Subgenre: Funtasy

Cover des Buches "Die 13 1/2 Leben des Käpt'n Blaubär" von Walter MoersEin Blaubär, wie ihn keiner kennt, entführt die Leser in eine Welt, in der die Fantasie und der Humor abenteuerlich außer Kontrolle geraten sind: nach Zamonien, wo Intelligenz eine Krankheit ist und Sandstürme viereckig sind, wo hinter jeder Idylle eine Gefahr lauert und wo all jene Wesen hausen, die aus unserem alltäglichen Leben verbannt sind.

In 13 ½ Lebensabschnitten kämpft sich der Held durch ein märchenhaftes Reich, bei dem alles möglich ist.

-Ein Leben beginnt gewöhnlich mit der Geburt – meins nicht.-
1. Mein Leben als Zwergpirat

Ich gebe zu, dass ich sehr skeptisch war, das Buch anzufangen. Eigentlich mag ich den Käpt’n Blaubär aus dem Fernsehen nicht sonderlich, mit Moers verbinde ich immer Das Kleine Arschloch und beim Durchblättern störten mich die vielen seltsamen Zeichnungen. Da ich aber gerade kein anderes Buch zur Hand hatte, warf ich doch mal einen Blick hinein – und konnte gar nicht mehr aufhören!

Moers schubst zwar den Leser, genau wie den armen Blaubär, nach Zamonien und konfrontiert ihn gleich zu Beginn damit, dass auf dieser Insel wirklich nichts ist, wie man es gewohnt ist: Zwergpiraten, fleischfressende Inseln oder kilometergroße Bolloggs ohne Kopf, die ganze Landstriche verwüsten, gehören in Zamonien zum Alltag. Stattdessen sind Menschen schon was besonders, haben in Antlantis sogar Hausverbot!

Der kleine Blaubär besteht in seinen 13 ½ Leben viele Gefahren und man hat den Eindruck, der Autor will jedes Leben davor mit noch mehr Fantasie übertreffen. Fast nebenbei werden auch noch große Fragen der Menschheit gelöst: gab es Atlantis und was ist damit passiert? Gibt es Außerirdische oder andere Dimensionen? Was geschah mit den Dinosauriern?
Der Blaubär begegnet auf seinen Reisen natürlich auch vielen Wesen, die ihm entweder helfen oder ihn fressen oder einfach nur ins Verderben stürzen wollen. Mit viel Sorgfalt erschafft Moers Hempelchen, Hutzen, Waldspinnenhexen, Finsterbergmaden, Tratschwellen, Nattifftoffen, Wolpertinger, Rikschadämonen, Mittagsgespenster, Midgardschlangen und die zig anderen Wesen, die Zamonien bevölkern.

Natürlich quillt auch Zamonien selbst fast vor originellen Ideen über: Der ewige Tornade, rechteckige Sandstürme, Unbiskant (ein unerforschter Landstrich, der seinen Namen aus “unbekannt” und “riskant” erhielt), der Malstrom – das könnte hier noch ewig so weitergehen. So viele Ideen hab ich wohl noch nie in einem Buch gesehen. Und trotzdem ist der Leser nicht gleich nach den ersten Seiten gesättigt, man wartet praktisch schon auf die nächste ungewöhnliche Idee, die Moers eingebaut hat. Die Zeichnungen, mit denen ich vorher nicht anfangen konnte, fügten sich plötzlich wie von selbst in die Geschichte und von mal zu mal gefielen sie mir besser.
Und die Reise an sich? Man darf nicht vergessen, ein Blaubär neigt zum Flunkern und ein bisschen zum Übertreiben. Man sollte also mit einem Augenzwinkern den Zufall Zufall sein lassen und einfach die Geschichte genießen. Fantasie ist schließlich keine Realität. 😉

The Adventures of the Princess and Mr. Whiffle: The Thing Beneath the BedIn einem abgeschiedenen Schloss aus Marzipan lebt eine kleine Prinzessin. Sie ist dort ganz alleine, erledigt die täglichen Arbeiten ganz alleine und ihr einziger Freund ist der Teddybär Mr. Whiffles. Mit ihm bestreitet sie Kämpfe und Abenteuer, erlebt riskante Rettungsmissionen und noch ganz andere Dinge.
Doch nicht nur unter dem Bett lauern unheimliche Wahrheiten …

– It looks like a children’s book. It has pictures. It has a saccharine-sweet title. The main characters are a little girl and her teddy bear. But all of that is just protective coloration. The truth is, this is a book for adults with a dark sense of humor and an appreciation of old-school faerie tales. –
Vorwort

The Adventures of the Princess and Mr. Whiffle ist ein Bilderbuch, welches stark betont, nicht für Kinder gemacht zu sein. Obwohl hier auch tatsächlich bewusst mit der erfahrungsreichen Phantasie erwachsener Leser gespielt wird, bleibt das Büchlein aber auch für junge Leser recht ungefährlich und kann beiden Altersgruppen kurzweilige bis gruselige Unterhaltung bieten.

Autor Patrick Rothfuss, bekannt für seine Buchreihe The Kingkiller Chronicles (Die Königsmörder Chroniken), beschreitet mit The Thing Beneath the Bed einen völlig anderen Pfad und taucht in die Märchenwelt ein. Sprachlich erwartet den Leser hier keine Offenbarung, nichts das mit dem bekannt poetischen Stil Rothfuss’ zu vergleichen wäre, die wenigen Textzeilen (es sind insgesamt ca. 150 Worte), sind sehr schlicht gehalten und verteilen sich auf 69 ganzseitig s/w illustrierte Seiten. Allerdings darf man sich auf versteckten Humor freuen, der zuweilen bitterböse wird.
Illustrator Nate Taylor ist dagegen der eigentliche Held dieses Werks, denn das Büchlein lebt eindeutig mehr durch Bilder als durch Texte. Seine wirkungsvollen Illustrationen transportieren den humorvollen Unterton der Geschichte auf wirklich charmante und sehenswerte Weise. Sie tragen die Erzählung stärker als die Worte selbst und erzählen all das, was zwischen den Zeilen verborgen liegt. Man sollte daher dringend die Details im Hintergrund beachten und sich lieber ein paar Minuten mehr Zeit lassen, um sich auf die Suche nach versteckten Informationen zu machen. Hier zeigen sich nämlich schon erste Anzeichen für ein verdrehtes Bild von Gut & Böse.

Für ein wenig Verwirrung sorgt eventuell die Aufteilung der drei möglichen Enden. Je nachdem, wie man es mag, gibt es ein süßes, märchenhaftes Ende, wie man es gewohnt ist, ein blutig-schauriges und zuletzt ein wirklich schauriges, wahres Ende. Man kann an beliebiger Stelle aufhören zu lesen, doch es lohnt sich, bis zum Schluss dran zu bleiben.
Konfusionspotential hat dabei die Kennzeichnung der unterschiedlichen Enden. Jedes Ende erhält eine extra Seite, auf der entsprechend “First Ending”, “Second Ending”, “Third Ending” geschrieben steht. Beachtenswert hierbei: Die Enden werden damit nicht eingeleitet, sondern beendet. Wenn man das nicht weiß, steht man möglicherweise zuletzt vor “Third Ending” und fragt sich, was einem die folgenden leeren Seiten sagen wollen – bis man erkennt, dass man einen Denkfehler gemacht hat.

The Thing Beneath the Bed bietet also insgesamt nur ein sehr kurzes Lesevergnügen, lädt aber durch die wirklich ansprechenden Illustrationen zum mehrfachen Stöbern und Entdecken ein. Die Erwartungen, die man zunächst an einen Autor wie Patrick Rothfuss stellt, kann es dabei zwar nicht erfüllen, ist man jedoch bereit, sich auf etwas völlig anderes einzulassen und das Buch als eigenständiges Werk zu betrachten, statt eines “typischen Rothfuss”, dann kann man herrlich böse Momente damit verbringen.
Als kleines zusätzliches Schmankerl des Verlags gibt es außerdem eine schicke Aufmachung im gebundenen Hardcover, mit leicht getönten Seiten, märchenhaft anmutender Typografie und einem Autogramm des Autors.

Alice hinter den Spiegeln von Lewis CarollIm Spiel mit ihrem kleinen schwarzen Kätzchen vertieft, überlegt das Mädchen Alice sich, wie lustig es auf der anderen Seite des Spiegels wohl sein mag, und so geht sie durch diesen ins Spiegelhaus. Sich dort umschauend sieht sie, wie die Figuren des Schachspiels lebendig werden. Auch sonst ist einiges sonderbar, und Alice beschließt sich den Garten anzusehen, was ihr zunächst sehr schwer fällt, da die Wege vom Haus weg zum Haus hinführen. Erst nach einigen Anstrengungen kann sie dem Haus entkommen. Im Garten trifft sie auf die Schwarze Königin, die dem Mädchen erklärt, wie es vom Bauern zur Königin werden kann. Alice nimmt die Herausforderung an und beginnt eine höchst bizarre Reise…

– So viel stand fest: das weiße Kätzchen hatte nichts damit zu tun – das schwarze war ganz allein an allem schuld. –
Kapitel 1, Das Haus hinterm Spiegel

Zu Alice hinter den Spiegeln liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Alice im Wunderland von Lewis CarollDer kleinen Alice ist zum Einschlafen langweilig. Da läuft plötzlich ein weißes Kaninchen vorüber, das auf seine Taschenuhr schaut und sein Zu-Spät-Kommen laut bedauert. So etwas hat Alice noch nie gesehen, daher folgt sie ihm und fällt lange Zeit durch ein Kaninchenloch an Regalen mit Marmeladengläsern (leider leer) vorbei. Auf der anderen Seite angekommen, stellt sich alles als höchst sonderbar heraus; nicht nur die Leute, auch Alice’s Körper und Gedächtnis (Ist sie überhaupt noch Alice?) verhalten sich nicht so, wie man es von ihnen erwarten sollte.

– Hinab, hinab, hinab. Wollte das denn nie ein Ende nehmen? »Wie viele Meilen ich wohl schon gefallen bin?« –
Hinab in das Kaninchenloch, S. 13

Zu Alice im Wunderland liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover von Alice's Adventures in Wonderland von Lewis CarrollDer kleinen Alice ist zum Einschlafen langweilig. Da läuft plötzlich ein weißes Kaninchen vorüber, das auf seine Taschenuhr schaut und sein Zu-Spät-Kommen laut bedauert. So etwas hat Alice noch nie gesehen, daher folgt sie ihm und fällt lange Zeit durch ein Kaninchenloch an Regalen mit Marmeladengläsern (leider leer) vorbei. Auf der anderen Seite angekommen, stellt sich alles als höchst sonderbar heraus; nicht nur die Leute, auch Alice’s Körper und Gedächtnis (Ist sie überhaupt noch Alice?) verhalten sich nicht so, wie man es von ihnen erwarten sollte.

-Alice was beginning to get very tired of sitting by her sister on the bank, and of having nothing to do: once or twice she had peeped into the book her sister was reading, but it had no pictures or conversations in it, ‘and what is the use of a book,’ thought Alice, ‘without pictures or conversation?’-
Down the Rabbit-Hole

Wahrhaftig, Alice landet im Wunderland, einer unmöglichen Version des idyllischen Englands des 19. Jahrhunderts. Klare Strukturen sind kaum erkennbar – d.h. nur dann, wenn Alice sie einfordert. Alles kann sich von Moment zu Moment kraß verändern, aber schon die Grundlagen sind reichlich grotesk. Der Glanz aber sind die außerordentlich bizarren Figuren.
Alice ist gut getroffen; sie ist ein kleines Mädchen, das gerade erst zur Schule geht. Mit Längen- und Breitengeraden kann sie nur wenig anfangen – es sind aber schwierige Worte, die der Situation sicherlich angemessen sind. Stolz darauf ein so wichtiges Wort wie “Juror” zu kennen, wiederholt sie es auch ein paar mal. Mühsam hat sie die Regeln der Höflichkeit erlernt (zumindest recht passabel) und nun reagiert sie mit der für Kinder typischen peniblen Korrektheit bei frisch Gelerntem. Einiges erschrickt die Kleine, doch da sie nicht das gesamte Ausmaß der Absonderlichkeiten überblicken kann, bleibt sie viel ruhiger, als ein Erwachsener dieses könnte. Als die Situation für das riesenhaft angewachsene Mädchen zu erdrückend ist, weint sie, nur um kurz darauf ins Zwergische zu schrumpfen und im See ihrer Tränen vom Ertrinken bedroht zu werden.
Die meisten anderen Figuren sind in irgendeiner Art Herausforderungen für Alice, die mit der Logik eines Kindes an die Sache heran geht. Doch niemand meint es böse mit ihr. Es ist ein Panoptikum von Kuriositäten, das ihr den Weg weißt: eine Wasserpfeife rauchende Raupe, die nichts für gegeben hält; die bekannte grinsende Cheshire Cat, die Alice freimütig Auskunft gibt; die verrückte Teegesellschaft – March Hare, Mad Hatter und the sleeping Dormouse – für die es immer tea-time ist, nachdem Zeit (ein er) befürchten muß, vom Hutmacher getötet zu werden; die Königin (eigentlich die Spielkarte “Herzdame”), die auf jedes Problem gleich reagiert: “Kopf-AB!”, neben unzähligen weiteren grotesken Gestalten.
Magie in Form von Zaubersprüchen oder magischen Artefakten gibt es nicht – es ist die Absurdität, die mit normalem Verstand unverständlichen Regeln der Welt, welche die Magie ausmachen.
In der Geschichte relativiert der Autor (und Dozent für Mathematik) Wahrnehmungsweisen und “Zeit” & “Raum”- Verständnis radikal. Mit diesen Unverständlichkeiten muß Alice umgehen, ihr Körper, Geist und ihre Umwelt stellen sie von Episode zu Episode vor neue Rätsel. Es dauert eine Weile, bis Alice beginnt, die vertrackte Logik zu durchschauen und ein wenig Kontrolle zurückzugewinnen. Ein festes Moralverständnis und Selbstvertrauen gehören zwar dazu, aber Lewis will mit dieser Geschichte nicht missionieren.
Humor entsteht in der Geschichte durch die ins absurde geführten Konventionen der englischen Gesellschaft des 19. Jhd., die Wortspiele und den daraus entstehenden Verwechslungen. “Then you should say, what you mean,” [said the March Hare]. “I do,” Alice hastily replied; “at least – at least I mean what I say – that’s the same thing, you know.” “Not the same thing a bit!” said the Hatter. “You might just as well say that ‘I see what I eat’ is the same thing as ‘I eat what I see’!” – Sprachphilosophisch nicht uninteressant.
Sprachlich ist das Werk ebenfalls eine Meisterleistung, doch die Sätze und das Vokabular sind nicht sprachgewaltätig, sondern fließen leicht und elegant dahin, man kann sich den flinken Wendungen kaum entziehen. Wer kann, sollte Alice im Original lesen; auch wenn es eine hervorragende Übersetzung von Christian Enzensberger gibt, so ist dieser perfekte Umgang mit der englischen Sprache einfach nicht ohne zu große Verluste ins Deutsche zu übersetzten.

Das Cover von Alles Sense von Terry PratchettWie alle Zauberer weiß auch der hundertdreißigjährige Windle Poons, wann er sterben wird. Und zu diesem Zeitpunkt stirbt er auch. Doch dann muß er verwirrt feststellen, daß er zwar gestorben, aber keineswegs tot ist. Zur gleichen Zeit hat nämlich Azrael TOD ein Stundenglas gesandt und ihm zu verstehen gegeben, daß auch er – wie jede Person – sterblich ist. Ein anderer wird bald sein Amt übernehmen. TOD beschließt daraufhin, die Zeit, die ihm bleibt, zu verbringen und tritt dazu eine Stelle als Farmhelfer bei Frau Flinkwert an. Unterdessen staut sich in Ankh-Morpork die Lebensenergie und verursacht übernatürliche Phänomene und Windle Poons schließt sich einer Selbsthilfegruppe für Untote an.

