmherzige Schicksal wird kaum bedauert. Ein wenig mehr Einfühlungsvermögen wäre zu rechtfertigen gewesen.
Der Roman liest sich gut, der Erzählstil ist lebendig und flüssig, was es leicht macht, Athera vor Augen zu sehen.
Athera ist groß und komplex. Das merkt man bereits daran, dass das Glossar über 30 Seiten lang ist. Diese Hilfe am Ende des Buches ist zwar nicht bitter nötig, allerdings zum Nachlesen und besseren Verstehen sehr passend. Es liefert weitere Informationen zu Personen und Orten, die im Roman nicht erwähnt werden, und schafft dadurch noch mehr Atmospähre. Trotz dieser überwältigenden Informationsflut wirkt alles stimmig und passend, nichts ist zuviel oder wirkt fehl am Platz.
Die Beschränkung auf wenige Charaktere, die dafür ausführlicher beschrieben werden, macht es ebenfalls leichter, dem Roman zu folgen. Insofern gibt sich die Autorin alle Mühe, dem Leser Athera und ihre Bewohner näher zu bringen, was nicht gerade selbstverständlich ist.

Cover des Buches "Der Meister und Magarita" von Michail BulgakowMoskau in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts: Berlioz, der Chefredakteur einer Literaturzeitschrift und der Lyriker Iwan Ponyrew, genannt Besdomny, diskutieren auf offener Straße darüber, ob Jesus je gelebt hat. Da mischt sich ein Fremder in das Gespräch, der behauptet, er wisse genau, daß Jesus gelebt hat, denn er sei bei der Passion Christi dabeigewesen, übrigens habe er auch mit Kant gefrühstückt und Berlioz würde noch heute abend der Kopf vom Rumpf getrennt. Offensichtlich haben es Berlioz und Besdomny mit einem Irren zu tun. Doch als am gleichen Abend Berlioz tatsächlich seinen Kopf verliert, weiß Besdomny, daß der Unbekannte keineswegs verrückt ist. Er versucht, die Miliz zu alarmieren, was zur Folge hat, das Besdomny in die Psychiatrie eingeliefert wird, da ihm natürlich kein Mensch glaubt. Dort trifft er auf den Meister, der gerade seinen Roman über Pontius Pilatus verbrannt hat. Währenddessen treibt der Teufel höchstpersönlich sein Unwesen in Moskau und verwandelt die ganze Stadt in ein Tollhaus.

-An einem ungewöhnlichen heißen Frühlingstag erschienen bei Sonnenuntergang auf dem Moskauer Patriarchenteichboulevard zwei Männer.-
Sprechen Sie nie mit Unbekannten

Der Meister und Margarita (Master i Margarita) ist eine phantastische Satire auf das stalinistische Moskau, mit Anspielungen auf Goethes Faust und auf russische Schriftsteller wie Dostojewski oder Gogol.

Dieser Roman spielt auf verschiedenen Ebenen.
Bulgakow schildert einmal, was der Satan in Moskau anrichtet. Er nennt sich “Voland”, tritt im Varieté als Magier auf und entlarvt mit seinen grotesken Zauberkunststückchen die Habgier, die Heuchelei und die Schlechtigkeit der Menschen. Außerdem gibt er einen Frühlingsball, auf dem die Geister verstorbener Sünder erscheinen. Alle, die nähere Bekanntschaft mit Voland schließen, wandern in die Psychiatrie, nur eine nicht: Margarita.

Margaritas Liebesgeschichte mit dem Meister bildet die zweite Ebene des Romans. In die Schilderung des Moskauer Geschehens werden Kapitel aus dem Roman des Meisters eingestreut. Dieser Roman behandelt verfremdet die Passion Christi und das Verhältnis zwischen Jesus und Pontius Pilatus.

Das ist die dritte Ebene des Romans. Die unverhohlenste Kritik an dem real existierenden Kommunismus unter Stalin äußert Bulgakow in der Passionsgeschichte und sagt damit gleichzeitig den Untergang des Sowjetregimes voraus. Jeschua erwidert Pontius Pilatus, der ihn verhört:

“Ich habe ihm unter anderem gesagt, … daß von jeder Staatsmacht den Menschen Gewalt geschehe und daß eine Zeit kommen werde, in der kein Kaiser noch sonst jemand die Macht hat.”

Zwar handelt es sich bei Der Meister und Margarita um anspruchsvolle Literatur, trotzdem ist das Buch leicht zu lesen, auch wenn dem Leser ab und an ein Wort begegnet, das ihm nicht geläufig ist. Um den Roman zu verstehen, ist es aber hilfreich, wenn man eine Vorstellung über das Leben im Moskau der dreißiger Jahre besitzt oder wenn man zumindest Erfahrungen mit der DDR gemacht hat. Sonst wird man kaum nachvollziehen können, warum die Menschen sich wegen einer Wohnung korrumpieren lassen oder warum Devisen eine so wichtige Rolle spielen.

Die Melodie der Masken von Ralf LehmannNach dem Tod des Alten Niemand haben sich die drei Gefährten Bolgan, Hatib und Fernd getrennt, um ihren Kampf gegen den Schwarzen Prinzen fortzusetzen und den Erft zu finden, einen sagenumwobenen, in mehrere Stücke zerteilten magischen Stein, der ihnen gegen den übermächtigen Feind helfen soll. Während Bolgan als Sklave des Schwarzen Prinzen auf eine Gelegenheit lauert, ihm seinen Teil des Edelsteins zu stehlen, und dabei in eine Gefahr gerät, die er niemals hätte voraussehen können, organisiert Hatib den militärischen Widerstand. Er findet neue Freunde und Verbündete, muss aber bald erkennen, dass kämpferische Tugenden allein nicht zum Sieg führen werden …

In den Nördlichen Königreichen regieren Nebel und Wolken. Grüne, sanfte Hügel prägen das Land, so dass die Gegend auf den ersten Blick einen fruchtbaren Eindruck macht, aber das täuscht. Weiß gewaschene Kalksteinblöcke durchbrechen die dünne Bodendecke und machen größeren Ackerbau unmöglich. Wenn Nebel über die Hügel zieht, sehen die Blöcke wie stumme Pilger aus, die sich auf eine unbekannte Suche gemacht haben.
(3. In den Ruinen von Thingal)

