Autor: Briggs@Patricia

Moon Called von Patricia BriggsMercy ist was Besonderes. Es könnte daran liegen, dass sie Mercedes heißt und eine Volkswagenreparaturwerkstätte betreibt, an ihren Tatoos, an ihren seltsamen Freunden (eine Adoptivfamilie von Werwölfen, ein Undercoverpolizist mit einer besonderen Gabe; ein Gremlin, der in Harvard studiert, und noch mehr) oder daran, dass sie eine Art Gestaltwandlerin ist und sich in einen Koyoten verwandeln kann. Wie auch immer. Als Nachbarskind und pupertäre Neunmalkluge Jesse entführt und deren Vater (der ganz nebenbei der Anführer des örtlichen Werwolfrudels ist) beinahe getötet wird, muss sie beweisen, was in ihr steckt. Dabei hat sie mit arroganten Werwölfen, anmaßenden Ex-Freunden und böswilligen Geschöpfen der Nacht zu tun.

-A werewolf tossed me against a giant packing crate while I was trying to rescue a frightened young girl who’d been kidnapped by an evil witch and a drug lord.-

Die größte Stärke von Moon Called (Ruf des Mondes)ist die Protagonistin Mercedes Thompson alias Mercy. Sie ist ein erfrischender weiblicher Charakter mit Ecken und Kanten. Einerseits heben sich ihre soziale Stellung und äußeres Erscheinungsbild stark von der Norm ab (das Coverbild trifft sie perfekt), andererseits bietet sie hohes Identifikationspotential, da sie eine bewundernswerte Persönlichkeit ist. Mercy ist sexy ohne billig zu wirken, ist stark, kann aber Schwäche zulassen, ist unabhängig und doch eine engagierte Freundin. Sie ist stur, weiß aber, wann sie nachgeben muss, hat Humor, obwohl sie es nicht immer leicht hat und vor allem, sie ist eine Frau, kein Mädchen. Kurz, Mercy ist eine “gewachsene” Persönlichkeit, die man auch im realen Leben gerne kennen würde.
Den zweiten Riesen-Pluspunkt können die Nebencharaktere für sich verbuchen. Normalerweise besteht bei einer derart starken Hauptfigur die Gefahr, dass die Nebencharaktere blass wirken oder ins Stereotypenhafte abgleiten – das Gegenteil ist der Fall. Sie wirken unglaublich real und sind selbst starke Sympathieträger. Als # starb, hätte ich am liebsten geheult, obwohl ich ihn erst seit einigen Seiten kannte. Außerdem gehören Briggs Charaktere den verschiedensten ethnischen und sozialen (Rand-)Gruppen an (und damit meine ich nicht das Feenfolk und andere Zauberwesen). Weiß, männlich und protestantisch bildet hier die Ausnahme von der Regel. Und wenn man sieht, wie vielschichtig und ausbaufähig die Haupt- als auch die Nebenfiguren sind, kann man erkennen, dass der Autorin mehr als nur eine Geschichte unter den Nägeln brennt.
Die Geschichte selbst ist gut und spannend geschrieben, selten vorhersehbar und nebenbei ist auch eine Love-Story am köcheln (Kitschfaktor kleiner gleich Null). Für deutsche Leser besonders amüsant sind die eingebauten dt. Heldensagen und deutsche Konversationsfetzen – einfach süß!
Nur gegen Ende gibt es ein, zwei kleinere Wehwehchen, die wahrscheinlich durch überhastetes Schreiben zustande gekommen sind. Einmal weicht Patricia Briggs vom obersten Gebot der Autorenzunft ab (“show, don’t tell”) und lässt zwei Figuren (Mercy und Christiansen) einander die Handlung samt gegenwärtigem Stand der Verschwörungstheorie erklären. Es reißt den Leser aus dem bis dato flotten Tempo heraus und wirkt etwas unbeholfen. Auch vom eigentlichen Gegenspieler, der die Fäden im Hintergrund zieht, hätte ich mir mehr erwartet als die letztendlich etwas lahme Konfrontation. Aber bitte, bitte, lasst euch nicht von meiner etwas pingeligen Kritik davon abhalten, dieses fantastische Buch zu lesen!

Ruf des Mondes von Patricia BriggsAls Mercy Thompson den jungen Mac als Aushilfe in ihrer Autowerkstätte anheuert, ahnt sie noch nicht, was für einen Ärger sie sich damit aufhalst: Mac, ein junger Werwolf, der offensichtlich sein Rudel verlassen hat, hat gefährliche Feinde. Mercy, selbst nur eine Gestaltwandlerin und weniger stark als ein Werwolf, ist dem Fall bald nicht mehr gewachsen, denn es folgt auch ein Angriff auf das örtliche Werwolfsrudel, wobei die Tochter des charismatischen Anführers entführt wird. Bald sieht Mercy sich gezwungen, alle Register zu ziehen – sie bittet ihren Vampir-Freund um Hilfe und kehrt sogar zu ihren Wurzeln zurück, dem mächtigen Werwolfsrudel, das sie einst aufgenommen hat und an das sie vor allem schmerzliche Erinnerungen binden …