-Den Moriskentanz kennt man auf allen bewohnten Welten des Multiversums.-

Alle Bücher, die Terry Pratchett geschrieben hat, zeichnen sich durch intelligenten Humor aus, aber immer wenn er über TOD schreibt und damit seine Einstellung über den irdischen Tod durchblicken läßt, dann läuft Pratchett zur Hochform auf. Hinter dem unterhaltsamen Possenreißer verbirgt sich ein weiser Philosoph und warmherziger Menschenfreund. Mit Alles Sense (Reaper Man) gelingt es Pratchett wieder einmal, seinen Lesern mit einzelnen prägnanten Sätzen tiefe Einsichten zu vermitteln, ohne zu moralisieren und der für Pratchett typische Humor sorgt dafür, daß keine Schwermut aufkommt. Trotzdem ist es anrührend zu lesen, wie TOD auf einmal menschliche Züge entwickelt. Er versucht dem (neuen) Tod zu entgehen, vor dem er Angst hat und er versucht, ein Menschenleben zu retten. TOD entwickelt Gefühle, auch für die Menschen, mit denen er zusammenlebt. Und das beschert -zumindest sensibleren Gemütern- etwas, was es so in den Scheibenweltromanen bisher noch nicht gegeben hat: Eine Szene, die zum Weinen schön ist.
Im Gegensatz dazu, ist die Geschichte um Windle Poons nur Durchschnitt, allerdings gehört die versnobte Vampirin zu den Lichtblicken dieses Erzählstrangs.

The Art of Discworld von Paul Kidby und Terry PratchettThe Art of Discworld (dt. Die Kunst der Scheibenwelt) ist eine atemberaubend schöne Sammlung von Bildern zu Terry Pratchetts Scheibenwelt-Romanen, geschaffen von Paul Kidby. Die beiden Künstler arbeiten seit Jahren zusammen und präsentieren uns mit dem vorliegenden Artbook ihre gemeinsame Sicht der Scheibenwelt. Mit einem enormen Vorstellungsvermögen verleiht Paul Kidby in diesem Werk den beschriebenen Figuren, Orten und Gegenständen fesselnde Substanz, humorvoll kommentiert von deren Schöpfer Terry Pratchett.

-Paul sees things my way about seventy-five percent of the time, which suggests either mind-reading is happening or that my vision of my characters is really rather vague until I see his drawings.-
(Terry Pratchett, The Art of Discworld)

Mal in Farbe, mal mit simplen Bleistiftskizzen entführt das Buch mit erschreckend detaillierten Arbeiten zu den Charakteren und in die Welt, in der sie leben. Seite für Seite begrüßen uns in The Art of Discworld erste Skizzen, fertig ausgearbeitete Vorzeichnungen und schließlich die kolorierten Endergebnisse der Gesichter von TOD, Rincewind, Nac Mac Feegle und etlichen mehr. Ob es das Portrait eines Protagonisten ist oder die Ansicht eines Stadtteils, der Illustrator widmet in diesem Buch jeder seiner Zeichnungen größte Aufmerksamkeit, angefangen beim Coverbild – ein Portrait von Mona Ogg. Kidby stattet seine Illustrationen mit derart vielen kleinen und manchmal unscheinbaren Details aus der Scheibenwelt aus, dass es zuweilen etwas länger dauert, ein Bild wirklich vollständig zu betrachten. Sei es eine winzige Inschrift auf einem Ladenschild weit hinten im letzten Eck des Bildes, seien es die vielen mürrischen Falten und Bartstoppeln in Sam Vimes’ Gesicht, die liebevollen Stickereien auf einem Kleidungsstück, oder auch eine Ratte, die durch eine Seitengasse huscht … nichts wird hier ohne tiefere Ausarbeitung belassen. Gerade dieser pingeligen Liebe zum Detail ist die große Faszination der gezeigten Arbeiten zu verdanken. Das sind nicht bloß Bilder, das sind lebendige Bilder! Immer wieder faszinierend sind auch die Gegenüberstellung von Vorzeichnung und Endergebnis. Es dürfte kaum möglich sein, die Scheibenwelt noch gekonnter zum Leben zu erwecken.

Das Buch ist außerdem gut strukturiert. So bewegt man sich größtenteils geographisch voran, von Ankh-Morpork bis hin zu Uberwald, vom prominentesten bis hin zum wenig bekannten Detail. Lediglich auf ein Inhaltsverzeichnis hat man verzichtet, was angesichts der überschaubaren Seitenzahl jedoch nicht zwingend nötig ist.

The Art of Discworld ist ein must-have für jeden Scheibenwelt Fan, aber auch für jeden, der sich als Fan wirklich guter Illustrationskunst betrachtet und mit der Scheibenwelt bisher nichts anfangen konnte. Dieses Buch gehört in jedes anspruchsvolle Regal und kann nur wärmstens empfohlen werden.
Einziger Wermutstropfen für eingefleischte Kenner der Romane: Das Artbook erwähnt gelegentlich Charaktere, die in den Zeichnungen selbst gar nicht oder nur mal versteckt auftauchen, und greift ein paar Illustrationen auf, die auch schon andernorts (z.B. in Kalendern) Verwendung fanden.
Es sollte auch eine Warnung an alle ausgesprochen werden, die gerade erst im Begriff sind, die Scheibenwelt zu entdecken: The Art of Discworld ist erst 2004 erschienen (die deutsche Übersetzung 2006) und wartet entsprechend mit viel Hintergrundwissen auf. Es kann daher passieren, dass einige der Bilder und auch die verfassten Kommentare von Terry Pratchett zu Spoilern für alle bis dahin erschienenen Bücher werden.

Cover von Athyra von Steven BrustEs ist ein aufregender Tag für den Bauernjungen Savn, der von Meister Wack zum Medikus ausgebildet wird. Zaum, ein Bewohner des Dorfes, der als Lieferant auch für den Baron Looran gearbeitet hat, wird tot aufgefunden. Im Dorf glauben alle, daß Zaum ermordet wurde, obwohl Meister Wack die Todesursache nicht feststellen kann. Auch ein Verdächtiger ist schnell gefunden: der am selben Tag ins Dorf gekommene Ostländer Vlad Taltos. Er hatte vor einiger Zeit zusammen mit Zaum eine unerfreuliche Begegnung mit dem Baron und nun hat Looran ihn in das Dorf der Leinbauern gelockt, um mit ihm ebenso abzurechnen wie mit Zaum, das erzählt Vlad jedenfalls Savn. Savn weiß nicht so recht, was er glauben soll. Vielleicht ist Vlad doch Zaums Mörder? Aber als Vlad seine Hilfe braucht, ist Savn zur Stelle.

-Savn war der erste, der ihn sah, und übrigens auch der erste, der die Vorboten sah. Die Vorboten benahmen sich, wie sie es immer tun: sie wurden erst erkannt, nachdem etwas passiert war. Als Savn sie erblickte, sprach er nur seine Schwester Polinice an. Er sagte: “Der Sommer ist fast vorbei; die Jheregs paaren sich schon.”-
1

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Phönix (Phoenix) ist Athyra deutlich schwächer. Das soll keineswegs heißen, daß dieses Buch schlecht ist, aber die Erwartungen des Lesers werden enttäuscht. Athyra scheint eher ein Entwicklungsroman über den Bauernjungen Savn zu sein, als die spannende Schilderung eines neuen Abenteuers des Auftragsmörders Vlad Taltos. Es wird viel philosophiert in diesem Roman. Vlad und Savn erörtern die uralte Frage “Was ist Wahrheit”, sie sprechen über den Unterschied zwischen Kriegern und Soldaten, über Selbstbewußtsein und darüber, wie man seine eigenen Grenzen überwindet. Das ist zwar alles ganz interessant, aber je länger man darauf wartet, daß die Geschichte endlich in Fahrt kommt, um so mehr verliert man die Lust, den beiden bei ihren philosophischen Erörterungen zu folgen. Allerdings ist Vlad meistens eher wortkarg, es kommt häufig zu Dialogen, die klingen als stammten sie aus einem Western: Savn frag Vlad: “Hast du wirklich Leute getötet?” “Ja.” “Das ist bestimmt gruselig.” “Nur, wenn sie mich finden.” “Suchen sie denn noch nach dir?” “Oh, ja.” “Glaubst du, sie finden dich?” “Ich hoffe nicht.” “Was hast du denn getan?” “Ich bin fortgegangen.” “Nein, ich meine, warum wollen die dich töten?” “Ich habe einige Geschäftspartner verärgert.” “Was für ein Geschäft hattest du denn?” “Dies und das.” “Oh.” Man ist von Vlad ja eine lakonische Redeweise und trockenen Humor gewohnt, aber auch wenn er ab und an bei den Gesprächen seine Ironie durchscheinen läßt, fehlt es diesen Dialogen an Komik. Der ganze Roman ist weit weniger humorvoll geschrieben als Phönix und leider wurde der fehlende Humor nicht durch Spannung und Action ausgeglichen. Statt dessen führt Vlad Savn und den Leser in eine Technik ein, die eine Mischung aus autogenem Training, Selbsthypnose und Meditation ist und man erfährt einiges über alte Heilmethoden und zwar auf eine Weise, die einen tiefe Dankbarkeit für die Segnungen der heutigen Apparatemedizin empfinden läßt.
Der finale Showdown wird routiniert abgewickelt. Falls Steven Brust sich von dem Etikett “Fun-tasy” befreien wollte, dann hat er sein Ziel erreicht, aber der Sprung in die “ernste” Fantasy ist ihm mit diesem Buch nicht so recht gelungen. Da Vlad und Savn eine engere Bindung eingehen, könnte es aber auch sein, daß Brust Athyra nur geschrieben hat, um Savn als neue Figur einzuführen und man hoffen darf, daß das nächste Abenteuer der beiden wieder witziger und spannender wird. Der folgende Band wird es zeigen…

Cover des Buches "Im Brunnen der Manuskripte" von Jasper FfordeUm vor ihren Widersachern geschützt zu sein, zieht sich die schwangere Thursday Next in einen im Brunnen der Manuskripte lagernden Kriminalroman mit dem Titel Caversham Heights zurück, der so schlecht ist, dass er wahrscheinlich nie veröffentlicht werden wird. Aber lange kann sie ihren Aufenthalt dort nicht ungestört genießen. Ein Mörder geht um, der einen Jurisfiktion-Agenten nach dem anderen ins Jenseits befördert, Aornis manipuliert immer noch Thursdays Erinnerungsvermögen und ein weiteres Mal versucht ein Großkonzern die Welt der Bücher unter seine Kontrolle zu bringen.

-In einem unveröffentlichten Roman zu wohnen hatte durchaus seine Vorteile. Die ganzen Alltagsgeschäfte, die uns im sogenannten wirklichen Leben auf Trab halten, wären für eine Erzählung in der Regel zu langweilig und werden deshalb meist ausgeblendet. Der Wagen brauchte nie aufgetankt zu werden, ich wählte nie die falsche Nummer, es gab immer ausreichend heißes Wasser, und die Beutel für den Staubsauger paßten auch immer.
1. Die Abwesenheit des Frühstücks

Der dritte Thursday-Next-Roman ist nicht ganz so temporeich und überdreht wie seine Vorgänger, trotzdem steht er ihnen an Skurrilität, Humor und Spannung in nichts nach. Die zahlreichen Anspielungen auf die Weltliteratur sind an Witz kaum zu überbieten. Miss Havisham führt in Emily Brontes Wuthering Heights mit sämtlichen Protagonisten eine Jurisfiktion-Wutberatungs-Therapiesitzung durch, zwei russische Klatschbasen tratschen im Fußnotofon bis zum bitteren Ende über die Ehe der Karenins und vor Thursday Nexts Tür stehen die drei Hexen aus Macbeth und ergehen sich wie gewöhnlich in undurchsichtigen bedrohlichen Prophezeiungen. Endlich erfährt der Leser, warum es sinnlos ist weiter auf Godot zu warten und was hinter dem scheinbaren Idyll in Enid Blytons Geschichten lauert. Und dank Jasper Fforde wissen die Deutschen nun, was mit ihrer schönen Sprache geschehen ist: sie wurde vom NeuSchreib-Vyrus befallen.

Den Mispeling Vyrus hatte Konrad Duden nahezu gänzlich unter Kontrolle gebracht aber in letzter Zeit hat eine Clique von größenwahnsinnigen Qmiehs einen NeuSchreib-Vyrus in Umlauf gebracht, der gegen jede Vernunft resistent ist und auch schon einige literarische Werke zerstört haben soll. Die Deutschen können einem schon leid tun. Neulich stand ein ganzes Rudel am Tor und hat nach verloren gegangenen Adverbien gesucht. Ich hab’ sie natürlich nicht reingelassen. Man konnte gleich sehen, dass sie schwere Regelwut hatten.

Danke Jasper Fforde, dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Castle in the Air von Diana Wynne JonesAbdullah, ein gewöhnlicher Teppichhändler und Waise mit Verwandten, die nicht wirklich viel von ihm halten, gibt sich oft und gerne seinen Tagträumen hin, wo er als Prinz eine wunderschöne Prinzessin trifft. Die Träume werden allzu real, als Abdullah einen Teppich erwirbt, der angeblich fliegen kann. Zunächst scheint der Kauf ein Reinfall zu sein, doch als Abdullah darauf einschläft, wacht er wenig später im Garten des Sultans auf und trifft dort dessen Tochter, Flower-in-the-Night, in die er sich prompt verliebt. Schlecht für ihn, dass gerade ein Djinn auf Streifzug ist und Scharen von Prinzessinen, inklusive Flower-in-the-Night, entführt. Zusammen mit seinem Teppich und einem eigenwilligen Flaschengeist macht sich Abdullah daran, seine Geliebte zu befreien.

– In his daydreams, he was really the long-lost son of a great prince, which meant, of course, that his father was not really his father. It was a complete castle in the air, and Abdullah knew it was. –

Castle in the Air (Ziemlich viele Prinzessinnen) ist die indirekte Fortsetzung zu Howl’s Moving Castle (Sophie im Schloss des Zauberers). Hierin wird es allerdings märchenhaft wie in einer Geschichte aus Tausendundeinernacht und der geneigte Leser muss sich recht lange gedulden, ehe die bekannten Protagonisten aus dem ersten Buch dieser locker verknüpften Reihe wieder in Erscheinung treten. Castle in the Air sollte man daher auch als einen eigenständigen Roman betrachten – in dem nur zufällig ein paar bekannte Charaktere wieder auftauchen – und keine richtige Fortsetzung zu Howl’s Moving Castle erwarten.

Ganz so brillant wie sein Vorgänger ist Castle in the Air nicht, dennoch ist es wieder eine sehr phantasievolle und lebendige Geschichte, die Diana Wynne Jones hier erschafft und mit gewohntem Humor garniert. Letzterer kommt diesmal besonders bei Namensgebung und Wortwahl zum Tragen, denn die Autorin spielt wieder gerne mit Klischees und bedient sich hier bei den Vorstellungen vom Orient, wo Namen nicht nur Namen sind, sondern Bedeutungen haben. Dabei darf natürlich auch nicht die blumige Ausdrucksweise fehlen, die die Autorin jedoch in unseren Sprachgebrauch überträgt, was für viel Schmunzeln sorgt. So kommt es, dass eine Prinzessin den Namen Blume-in-der-Nacht/Flower-in-the-Night trägt oder Teppichhändler geradezu lyrische Verkaufsgespräche führen.
Darauf lässt die Autorin es freilich nicht beruhen und schickt zusätzlich wieder herrlich überzogene, schrullige, spießige oder hochnäsige Charaktere ins Rennen, die alle ein bisschen mehr sind, als man glaubt über sie zu wissen. So überzeugend sympathisch und lebendig wie Howl und Sophie in Howl’s Moving Castle werden Abdullah und Flower-in-the-Night aber leider nicht, und auch die beiden erstgenannten kommen in Castle in the Air nicht so richtig zu ihrem alten Glanz.