Auch im zweiten Teil seiner Trilogie Das Buch des Schwarzen Prinzen wartet Ralf Lehmann inhaltlich auf den ersten Blick mit klassischer Questenfantasy auf, die jedoch bei näherer Betrachtung sehr individuelle und originelle Züge entwickelt. Zwar sind einige Schwachpunkte des ersten Bandes auch im zweiten vorhanden (so scheinen bis auf Fernds Freundin Reika, die keine sehr aktive Rolle spielt, in Araukarien weiterhin kaum Frauen unterwegs zu sein), aber wenn man darüber hinwegsieht, lässt sich der erneute Ausflug in die detailliert und liebevoll ausgearbeitete Welt wieder sehr genießen.
Zum besonderen Charme des Romans trägt in hohem Maße bei, dass der Weltenbau nicht nur für eine ansprechende Kulisse sorgt, sondern untrennbar mit der Handlung verwoben ist: Zum Beispiel gestatten es die spezifischen Eigenschaften der Lande dem Kundigen, Menschen, die durch ihre Naturverbundenheit dafür empfänglich sind, auch aus weiter Entfernung zusammenzurufen. Ohnehin besteht zwischen Übernatürlichem und Naturgewalten ein enges Verhältnis, wie sich etwa an der Gestalt des Tanzenden Todes zeigt, der als mörderisch tobender Sturmwind in Erscheinung tritt, aber in Wirklichkeit ein verfluchter Riese ist. Seine Ursprungsgeschichte, in der auch eine diabolische Hexe und in Berge verwandelte Riesen erscheinen, verrät vielleicht noch stärker als andere Einzelheiten, wie sehr Lehmann sich von kontinentaleuropäischen (Orts-)Sagen inspirieren lässt und damit auf einen Bereich setzt, der, abgesehen von manchen Anklängen in Kinder- und Jugendbüchern, in der Fantasy eigentlich viel zu wenig genutzt wird. Gerade aus dieser unmittelbaren Anbindung an eine gewachsene Tradition außerhalb des Genres gewinnt der Roman jedoch einen Anschein von Authentizität.
Auch erzähltechnisch weicht Lehmann wieder vom Gewohnten ab: Statt sich der heute in der epischen Fantasy so weitverbreiteten Montagetechnik zu bedienen, in der mehrere Handlungsstränge parallel erzählt werden, führt er erst die Geschichte um Bolgan zu einem durchaus packenden vorläufigen Ende, bevor er sich Hatibs Abenteuern widmet, deren Endergebnis man zumindest in Ansätzen schon aus der Schilderung von Bolgans Erlebnissen kennt. Der Reiz besteht also nicht so sehr in der Frage, was aus Hatib wird, sondern darin, zu verfolgen, wie er dort ankommt, wo man ihn auf den letzten Seiten der Geschichte um Bolgan findet.
Hatibs Weg ist dabei recht unterhaltsam geschildert, ganz gleich, ob es ihn nun in ein wahres Spitzwegidyll von Kleinkönigreich verschlägt, das er zum Kampf gegen das bisher unbesiegte Heer des Schwarzen Prinzen motivieren muss, oder seine Reise durch unwirtliches Gebiet führt und zahlreiche Unbilden zu überstehen sind. Mit dem Waldläufer Imril ist ihm eine der lebensvollen Nebenfiguren an die Seite gestellt, die Lehmann fast mehr zu liegen scheinen als seine eigentlichen Helden.
Wie schon Die Legende von Araukarien zeichnet sich Die Melodie der Masken zudem durch wohltuende Unaufdringlichkeit aus; Tod und Verderben werden keineswegs ausgeblendet, doch setzt Lehmann eher darauf, stillere Aspekte auszuloten und sich vor allem auch mit psychischem Leid auseinanderzusetzen, statt vordergründiges Blutvergießen breit auszuwalzen. Gerade aus den Episoden um die Zwangsarbeiter zu Anfang der Bolgan-Handlung bleibt einem in dieser Hinsicht einiges im Gedächtnis, und man hofft, manch eine Gestalt im Folgeband noch einmal wiederzutreffen.
Trotz aller wohlbekannten Elemente sieht man daher am Ende des zweiten Buchs dem dritten mit Spannung entgegen und bedauert, dass Fantasy dieser Prägung es anscheinend in der Lesergunst schwerer hat als formelhaftere und nicht selten auch effekthascherische Werke.

Cover des Buches "Merlin im Elfenwald" von Jean-Louis FetjaineDie Kämpfe in Britannien gehen weiter. Merlin ist auf dem Weg in die Bretagne, um in Brocéliande, dem Wald der Elfen, nach seinem Vater zu suchen, und das Rätsel um seine Herkunft zu lüften. Das Christentum fasst immer mehr Fuß auf der Insel und verdrängt den alten, heidnischen Glauben. Merlin gerät in den Ruf, ein Hexer zu sein und sein Gefährte, Bruder Blaise, wird der Ketzerei angeklagt. Unterdessen bringt Guendoloena, die mit dem König der Skoten verheiratet ist, Merlins Sohn Artus zur Welt.

-Die Schmerzen weckten sie kurz vor Tagesanbruch, und sie waren so heftig, daß sie nach Atem rang, nicht einmal mehr dazu imstande zu schreien, die Hände in ihr linnenes Bettzeug verkrampft, die Beine vor ihrem zum Bersten prallen Bauch angezogen, und es fühlte sich wahrlich an, als ramme man ihr eine brennende Fackel in den Leib.-
1 Die Überfahrt

Man möchte laut seufzen: Fetjaine ist ein wunderbarer Erzähler. An einer Stelle beschreibt er, wie Merlin eins wird mit der Natur, quasi in ihr aufgeht. Er wird zu Wasser, zu Gras, er verwandelt sich in verschiedene Tiere, wird zum Baum. Das ist kein plumper Abrakadabra-Zauber: eben stand hier noch der Zauberer und jetzt kommt die Taube aus dem Zylinder. Das ist wunderschön erzählt und der Leser fühlt beinahe körperlich wie Merlin Teil der Natur wird und die Natur Teil Merlins. Zeit wird unbedeutend. Allein wegen dieser Szene von knapp einer Seite lohnt sich die Lektüre des Romans. Aber es gibt auch viele Kleinigkeiten, die den Genuss trüben. Es ist, als wolle man sich an einem herrlichen Sommerabend erfreuen und würde alle paar Minuten von einer Mücke gestochen.

Merlin hat mittlerweile weißes Haar, er ist seelisch gereift, er ist Vater geworden und am Ende der Geschichte ist er um die Dreißig. Die gleichaltrige Guendoloena beschreibt Fetjaine als eine erwachsene Frau und nicht mehr das junge unbekümmerte Mädchen … Eine erwachsene Frau und Königin … , aber Merlin ist immer noch -na?- richtig, das Kind und zwar bis zu viermal auf einer Seite!
Anscheinend hält entweder der Autor oder die Übersetzerin hartnäckig an der falschen Auffassung fest, daß man einen erwachsenen Mann, der ein Kindergesicht hat und zartgliedrig ist, ständig als Kind titulieren muss. Aber das Wort Kind bezeichnet einen Entwicklungsstand, den Merlin zweifellos schon längst hinter sich gelassen hat und nicht die äußerliche Erscheinung. Wenn der Katholik Günther Jauch einen Konfirmationsanzug besäße, dann würde er darin wahrscheinlich heute noch bei günstigem Licht als 14-jähriger durchgehen. Trotzdem käme niemand auf die Idee zu schreiben: “Das Kind wird im Sommer die XXX-Show moderieren”.