-Mir war nicht sofort klar, dass ich einen Werwolf vor mir hatte.-
1

Mercy Thompson, ihres Zeichens Automechanikerin, ist eine Heldin aus einer Legion von Frauen, die in den letzten Jahren vermehrt das Phantastik-Genre aufmischen, die Werwölfe, Vampire oder Dämonen jagen, mit Werwölfen, Vampiren oder Dämonen ins Bett steigen – oder, wie eben Mercy, versuchen, trotz Werwölfen, Vampiren und anderen Gestalten zurechtzukommen und ein ganz normales Leben zu fristen. Keine Frage, daß das nicht klappt, und Mercy Verwicklungen abenteuerlicher und romantischer Natur erleben muß, denn sie behauptet sich in einer Welt, in der einige Feenwesen sich aufgrund des Mediendrucks offenbaren mußten und in Koexistenz mit den Menschen leben, wohingegen die traditionell organisierten Werwölfe und Vampire sich damit noch zurückhalten und weiter im Geheimen agieren. Hier hat Patricia Briggs geschickt einige Elemente des modernen Alltags zu einer lebendigen Parallelwelt zusammengestrickt, um eine nette, wenn auch in Zeiten der Urban-Fantasy-Schwemme nicht sonderlich originelle Kleinstadtkulisse für Mercys Abenteuer zu bieten.

Immerhin sticht die Heldin aus der Masse ihrer Kolleginnen hervor: Umgeben von mächtigen Werwölfen und Vampiren ist sie nur eine kleine Gestaltwandlerin, die ab und an als Kojote durchs Bild huscht, wenn auch durchaus mit besonderen Kräften ausgestattet. Ganz selbstbewußt und unabhängig steht sie ihre Frau (man ist schließlich Automechanikerin!), umgeben von Männern, deren erstes Attribut immer ihre Attraktivität ist, und von den besonders attraktiven sind auch gleich alle bis auf den Quotenschwulen hinter unserer Heldin im Kojotenpelz her und streiten sich mitunter um sie oder leben ihren Beschützerinstinkt aus (Rollenverhalten wird überhaupt gerne mal auf Instinkt geschoben, der im Werwolfumfeld ganz groß geschrieben wird). Urban Fantasy und Rollenklischees sind offenbar einen fast untrennbaren Bund eingegangen, auch wenn man Mercy Thompson zugestehen muß, daß sie sich im Grunde wacker schlägt, ab und an alles mit einem Augenzwinkern abgemildert wird und in diesem Bereich wirklich Schlimmeres existiert.

Mit dem aus Ich-Perspektive erzählenden Hauptcharakter steigt man schnell in eine Handlung ein, in der die örtlichen Werwölfe – nicht eben Mercys beste Freunde – von einer Verschwörung bedroht werden, in die sie mitten hineinschlittert. Witzige Episoden und Charaktere, vom VW-Bus-fahrenden Vampir bis hin zum Werwolf-Anführer, der keiner Katze ein Haar krümmen kann, sorgen für gute, spannende Unterhaltung, die man locker weglesen kann. Allzu viele Gedanken sollte man dem Plot allerdings nicht widmen, sonst fällt er in sich zusammen wie ein Kartenhaus, vor allem beim konstruiert wirkenden und flott abgehandelten Ende wird deutlich, wie dünn die Handlung war. Die letzte Szene schrammt knapp an einem hochromantischen Ausgang vorbei und mündet stattdessen in das vergnügliche Hickhack zwischen den Charakteren, das im gesamten Roman präsent war.

Mercy als lockere Erzählerin tut ein übriges dafür, daß der Humor nicht zu kurz kommt, allerdings wirkt der Ich-Erzähler gerade anfangs stellenweise plump, wenn allzu offensichtlich Dinge erklärt und Informationen eingestreut werden, die, wenn schon auf diese Art, vielleicht immer noch charmanter mit einer direkten Ansprache des Lesers untergebracht worden wären, statt sie ihm in Monologen der Hauptfigur unterzuschieben, die die Handlung bremsen und wie Fremdkörper wirken. Nachdem man die ersten Erklärungen, die gleichsam Einführung in Mercys Welt sind, hinter sich gelassen hat, steht dem Spaß an der Lektüre allerdings nicht mehr viel im Wege, wenn man sie als das nimmt, was sie ist: Seichte Unterhaltung ohne große Hintergründe – jedoch vergnüglich und solide umgesetzt, und somit eine ideale Entspannungslektüre für alle, die nicht gleich in den wirklichen Untiefen der Urban Fantasy und Romantasy nach Lesefutter angeln wollen, sondern eine größtenteils bodenständige Heldin und Geschichte bevorzugen.

Die deutsche Ausgabe von Moon Called wartet allerdings noch mit einem großen Mangel auf: Einer phänomenalen Dichte an Fehlern – vom Tippfehler über verdrehte Namen bis hin zu nicht zu Ende geführten Sätzen, in einer Frequenz, die das Lesevergnügen durchaus beeinträchtigt.