Kleinere Abzüge muss man ebenfalls bei der erzählerischen Dynamik machen, die sich mit Einschüben, die nicht zwingend nötig gewesen wären, leider immer mal wieder als etwas langatmig erweist. Es ist daher dringend ratsam, eine längere Pause zwischen Howl’s Moving Castle und Castle in the Air verstreichen zu lassen und die beiden Bücher nicht gleich nacheinander zu lesen. Auch sollte man davon absehen, die Bücher als normale Buchreihe zu betrachten, denn im direkten Vergleich haben sie wenig miteinander zu tun und gerade Castle in the Air wirkt dabei doch ein wenig enttäuschend. Für sich betrachtet und davon ausgehend, dass die wiederkehrenden Charaktere ein zusätzlicher Bonus, aber kein tragendes Element dieses Romans sind, ist Castle in the Air durchaus unterhaltsam und amüsant. Man muss sich lediglich klar machen, dass dies die Geschichte von Abdullah und Flower-in-the-Night ist und nicht die von Sophie und Howl.

Der Clan der Magier von Roger ZelaznyMysteriöse Dinge geschehen in London. In einer etwas abgelegenen Gegend vor den Toren der Stadt finden sich einige merkwürdige Gestalten ein: der große Doktor zum Beispiel, über dessen Haus stets eine düstere Gewitterwolke hängt, oder der Graf, dessen morbide Schlafstätte sich unter einer alten Ruine befindet. Zusammen mit ihren tierischen Gehilfen spielen diese seltsamen Gesellen ein grausiges Spiel. Wird es gelingen, das Tor zur Hölle zu öffnen?
Der Wachhund Snuff, Gehilfe eines der Spieler, erzählt in seinem Tagebuch von den aufregenden Geschehnissen und Abenteuern, die er während des Monats Oktober in diesem Spiel erlebt, erzählt von Verrat und Intrigen, von Mord und Freundschaft.

– Ich bin ein Wachhund. Mein Name ist Snuff. Mit meinem Herren Jack lebe ich mittlerweile außerhalb von London. Doch ich liebe Soho bei Nacht mit den Nebeln voller Gerüche in seinen dunklen Straßen. Immer ist es still und wir machen lange Spaziergänge. Auf Jack lastet ein uralter Fluch und er muss den größten Teil seiner Arbeit Nachts erledigen, um noch Schlimmeres zu verhindern. Ich passe auf, während er damit beschäftigt ist. Wenn jemand kommt, heule ich. –

Roger Zelazny erzählt in Clan der Magier (A Night in the Lonesome October) eine abenteuerliche, bizarre Geschichte voller Humor und Charme. Durch die erfrischend einfache, freundliche Art des Protagonisten Snuff gelingt es ihm, den Leser stets zu fesseln und zu begeistern. Die bodenständige Erzählweise und unkomplizierte Schreibweise gestatten einen vorzüglichen Textfluss, das Buch liest sich leicht und angenehm.

Auch der Ansatz des Autors, die Geschehnisse aus der Sicht der tierischen Helfer, der eigentlich Handelnden, über den Umweg der Tierfantasy, zu schildern, erweist sich hierbei als äußerst probates Mittel: so rückt die eigentliche Handlung in den Hintergrund, verliert an Schärfe, entwickelt sich zusehends zur Groteske. Die ohnehin comichaft überzeichneten, prototypischen (menschlichen) Charaktere glänzen in ihrer ganzen Absurdität hervor.
Zwar bietet die Geschichte keinen großen “Aha-Effekt”, enthält keine wirklich neuen Erkenntnisse oder Überraschungen, nichtsdestotrotz aber bietet sich Der Clan der Magier (A Night in the Lonesome October) als erfrischend heiteres Werk dar, wie geschaffen dafür, ein sonniges Schmunzeln auf die Gesichter der Leser zu zaubern, in den grauen Tagen des “lonesome October”.

Unbestritten ist Zelazny eine feste Größe auf dem Gebiet der Funtasy und steckt auch mit diesem – wenngleich nicht seinem besten – Buch so manchen seiner Kollegen in die Tasche.

Clan Rathskeller von Kevin HearneOh du fröhliche … Druidenzeit! Während die Bürger von Tempe sich im milden Winter auf das Weihnachtsfest vorbereiten, befinden sich waschechte Geschöpfe der keltischen Mythologie unerkannt unter ihnen. Getarnt als Weihnachtselfen in einer Shopping Mall, trachten die letzten Gnome des Clans Rathskeller einem diebischen Kobold nach dem Leben. Atticus und sein irischer Wolfshund Oberon stolpern unfreiwillig nicht nur in konsumwütige Shopper, sondern auch in eine Verfolgungsjagd, die das Chaos perfekt macht.

Oberon stopped and cocked his head to one side. <You’re telling me those are gnomes pretending to be dwarfs pretending to be elves? Are you trying to play Six Degrees of Bilbo Baggins again?>

Oh, Atticus, es geht doch nichts über eine charmante kleine Geschichte, um daran zu erinnern, warum du so umwerfend (witzig) bist.

Clan Rathskeller ist wie A Test of Mettle eine Kurzgeschichte von Kevin Hearne, die zu der Buchreihe The Iron Druid Chronicles gehört und kostenlos zum Download angeboten wird. Die Geschichte spielt chronologisch betrachtet zehn Monate vor Band 1 (Hounded/Die Hetzjagd) und ist zwar nicht handlungsrelevant für die Reihe, dafür aber ein köstlicher Happen Humor für zwischendurch, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Da die Charaktere hier nicht näher vorgestellt bzw. ausgearbeitet werden, ist es für Neueinsteiger vielleicht trotzdem ganz ratsam, nicht gleich mit Clan Rathskeller in die Iron Druid Chronicles einzusteigen. Es könnten sonst doch einige Dinge Fragen aufwerfen, die erst durch die Bücher erklärt werden und dem Leser das nötige Grundwissen vermitteln.

Wer nun schon die Freude hatte, mindestens Hounded gelesen zu haben, der wird Clan Rathskeller als sehr unterhaltsamen Zusatzstoff empfinden, mit einem typischen Atticus, bei dem es viel zu lachen gibt. Eine etwas andere Weihnachtsgeschichte könnte man es auch nennen, schließlich wird hier ein böser Kobold von Santas Elfen verfolgt. Allein die Vorstellung lässt einen schon albern kichern.
So richtig witzig wird es aber natürlich erst, wenn man tatsächlich die Geschichte selbst liest und sich die teils urkomisch gezeichneten Bilder vor dem geistigen Auge ausmalt. Oberon kann auch im Angesicht einer ernsten Lage nur an mit Schinken umwickelte Steaks denken, Atticus muss mal wieder blank ziehen (ja hier darf gesabbert werden, liebe LeserInnen), eine Emo-Fee macht außerdem Bekanntschaft mit einem Kühlergrill und wer dachte, Gnome und Stöckelschuhe passen nicht so richtig zusammen … der hatte recht.

Kurz gesagt: Clan Rathskeller, ein Titel, der einen leicht auf eine falsche Spur führen kann, ist eine schrecklich amüsante Ergänzung zu den Büchern, mit liebenswert schrulligen Figuren und mindestens einem Beweis mehr, dass Autor Kevin Hearne für jede Lage passende Querverweise zu Musik, Film und Literatur auf Lager hat. Überhaupt ist es erfrischend, wie dieser Autor es schafft, einen alle zwei Minuten lachen oder grinsen zu lassen, ohne dabei platt oder Slap-Stick-artig zu werden. Bitte mehr davon!

Cover des Buches "Disappearing Nightly" von Laura ResnickEsther Diamond hat kein Glück. Sie ist Schauspielerin in New York, doch ihr großer Durchbruch lässt auf sich warten. Als sie endlich eine Rolle in einem kleinen Off-Broadway-Stück namens Sorcerer! bekommt, hofft sie zumindest auf gute Kritiken. Doch während die Show gerade beginnt, einigermaßen Erfolg zu haben, verschwindet Golly Gee, die weibliche Hauptrolle, während des Stückes spurlos. Esther, die Zweitbesetzung, erhält endlich ihre Chance auf den erwarteten Durchbruch. Doch was ist mit Golly Gee wirklich passiert? Esther erhält mysteriöse Warnungen, dass ihr das gleiche Schicksal bevorsteht, wenn sie die Hauptrolle übernimmt. Und nicht nur das, denn plötzlich verschwinden noch mehr Menschen während der Auftritte spurlos …

-»I could feel the forces of chaos encroaching on my cosmic destiny,« he said in a shaken voice.
»New York cabs take some people that way.”-
Chapter 3

Nachdem ich die Sirkara-Chroniken von Laura Resnick gelesen habe, habe ich die Autorin zu meinen Favoritinnen hinzugefügt und auf neue Bücher von ihr gewartet. Endlich habe ich es nun auch geschafft, das neueste Werk zu lesen; enttäuscht wurde ich nicht.

Wie bereits in der Sirkara-Reihe setzt die Autorin hauptsächlich auf die Charaktere. Ein bunt zusammengewürfelter Haufen begegnet uns darin: Esther, die erfolglose Schauspielerin, ist wunderbar spitzfindig und nie um eine Antwort verlegen, was der größte Pluspunkt für dieses Romans ist. Die Dialoge sind herrlich erfrischend und teilweise echt witzig, so dass ich mehr als nur einmal lachen musste. Auch die anderen Charaktere – von “Magiern” über den Cowboy bis zur Drag Queen – sind lebendig und einfach sympathisch. Am Ende jedoch werden es einfach zu viele Charaktere auf zu wenig Seiten, als dass es noch irgendwelche tiefgründigen Beschreibungen geben könnte, einzige Ausnahme ist natürlich die Protagonistin.

Die Story beginnt spannend und innovativ, ebbt aber nach den ersten 100 Seiten ein wenig ab, das Ende ist leider nach Schema F. Trotz allem sorgt besonders der Anfang für ein unterhaltsames Lesevergnügen, so dass sich der Kauf allemal gelohnt hat. Alles im Allem hat sich Frau Resnick durch den Roman in meiner Riege der Favoritinnen bestätigen können und ich freue mich auf die nächsten Bücher.

Cover von Der Drachentöter von Martin ScottPrivatdetektiv Thraxas erhält von der Königstochter den Auftrag, Liebesbriefe zurückzuholen, die sie unvorsichtigerweise einem ausländischen Diplomaten geschrieben hat. Kaum hat Thraxas den Auftrag angenommen, wird er auch schon wegen Mordes verhaftet. Außerdem gerät er in Verdacht das wertvolle Rote Elfentuch gestohlen zu haben. Und das sind nicht die einzigen Schwierigkeiten, die Thraxas meistern muß, um seinen ersten Fall zu lösen.

-Turai ist eine magische Stadt. Von den Hafenanlagen im Stadtteil ZwölfSeen bis zum Park der Mondfinsternis, von den stinkenden Elendsvierteln bis zu den duftenden Gärten des Kaiserlichen Palastes, findet ein Besucher alle Arten erstaunlicher Personen, erstaunlicher Dinge und erstaunlicher Dienstleistungen.-
1. Kapitel

“Ich bin dreiundvierzig, übergewichtig, bar jeden Ehrgeizes, und habe einen fatalen Hang zu ausgedehnten Sauftouren.” Falls Sie jetzt auf eine ausführliche Lebensbeichte des Rezensenten hoffen, muß ich Sie enttäuschen. Dieser Anfall von Selbsterkenntnis stammt von Thraxas, dem Helden des Romans Der Drachentöter (Thraxas). Er ist außerdem geschieden, chronisch pleite und von Beruf Detektiv und Zauberer – ein ziemlich schlechter Zauberer. Der Fall liegt klar: Thraxas ist der typische Verlierer und das macht ihn so sympathisch.
Martin Scott verbindet in seinem Roman ein historisches Ambiente mit sehr gegenwärtigen Problemen. Die Stadt Turai, in der Thraxas ermittelt, ist an das antike Rom angelehnt. In ihr wohnen Menschen, Orgks und Elfen. Zwei Verbrecherorganisationen kämpfen um die Vorherrschaft. Der Handel mit Boah, einer mit Kokain oder Heroin vergleichbaren Droge, blüht. Wer nicht Boah konsumiert, berauscht sich mit Thazis. Die Oberschicht, bestehend aus Königshaus, Adel und Priesterschaft ist korrupt. In den Abwasserkanälen hausen Alligatoren und Frauen haben in Turai ziemlich wenig zu melden. Damit sind wir bei der zweiten sympathischen Figur, die Scott geschaffen hat: Makri. Makri ist ehemalige Gladiatorin und bedient in Thraxas’ Stammkneipe, der Rächenden Axt, in einem kaum vorhandenen Kettenhemd, die Kundschaft. Feministinnen dürfen das Buch dennoch zur Hand nehmen, Makri verdient sich in der Kneipe nämlich nur das Geld für ihre Kurse an der Innungshochschule. Die Universität ist zu Makris äußerstem Mißfallen, ausschließlich Männern vorbehalten. Deshalb unterstützt sie die Vereinigung der Frauenzimmer, die sich für die Rechte der Frauen einsetzt. Außerdem hilft sie Thraxas schlagkräftig bei der Lösung dieses Falles.

Scott zeichnet originelle Charaktere; Turai ist glücklicherweise nicht die siebenhundertsechsundreißigste Version einer mittelalterlichen Stadt; mit der Schlacht im Feenhain schildert Scott eine der schönsten und niedlichsten (!) Kampfszenen im Fantasy-Bereich; und außerdem verfügt der Autor über Sprachwitz. Das merkt der Leser aber erst, wenn er beschlossen hat, über die Mängel des Buches großzügig hinwegzusehen: Die Namensgebung im Roman zeugt von Holzhammer-Humor oder von dem übermäßigen Konsum von Asterix-Heften. Der Fischhändler heißt Iglox, die Prostituierte Nitribix, der Mafiaboß Corleonaxas, die Prinzessin Du-Lackai und wer weiß, ob das Schlagerduo Cindy und Bert glücklich damit ist, daß ihm der Übersetzer mit den fahrenden Sängern Cimdy und Bertax ein Denkmal gesetzt hat. Überhaupt scheint die Übersetzung manchmal auf wackeligen Füßen zu stehen, so ist z.B. die Anspielung auf den “Superbowl” im Deutschen völlig daneben gegangen. Das Cover ist eine Geschmacklosigkeit sondergleichen und veranlaßt den Rezensenten, die Redaktion zu bitten, eine Seite mit einer Bastelanleitung für Buchumschläge aus marmoriertem Papier einzurichten. Auch bei der Wahl des Titels sind die Wege des Verlages wieder einmal unergründlich. Im Original lautet der Titel des Buches aus gutem Grund einfach nur “Thraxas”.

The Elves and the Otterskin von Elizabeth H. BoyerEher aus Unbedarftheit als aus bösem Willen töten einige unfähige Elfenspione im Zwergenreich einen Fischotter, mit dem es mehr auf sich hat als auf den ersten Blick zu erkennen. Wenn sie das Wergeld, das der Zwergenkönig von ihnen fordert, nicht binnen kürzester Frist auftreiben, droht ein Krieg zwischen Zwergen und Elfen, und genau darauf baut der intrigante Nekromant Lorimer, der gern selbst die Macht im Zwergenreich übernehmen würde. Den Elfen bleibt nur die Hoffnung, rasch den Schatz des Drachen Fafnir an sich zu bringen. Doch Fafnir kann nur mit einem magischen Schwert erschlagen werden, und als dessen neuer Träger ist ausgerechnet der wenig heldenhafte Zauberlehrling Ivarr ausersehen …

– Second sons of poor fishermen always got the short shrift, Ivarr reflected darkly as the old cart rattled and jerked along. The horse pulling it was much older than he was, and the cart itself was certainly from the first landing on Skarpsey long ago. Ivarr glanced sideways at the owner of these relics and summed her up as the oldest and most sinister-looking woman he had ever seen – even barring the fact that she was the famous witch of Hvitafell. –
Chapter One

Ein Held wider Willen, der zusammen mit einem Zauberer und einem Trupp nur bedingt abenteuertauglicher Angehöriger eines Fantasyvolks auszieht, um einem Drachen einen Schatz abzujagen, an dem auch Dritte viel Interesse haben? Für passionierte Fantasyleser ist es sicher gar keine Frage, von welchem Buch da die Rede ist, und obwohl man ohne viel Mühe auch noch gewisse Parallelen zu Gollum oder Gandalfs Kampf mit dem Balrog aufspüren kann, greift der Vergleich mit Tolkien zu kurz, um The Elves and the Otterskin zu beschreiben.