Oft ist nicht nachvollziehbar, warum manche Begriffe in einer Fußnote erklärt werden und andere nicht. Akribisch wird der heutige Name jedes erwähnten Ortes in einer Fußnote festgehalten, Wörter aber wie Guimpe, die nun nicht gerade zum alltäglichen Sprachgebrauch gehören, werden nicht erklärt. In weiteren Fußnoten wird angegeben, wo genau die Bibelzitate zu finden sind, die die geistlichen Herren im Munde führen, und da wirkt es doch eher seltsam oder zumindest anachronistisch, wenn man jedesmal liest: zitiert nach der Luther-Übersetzung. Zwar passt die Sprache Luthers zu der Fetjaines, aber trotzdem mutet es eigenartig an, wenn Geistliche im 6. Jahrhundert die Bibel nach den Worten eines Mannes zitieren, der erst gut tausend Jahre nach ihnen gelebt hat.

Jean-Louis Fetjaine dankt in seinem Buch Johann Goldberg für die lateinischen Übersetzungen und lobt ihn als Koryphäe auf seinem Gebiet. Goldberg hätte sicherlich die benötigten Zitate in angemessener Sprache aus der Vulgata übersetzen können. Fetjaine legt in seinem Roman sichtlich Wert auf historische Authentizität, da hätte diese Vorgehensweise seinen Intentionen besser entsprochen.

Auch eine andere religiöse Frage schadet dem Roman eher als sie ihm nutzt. Im ersten Band konkurrierte das aufkommende Christentum, repräsentiert durch den Klerus mit dem alten, auf dem Rückzug befindlichen, heidnischen Glauben vertreten durch den Barden, bzw. Druiden, Merlin.
In Merlin im Elfenwald (Brocéliande) stilisiert Fetjaine den Magier zum wiedererstandenen Christus, der von den meisten Menschen nicht erkannt und von seinem bisher so treuen “Jünger” verraten wird. Fetjaine genügt es nicht, seinem Roman einen seriösen, fundierten historischen Hintergrund zu geben, er will auch noch philosophische Tiefe hineinbringen und überfrachtet die Geschichte damit, die eigentlich eine schöne runde spannende Fantasygeschichte sein könnte — wenn nur jemand die lästigen Mücken erledigt hätte.

Midwinter von Matthew SturgesDie Intrige eines Rivalen hat Mauritane, den Hauptmann der Leibgarde der Fae-Königin Titania, unschuldig ins Gefängnis gebracht. Nach Jahren erhält er ein überraschendes Angebot: Ihm winkt Straferlass, wenn er sich auf ein Himmelfahrtskommando einlässt, über das er erst unterwegs Einzelheiten erfahren soll. Mit einigen Mithäftlingen (darunter ein amerikanischer Wissenschaftler, den es ins Feenreich verschlagen hat) stürzt Mauritane sich ins Abenteuer. Doch schon bald muss er erkennen, dass er nicht nur die Schergen von Titanias Feindin Mab zu fürchten hat, sondern auch Verrat aus den eigenen Reihen und die Anschläge seines alten Erzfeinds …

– Der Winter kommt nur einmal alle hundert Jahre über das Land. Und wenn er kommt, schließen die immerblühenden Kirschbäume ihre Blüten und wenden sich ab von dem frostigen Wind. Die Tiere des Waldes kommen von ihren Bäumen und Felsen herab und graben sich, auf der Suche nach Wärme, tief in die Erde. Die Kanalsee wird stürmisch und grau. Die Sonne scheint weniger hell und verbirgt ihr Antlitz hinter Wolken, rau wie Granit. Wenn der Fluss Ebe überfriert und ein Mensch über das Eis von Jochdorn nach Midai laufen kann, dann hat der Midwinter offiziell begonnen. –
Erster Teil

Wenn es etwas Ärgerlicheres gibt als ein durch und durch schlechtes Buch, dann wohl eines, in dem eigentlich gute Ideen durch die mangelhafte Umsetzung verdorben werden. Letzteres trifft leider auf Matthew Sturges’ Midwinter zu. Die relativ atmosphärisch geschilderte Ausgangssituation ist zwar nicht rasend originell, hätte aber durchaus eine solide Basis für einen Abenteuerplot bilden können, zumal die Vorstellung einer Parallelexistenz mehrerer verschiedener Feenwelten mit der Erde ein interessantes Setting verspricht, das Sturges denn auch mit netten Details wie winzigen Botenfeen und sprechenden Pferden würzt.

Doch nur an ganz wenigen Stellen blitzt auf, was sich aus dieser Konstellation hätte herausholen lassen, etwa wenn einer der Fae den Amerikaner unbefangen auffordert, doch mal ein bisschen Naturwissenschaft vorzuführen. Der hier so reizvoll angedeutete Kontrast der Kulturen und Denkweisen verschwimmt im Verlaufe der Queste, die sich eher wie eine mit altbekannten Abenteuerelementen gespickte Rollenspielkampagne liest.

Ein solches Konzept kann zwar aufgehen (wie etwa Richard Schwartz mit seiner erfolgreichen Askir-Reihe beweist), aber nur dann, wenn man nicht zusätzlich den Eindruck erhält, dass der Spielleiter etwas konfus ist und die Spieler es versäumt haben, ihre Charaktere überzeugend auszuarbeiten. Sturges’ Figuren wirken zumeist flach und typenhaft. Am Vielschichtigsten dürfte noch der zwischen List, Adelsstolz, Sinnenfreuden und religiöser Erweckung hin- und hergerissene Lord Silberdun angelegt sein. So gut wie jede andere Gestalt entspricht irgendeinem Klischee aus dem Rolleninventar klassischer Fantasy und entwickelt nur wenig Individualität.

Selbst der Held Mauritane bleibt erschreckend blass, und von dem ihm zugeschriebenen militärischen Genie ist, große abschließende Schlacht hin oder her, wenig zu spüren (so darf man z.B. getrost spekulieren, wie der angeblich so gerissene Stratege darauf kommt, sich und seine Gefährten mehrfach ausgerechnet als Fischhändler ausgeben zu wollen, was – wen wundert es – wenig Erfolg hat).

Wohl auch bedingt dadurch, dass einen Großteil des Romans über weder Leser noch Protagonisten erfahren, worum es bei der so hochgefährlichen Mission eigentlich geht, läuft sich die Handlung in zahlreichen Abenteuern am Wegesrand tot, die sich in recht abgehackt wirkenden Abschnitten aneinanderreihen. Eigenartige Doppeltitel für manche Kapitel (z.B. Grübeleien über Freiheit/ Ein Schemel und ein stabiler Dachbalken oder Naturwissenschaft/ Spinnen) lassen fast vermuten, dass ursprünglich eine Untergliederung in noch kürzere Szenen geplant war. Diese Knappheit kommt dem ehrgeizigen Weltenbau nicht entgegen, dessen Einzelheiten oft nur lose in den Plot eingebunden sind und bisweilen fast ungenutzt verhallen (so z.B. der Wechselbälgerschmuggel zwischen Fae- und Menschenwelt). Vielleicht will Sturges hier schon Anknüpfungspunkte für die Folgebände anlegen, aber sehr neugierig auf den Fortgang der Reihe ist man nach diesem wenig überzeugenden Auftakt eigentlich nicht.

Der letzte Rest Unterhaltungswert geht dem Roman durch die sprachliche Gestaltung der Übersetzung verloren. Der Satzbau klammert sich stellenweise wortwörtlich ans Englische, bis hin zu umständlichen Partizipialkonstruktionen wie Königin Mab in ihrer silbernen und goldenen Sänfte in Sicherheit bringend. Daneben tauchen immer wieder Grammatikfehler (v.a. bei Verbformen) auf, aber es fehlt auch jedes Gespür für sprachliche Feinheiten: Der Unterschied zwischen der Verdienst und das Verdienst scheint ebenso unbekannt zu sein wie der zwischen den Anreden Sir und Sire, die fröhlich abwechselnd und anscheinend synonym für dieselben Personen gebraucht werden.

So legt man Midwinter am Ende unbefriedigt aus der Hand und stellt sich allenfalls die Frage, was für ein Buch wohl entstanden wäre, wenn jemand denselben Grundgedanken wie Sturges gehabt und mehr daraus gemacht hätte.

Cover von Eine Milliarde Jahre vor dem Weltuntergang von Arkadi & Boris StrugatzkiIn einer etwas heruntergekommenen Stadt in der Sowjetunion während eines brütend heißen Sommers sitzt der Astrophysiker Maljanow an seiner Arbeit und steht vor einer großen Entdeckung, doch ständig wird er von seinen Berechnungen abgelenkt. Seltsame Dinge passieren, nicht nur ihm, sondern auch seinen Freunden, dann wird sein Nachbar tot aufgefunden und plötzlich steht die Geheimpolizei vor seiner Tür …

-Waingartens Recht auf die Freiheit wissenschaftlicher Neugier. Keine schlechte Ware, Alter, das musst du zugeben! Wenn auch ein Ladenhüter!- S. 366

Eine Milliarde Jahre vor dem Weltuntergang. Eine unter seltsamen Umständen aufgefundene Handschrift (auch bekannt als Milliarden Jahre vor dem Weltuntergang. Eine unter seltsamen Umständen aufgefundene Handschrift) liest sich die ganze erste Hälfte über wie ein spannender Mystery-Thriller, ein Ereignis jagt das nächste, Verschwörungstheorien werden gesponnen und wieder verworfen, doch Maljanow und seine Freunde tappen im Dunkeln und mit ihnen der Leser oder die Leserin.

An diesem Punkt vollzieht der Roman eine gelungene Wendung zum Lebensphilosophischen, weg von Verschwörungstheorien, hin zu der Frage, wie weit der Einzelne zur Verwirklichung seiner Überzeugungen gehen soll und kann, wenn es doch andere leichtere, für ihn und seine Familie sicherere oder sogar (vermeintlich) lohnenswertere Wege gibt, die eben nicht zu diesem Ziel führen. Auch wenn darin der Entstehungskontext des Romans – die Sowjetunion – deutlich erkennbar ist, zeigt sich ebenso, wie zeitlos diese Thematik ist. Arkadi und Boris Strugatzki verstehen es außerdem, das Wackeln mit dem moralischen Zeigefinger zu unterlassen und zugleich den Leser/die Leserin auf den Boden allzu menschlicher Tatsachen herunterzuholen, ohne dabei der Resignation anheimzufallen. Dies gelingt ihnen vor allem durch die sehr gelungen skizzierten Figuren, anhand derer die vielen Ambivalenzen des Themas beleuchtet werden und die einem, trotz der Kürze des Romans, bald ans Herz gewachsen sind. Zumal durch sie immer wieder auch eine feine Prise Humor ihren Weg in die Handlung findet und für angenehme Auflockerung sorgt.

Der Roman ist jüngst in Band 2 der Werkausgabe der Gebrüder Strugatzki (ISBN: 978-3-453-52631-0) neu aufgelegt worden und wird darin durch einen knappen Kommentar von Boris Strugatzki zur Entstehung desselben sowie durch ein Verzeichnis literarischer und filmischer Zitate ergänzt, das wunderbar aufzeigt, mit wie vielen Anspielungen die Strugatzkis gearbeitet haben und das als Startpunkt für weitere Recherchen dienen kann, denn mehr als bibliographische Angaben zum zitierten Werk enthält das Verzeichnis nicht.

Mit Mantel und Degen, Band 7: Der ChimärenjägerAls die beiden Edelleute Don Lope de Villalobos y Sangrin und Don Armand Raynal de Maupertuis edelmütig ihre Hilfe bei einem Entführungsfall in Venedig anbieten, ahnen sie noch nicht, dass sie damit in ein Abenteuer schlittern, das sie auf die Galeere, zu exotischen Inseln und letzten Endes sogar auf die dunkle Seite des Mondes führen wird. Nie sind sie um eine Herausforderung zum Duell oder einen treffenden Spruch verlegen. Sie gehen keinem Kampf aus dem Weg, finden unerwartete Freunde, verlieren ihre Herzen an schöne Damen und machen sich einen Todfeind …

»Das unverschämte Substantiv,
das Ihr mit viel Emphase
zu nennen Euch erkühntet …
nun sagt schon, war es …« »Nase?«
Akt VIII: Der Fechtmeister

Eine comédie heroïque nennt der französische Verlag in einem Teaser-Video zu Band 8 die inzwischen beinahe vollendete Comic-Reihe Mit Mantel und Degen (De cape et de crocs) und trifft damit den Nagel auf den Kopf – in jedem Band öffnet sich der Bühnenvorhang erneut für Abenteuer und Humor, Action, Heldenmut, Charme und Verse voller Witz. Wer beim Titel an Errol Flynn, den roten Korsar oder drei Musketiere denkt, liegt damit goldrichtig, aber: Don Lope ist ein Wolf und Maupertuis ein Fuchs. Vereinzelt treten in der Überzahl menschlicher Figuren auch andere Tiere auf – und das funktioniert nicht nur, es funktioniert sogar hervorragend, da die Tatsache immer wieder in die Handlung eingeflochten und mancher Schabernack mit Fabelmotiven getrieben wird.
Formal steht Mit Mantel und Degen (im Original: De cape et de crocs, mit Mantel und Zähnen 😉 ) in bester frankobelgischer Albentradition: Es gibt einen durchgehenden, abwechslungsreichen Handlungsbogen und viele prominente Nebenfiguren, die den Weg des caniden Heldenduos immer wieder kreuzen, der Zeichenstil ist opulent und detailreich mit teils sehr atmosphärischer Farbpalette und holt auch aus einigen Klassikern des Comics (z.B. Panels ganz in schwarz, bei denen man nur Augen und Sprechblasen sieht) immer wieder etwas Neues heraus. Herrlich spritzige Dialoge stehen neben einem Ideenreichtum, der bei identitätsgestörten Piraten und kleinen, weißen Hasen, auf die der Kapitän eine Golddublone ausgesetzt hat, nur seinen Anfang nimmt.