Was Boyer bietet, ist vielmehr eine ganz eigene Mischung aus einer augenscheinlich auf fundierten Kenntnissen basierenden Interpretation altnordischer Mythologie und Slapstickhumor, der nicht selten an Klamauk grenzt. Dabei hätten die einzelnen Elemente, die in den Roman Eingang finden, durchaus reichlich Gelegenheit geboten, sich in Dramatik und Düsternis zu ergehen: Der Schurke Lorimer ist wortwörtlich eine wandelnde Moorleiche und hält sich den wiederbelebten Kopf eines toten Gegners als Ratgeber, Mord, Totschlag und Verzauberung sind allgegenwärtig, und der eindrucksvoll geschilderte Handlungsort Skarpsey erinnert mit seinen dünn besiedelten Gebirgen und Lavafeldern an ein phantastisches Island, das auch als Kulisse für eine weniger heitere Geschichte getaugt hätte.

In gewissem Maße ist es erfrischend, solche sonst oft ganz anders verwendeten Zutaten jeglichen Pathos’ entkleidet zu sehen, und besonders, wenn man einige Vorkenntnisse der Sagen, die Boyer verarbeitet hat, mitbringt, kann man sich sehr darüber amüsieren, was hier etwa aus Andvari und seinem Fluch, Ottar, Regin und Fafnir oder sogar dem Konzept der Fylgja wird. Auch die titelgebenden Elfen selbst bieten (mit Ausnahme des enigmatischen Eilifir) nicht gerade das, was man aus Mythologie und Fantasy von ihnen zu erwarten gewohnt ist, sondern glänzen über weite Strecken vor allem durch Inkompetenz und Streitigkeiten untereinander.

Doch dieser Humor ist ein zweischneidiges Schwert, und das nicht nur, weil er manchmal etwas zu bemüht wirkt – er untergräbt auch, und das wohl größtenteils unfreiwillig, die Wirksamkeit derjenigen literarischen Motive, die im Rahmen der Handlung ihren ganz klassischen Zweck erfüllen sollen, wie etwa das des Drachenkampfs. Gerade hier drängt sich der Vergleich zum Hobbit dann doch wieder auf, denn während es Tolkien trotz aller zum Schmunzeln anregenden Momente gelingt, Smaug glaubhaft als bedrohlich zu schildern, kann man Boyers altersschwachen Fafnir beim besten Willen nicht ganz ernstnehmen (und wenn man es doch tut, packt einen vor allem das Mitleid).

Als rite de passage für Ivarr und seine Kumpane taugen die durch den Kakao gezogenen Ereignisse allenfalls bedingt, so dass es einem schwerfällt, die durchaus ein gewisses Heranreifen umfassende Charakterentwicklung der Protagonisten und den bist zuletzt überwiegend farcehaften Plot miteinander in Einklang zu bringen. Doch obwohl die Mischung aus konventioneller Queste und Veralberung somit keine auf allen Ebenen befriedigende Auflösung erfährt, bildet sie streckenweise eine vergnügliche Lektüre, die an ihren besten Stellen beweist, wie frei und fabulierfreudig ein mit seinen Inspirationsquellen gut vertrauter Autor scheinbar Altbekanntes umdeuten kann, in anderen Szenen aber wiederum die möglichen Tücken eines solchen Vorgehens erkennen lässt.

Cover von Das Erbe des Zauberers von Terry Pratchett Der Zauberer Drum Billet hat nur noch sechs Minuten zu leben. Wie bei Zauberern so üblich, möchte er seine Zauberkunst vor seinem Ableben auf einen Nachfolger übertragen. Zauberer kann aber nur der achte Sohn eines achten Sohnes werden. Da trifft es sich gut, daß die Frau des Schmiedes gerade mit dem achten Kind in den Wehen liegt. Drum überträgt seine Kraft auf das Neugeborene, um d a n a c h festzustellen, daß das Kleine ein Mädchen ist. Als Eskarina acht Jahre alt ist, beginnt die Magie mächtig in ihr zu wirken und sie will Zauberer werden, aber eine Frau als Zauberer hat die Scheibenwelt noch nie gesehen und Eskarina muß sich mit Hilfe von Oma Wetterwachs gegen eine Menge Vorurteile durchsetzen…

-In der folgenden Geschichte geht es um Magie, wohin sie verschwindet – und was vielleicht noch wichtiger ist – woher sie kommt.-

Das Erbe des Zauberers (Equal Rites) gehört zu den schwächeren Scheibenweltromanen. Es ist allerdings das erste Buch, das die Bezeichnung “Roman” verdient hat; es ist klar strukturiert und besitzt eine durchgehende, nachvollziehbare Handlung. Insofern ist es besser als die ersten beiden Scheibenweltbände. Falls sich je ein Literaturwissenschaftler auf diese Seiten verirren sollte, der eine Parodie auf den klassischen Entwicklungsroman sucht, dann ist er mit diesem Buch bestens bedient.

Leser, die einfach nur Terry Pratchett kennenlernen wollen, sollten mit einem anderen Scheibenweltroman beginnen. Man hat den Eindruck, daß Pratchett immer noch dabei ist, sich warmzuschreiben. Sein genialer Sprachwitz zeigt sich hier nur in wenigen Passagen, über weite Strecken ist das Buch nicht so komisch, wie man es gewohnt ist, einige Kalauer sind ganz daneben gegangen. Es gibt auch weniger realitätsbezogene satirische Seitenhiebe als sonst, die gehören aber zu den gelungenen Passagen des Buches.

Obwohl Eskarina auf ihrem Weg zur Unsichtbaren Universität Gefahren ausgesetzt ist, sind diese nicht so spannend geschildert, daß die fehlende Komik wettgemacht würde. So hangelt sich der Leser von einem der im Roman verstreuten Höhepunkte zum anderen und hofft, daß die Geschichte an Dynamik gewinnt, aber über weite Strecken dümpelt sie nur vor sich hin. Es ist schade, daß Terry Pratchett ein gutes Thema auf diese Weise verschenkt hat.

Cover von Eric von Terry PratchettEric Thursley wünscht sich drei Dinge. Er möchte die Herrschaft über die Königreiche der Welt, er will der schönsten Frau aller Zeiten begegnen und er möchte ewig leben. Also versucht er einen Dämon zu beschwören, der ihm diese drei Wünsche erfüllt. Statt eines Dämons erscheint jedoch der Zauberer Rincewind und damit geht wieder einmal alles schief, was schief gehen kann.

-Tods Bienen sind groß und schwarz, summen dumpf und unheilvoll.-

Diese Parodie auf Goethes Faust ist Pratchett weitaus weniger gelungen als die Shakespeare-Parodie in MacBest. Anstatt sich auf Faust I zu beschränken, der schon im Original neben der Gretchentragödie auch viele witzige Stellen aufweist, z.B. wenn Mephistopheles auf Marthe Schwerdtlein trifft, bezieht Pratchett sich u.a. mit der Helena-Episode auf den viel schwerer zu verstehenden und stark philosophischen Faust II, den selbst die meisten Deutschen nicht gelesen haben dürften. Wenn Pratchett aber die Ilias und die Odyssee parodieren wollte, hätte er sich den Umweg über “Faust” sparen können und statt des trojanischen Krieges samt hölzernem Pferd lohnendere Motive aus der griechischen Sagenwelt wählen können. Angeboten hätte sich z.B. die Geschichte, in der Circe die Gefährten des Odysseus in Schweine verwandelt. Auch die Wortspiele zünden nicht so wie in anderen Scheibenweltromanen.

Für die Statistik: Pratchett macht nicht nur Anleihen bei “Faust” und den alten Griechen, er bezieht sich auch auf die Azteken, auf die Schöpfungsgeschichte der Bibel und er zeigt, daß die Hölle eine bürokratische Behörde ist.

Da das Buch mit 154 Seiten relativ dünn ausgefallen ist, regt sich der Verdacht, daß Pratchett mit “Eric” nur einen einigermaßen einleuchtenden Vorwand gesucht hat, um Rincewind aus der Zwischenwelt zurückzuholen in die er in “Der Zauberhut” geraten ist. Dazu kann man einen Dämonenbeschwörer wie Faust natürlich gut gebrauchen. Allerdings hat er damit ein lohnendes Thema weit unter Wert verschenkt.

The Face in the Frost von John BellairsDie beiden kauzigen Zauberer Prospero und Roger Bacon leben in verschiedenen Königreichen, sind jedoch durch eine langjährige Freundschaft verbunden. Eigentlich genießen die beiden alten Herren viel lieber das Leben statt sich mit der Bedrohung der Welt zu befassen. Doch da sich bereits dunkle Schatten in seiner Gartenidylle breit machen und unheimliche Wesen durch den Keller schleichen, können sie nicht lange warten und müssen all ihre Talente einsetzen um den schaurigen Ereignissen Einhalt zu gebieten.

– Several centuries (or so) ago, in a country whose name doesn’t matter, there was a tall, skinny, straggly-bearded old wizard named Prospero, and not the one you are thinking of, either. –
One

Zeit für klassische Fantasy? – Aber gerne!
The Face in the Frost (Das Gesicht im Eis) bietet all das, was den ursprünglichen Kern der Fantasy ausmacht. Alte Zauberer mit spitzem Hut, eine Kutsche aus Kohlrabi, ein gesprächiger Spiegel, unerhört lebendige Umhänge, die einem im dunklen Keller auflauern, und etliches mehr sind hier ganz normal. Wer nun eine Kindergeschichte wittert, liegt damit aber nicht ganz richtig und täte dem Buch unrecht. The Face in the Frost ist dank seiner schrulligen Protagonisten und einem unverkrampften Worldbuildung sehr humorvoll, bietet darüber hinaus aber auch Themen, die eher Stoff für Erwachsene sind. Intrige, Mord, politische Konflikte und die Folgen begangener Fehler in der Vergangenheit kommen hier in verlässlicher Regelmäßigkeit zum Zuge.

Dieses dünne Büchlein vermag es, seine Leser recht schnell in den Bann zuziehen. Die beiden alten Zauberer sind ein herrliches Duo und die erwähnten Artefakte und Szenen locken mit Leichtigkeit Lacher hervor.
Obwohl die Ideen in The Face in the Frost vielen Lesern vertraut vorkommen werden, ist dieser Roman keineswegs langweilig. Vielmehr sollte man es als den Klassiker betrachten, den es darstellt, mit den damals üblichen Stilmitteln eines Fantasyromans. Die Lektüre lohnt sich allemal, denn John Bellairs’ Erzählkunst schafft es ganz mühelos auf nur knapp 180 Seiten eine farbenprächtige Welt zu erschaffen, deren Atmosphäre sich sehr plastisch und lebendig vor dem geistigen Auge aufbaut.

Für jeden, der sich gerne einmal auf die Wurzeln des Genres zurückbesinnt und märchenhafte Atmosphäre sucht, die nicht gleich Kinderbuch bedeutet, ist dieser Roman daher eine klare Leseempfehlung. Auch Fans von Diana Wynne Jones dürften hier bestens beraten sein. Zu beachten wäre allerdings, dass das Buch sprachlich nichts für Englisch-Anfänger ist.

Illustrationen:
Die Originalausgabe aus den 80er Jahren wurde mit einfachen schwarzweißen Tuschezeichnungen bereichert. Wie es um die Neuauflage aus dem Jahr 2000 steht, ist uns leider nicht bekannt.
In Deutschland ist das Buch bisher nur als Sammlerausgabe bei Edition Phantasia erschienen – mit aufwendiger Aufmachung und farbigen Illustrationen. Eine ausführliche Beschreibung und Bildbeispiele findet ihr im Blog-Artikel zur deutschen Ausgabe (Buch des Monats im April 2011).

Die Fahrt der Shadowmoon von Sean McMullenAuf dem Kontinent Torea ist ein machthungriger Kaiser auf dem Weg, alle anderen Reiche zu erobern – und er schreckt dazu auch vor dem Gebrauch einer zerstörerischen Waffe nicht zurück.
Zur selben Zeit tingelt das kleine Schiff Shadowmoon durch die Häfen der Küste. Niemand weiß, daß die Mannschaft aus Spionen besteht, die Informationen sammeln – unter anderem über die Waffe des Kaisers Wasrovan. Doch wer wem vertrauen kann und wer für wen arbeitet, ist niemals ganz klar. Die Katastrophe droht bereits über Torea hereinzubrechen, und die Spione und zufällig auf der Shadowmoon gestrandeten Passagiere müssen zusammenarbeiten, um dem verrückten Wasrovan seine Waffe abzunehmen…

– Miral beherrschte den Himmel, als der Hochsee-Kauffahrer anlegte, eine immense grün gestreifte Scheibe im Zentrum dreier schillender grüner Ringe. –
Prolog

Zu Die Fahrt der Shadowmoon liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Die Fahrt der Shadowmoon und Der Fluch der Shadowmoon.

Cover von Der Fall Jane Eyre von Jasper FfordeEngland, 1985: Der Krimkrieg zwischen England und dem zaristischen Rußland dauert schon über 130 Jahre. Wales ist eine Volksrepublik. Weite Strecken legt man mit dem Luftschiff zurück und manchmal gerät die Zeit aus den Fugen. Literatur besitzt einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft. Da lohnt es sich für gewissenlose Subjekte, Verbrechen an der Literatur zu begehen. Thursday Next ist LiteraturAgentin in den Diensten des Special Operations Network und arbeitet an der Aufklärung solcher Verbrechen. Meistens geht es dabei um Fälschungen oder Raubdrucke. Doch eines Tages stiehlt der skrupellose Acheron Hades Dickens Originalmanuskript des Martin Chuzzlewit und bald stellt sich heraus, daß diese Aktion nur als Generalprobe gedient hat: Für den Fall Jane Eyre.

-Mein Vater hat ein Gesicht, das eine Uhr stoppen kann.-

Sie kennen sich in der englischen Literatur aus? Und gleichzeitig besitzen Sie eine Vorliebe für Agentenkomödien? Sehr gut! Damit erfüllen Sie die Voraussetzung, um diesen Roman von Jasper Fforde voll und ganz genießen zu können.

Die Welt, in der Thursday Next lebt, wird – abgesehen vom Krimkrieg – vor allen Dingen von der Literatur bestimmt. Die Hälfte der Bevölkerung hat ihren Namen in “John Milton” umgeändert, aus Verehrung für den großen Dichter. Baconier gehen wie die Zeugen Jehovas von Tür zu Tür, um die Menschen davon zu überzeugen, daß Francis Bacon die Werke Shakespeares verfaßt hat. Die Frage, wer Hamlet, Macbeth, Romeo und Julia etc. verfaßt hat, wird äußerst heftig diskutiert. Allen Literaturfreunden kann ich verraten, daß dieses Rätsel schließlich definitiv gelöst wird. Aber das ist nur ein Nebenprodukt der Geschichte. Kenntnisse der englischen Literatur benötigt man nicht nur, um Spaß an dieser bizarren Welt zu haben, sondern auch, um die vielen Anspielungen und Zitate zu verstehen. Und wer seine Jane Eyre nicht gut genug kennt, wird die Spur nicht bemerken, die Fforde für den Leser legt.