Während der erste Band, Das Geheimnis des Janitscharen, fast schon betulich in die Geschichte einführt, geht es spätestens ab Unter schwarzer Flagge (Band 2) richtig zur Mit Mantel und Degen, Band 2: Unter schwarzer FlaggeSache: wahnwitzige Verfolgungsjagden, Meuterei auf der Galeere und später anhängliche Kraken und ein verbannter Prinz erwarten die Helden, deren anfängliche Schatzsuche schnell zu einer Sache der Ehre und der Rettung von Idealen wird.
Wer nun glaubt, Mit Mantel und Degen wäre vor allem laut, bunt und actionreich, kann beruhigt werden, denn Szenarist Alain Ayroles beherrscht vor allem die leisen Töne: Famoser Slapstick und subtiler Witz gehen stets Hand in Hand, und es wird niemals plump, auch nicht bei den grandiosen Abenteuern, deren viele Zufälle sich oft als geschickt verzahnte Entwürfe erweisen, die genauso elegant ineinandergreifen wie die geistreichen Dialoge, die mitunter zum Schlagabtausch in Versen ausarten.
Und während Handlung und Schauplätze immer phantastischer werden, atmet Mit Mantel und Degen doch immer den Hauch seiner Epoche und ist fest im 17. Jahrhundert verankert.

Dazu trägt zu einem nicht unerheblichen Teil die Fülle an Anspielungen bei, die sich in dieser Comic-Reihe verbergen: Neben den naheliegenden Klassikern von La Fontaine bis Dumas wird die französische Literatur in einem Maße abgegrast, dass der nicht-frankophile Leser das Nachsehen hat und gerade noch seinen Molière und Cyrano de Bergerac zusammenkratzt. Des weiteren blitzt immer wieder die Commedia dell’arte auf, zeitgemäße Staatsutopien werden aufgegriffen, die Geschichte der Dichtung, Philosophie und Wissenschaften bemüht, und sogar Gemälde finden sich in Bildanspielungen, von Théodore Géricault über Munch bis Warhol. Man sieht also, auch die Moderne kommt zum Zug, auch in Verweisen auf Lemmings, Der weiße Hai oder Alien. Es geht aber mitnichten nur um ein Abspulen möglichst vieler Referenzen, besonders die Metaebene der Dichtkunst wirkt immer wieder auf die Handlung zurück, und dabei drängt sich durchaus auch einmal ein Kommentar zum aktuellen Literaturschaffen auf, etwa wenn die Gedichtproduktion auf dem Mond angekurbelt wird, wo Verse als Zahlungsmittel dienen.

Mit Mantel und Degen, Band 8: Der FechtmeisterEine weitere Ebene von Mit Mantel und Degen sind die vielen Details – Nebensächlichkeiten, aber auch Genaueres zur Haupthandlung findet man immer wieder im Hintergrund der Bilder, zwischen den Zeilen, subtil verschleiert. Es lohnt sich, ganz genau hinzuschauen – oder genauso, einfach zu lesen und großen Spaß zu haben, und dann, bei einem zweiten Durchgang, noch viel größeren. Denn Mit Mantel und Degen funktioniert auf jeder Ebene und ist auf der vordergründigen bei aller Feinheit eine gute Geschichte für Freunde von Seeabenteuern (die nicht immer mit Schiffen bestritten werden), phantastisch-verrückten Maschinen und der Erkundung weißer Flecken der Landkarte.

In einer Welt, in der das Wort Waffe oder Währung sein kann, auch wenn genauso oft der Degen zum Zug kommt, spielen auch rhetorische Figuren und Sprache eine große Rolle. Übersetzer Harald Sachse hat hier hervorragende Arbeit geleistet, die Gedichte übertragen, auch wenn der vom Dichterhelden Maupertuis vielgepriesene und -verwendete Alexandriner im Deutschen problematisch ist. Die ein oder andere Anspielung geht verloren (woher die Mitglieder des lunaren Kadettenkorps ihre Namen haben, wird z.B. einem französischen Leser eher aufgehen, wenn ihm Colin, Aldrin und Fort-à-Bras (=Armstrong), der im Deutschen “Ursus” genannt wird, zum ersten Mal begegnen), doch im Bereich des Möglichen ist die deutsche Ausgabe eindeutig gelungen.

Wer das charmante, kluge Ensemble rund um Fuchs und Wolf kennenlernen will, darf sich auf 10 randvolle Bände freuen, in denen sich keine überflüssige Szene findet. Nach dem noch nicht erschienenen letzten Band (im Original für Ende des Jahres angekündigt) soll es evtl. mit einem Spin-off weitergehen.
Auch wenn das grand finale noch aussteht: Mit Mantel und Degen hat alles, was man von bester franko-belgischer Comic-Fabulierkunst erwartet – und legt immer noch eine Schippe obendrauf.

Als Bildbeispiel soll das oben erwähnte Teaser-Video dienen, das aus den Bänden 1-7 zusammengestellt ist:
http://www.youtube.com/watch?v=JK20JfbAB9Y

Mittelerde von Rudolf SimekRudolf Simek, einer der Experten für germanische und altnordische Mythologie und Literatur, spürt  durchaus mit wissenschaftlichem Anspruch in zehn Kapiteln dem Einfluss seiner Fachgebiete auf Tolkiens Werk nach. Dabei befasst er sich mit den unterschiedlichsten Aspekten: Von geographischen Konzepten über Personennamen und Fabelwesen bis hin zu Runenschriften und literarischen Motiven wird so gut wie alles angerissen, was in die Gestaltung von Mittelerde eingeflossen ist oder sein könnte. Vielfältiges Bildmaterial (das unter anderem eine mittelalterliche Weltkarte und Zeichnungen archäologischer Funde umfasst) rundet das Bändchen ab.

– Wenn vieles aus Tolkiens Werk in diesem Büchlein keine Erwähnung findet, dann einerseits wegen der Beschränkung des Umfangs, andererseits, weil eben nur deutliche Anklänge germanischer Stoffe, Motive oder Namen aufgenommen wurden – natürlich gibt es noch eine Menge zu entdecken. –
Einleitung

Simeks kompakte Untersuchung über den Einfluss der altnordischen und allgemein germanischen Literatur und Mythologie auf Tolkiens Werk basiert unter anderem auf einer Vorlesung zum selben Thema. Dies mag ein Grund dafür sein, dass die einzelnen Kapitel ein wenig unverbunden wirken: Bis auf die knappe Einleitung fehlt ein Rahmen, der eine Einordnung der Einzelergebnisse in einen Gesamtkontext oder auch nur etwas wie ein Fazit bieten würde.