Diese Hommage an die Literatur verbindet Jasper Fforde mühelos mit einer James-Bond-Parodie. Die Agentin Thursday Next macht sich auf, den Superschurken Acheron Hades zur Strecke zu bringen. Der bedroht zwar nicht die ganze Welt, aber er begeht ein Verbrechen an der Literatur, das zumindest die Welt der Fans des Romans Jane Eyre zusammenbrechen läßt. Wie bei James Bond gibt es auch einen Erfinder: Thursdays Onkel Mycroft. Onkel Mycroft hat bei einem seiner letzten Experimente seinen Assistenten in ein Baiser verwandelt, seitdem hilft Tante Polly ihrem Mann bei den Versuchen, die durchaus nicht alle tödlich enden. Mycroft ist es gelungen, Pizza per Fax zu versenden, er hat einen Bleistift mit eingebauter Rechtschreibprüfung erfunden und in seiner Garage steht ein Rolls Royce, der die Farbe wechseln kann. Außerdem hat er einen Weg gefunden, wie man in Bücher einsteigen kann und wenn man Glück hat, auch wieder heraus kommt. Falls Sie jetzt vermuten, daß dies ein zentraler Punkt der Handlung ist, dann liegen Sie richtig. Außerdem mischt Thursdays Vater von Zeit zu Zeit in der Geschichte mit und die “Goliath Corporation”, eine Organisation, die wie Orwells Big Brother nicht nur ihre Augen überall hat, sondern auch noch ihre schmutzigen Finger.

Der Fluch der Shadowmoon von Sean McMullenAuf dem Kontinent Torea ist ein machthungriger Kaiser auf dem Weg, alle anderen Reiche zu erobern – und er schreckt dazu auch vor dem Gebrauch einer zerstörerischen Waffe nicht zurück.
Zur selben Zeit tingelt das kleine Schiff Shadowmoon durch die Häfen der Küste. Niemand weiß, daß die Mannschaft aus Spionen besteht, die Informationen sammeln – unter anderem über die Waffe des Kaisers Wasrovan. Doch wer wem vertrauen kann und wer für wen arbeitet, ist niemals ganz klar. Die Katastrophe droht bereits über Torea hereinzubrechen, und die Spione und zufällig auf der Shadowmoon gestrandeten Passagiere müssen zusammenarbeiten, um dem verrückten Wasrovan seine Waffe abzunehmen…

– Eine Stunde, nachdem Miral hinter den Hügeln rund um die Ebene von Diomeda versunken war, ging Feran in die Taverne Zum Bernstein. –
1, Fahrt nach Nord-Scalticar

Zu Der Fluch der Shadowmoon liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Die Fahrt der Shadowmoon und Der Fluch der Shadowmoon.

Das Gesicht im EisDie beiden kauzigen Zauberer Prospero und Roger Bacon leben in verschiedenen Königreichen, sind jedoch durch eine langjährige Freundschaft verbunden. Eigentlich genießen die beiden alten Herren viel lieber das Leben statt sich mit der Bedrohung der Welt zu befassen. Doch da sich bereits dunkle Schatten in seiner Gartenidylle breit machen und unheimliche Wesen durch den Keller schleichen, können sie nicht lange warten und müssen all ihre Talente einsetzen um den schaurigen Ereignissen Einhalt zu gebieten.

– Schon vor mehreren Jahrhunderten (oder so) lebte in einem Land, dessen Name unerheblich ist, ein großer, dürrer alter Zauberer mit struppigem Bart, der Prospero hieß, aber nicht der, an den Sie jetzt denken. –
S. 15

Das Gesicht im Eis wurde als Buch des Monats ausführlich in der Bibliotheka Phantastika besprochen, dazu bitte hier entlang.
Außerdem liegt eine Rezension der Originalausgabe vor: The Face in the Frost.

Glass Dragons von Sean McMullenNach dem Untergang des Kontinents Torea machen Wetterschwankungen wichtige Schiffswege unpassierbar. Daher schließen sich mächtige Zauberer zusammen, um das magische Artefakt “Dragonwall” aufzubauen, das die Probleme in Griff bekommen kann (und nebenbei auch noch anderen Zwecken dient). Bald geht nicht nur den Beteiligten auf, dass damit ein schwer zu kontrollierendes Experiment angestoßen wurde. Zum Glück sind schon einige Helden unterwegs: Wallas ist ein kürzlich des Attentats beschuldigter Hofmusiker, der in erster Linie Frauen und ein sorgloses Leben im Kopf hat. Er trifft auf Andry, einen Seefahrer, der sein Heimweh in Alkohol ertränkt – gemeinsam stolpern sie in die Bemühungen zur Verhinderung von Dragonwall …

-Even though the streets of Alberin were being lashed by a rainstorm and the wind was so strong that one could not walk through the gusts in a straight line, the two men who emerged from the mansion were relieved to be outside again.-
Prologue

Ganz ähnlich wie schon im ersten Band der Moonworlds Saga schickt Sean McMullen seine Helden in den Kampf gegen ein außer Kontrolle geratenes magisches Artefakt, dessen Schöpfer an die weitreichenden Folgen ihrer Arbeit keinen Gedanken verschwendet haben. Auch die schwer durchschaubaren Loyalitäten der Helden und ihre teilweise über weite Strecken geheimen Aufträge erinnern an den Vorgänger – von daher betreffen herausragende Neuerungen die Helden selbst. Während wohlbekannte Charaktere aus Voyage of the Shadowmoon als durchaus wichtige Nebenfiguren noch etliche Auftritte erhalten, stellt eine Riege von neuen Protagonisten das Herz und die Seele von Glass Dragons, auch wenn sie ganz bestimmt nicht Herz und Seele sind: Der gutherzige Andry Tennoner, ein einfach gestrickter Seemann, der das Beste aus sich machen will (falls er einmal nüchtern ist) und der intrigante Hofmusiker Wallas, bei dem es ein Euphemismus wäre, ihn als Egoisten zu bezeichnen, sind ein klassisches Slapstick-Duo: Das Schicksal zwingt sie zusammen, und sie lassen keine Gelgenheit aus, sich anzukeifen, auszutricksen, zu schmähen und einander am Erfolg zu hindern.
Besonders in Andrys Entwicklung hat der Autor viel Herzblut gesteckt, und an ihm offenbart sich auch die Eigenheit der Reihe, die man vermutlich entweder hassen oder lieben wird: Andry ist eine realistische, liebevoll gezeichnete Figur mit einer herzzerreißenden Geschichte, die aber von einem Satz zum nächsten zwischen zu Tränen rührend und reinstem Slapstick unter der Gürtellinie pendeln kann. Die gute Nachricht ist, dass McMullen das erzählen kann, ohne der Geschichte ihren tieferen Ernst zu nehmen, aber dennoch ist es gewöhnungsbedürftig, wenn ab und an Beziehungen oder Figuren in einem halben Satz abwürgt werden, weil ein Knalleffekt oder eine Kehrtwendung in der Handlung höheren Stellenwert haben.

Des weiteren gelingt es McMullen, auf den gut 500 Seiten wirklich viel Stoff unterzubringen, was nicht zuletzt an Verral selbst liegt, einer Welt mit einem Überschuß an Magie und einer Vielzahl an Fraktionen und Interessengruppen. Wie man schon im Vorgänger lesen konnte, ist die Magie auf Verral meistens von der megalomanischen Sorte, und der Autor scheut nicht davor zurück, Katastrophen nicht nur anzudrohen, sondern auch hereinbrechen zu lassen. Auch hier stehen schon allein in ihrem Ausmaß äußerst kaltschnäuzige Szenen neben liebenswerten Einschüben, wie etwa der pratchettesken Geschichte der Prostituierten Madame Jilli, deren Ableben eine Diskussion unter diversen Schicksalsmächten auslöst und die daraufhin zu einer resoluten eigenen Macht gelangt. Diese eigenartige Mischung aus turbulenten Szenen und einfühlsamen Charakterbeschreibungen ist gewiss nicht jedermanns Sache.

McMullen unterhält mit alledem aber so hervorragend, dass erst am Ende auffällt, wie zerfahren seine Geschichte eigentlich ist – es wurde im Laufe von Glass Dragons niemals richtig entschieden, ob der Fokus eher auf der weltumspannenden Queste oder den Geschichten der Figuren liegen soll, und da McMullen beides umgesetzt hat, ist die Struktur nicht ganz glatt, dafür aber vielschichtig und überraschend.

Neue Charaktere mit offenen Entwicklungen für den nächsten Band stehen am Ende auch bereit, womit die Moonworlds Saga als Reihe von locker zusammenhängenden, spektakulären Einzelabenteuern in einem aberwitzigen Setting bestens etabliert wäre.

Herr Apropos von Nichten von Peter DavidApropos ist das Produkt der Vergewaltigung seiner Mutter durch einen der angeblich ach so edlen Ritter, und er hasst den in seinen Augen verlogenen Stand aus ganzem Herzen. Er wächst in ärmlichen Verhältnissen auf, und da er ein verkrüppeltes Bein hat, ist es meistens seine spitze Zunge, die ihn aus brenzligen Situationen befreit. Aber körperliche Gebrechen und niedere Geburt hindern ihn nicht daran, über viele Umwege dennoch zum Knappen aufzusteigen und letztendlich von König Runzibel für eine besondere Mission ausgewählt zu werden – insgeheim ist er aber immer auf der Suche nach seinem unbekannten Vater und nach Rache für seine Mutter.

-Wie ich so mit dem Schwert in der Hand da stand und es von der Klinge nur so tropfte, fragte ich mich doch, ob dieses Blut wirklich von meinem Vater stammte.-
Kapitel eins

Peter David lässt in diesem Anti-Ritter-und-Questen-Roman Herrn Apropos selbst seine Abenteuer schildern, dessen spitze Zunge aber letztlich nicht so spitz ist, wie ständig beteuert wird – aber über den ein oder anderen Witz kann man durchaus schmunzeln. Die klassische Ritterwelt wird dabei recht respektlos durch den Kakao gezogen, wobei sich der Autor immer einer leicht anachronistischen Sprache bedient und gerade eben die Kurve kriegt, nicht zu flapsig zu werden. Immerhin gibt Apropos selbst zu, dass er manchmal ganz schöne Kalauer hinlegt.
Einige der (auch im Original oftmals mauen) Sprachwitze, wie etwa Apropos’ Namensgebung, gehen im Deutsch ein wenig verloren, andere sind aber äußerst pfiffig gelöst.

Zunächst wird der Werdegang des Apropos in Rückblenden erzählt, was an dieser Stelle vielleicht ein etwas langer Ausflug abseits der Haupthandlung ist, der sich allerdings im weiteren Verlauf noch auszahlt. Wir lernen einen feigen und egoistischen Protagonisten kennen, der auch seinen besten Freund für seine guten Taten verachtet und hauptsächlich vom (mit seinen Zeugungsumständen verbundenen) Hass auf den Ritterstand getrieben wird.
Apropos’ Weg zum Knappen ist zwar ungewöhnlich, aber dennoch vorhersehbar, und auch als Knappe erlebt er typische Ritterabenteuer: Turniere, Schäferstündchen mit holden Maiden und derlei mehr. Apropos holde Maiden: Vor allem zu Beginn des Romans kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Autor das weibliche Geschlecht im Allgemeinen für geistig minderbemittelt hält, und es gibt eigentlich im ganzen Buch auch nur eine Ausnahme (und die ist ebenfalls fragwürdig). Ja, ein lustiger Ritterroman braucht vielleicht Klischees, aber muss dazu wirklich nahezu jede auftretende Frau ein williges Dummerchen sein? Die Schenkelklopfer ziehen den ohnehin lauen Humor des Romans auf ein wahrhaft unterirdisches Niveau.

Ungefähr zur Hälfte des Romans beginnt dann Apropos’ große Aufgabe und Peter David macht nahezu eine Kehrtwendung von einer selten wirklich witzigen Parodie zu einem klassischen Abenteuer mit vielen überraschenden Wendungen. Es bleibt zwar nach wie vor komisch, aber Apropos wandelt sich vom eher unsympathischen, egoistischen und feigen Tropf zu jemandem, der immerhin hin und wieder eine gute Tat in Betracht zieht. Allerdings gibt es zum Ende hin zweimal einen sehr harten und ungemütlichen Aufprall auf Tatsachen, die sich in einem ernsteren Buch besser gemacht hätten und so gar nicht zur locker flockigen Umgebung passen wollen (König Meanders Geschichte und der eigentliche Clou am Ende des Buches).
Bei allen liebenswerten Figuren, die mitunter am Rande des Weges auftauchen, und den hin und wieder gelungenen Lachern bleibt Herr Apropos von Nichten damit irgendwo zwischen Parodie und Antiheldenreise stecken.

Cover von Hokus Pokus Hexenschuss von Mike AshleyDiese Anthologie beinhaltet 32 humorvolle Geschichten verschiedener Autoren, die auf völlig unterschiedliche Weise an das Thema Fantasy herangehen.
In den Geschichten tauchen Hänsel und Gretel ebenso auf wie Helden, die diverse Schwierigkeiten mit ihren Schwertern haben oder Außerirdische, die der Erde einen Besuch abstatten.

-Voller Stolz präsentiere ich hiermit einen weiteren Band mit humorvollen Fantasy-Geschichten. Oh, Mist, nicht noch so eine blöde Einleitung! Wie bitte? Wer zum Teufel liest schon Einleitungen? Was soll das heißen? Die Leute sind an deinem Geschwafel gar nicht interessiert. Sie wollen gleich mit dem Buch anfangen!
Noch so eine blöde Einleitung

Mike Ashley hat in dieser Sammlung 32 Geschichten von hohem Niveau zusammengetragen, die von erstklassigen Autoren verfaßt wurden. Die Autorenangabe auf dem Cover ist willkürlich, wahrscheinlich hat der Verlag die beiden Autoren ausgewählt (John Cleese und Tom Holt), von denen man annahm, daß sie den meisten deutschen Lesern bekannt sind. Aber auch die Geschichten aller anderen Verfasser lohnen sich zu lesen. Ashleys Verdienst ist es, daß er auch zu Unrecht vergessenen Schriftstellern und ihren Geschichten einen Platz in dieser Anthologie einräumt. Die älteste Story ist 1907 zum ersten Mal erschienen, die meisten sind aber neueren Datums und dreizehn Geschichten wurden extra für dieses Buch verfaßt.
Da in der englischsprachigen Welt der Fantasy-Begriff nicht so eng ausgelegt wird, gibt es hier viele Geschichten aus den Bereichen Märchen, Science Fiction, Phantastik und auch abgedrehte Krimi-Parodien. Diese Bandbreite macht es so schwierig, etwas über das Buch als Ganzes zu sagen. Eigentlich müßte man jede Geschichte einzeln besprechen. Allen gemeinsam ist außer der hohen Qualität, die sich im Stil, in der Sprache, und dem Einfallsreichtum der Autoren äußert, nur die Skurrilität.
Hier ein paar Häppchen, um Appetit auf mehr zu machen: In “Der Auftritt der Charlie Chaplins” löscht ein Außerirdischer auf ebenso heimtückische wie originelle Weise halb Nebraska aus. Todesfälle häufen sich auch in “Der bleiche Assassine”. Wer diese Story liest, wird nur noch zu Hause essen. “Ferdie” erzählt die anrührende und traurige (hähä) Geschichte eines kleinen Alraunen, der die Gesellschaft von Menschen sucht. In “Der Besuch des Handlungsreisenden” erfährt der Leser, daß Engel auch nicht mehr das sind, was sie einmal waren. “Ein Barbar auf dem Broadway” wirft sich die Frau, die er liebt einfach wie ein Sack Mehl über die Schulter, was diese nicht so recht goutiert. Und “Einer geht noch” beschreibt, welch schreckliche Folgen es haben kann, beliebt zu sein.

Zur Übersetzung: Da mir die englische Fassung nicht vorliegt, kann ich nichts darüber sagen wie originalgetreu die Übersetzungen sind. Man merkt vielen Geschichten aber an, daß die Übersetzer Spaß an ihrer Arbeit hatten. Eine besondere Erwähnung verdient Barbara Röhl, die es doch tatsächlich geschafft hat, in einer der von ihr übersetzten Geschichten eine Hommage an Herbert Görgens (Ingolf Lücks alter ego in der Wochenshow) unterzubringen und die damit für einen Extra-Lacher gesorgt hat.