Ist man aber bereit, sich auf dieses Fehlen einer übergreifenden Deutung einzulassen, sind die einzelnen Abschnitte recht lesenswert. Simek ist die Begeisterung für sein Thema deutlich anzumerken, und er geht liebevoll ins Detail, wenn er etwa den Einfluss der mittelalterlichen Kosmographie auf den Weltenbau Mittelerdes zu ergründen versucht oder aber die von Tolkien vorgenommene Umwandlung historischer Runenschriften in eigene Systeme analysiert (hierbei erlaubt gut gewähltes Bildmaterial dem Leser eigene Vergleiche von Tolkiens Runen mit den historischen Vorbildern). Auch die Überlegungen zu den Inspirationen, die in die verschiedenen Völker und Wesen von Tolkiens Welt eingeflossen sind, nehmen breiten Raum ein. Gelegentlich treten dabei Perspektiven in den Vordergrund, die auch sonst zu Simeks erklärten Forschungsinteressen gehören, so etwa, wenn er sich sehr ausführlich Odin widmet, dessen ambivalente Natur er in mehreren Bewohnern Mittelerdes widergespiegelt sieht. Etwas zu knapp und eklektisch fallen dagegen die Hinweise auf für Tolkien zentrale literarische Motive aus; hier hätte man sich eine tiefergehende Interpretation gewünscht. Simek ist dabei bemüht, nie den Forschungsstand der für Tolkien wohl prägenden Jahre aus den Augen zu verlieren, und projiziert nicht voreilig modernes Wissen in die damalige Zeit zurück. So führt er z.B. akribisch auf, welche Ausgaben altnordischer Texte Tolkien zur Verfügung gestanden haben könnten, und äußerst sich auch zu dessen eigenen akademischen Arbeiten auf dem Gebiet der älteren Literatur.

Leider hält er diese wissenschaftliche Exaktheit in manch anderer Hinsicht nicht durch. Schon auf den ersten Blick fällt eine gewisse Inkonsequenz bei der Zitierweise auf: Während die Zitate aus Tolkiens Romanen regelmäßig zweisprachig (Englisch-Deutsch) wiedergegeben werden, sind seine Briefe nur auf Deutsch zitiert, ebenso die zum Vergleich herangezogenen Abschnitte aus altnordischen Texten. Dies mag Platzgründen geschuldet sein, verwirrt aber dennoch in seiner Uneinheitlichkeit ein wenig. Auch Simeks Genauigkeit lässt an einigen Stellen zu wünschen übrig. Man mag noch mit leisem Kopfschütteln darüber hinwegsehen, dass Schreibfehler wie Rivendale statt Rivendell und Celbrimbor statt Celebrimbor sowohl im Fließtext als auch im Register auftauchen, aber nachdenklich wird man, wenn man erkennt, dass Simek offenbar auch fachlich nicht immer ganz sauber recherchiert hat. Wenn er etwa das Wort Elben als deutsche Mischprägung (…) aus „Alben“ und „Elfen“ erklärt, suggeriert das einen Neologismus, der so nicht gegeben ist: Der Begriff ist immerhin schon bei Heinrich von Morungen um 1200 belegt, und das Grimm’sche Wörterbuch nennt weitere Verwendungen bis ins 18. Jahrhundert, in dem sich dann ans Englische angelehnt Elfen durchsetzte. Eine ähnliche Vergröberung liegt vor, wenn Simek bei seinen Überlegungen zur Herkunft der Hobbitnamen Drogo als rein normannischen Namen klassifiziert und damit die zahlreichen und zeitlich früher einzuordnenden Belege für diesen Namen im fränkischen Adel des Frühmittelalters unterschlägt. Gerade bei einem verdienten und anerkannten Wissenschaftler wie Simek enttäuscht einen diese Flüchtigkeit natürlich.

So bleibt man am Ende mit einem etwas zwiespältigen Eindruck zurück. Der interessierte Tolkienleser, der sich noch nicht tiefergehend mit altnordischer Mythologie und Literatur beschäftigt hat, wird hier durchaus Wissenswertes finden, und Simeks Ansatz,  Fantasyliteratur zum Gegenstand rezeptionsgeschichtlicher Forschungen zu machen, ist gewiss nicht verkehrt. Man wünscht sich nur, es wäre ihm gelungen, aus Mittelerde – Tolkien und die germanische Mythologie auch tatsächlich ein richtungsweisendes Buch zu machen, das die im deutschen Sprachraum immer noch unterentwickelte wissenschaftliche Beschäftigung mit der Fantasy hätte voranbringen können.

Moon Called von Patricia BriggsMercy ist was Besonderes. Es könnte daran liegen, dass sie Mercedes heißt und eine Volkswagenreparaturwerkstätte betreibt, an ihren Tatoos, an ihren seltsamen Freunden (eine Adoptivfamilie von Werwölfen, ein Undercoverpolizist mit einer besonderen Gabe; ein Gremlin, der in Harvard studiert, und noch mehr) oder daran, dass sie eine Art Gestaltwandlerin ist und sich in einen Koyoten verwandeln kann. Wie auch immer. Als Nachbarskind und pupertäre Neunmalkluge Jesse entführt und deren Vater (der ganz nebenbei der Anführer des örtlichen Werwolfrudels ist) beinahe getötet wird, muss sie beweisen, was in ihr steckt. Dabei hat sie mit arroganten Werwölfen, anmaßenden Ex-Freunden und böswilligen Geschöpfen der Nacht zu tun.