House of Many Ways von Diana Wynne JonesDie wohlerzogene und behütete Charmain ist zu Tode gelangweilt. Als sie das Haus ihres kranken Onkels hüten soll, packt sie daher die Gelegenheit beim Schopfe. Onkel William allerdings ist Zauberer, sein Haus ist magisch und Charmain versteht nichts von Magie und noch weniger davon, schmutziger Wäsche und dreckigem Geschirr Herr zu werden. Außerdem möchte sie nur eins: sich hinsetzen, ihre Bücher lesen und eines Tages in der königlichen Bibliothek arbeiten. Stattdessen muss sie entdecken, dass die richtige Drehung Badezimmer in Ställe verwandeln oder einen hoffnungslos verlorengehen lassen kann und dass Zauberlehrlinge, wütende Kobolde, missglückte Zaubersprüche und ein benachbarter Lubbock ausgesprochen nervtötend sein können.

– »What I do know is that she never has her nose out of a book, never does a hand’s turn in the house, and is treated like a sacred object by both her parents. It will do her good to do something normal for a change.«
»Oh, dear,« said Great-Uncle William. »Thank you for warning me. I shall take precautions, then.« –
Chapter One, In which Charmain is volunteered to look after a wizard’s house

Mit House of Many Ways ist Diana W. Jones wieder ein liebevoll geschriebenes Buch mit witzigen Ereignissen, Ideen und alten Bekannten gelungen. Es stellt den dritten und letzten Teil der lose verknüpften Reihe um Zauberer Howl dar. Wie auch bei Castle in the Air (Ziemlich viele Prinzessinnen) sei aber auch hier davor gewarnt, eine wirkliche Fortsetzung zu Howl’s Moving Castle (Sophie im Schloss des Zauberers) zu erwarten. Erfreulich allerdings: House of Many Ways hat wieder deutlich mehr Schwung als Castle in the Air, auch wenn Sophie und Howl erneut nur als etwas blasse Nebenrollen in Erscheinung treten.
Wie die Vorgänger ist auch dieser dritte Teil wieder ein in sich abgeschlossenes Buch, welches eine völlig neue Geschichte erzählt. Man muss die beiden Vorgänger also nicht gelesen haben, für Neugierige, die gerne alle Details und Hintergründe kennen, ist es jedoch von Vorteil, wenigstens Howl’s Moving Castle vorab zu lesen.

Wie immer beweist die Autorin auch in diesem Roman ihren großen Ideenreichtum und ihre Liebe für kleine Details. Besonders erwähnenswert ist an dieser Stelle das titelgebende House of Many Ways, welches man getrost wörtlich nehmen kann. Die Idee, dass eine Tür in viele verschiedene Dimensionen, Richtungen oder Räume führen kann, kennt der vertraute Leser bereits aus Howl’s Moving Castle. Im vorliegenden Roman wird dieser magischen Tür und ihrem Potential deutlich größere Aufmerksamkeit zuteil. Hinter jeder Drehung wartet ein neuer spannender Raum, unentdeckte Gänge, Bewohner, von denen man noch nichts ahnte, und vieles mehr. Eine zauberhafte Idee mit vielen Wendungen und Entdeckungen.

Leider wird der Großteil dieser sehr schönen Ideen ein wenig von der etwas misslungenen Protagonistin Charmain getrübt, die (aufgewachsen in ihrer behüteten Welt) eine recht egoistische Denkweise entwickelt hat, und leider auch lernresistent und faul scheint. Es ist nicht ganz leicht, mit diesem Charakter warm zu werden und ihre zum Teil doch eher merkwürdigen Reaktionen nachzuvollziehen. Da die Protagonistin außerdem häufig gelangweilt ist, überträgt sich das Gefühl stellenweise auch auf den Leser. Gleichzeitig sorgt Charmains erziehungsbedingte Alltagsuntauglichkeit aber auch für unerwartete Situationskomik. Interessante Abwechslung zu diesem schwierigen Hauptcharakter bieten die Nebenrollen in Form von Peter dem Zauberlehrling, der sehr gegensätzliche Eigenschaften verkörpert, und einem ewig hungrigen Hund namens Waif.

House of many ways hat wie Castle in the Air mit dem Problem zu kämpfen, dass die Geschichte an zu vielen Stellen wie unter Zwang konstruiert und geplant wirkt, was auf Kosten einer stimmigen Atmosphäre und überzeugender Charaktere geht. Obwohl alle drei Bücher aus der Reihe ihre Stärken haben, bleibt Howl’s Moving Castle daher unangefochten der Spitzenreiter, an den auch House of Many Ways leider nicht herankommt.

Cover des Buches "In einem anderen Buch" von Jasper FfordeSeit Thursday Next aus Jane Eyre zurückgekehrt ist, hat ein regelrechter Medienrummel um sie eingesetzt. Ständig muss sie zu Fototerminen oder Zeitungsinterviews geben, jetzt soll sie auch noch in der Adrian-Lush-Show auftreten, darf aber nichts Essentielles sagen, da dies entweder gegen die Dienstordnung von SpecOps verstößt oder gegen die militärische Geheimhaltung oder gegen die Firmengrundsätze der Goliath Corporation, der die Fernsehstudios gehören. Thursday hat die Nase gestrichen voll, sie möchte nichts anderes als ihr Leben mit ihrem Ehemann Landen genießen. Doch gerade als es den Anschein hat, dass glückliche Zeiten für sie anbrechen, wird Landen genichtet. Jemand ist in die Vergangenheit gereist und hat dafür gesorgt, dass Landen im Alter von zwei Jahren stirbt. So soll Thursday dazu gezwungen werden Jack Schitt aus Poes Der Rabe herauszuholen. Und als ob das nicht schon genug Schwierigkeiten wären, trachtet auch noch ein Unbekannter nach Thursdays Leben und außerdem wird am 12. Dezember die Welt untergehen.

-Ich hatte nicht darum gebeten, eine Berühmtheit zu werden. In der Adrian-Lush-Show wollte ich auch nicht auftreten, und solange nicht gerade ein Weltuntergang droht, würde ich so etwas Albernes wie Das Thursday Next Fitness-Video auch nicht machen.-
I. Die Adrian-Lush-Show

Falls der ein oder die andere nicht jedes Wort der Inhaltsangabe verstanden hat, so ist das kein Grund zu Beunruhigung, zeigt es doch nur, dass Thursdays zweiter Fall genauso abgefahren, voll überbordender Phantasie und skurrilem Witz ist wie der erste. Schon die Auflistung der Zuschauerzahlen der Fernsehsender im September 1985 auf der ersten Seite sorgt für Lacher. Eigentlich soll sie dokumentieren, dass die Adrian-Lush-Show die meistgesehene Show in Thursdy Nexts Welt ist, doch schon an der sechsten Stelle folgt die Sendung Gefährliche Irre diskutieren im Fernsehen. Der Rezensent kann keine rationale Erklärung dafür abgeben, warum ihm da sogleich sonntagabendliche Polit-Talkshows eingefallen sind, gibt es doch noch zahlreiche andere im deutschen Fernsehen, die gemeint sein könnten – Talkshows natürlich.
Jasper Fforde liefert nicht nur wieder eine höchst vergnügliche phantastische Agentenparodie, sondern er verteilt auch kräftig Seitenhiebe, z.B. gegen selbstgefällige Talkshow-Moderatoren, deren Gäste viel reden, aber möglichst nichts sagen sollen, es sei denn etwas Werbewirksames über den Sponsor der Show. Und natürlich sind Jasper Fforde auch Weltkonzerne vom Schlag einer Goliath Corporation ein Dorn im Auge, die die Welt beherrschen wollen, indem sie die Medien beherrschen und wirtschaftliche und politische Macht ausüben.

Schräge Agentenparodien gibt es einige, was Ffordes Romane von ihnen unterscheidet und die Thursday-Next-Bücher so lesenswert macht, ist, dass sie unbändige Lust wecken, sich mit der Literatur zu beschäftigen in die Thursday bei ihren Einsätzen hineingerät oder auf die Fforde intelligent anspielt.
Thursday muss sich nicht nur in Poes Raben hineinbegeben, sie findet sich auch plötzlich in einem Prozeß à la Kafka wieder. Miss Havisham aus Dickens Große Erwartungen lehrt sie, wie man in Bücher springt. Thursday landet in Verstand und Gefühl, trifft die Herzkönigin und die Grinsekatze und gerät auch schon einmal in eine Waschanleitung. Unzählige Werke werden nur kurz erwähnt wie Marlowes Edward II.; Romeo und Julia, Julius Caesar, David Copperfield, Ulysses, Die Abenteuer des David Balfours, Barchester Towers, König Salomos Schatzkammer oder Vergessene Welt. Wer da keine Lust bekommt, in seinem Bücherregal zu stöbern, dem ist nicht mehr zu helfen.

Cover des Buches "Jürgen" von James Branch CabellNachdem Jürgen auf dem Heimweg das Gute an der Arbeit des Teufels gepriesen hat, bedankt sich bei ihm ein schwarz gekleideter Mann für die freundlichen Worte und wünscht Jürgen ein sorgenfreies Leben. Doch der entgegnet, der gute Wunsch käme zu spät, er sei schon verheiratet. Zu Hause angekommen stellt Jürgen fest, dass seine Frau “wohl von einem Teufel entführt wurde. Der arme Kerl.” So macht sich Jürgen auf eine lange Irrfahrt, auf der er seine Jugend zurückerhält und Gebiete wie Cameliard, der Heimat von Guinevere, und Leuke, der Heimat von Helena, die Hölle seiner Ahnen und den Himmel seiner Großmutter besucht, um das Mannhafte zu tun und Lisa zurückzuholen…

-Im Land Poictesme erzählt man eine Geschichte: Vor langer Zeit lebte dort ein Pfandleiher namens Jürgen; doch die Namen, die seine Frau ihm gab, waren sehr oft viel schlimmer.-
Warum Jürgen das Mannhafte tat

Jürgen ist ein schräger Vogel; in seiner Jugend war er ein Draufgänger, Charmeur und Dichter – im Alter ist er ein dickbäuchiger Pfandleiher geworden, der keine wunderschöne Gräfin geheiratet hat, sondern die nette Tochter des Pfandleihers. Mit seiner Jugend, die er von Sereda erhält, tollt der knapp fünfzigjährige Jürgen durch eine skurrile Welt und versucht sein Glück zu finden. In der Wahl der Mittel ist er nicht zimperlich; schmeicheln, lügen und betrügen sind an der Tagesordnung und kann er einen Gegner nicht im fairen Kampf bezwingen, dann erdolcht er diesen auch schon einmal heimtückisch. Doch die Reise und sein ihn verspottender Schatten verändern ihn.

Gerade oder gar edle Charaktere gibt es hier nicht – König Gogyrvan will belogen werden, König Smoit hat seine Ehefrauen reihenweise ermordet und König Artus taucht persönlich nicht auf. Auch wenn außer Jürgens Charakter keiner näher beleuchtet wird, trifft man nie auf bloße Klischees.
Da Jürgen bereit ist, es mit jeder schönen Frau zu versuchen, begegnet man vielen – einige sind aber mehr als sie zunächst scheinen. Dorothee, seine Jugendliebe, leitet Jürgens Abenteuer ein, die Leschie Sereda ermöglicht es. Im Kern stehen Guinevere, Anaitis und Helena. Mit ihrer Hilfe kann Jürgen seinem Ziel näher kommen – einem Ziel, welches er eigentlich nicht kennt. Bis dahin versucht er seine Frau Lisa zu befreien.

Magie spielt eine gewisse Rolle, so gibt es Zentauren, Trolle, Naturmythen, Engel und Teufel. Doch nichts ist wie gewohnt; die Engel verspotten Petrus und die jungen Teufel wollen die Sünder nicht mehr quälen – sie wollen mehr Freizeit. Jürgen führt ein Zauberschwert, trägt ein magisches Hemd und nutzt den Zauberspruch des Meisterphilologen. Trotzdem drückt sich die Magie eher im Anarchismus der Geschichte als in magischen Gegenständen oder Zauberei aus.
Die Geschichte ist klar an die Odyssee angelehnt, Jürgen versucht Befriedigung zu finden, symbolisiert in der Suche nach seiner Frau Lisa. Für eine Fantasy-Geschichte scheint mir dieses höchst originell zu sein, zumal wenn man bedenkt, dass sie 1919 veröffentlicht wurde. Jürgen stolpert nolens-volens von einer Eskapade zur nächsten um sich langsam über sich selbst klar zu werden.

Insgesamt ist dieses eine Geschichte der Zweideutigkeit, des “Statt dessen”, der Kompromisse. Die Ereignisse sind zwar amüsant, aber immer mit einem tragischen Unterton hinterlegt; Jürgen erhält zumeist das, was er anstrebt, selten ist es aber das, was er will.
Bekannt geworden ist Jürgen als Geschichte der pornographischen Anspielungen. Die sind natürlich enthalten – sogar zu Hauf – da Cabell sich u. a. gegen die Sexualmoral der USA des frühen 20. Jhd. wendet. Jürgen ist ein Auftakt der “Roaring Twenties” – der junge Jürgen würde sich in den 20ern wohlgefühlt haben. Alle Phallus-Symbole (Schwert, Lanze, Szepter, Keule etc.) sind ernst zu nehmen – wenn der betrunkene Jürgen nächtens mit seinem Schwert vor dem Zimmer der Anaitis herumfuchtelt, hat dieses zwei Lesarten. Doch die Geschichte ist mehr als das; sie ist zunächst sehr humorvoll – die Nüchternheit, mit der Anaitis auf die zuvor geschilderte Szene reagiert, ist bezaubernd komisch. Vor allem aber ist es eine Reflexion auf die Jugend, das Alter, Menschlichkeit und deren Auffassung. Auch wenn das Buch für bare Münze genommen an vielen Stellen eine Männerphantasie zu sein scheint – alle Frauen lassen sich von Jürgen betören – löst sich dieses auf, wenn man die Symbole zu interpretieren beginnt. Anzumerken ist noch, daß die Stellen eindeutig zweideutig sind. Man weiß ganz genau, dass Jürgen sich gerade sexuell betätigt, doch lässt sich diese Szene auch ohne Problem ohne sexuelle Anspielung verstehen.

Auch wenn Jürgen Teil des Poictesme-Zyklus ist, lässt sich die Geschichte ohne weiteres verstehen; wer den Rest kennt, kann noch ein wenig mehr über der Part von Koshchei und vor allem Horvendil rätseln, darüber hinaus ist Jürgen aber das extreme Gegenteil von Dom Manuel; im Zyklus legt Cabell seine Ansichten über Lebensauffassungen dar, die Vertreter sind Dom Manuel (Chevalereske/Ernste), Jürgen (Galante/Ironische) und Horvendil (Poetische/Schaffende).
Sprachliche ist das Werk durchaus gelungen, es gibt keine Fehltritte und manch schöne Wendung – an die Sprachgewalt Lord Dunsanys oder Lewis Carrolls Zauber kann es aber nicht heranreichen.

Die Kunst der Scheibenwelt von Terry Pratchett und Paul KidbyDie Kunst der Scheibenwelt ist eine atemberaubend schöne Sammlung von Bildern zu Terry Pratchetts Scheibenwelt-Romanen, geschaffen von Paul Kidby. Die beiden Künstler arbeiten seit Jahren zusammen und präsentieren uns mit dem vorliegenden Artbook ihre gemeinsame Sicht der Scheibenwelt. Mit einem enormen Vorstellungsvermögen verleiht Paul Kidby in diesem Werk den beschriebenen Figuren, Orten und Gegenständen fesselnde Substanz, humorvoll kommentiert von deren Schöpfer Terry Pratchett.

Zu Die Kunst der Scheibenwelt liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Das Labyrinth der träumenden BücherGelockt von einem geheimnisvollen Manuskript, kehrt Hildegunst von Mythenmetz 200 Jahre nach seiner Flucht aus Buchhaim zurück in die Stadt der träumenden Bücher. Denkfaul und träge geworden, gleicht die Echse eher einem verwöhnten Balg als einem ehemals ormdurchströmten Schriftsteller, und dennoch begibt er sich auf die Reise. Und obwohl sich das nach dem verheerenden Feuer wiederaufgebaute Buchhaim von einer völlig neuen Seite zeigt, schafft es die Stadt bald, den Schriftsteller in seinen Bann zu ziehen und ihm neuen Schreibmut zu schenken. Und, wer weiß – vielleicht wartet ja irgendwo auch das Orm?

– Unter allem vibrierte das unverwechselbare Grundgeräusch, der Kammerton jeder größeren Stadt, der sich aus tausenden durcheinanderplappernden Stimmen speist und wie das anhaltende Raunen eines Publikums klingt. Ich war angekommen. –
Die neue Stadt, S. 41

Rauchverbot, Latte Macchiato mit oder ohne Milchschaum, Regenbogenpresse – Willkommen im Buchhaim des 21. Jahrhunderts. Eingeholt von Fortschritt und Entwicklung präsentiert sich die Bücherstadt von ihrer modernen Seite, und während die Stadt der träumenden Bücher aus der Asche wiederauferstand, befindet sich Hildegunst von Mythenmetz, der unselige Protagonist des Romans, am Tiefpunkt seines künstlerischen Schaffens. Die Echse badet eitel im großen Schaumbad des schnellen Erfolges und pflegt ihre einmalig erworbenen Lorbeeren mit größerem Eifer als ihre eingerostete Schreibfeder. In seiner dramatisierten Großartigkeit ist er trotz Schuppenkleid und Klauenhand den Akteuren des realen Literaturbetriebes oft sehr ähnlich. Und wahrlich: an Seitenhieben auf unseren deutschen Büchermarkt mangelt es nicht. Während buchhaim’sche Insider die Verdrängung des papierenen Wortes durch das revolutionäre Wurstbuch heraufbeschwören, erstickt so mancher Kritik verachtende Autor, trotz offensichtlichen Unvermögens, in Fanpost. Klingt bissig? Treffend? Pointiert?
Nichts liegt dem Roman ferner. Die parodistischen Elemente sind nach starren Regeln strukturiert: das Humor-Reportoire des Autors beschränkt sich in diesem Buch zumeist auf die fleißige Anagramm-Bildung und die kulturgeschichtliche Anspielung durch Namensverfremdungen. Nicht nur die Lettern von Schriftstellernamen werden munter gemischt, auch die der Größen der klassischen Musik. Kenner entdecken den Walkürenritt, ebenso wie Freude schöner Götterfunken. Keine Kunstepoche ist sicher vor der schablonenhaften Verfremdung, kein gesellschaftliches Phänomen gefeit vor einer zamonischen Entsprechung. Moers hat mit Das Labyrinth der träumenden Bücher ein Gagfeuerwerk erschaffen, welches partout nicht zünden will. Seine Einfälle funktionieren als kurzweilige Pointe – wie die Werbeausgabe des Zamonischen Kuriers oder die Alles-in-Fraktur!-Zwerge beweisen -, doch durch die konsequente Wiederholung der Lachstrickmuster wird der moers’schen Absurdität der genussvolle Stachel des Unerwarteten genommen. Auch sprachlich reflektiert Moers mit seinem Roman die schriftstellerische Verfassung seiner Hauptfigur – erfolgsverwöhnt und mit dem unerschütterlichen Glauben, dass der geneigte Leser jeden Lapsus, jede handlungsarme Durststrecke für einen Geniestreich hält.

Der Klappentext verspricht einen Beitrag zur  “Kulturgeschichte” Zamoniens, und einzig das möchte man ihm zugestehen. Voller Unglaube verfolgt der Leser eine repetitive Handlung, die aus dem Vorgängerband Die Stadt der träumenden Bücher hinreichend bekannt ist. Allein die 200 Jahre Unterschied können als Anlass gewertet werden, diese Geschichte niederzuschreiben. Bizarrer Höhepunkt des Wiederholungsreigens ist das moers’sche “play within a play”: Hildegunst wohnt einer Theateraufführung bei, die seine Abenteuer aus Die Stadt der träumenden Bücher erzählt. Der geneigte Leser kennt vielleicht das unangenehme Gefühl, von einem begeisterten Freund die Handlung eines kürzlich gesehenen Filmes nacherzählt zu bekommen: während der Erzählende, noch tausende Bilder vor Augen, begeistert die Handlung nachvollzieht, vergeht das lauschende Gegenüber vor Langeweile. Und nun stelle man sich eine 20-Seitige, begeisterte Nacherzählung einer bereits bekannten Geschichte vor, die nichts von der Begeisterung transportieren kann und zur bloßen Inhaltsangabe verkommt. Lässt Moers hier den selbstverliebten Mythenmetz auf quälende Art und Weise schwadronieren? Ist die Szene ein lebendiges Zeichen für den charakterlichen und schriftstellerischen Niedergang seiner Figur, eine Meta-Ebene des Qualitätsverlustes? Oder ist es tatsächlich ein Zeichen dafür, dass Moers in seinem Roman keinerlei nennenswerte Handlung unterzubringen vermag, sondern sich an dem Glanz seines bereits erschienenen Werkes erfreut?

Auch die kulturgeschichtlichen Abhandlungen über den aufkommenden Puppetismus – professionelles Marionettenspiel –  in Buchhaim sind nur ein schwacher Abglanz jenes Zaubers, den eine moers’sche Schilderung über die Katakomben von Buchhaim heraufzubeschwören vermochte. Seine Versuche, ein lebendiges Bild einer künstlerischen Gemeinschaft zu schaffen, scheitern. Die Aufzählungen zahlreicher wunderlicher Details erschaffen ein Bild, welches an eine kaputte Marionette erinnert: es mag zu Zeiten durchaus lebendig wirken, doch gewiss nicht im jetzigen Zustand. Einzig die gewohnt phantasievollen, aber rar gesäten Illustrationen geben dem Leser einen Einblick in das neue, touristisch erschlossene Buchhaim, dessen Zauber nicht verflogen ist, sondern sich nur verlagert hat (so zumindest versichert es uns Mythenmetz).
Mit dem Prädikat „Mythenmetz’sche Ausschweifungen“ tarnt Moers bodenlose Langeweile – nichts erinnert an den Kitzel des Bizarren, der jede Ausschweifung zur willkommenen Abwechslung machte. Und als die Handlung schließlich Fahrt aufnimmt, endet der Roman. Einen Blick in das sagenumwobene und titelgebende Labyrinth der träumenden Bücher zu werfen, ist dem Leser nicht vergönnt.

Erst das Nachwort des Autors vermag es, dem ungläubigen Leser und Liebhaber des zamonischen Universums eine Erklärung für die Enttäuschung zu präsentieren: der vorliegende Roman wurde laut Moers publiziert, weil er vertraglich dazu verpflichtet war, eine Frist einzuhalten. Das erklärt so einiges: Das Labyrinth der träumenden Bücher ist keinesfalls ein fertiges Buch, allenfalls eine kürzungswürdige Ouvertüre zu einem größeren Roman. Der zweite Teil ist, laut Autor, in Arbeit, was das Kopfschütteln über das ausgefeilte Marketing für den Roman im Voraus nur noch vehementer ausfallen lässt. Nirgendwo verrät uns der Verlag, dass wir einen „Teil 1“ eines unvollendeten Werkes lesen; und entgegen der Klappentext-Ankündigung könnte kein Buch ungefährlicher sein.
Und so bleibt dem Leser nur das altbekannte Flehen: liebe Verlage, lasst euren Autoren Luft zum Atmen und Zeit zum Schreiben. Und – lieber Herr Moers: wir warten gerne länger. Zeigen Sie uns den Weg ins Labyrinth der träumenden Bücher!

Labyrinth: The Novelization von Jim Henson und A.C.H. SmithDie 15-jährige Sarah verbringt ihre Tage am liebsten tagträumend damit, Szenen aus ihrem Lieblingsbuch Labyrinth nachzuspielen. Sie ist schrecklich genervt von ihrer Stiefmutter, und das schlimmste von allem, sie muss den Babysitter für ihren kleinen Bruder Toby spielen. Als sie sich leichtisinnigerweise wünscht, der Goblinkönig möge Toby holen und in sein Schloss unter der Goblinstadt bringen, werden Sarahs Tagträume plötzlich zur Realität. Goblingkönig Jareth lässt Sarah 13 Stunden Zeit, um ihren Bruder wiederzubekommen, doch das Labyrinth hält viele Tücken und Tricks bereit.

– Nobody saw the owl, white in the moonlight, black against the stars, nobody heard him as he glided over on silent wings of velvet. The owl saw and heard everything. –
The white owl, S. 11

Wer als Kind in den 80ern aufgewachsen ist, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwann mit dem Film Die Reise ins Labyrinth (OT: Labyrinth) von Jim Henson in Kontakt geraten sein. Ein wirklich lohnenswertes Stück phantastischer Filmgeschichte, mit einer jungen Jennifer Connelly und Pop-Ikone David Bowie in den Hauptrollen. Ein Kunstwerk aus Bühnenbild und Puppentheater, gepaart mit viel Witz und dem musikalischen Pomp der 80er Jahre.
Labyrinth: The Novelization ist, wie der Titel schon sagt, auf Basis dieses Films entstanden und hält sich dabei beinahe Bild- und Wortgenau an die Vorlage. Ab und an finden sich auch ein paar zusätzliche Informationen, die vor allem Sarahs Familienverhältnissen mehr Substanz verleihen und manches nachvollziehbarer erscheinen lassen, als es der Film macht.

Das Labyrinth des Goblinkönigs Jareth ist ein Ort voller Magie und magischer Kreaturen. Kichernde Goblins, Gnome, bissige Feen, riesige Monster, düstere Tunnel und sprechende Türklopfer sind erst der Anfang. An jeder Ecke warten Rätsel, die Unangenehmes zur Folge haben, wenn sie vorschnell beantwortet werden. Mit humorvollen und sehr plastischen Beschreibungen, die beinahe jedes optische Detail des Films perfekt wiedergeben, wurde hier eine atmosphärisch und inhaltlich liebevolle Geschichte erschaffen. Es ist ein Roman mit dem nostalgischen Flair alter Märchen und Mythen, der es dabei schafft ganz zeitlos zu bleiben. Wer gerne in eine magische Welt eintauchen möchte, die sich mehr auf die Wurzeln der phantastischen Literatur besinnt, der darf sich Labyrinth wirklich nicht entgehen lassen.

Sarah, die Hauptfigur, fühlt sich am laufenden Bande unfair behandelt und vom Leben gebeutelt. Babysitten am Wochenende – eine Plage; ein Kuscheltier an das personifizierte Übel von Bruder abtreten müssen – undenkbar. Sie ist egoistisch und grundlos motzig ihrer Stiefmutter gegenüber, sie nimmt nur das Offensichtliche wahr und hinterfragt nichts. Es interessiert sie auch nicht, was hinter dem äußeren Anschein stecken könnte, denn Sarah interessiert sich eigentlich nur für Sarah. Als sie sich in Jareths Labyrinth begeben muss, um ihren Fehler zu korrigieren und Toby wieder sicher nach Hause zu bringen, muss sie schnell viel dazu lernen und ihren selbstzentrierten Horizont erweitern, wenn sie Erfolg haben will.
Man merkt der Figur schnell an, wozu sie geschaffen wurde. Sarah ist ein Mädchen an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Sie benimmt sich in vielen Situationen wie ein naives Kind, muss aber nun lernen, dass die Kindheit für jeden irgendwann endet und es Zeit wird, für das eigene Handeln geradezustehen. Jedes Rätsel, jede Hürde, die Sarah nehmen muss, wird von symbolischen Szenen und Dialogen getragen, die Sarahs Entwicklung voranbringen. Es geht darum, Entscheidungen zu treffen, über mögliche Folgen nachzudenken, Verantwortung zu übernehmen, auf andere Individuen Rücksicht zu nehmen und vieles mehr. So kann man Labyrinth wohl am ehesten als Übergangsreise vom Kind zum Erwachsenen sehen, wobei es kaum realistisch erscheint, dass Kinder oder junge Heranwachsende, die dieses Buch bevorzugt genießen werden, imLabyrinth der Film von Jim Henson Stande sind, all die Lehren schon zu sehen und zu verstehen. Auf der anderen Seite ist es aus Erwachsenensicht eine liebevolle Erfahrung, durch diesen Roman noch einmal in die eigene Jugendzeit versetzt zu werden und zu erkennen, wie sehr man sich selbst verändert hat.

Der Goblinkönig Jareth nimmt in dem Roman eine etwas weniger imposante Rolle ein als seine filmische Vorlage. Es mag auch daran liegen, dass die musikalische Untermalung fehlt und er etwas wenig Raum bekommt. Als männlicher Gegenpart von Sarah versucht er das Mädchen mit Verführung und Blendung von ihrem Ziel abzulenken und verkörpert dabei natürlich einen weiteren Aspekt des Erwachsenwerdens. Sein äußeres Erscheinungsbild wird dabei als attraktiv geschildert, während seine Handlungen meist recht herzlos sind. Er bleibt recht blass und eindimensional, was es schwierig macht, eine nähere Bindung zu diesem Charakter aufzubauen. Mehr Sympathie gewinnen da einige der Nebenfiguren. Etwa der hin und her gerissene Gnom Hoggle oder der völlig überdrehte Sir Dydimus, der sich vor keinem Gegener fürchtet und mit gezücktem Degen in den Kampf galoppiert. Mit liebevollen Details wird diesen Figuren sehr schnell Leben eingehaucht.

Abschließend bleibt nur zu sagen: Labyrinth bietet dem Kenner des Films zwar nicht allzuviel Neues, dennoch gehört diese Neuauflage in jedes Fanregal. Die Aufmachung ist mit viel Hingabe – von der Gestaltung des Hardcovers bis hin zur Typographie – durchdacht worden; im Anhang finden sich außerdem Konzeptskizzen von Brian Froud und als besonderes Schmankerl die Notizen von Jim Henson aus der Entstehungsphase des Films.
Wer die Möglichkeit noch hat, sollte die Chance nutzen und das Buch lesen, bevor die DVD eingelegt wird. Denn wer einmal die tolle Filmvorlage gesehen – und David Bowie als Goblinkönig neben all den schrulligen Puppen erlebt hat –, der wird es schwer haben, das Buch unvoreingenommen genießen zu können.

Cover des Buches "Die Legende von Manuel" von James Branch CabellManuel ist ein einfacher Schweinehirt, als ein Fremder an ihn herantritt und dazu überredet Gisèle, die Tocher des Königs, aus den Klauen des bösen Magiers Miramon zu befreien. Dazu überlässt er Manuel sogar das magische Schwert Flamberge, aber irgendwie verläuft die Rettung dann doch nicht wie erwartet: Manuel verliebt sich in die Falsche. Auf dem Heimweg begegnet er Horvendile, aus dessen Ratschlag Manuel sein Lebensmotto ableiten wird: “Mundus vult decipi.” – Die Welt will betrogen sein. Sich dieses zu Herzen nehmend scheint seinem Aufstieg nichts mehr im Wege zu stehen. So wird aus ihm der größte und von Skrupeln unbeleckteste Glücksritter, schließlich sogar der Erlöser Poictesmes.

-Man erzählt sich in Poictesme, dass in den alten Zeiten, als Wunder so gewöhnlich waren wie Pasteten, ein junger Schweinehirt namens Manuel lebte, der still und bescheiden des Müllers Schweine hütete.-
I. Wie Manuel den Schweinen Lebewohl sagte

Die fiktive Grafschaft Poictesme liegt an der französischen Küste des Golf du Lion, umgeben von mehr oder weniger fiktiven feudalistischen Gesellschaften des Mittelalters, doch dieses dient hauptsächlich als Kulisse für die Legendenbildung.

Wie der Titel vermuten lässt, ist Manuel die zentrale Figur der Geschichte, doch er bleibt dem Leser fremd. Manuel ist selbstsüchtig und er versucht stets seine egoistischen Taten mit Idealen als gut oder zumindest gerechtfertigt hinzustellen. Am Ende muss der Leser sich fragen, wieviel von diesem mutigen, gewitzten und liebenswürdigen Abenteurer nur gespielt ist – ist er vielleicht einfach nur ein kaltherziger Opportunist – Mundus vult decipi – der der Welt zu zeigen vermag, was sie sehen will? Cabell schreibt die Legende nicht für Manuels Mitmenschen, sondern für den Leser.