-A werewolf tossed me against a giant packing crate while I was trying to rescue a frightened young girl who’d been kidnapped by an evil witch and a drug lord.-

Die größte Stärke von Moon Called (Ruf des Mondes)ist die Protagonistin Mercedes Thompson alias Mercy. Sie ist ein erfrischender weiblicher Charakter mit Ecken und Kanten. Einerseits heben sich ihre soziale Stellung und äußeres Erscheinungsbild stark von der Norm ab (das Coverbild trifft sie perfekt), andererseits bietet sie hohes Identifikationspotential, da sie eine bewundernswerte Persönlichkeit ist. Mercy ist sexy ohne billig zu wirken, ist stark, kann aber Schwäche zulassen, ist unabhängig und doch eine engagierte Freundin. Sie ist stur, weiß aber, wann sie nachgeben muss, hat Humor, obwohl sie es nicht immer leicht hat und vor allem, sie ist eine Frau, kein Mädchen. Kurz, Mercy ist eine “gewachsene” Persönlichkeit, die man auch im realen Leben gerne kennen würde.
Den zweiten Riesen-Pluspunkt können die Nebencharaktere für sich verbuchen. Normalerweise besteht bei einer derart starken Hauptfigur die Gefahr, dass die Nebencharaktere blass wirken oder ins Stereotypenhafte abgleiten – das Gegenteil ist der Fall. Sie wirken unglaublich real und sind selbst starke Sympathieträger. Als # starb, hätte ich am liebsten geheult, obwohl ich ihn erst seit einigen Seiten kannte. Außerdem gehören Briggs Charaktere den verschiedensten ethnischen und sozialen (Rand-)Gruppen an (und damit meine ich nicht das Feenfolk und andere Zauberwesen). Weiß, männlich und protestantisch bildet hier die Ausnahme von der Regel. Und wenn man sieht, wie vielschichtig und ausbaufähig die Haupt- als auch die Nebenfiguren sind, kann man erkennen, dass der Autorin mehr als nur eine Geschichte unter den Nägeln brennt.
Die Geschichte selbst ist gut und spannend geschrieben, selten vorhersehbar und nebenbei ist auch eine Love-Story am köcheln (Kitschfaktor kleiner gleich Null). Für deutsche Leser besonders amüsant sind die eingebauten dt. Heldensagen und deutsche Konversationsfetzen – einfach süß!
Nur gegen Ende gibt es ein, zwei kleinere Wehwehchen, die wahrscheinlich durch überhastetes Schreiben zustande gekommen sind. Einmal weicht Patricia Briggs vom obersten Gebot der Autorenzunft ab (“show, don’t tell”) und lässt zwei Figuren (Mercy und Christiansen) einander die Handlung samt gegenwärtigem Stand der Verschwörungstheorie erklären. Es reißt den Leser aus dem bis dato flotten Tempo heraus und wirkt etwas unbeholfen. Auch vom eigentlichen Gegenspieler, der die Fäden im Hintergrund zieht, hätte ich mir mehr erwartet als die letztendlich etwas lahme Konfrontation. Aber bitte, bitte, lasst euch nicht von meiner etwas pingeligen Kritik davon abhalten, dieses fantastische Buch zu lesen!

Cover des Buches "Mordred, Sohn des Artus" von Nancy SpringerKauls Fischermutter hat dem Jungen erzählt, der Meergott Llyr hätte ihn zu ihr geschickt, um sie über den Tod ihres Kindes hinwegzutrösten. Der Fischer und seine Frau nahmen sich des Kindes an, zogen es auf und liebten es wie ihr eigenes. Doch eines Tages erfährt der Knabe die Wahrheit über seine Herkunft: Kauls richtiger Name ist Mordred, sein Vater ist König Artus. Merlin hatte einst prophezeit, dass Mordred seinen Vater töten würde und um dem Schicksal zu entgehen, hatte Artus versucht, seinen Sohn zu ermorden. Doch selbst als Mordred davon erfährt, hasst er ihn nicht so sehr, dass er Artus töten wolle. Dann aber wird Mordred zum Spielball der Interessen Nyneves, Morgauses und Merlins und das Schicksal nimmt seinen Lauf.

-Weil er der König war, durfte er in dieser Sache keine Gefühle zeigen. Der Wind blies kalt vom schwertgrauen Meer heran, über dem gekrönten Haupt des Königs kreisten schreiende Möwen und zu seinen gestiefelten Füßen lagen vierzig nackte Säuglinge auf dem dunklen Sand, die noch lauter schrien.-
Prolog

Ein grobschlächtiger, verschwitzter Mann, mit strähnigen Haaren und hasserfülltem Blick jagt König Artus das Schwert mit solcher Wucht in den Körper, dass es auf der anderen Seite wieder heraustritt. So kennt man es aus diversen Artus-Verfilmungen und auch diejenigen, die die Artus-Sage nur gelesen haben, dürften eine ähnliche Vorstellung von Mordred entwickelt haben.

Nancy Springers Mordred ist völlig anders. Springer erzählt von einem sechsjährigen Knaben, der zum Mann heranreift. Dieser Heranwachsende ist kein hasserfüllter Jugendlicher, der auf Rache sinnt, nach Macht strebt und darauf wartet, dass seine Stunde kommt. Mordred ist ein Kind, das leidet. Mordred leidet unter dem Makel seiner Geburt, er leidet darunter, dass die ganze Hofgesellschaft sich entweder vor ihm fürchtet, ihn verspottet oder ihn verabscheut, denn alle wissen, dass er es sein wird, der den guten und gerechten König Artus töten wird.
Aber Mordred will Artus nicht töten. Obwohl es ihn schmerzt, dass sein eigener Vater ihn umbringen wollte, liebt und achtet er ihn, wie es alle anderen auch tun, denn Artus ist in der Tat ein guter und edler Herrscher. Und so stellt sich Mordred die Frage, ob es keinen Ausweg gibt, der Prophezeiung zu entgehen. Ist das Schicksal wirklich unabänderlich oder ist Schicksal nichts anderes als die Art, wie man sein Leben lebt und somit individuell gestaltbar.
Mordred jedenfalls will nicht daran glauben, dass das Schicksal unentrinnbar vorherbestimmt ist, er ist gewillt, es selbst in die Hand zu nehmen. Dieser Wille trägt ihm zu allem Überfluss auch noch den Ruf eines Feiglings ein, denn Mordred verhält sich nicht so, wie es unter Artus’ Rittern üblich ist. Er sucht nicht den Kampf und kämpft nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt, dann aber ficht er tapfer und siegreich, er freut sich nicht an vergossenem Blut und wenn er aus einer Höhle das Fauchen eines Drachen hört, reitet er vorüber. Der Mann ist kein Feigling, der Mann ist vernünftig. Doch diese Art von Vernunft steht bei Rittern wie Gawain nicht hoch im Kurs, der seine Mutter und ihren Liebhaber niedermetzelt um der Ehre genüge zu tun.

Manchmal entsteht beim Lesen der Eindruck, Nancy Springer sei es nicht ganz gelungen, sich in die Psyche eines jungen Mannes einzufühlen und deshalb habe Mordreds Charakter teilweise weibliche Züge. Aber das stört nicht, denn Mordreds Charakter ist absolut schlüssig und es sei hier mit Nachdruck betont, dass Mordred vielleicht einige Verhaltensweisen aufweist, die man eher einer Frau zuordnen würde, dass er aber niemals auch nur im entferntesten den Eindruck macht, weibisch zu sein.
Mordred leidet unter seinem von ihm unverschuldeten Schicksal, und unter den Spielchen die Nynyve, Morgause und Merlin mit ihm treiben, er quält sich, er ist empfindsam und je weiter sich der Roman dem Ende zuneigt, um so mehr fragt sich der Leser, wie dieser seelenvolle Mann, je dazu imstande sein soll, seinen Vater auf dem Schlachtfeld zu töten.

Es ist das letzte Drittel der Geschichte, das Nancy Springers Geschichte zu einem Highlight macht. Dieses letzte Drittel bietet eine großartige, schlüssige und bis dahin nicht vorhersehbare Erklärung für das Ende ihres Romans. Wie dieses Ende aussieht wird natürlich nicht verraten. Vielleicht ist es das Ende, wie man es aus der Artus-Sage kennt, vielleicht hat Nancy Springer Mordreds Geschichte aber auch ganz neu geschrieben. Der Rezensent weiß es, er sagt es aber nicht weiter. Nur so viel: Das Ende ist erschreckend und wunderschön, es ist traurig und glücklich und voller Liebe.
Ein Stapel Taschentücher in Reichweite könnte von Nutzen sein.

Cover des Buches "Münchhausen erzählt" von Gottfried August BürgerDer Baron Münchhausen, ein passionierter Waidmann und Reisender aus Leidenschaft, erzählt am Abend bei einem Glas von seinen haarsträubenden Abenteuern. So erzählt er, wie er sich selbst am eigenen Zopf samt Pferd aus dem Sumpf zog, wie er auf einer Kanonenkugel ritt um den Feind auszuspähen, wie er von Riesenfischen verschlungen wurde, zum Mond reiste und unzähliges mehr.

-Ich trat meine Reise nach Rußland von Haus ab mitten im Winter an, weil ich ganz richtig schloß, daß Frost und Schnee die Wege durch die nördlichen Gegenden von Deutschland, Polen, Kur- und Livland, welche nach der Beschreibung aller Reisenden fast noch elender sind als die Wege nach dem Tempel der Tugend, und man, ohne besondere Kosten hochpreislicher wohlfürsorgender Landesregierungen, ausbessern müßte.-
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Angesiedelt ist die Erzählung in den verschiedensten Regionen der Erde des späten 18. Jahrhunderts (das zweite Seeabenteuer beginnt 1766). Es werden so unterschiedliche und exotische Gebiete besucht wie das winterliche Russland, Ceylon oder das Osmanische Reich mit Konstantinopel und Alexandria. Doch eingehende Beschreibungen gibt es nicht – ganz explizit sagt Münchhausen, er wolle seine Zuhörer nicht mit derartigen Alltäglichkeiten langweilen. Erst in der zehnten Seereise, in der er zum Mond segelt, und der Reise durch die Erde wird etwas über die Bewohner und Umwelt an sich berichtet, da sie selbst schon Lügen sind. Kurzum: Kein Ding, welches der Leser kennen könnte, wird eingehend beschrieben.

Eine Geschichte im herkömmlichen Sinne gibt es nicht; Münchhausen erzählt seinen Zuhörern eine Reihe von erlogenen Anekdoten, die im besten Falle marginal mit einander verknüpft sind. Münchhausens Abenteuer als kohärente Geschichte ist eine Leistung des modernen Films, eine Konzession an die Sehgewohnheiten der Zuschauer.
Die Lügenmärchen aber haben es in sich: Es sind nicht bloß unglaubwürdige Lügen, sondern Parodien jeglicher Form auf die (damaligen) Verhältnisse und Reiseerzählungen, insbesondere des sprichwörtlich gewordenen “Jägerlateins” und des “Seemannsgarns”. So bekennt ein Begleiter Münchhausens der Sohn einer Prostituierten und des Papstes zu sein oder Münchhausens Hündin wirft (auf der Jagd) natürlich ebenso viele Welpen, wie die verfolgte Häsin selbst Junge wirft – selbstverständlich werden alle gefangen.
Aufgrund dieser extremen Zuspitzung können weder Alltäglichkeiten noch Charaktere beschrieben werden.

Sprachlich ist das Werk ebenfalls sehr gelungen und den Gegebenheiten wunderbar angemessen; manchen mag allerdings dieses altertümliche Deutsch, welches bisweilen reichlich verschachtelt ist, abschrecken. Bürger gelingt es immer wieder bekannte Ausdrücke einzuflechten und dem Stil der volkstümlichen Erzählung anzupassen.
Die Bewertung fällt sehr schwer, da es ein sehr spezielles Werk ist; vieles, was in anderem Zusammenhang negativ zu werten ist, ist hier beabsichtigt. Wer also die Prämissen akzeptieren kann, der wird ein einmaliges Lügenmärchen aufgetischt bekommen. Wer die Prämissen nicht teilen mag, der sollte einen großen Bogen um den Münchhausen machen.

Eine Bemerkung zur Textgeschichte: Die erste schriftliche Fassung dürfte das 1781 in Berlin veröffentlichte Vade Mecum für lustige Leute, enthaltend eine Sammlung angenehmer Scherze, witziger Einfälle und spaßhafter kurzer Historien aus den besten Schriftstellern zusammengetragen, Achter Teil sein. In diesem hatte ein Unbekannter einige Geschichten des berüchtigten (realen) Münchhausen aufgeschrieben. 1785 erschien in England allerdings Baron Munchhausen’s Narative of his Marvellous Travels and Campaigns in Russia, geschrieben hatte es der flüchtige Rudolf Erich Raspe (er hatte eine Münzsammlung gestohlen und verkauft; darauf musste er nach England fliehen). 1786 schon erschien eine zweite Auflage, (von Raspe) erweitert um die Seeabenteuer. Im selben Jahr erschien in Göttingen (London als Druckort war vorgetäuscht) das Werk Wunderbare Reisen zu Wasser und zu Lande, Feldzüge und lustige Abenteuer des Freyherrn von Münchhausen, wie er dieselben bey der Flasche im Cirkel seiner Freunde selbst zu erzählen pflegt. Doch dieses war keineswegs eine bloße Übersetzung; vielmehr hat Bürger dem Text die gelungene Form gegeben und wohl auch etwas erweitert.
Seitdem erfreut sich der Text enormer Beliebtheit und auch andere Herausgeber behandelten diesen nach eigen Gesichtspunkten; Episoden wurden in eine neue Reihenfolge gebracht oder ganz ausgelassen (die Prostituierte und der Papst fehlen häufig), sie wurden nacherzählt und umformuliert, schließlich wurden sie (durch den Film) in einem kohärentem Zusammenhang gebracht; es lassen sich also kaum zwei textidentische Auflagen finden.
Doch das Lügenmärchen hörte durchaus nicht mit Lord Dunsanys Jorkens-Geschichten auf zu bestehen; auch in neuester Zeit finden sich Lügenmärchen. Dem Fantasy-Leser könnten Geschichten wie Wilde Reise durch die Nacht oder Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär, jeweils von Walter Moers, bekannt sein.

Wer die Geschichte Online lesen mag, der kann dieses auf den Seiten des “Gutenberg-Projektes” machen; weitere interessante Details finden sich hier: http://www.munchausen.org/.