Aufgrund der starken Episodenhaftigkeit der Legende wirken die anderen Figuren mehr wie ein bestimmtes menschliches Verhalten, als wie eine ganze Figur. Dennoch sind sie nicht bloß konsequent die Verkörperungen einer einzelnen Eigenschaft, sondern weichen ein wenig von ihrem klaren Kurs ab – sie haben doch mehr als eine Eigenschaft.
Die wichtigste Figur nach Manuel ist sicherlich seine Frau. Er formt ihren Körper nach seinen Vorstellungen aus Lehm und beseelt ihn mit dem Geist einer Toten. Doch ist es ihm gut gelungen? Die anderen Männer verwundern sich, warum er diesen kleinen Krüppel anderen Frauen vorzieht. Sie liebt ihn und er liebt sie, doch scheint ihre Liebe hauptsächlich aus Meinungsverschiedenheiten zu bestehen. Sie verändert ihn mehr, als er es anderen gestattet.
Durch Prinzessin Alianora erhält Manuel den Schlüssel zur weltlichen Macht, denn sie will einen großen König aus ihm machen. Von Königin Freydis erhält er die Fähigkeit, Lehmstatuen zu beleben, denn sie will einen großen Künstler aus ihm machen. Daneben treten noch weitere Figuren auf, die seine Leben beeinflussen: Math, seine Halbschwester; Suskinde, seine Jugendliebe; Horvendil, der Dichter; der Gott Sesphrada, den er selbst schuf und seine Tochter Melicent, die ein ungewöhnlich dummes Balg ist.

Auch wenn alle magischen Elemente der Sword & Sorcery auftreten – Miramon, der finstere Magier; das magische Schwert Flamberge; ein Drache und sogar Sesphrada der Gott – so sind diese doch alle schräg: Der Gott ist ein mieser, selbstgeschaffener Götze und den Drachen kann man nur als Leichnam bemerken. (Manuel: “Und wenn ich daran denke, dass für den Rest der Zeit diese Kreatur [seine Frau] meine Lebensgefährtin sein soll, dann gehe ich gewöhnlich hinaus und bringe jemanden um. Dann komme ich zurück, weil sie weiß, wie ich gern mein Toast habe.”, S. 195-196)

Wie der Titel richtig feststellt, behandelt die Geschichte die Legende von Manuel – im doppelten Sinne. Einerseits wird geschildert, wie aus dem einfachen Schweinehirten der Erlöser Poictesmes wird, wobei zumeist die großen Heldentaten nur sehr summarisch zusammengefasst werden (weil sie vermutlich nie stattgefunden haben), und andererseits wird in einigen Episoden gezeigt, wie Manuel aus Zufällen und egoistischen Taten eine Legende um sich herum strickt. Wie bei Legenden üblich trägt auch die Manuels biographische Züge.

Die Episoden der Legende Manuels behandeln parabelförmig die großen Fragen. Was sind die Bedürfnisse der Menschen? Was ist die Liebe? Wie unterscheidet die Gesellschaft zwischen guten Menschen und schlechten? Und im Kern die Frage: Was macht das menschliche Dasein aus und wieviel davon können andere erkennen? Manche Diskussionen sind außerordentlich gehaltvoll – im Kapitel XVII – Die Magie der Bildnismacher liefert der Autor die Kernfrage der Diskursanalyse: Bestimmt der Mensch den Diskurs oder der Diskurs den Menschen? Auch die Frage inwiefern der Beruf den Charakter formt wird neben anderen angeschnitten. In seiner ironischen Art ist dieses ein psychologischer Roman, der relevante Fragen der Gesellschaft aufgreift – Psychologische Fantasy.

Hinzukommt, dass die Geschichte einerseits durch einen gewissen trockenen Humor, viel Ironie und völlig ernstgenommenen Metaphern eine zuweilen bizarre Komik entwickelt.
Der Schreibstil unterstützt dieses, da er manchmal abrupt zwischen alltagsprachlichen Zusammenfassungen und pompöser, altmodischer Rhetorik springt. Aber so oder so – die Sprache bleibt immer elegant. Wie schon bei  Jürgen ist vieles konsequent doppeldeutig, dem Leser stellt sich z.B. die Frage, ob der Storch tatsächlich die Kinder bringt, oder ob es nur eine Metapher ist.

Als erster Teil des Dom Manuel-Zyklus liefert die Geschichte die Grundlagen für die Folgenden, auch wenn diese durchaus für sich gelesen werden können. Wer etwas der anderen kennt, kann noch ein wenig mehr über der Part von Horvendil rätseln. Darüber hinaus ist Manuel aber das extreme Gegenteil von Jürgen; im Zyklus legt Cabell seine Ansichten über Lebensauffassungen dar, die Vertreter sind Dom Manuel (Chevalereske/Ernste), Jürgen (Galante/Ironische) und Horvendil (Poetische/Schaffende).

Cover des Buches "MacBest" von Terry PratchettIn einer stürmischen Nacht stolpert Verence, König von Lancre, äußerst unglücklich und fällt dabei in seinen eigenen Dolch, den ganz zufällig Lord Felmet in der Hand hält. Von nun an ist Felmet König von Lancre. Da er aber weder der rechtmäßige noch ein guter König ist, beschließen Oma Wetterwachs und ihre beiden Freundinnen einzugreifen, und einen Würdigeren auf den Thron zu setzen. Natürlich gibt es dabei einige Komplikationen, doch dank einer reisenden Theatertruppe regiert am Ende der beste, der für dieses Amt zu finden war.

-Wind heulte. Blitze stachen ziellos herab, wie ein ungeschickter Mörder. Donner rollte über das dunkle, regengepeitschte Land.-

Leute, es hilft alles nix: Um den Roman richtig genießen zu können, muss man Macbeth gelesen haben. Also begebt Euch in die nächste Buchhandlung, sucht eine zeitgemäße Übersetzung und legt los. Außerdem sollte man eine vage Vorstellung davon haben, worum es in Hamlet geht, welche Stücke Shakespeare noch so geschrieben hat, wer Shakespeare überhaupt war und wie das Theater seiner Zeit aussah. Wenn der Leser von alldem nur wenig weiß, dann entgehen ihm viele der besten Anspielungen und die Lektüre ist für ihn nur halb so vergnüglich wie für jemanden, der diese Voraussetzung erfüllt. Der darf sich dann als Belohnung für seine Literaturkenntnisse nach fast jeder Seite vor Lachen kringeln.

Trotzdem kann man sich beim Lesen von MacBest (Wyrd Sisters) auch ohne Shakespeare-Kenntnisse amüsieren. Pratchett schildert auf witzige Weise Oma Wetterwachs’ ersten Theaterbesuch, ihre Schwierigkeiten zu fliegen, warum es keinen Sinn macht, Hexen zu foltern und wie Überfälle auf der Scheibenwelt ablaufen. TOD hat nur wenige Auftritte, aber immerhin wird das Geheimnis gelüftet, warum er in Großbuchstaben spricht. Dieser Roman gehört zu den besten Büchern, die Pratchett geschrieben hat.

Cover des Buches "Münchhausen erzählt" von Gottfried August BürgerDer Baron Münchhausen, ein passionierter Waidmann und Reisender aus Leidenschaft, erzählt am Abend bei einem Glas von seinen haarsträubenden Abenteuern. So erzählt er, wie er sich selbst am eigenen Zopf samt Pferd aus dem Sumpf zog, wie er auf einer Kanonenkugel ritt um den Feind auszuspähen, wie er von Riesenfischen verschlungen wurde, zum Mond reiste und unzähliges mehr.

-Ich trat meine Reise nach Rußland von Haus ab mitten im Winter an, weil ich ganz richtig schloß, daß Frost und Schnee die Wege durch die nördlichen Gegenden von Deutschland, Polen, Kur- und Livland, welche nach der Beschreibung aller Reisenden fast noch elender sind als die Wege nach dem Tempel der Tugend, und man, ohne besondere Kosten hochpreislicher wohlfürsorgender Landesregierungen, ausbessern müßte.-
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Angesiedelt ist die Erzählung in den verschiedensten Regionen der Erde des späten 18. Jahrhunderts (das zweite Seeabenteuer beginnt 1766). Es werden so unterschiedliche und exotische Gebiete besucht wie das winterliche Russland, Ceylon oder das Osmanische Reich mit Konstantinopel und Alexandria. Doch eingehende Beschreibungen gibt es nicht – ganz explizit sagt Münchhausen, er wolle seine Zuhörer nicht mit derartigen Alltäglichkeiten langweilen. Erst in der zehnten Seereise, in der er zum Mond segelt, und der Reise durch die Erde wird etwas über die Bewohner und Umwelt an sich berichtet, da sie selbst schon Lügen sind. Kurzum: Kein Ding, welches der Leser kennen könnte, wird eingehend beschrieben.

Eine Geschichte im herkömmlichen Sinne gibt es nicht; Münchhausen erzählt seinen Zuhörern eine Reihe von erlogenen Anekdoten, die im besten Falle marginal mit einander verknüpft sind. Münchhausens Abenteuer als kohärente Geschichte ist eine Leistung des modernen Films, eine Konzession an die Sehgewohnheiten der Zuschauer.
Die Lügenmärchen aber haben es in sich: Es sind nicht bloß unglaubwürdige Lügen, sondern Parodien jeglicher Form auf die (damaligen) Verhältnisse und Reiseerzählungen, insbesondere des sprichwörtlich gewordenen “Jägerlateins” und des “Seemannsgarns”. So bekennt ein Begleiter Münchhausens der Sohn einer Prostituierten und des Papstes zu sein oder Münchhausens Hündin wirft (auf der Jagd) natürlich ebenso viele Welpen, wie die verfolgte Häsin selbst Junge wirft – selbstverständlich werden alle gefangen.
Aufgrund dieser extremen Zuspitzung können weder Alltäglichkeiten noch Charaktere beschrieben werden.

Sprachlich ist das Werk ebenfalls sehr gelungen und den Gegebenheiten wunderbar angemessen; manchen mag allerdings dieses altertümliche Deutsch, welches bisweilen reichlich verschachtelt ist, abschrecken. Bürger gelingt es immer wieder bekannte Ausdrücke einzuflechten und dem Stil der volkstümlichen Erzählung anzupassen.
Die Bewertung fällt sehr schwer, da es ein sehr spezielles Werk ist; vieles, was in anderem Zusammenhang negativ zu werten ist, ist hier beabsichtigt. Wer also die Prämissen akzeptieren kann, der wird ein einmaliges Lügenmärchen aufgetischt bekommen. Wer die Prämissen nicht teilen mag, der sollte einen großen Bogen um den Münchhausen machen.

Eine Bemerkung zur Textgeschichte: Die erste schriftliche Fassung dürfte das 1781 in Berlin veröffentlichte Vade Mecum für lustige Leute, enthaltend eine Sammlung angenehmer Scherze, witziger Einfälle und spaßhafter kurzer Historien aus den besten Schriftstellern zusammengetragen, Achter Teil sein. In diesem hatte ein Unbekannter einige Geschichten des berüchtigten (realen) Münchhausen aufgeschrieben. 1785 erschien in England allerdings Baron Munchhausen’s Narative of his Marvellous Travels and Campaigns in Russia, geschrieben hatte es der flüchtige Rudolf Erich Raspe (er hatte eine Münzsammlung gestohlen und verkauft; darauf musste er nach England fliehen). 1786 schon erschien eine zweite Auflage, (von Raspe) erweitert um die Seeabenteuer. Im selben Jahr erschien in Göttingen (London als Druckort war vorgetäuscht) das Werk Wunderbare Reisen zu Wasser und zu Lande, Feldzüge und lustige Abenteuer des Freyherrn von Münchhausen, wie er dieselben bey der Flasche im Cirkel seiner Freunde selbst zu erzählen pflegt. Doch dieses war keineswegs eine bloße Übersetzung; vielmehr hat Bürger dem Text die gelungene Form gegeben und wohl auch etwas erweitert.
Seitdem erfreut sich der Text enormer Beliebtheit und auch andere Herausgeber behandelten diesen nach eigen Gesichtspunkten; Episoden wurden in eine neue Reihenfolge gebracht oder ganz ausgelassen (die Prostituierte und der Papst fehlen häufig), sie wurden nacherzählt und umformuliert, schließlich wurden sie (durch den Film) in einem kohärentem Zusammenhang gebracht; es lassen sich also kaum zwei textidentische Auflagen finden.
Doch das Lügenmärchen hörte durchaus nicht mit Lord Dunsanys Jorkens-Geschichten auf zu bestehen; auch in neuester Zeit finden sich Lügenmärchen. Dem Fantasy-Leser könnten Geschichten wie Wilde Reise durch die Nacht oder Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär, jeweils von Walter Moers, bekannt sein.

Wer die Geschichte Online lesen mag, der kann dieses auf den Seiten des “Gutenberg-Projektes” machen; weitere interessante Details finden sich hier: http://www.munchausen.org/.

Die Nachtwächter von Terry PratchettKommandeur Mumm ist nicht mehr der Jüngste. Als Oberhaupt der Stadtwache ist er hauptsächlich mit Papierkram beschäftigt. Ankh-Morpork ist recht ruhig geworden für den alten Polizisten. Als aber der Serienkiller “Carcer” einen Wächter tötet und auf das Dach der Unsichtbaren Universität flüchtet, kann Mumm nicht widerstehen: Mitten in die Verfolgungsjagd schlägt ein Blitz ein: Als der Kommandeur wieder zu sich kommt, findet er sich 30 Jahre in der Vergangenheit wieder. Ankh-Morpork ist ein Sumpf des Verbrechens, und die Stadtwache ist nicht mehr als ein müder Haufen. In den bürgerkriegsähnlichen Zuständen versucht Mumm verzweifelt, sein jüngeres Ich vor Schaden zu bewahren und Ordnung zu schaffen …

-Sam Mumm seufzte, als er den Schrei hörte, aber er rasierte sich zu Ende, bevor er etwas unternahm.-

Wie der aufmerksame Leser meinem Pseudonym entnimmt, bin ich ein großer Fan und Verehrer des Scheibenwelt-Zyklus. Daher habe ich trotz aller Bewunderung für Pratchett versucht, hier eine möglichst objektive Rezension darzulegen.
Mit Die Nachtwächter (Night Watch) findet die Saga um die Stadtwache zu einem fulminanten Finale. Da es sich quasi dauernd auf Ereignisse in älteren Scheibenwelt-Romanen bezieht, ist dieses Buch nur für Leser geeignet, die sich wirklich gut auf der Scheibenwelt im allgemeinen und in der Stadtwache im speziellen auskennen.
Kein Pratchett-Roman hat mich bis dato so tief berührt wie Die Nachtwächter. Alles, was mich an Pratchetts Romanen so fasziniert, ist auch in diesem Buch wieder reichlich enthalten. Die Sprache, wie das Gemälde eines Impressionisten, kommt mit dem nötigsten aus, transportiert aber die teils sehr unterschiedlichen Stimmungen äußerst eloquent. Pratchetts sarkastischer Humor sorgt stets für einige Lacher und entspannt das Buch. Allerdings fallen hierbei bereits einige neue Ansätze auf. In quasi allen früheren Discworld-Romanen wirkten die handelnden Figuren (etwa Nanny Ogg oder Cohen der Barbar) eher wie überzeichnete Comicfiguren denn wie echte Charaktere. Auf den ersten Blick hat sich daran nicht viel geändert, auf den zweiten jedoch entdeckt man seelische Tiefen, die man nie für möglich gehalten hätte.  So sind die Protagonisten keine blossen Karikaturen mehr, sie sind echt – glaubwürdig.
Dergestalt beschreitet der Autor auch bei der Handlung neue Wege. Die Geschichte ist ein hochbrisanter und durchaus ernstzunehmender Spiegel der Menschheit und ihres ganz normalen Wahnsinns und gab mir das bei Fantasy-Literatur äußerst seltene Gefühl, etwas über die Welt und die Menschen gelernt zu haben.
Dass dann dabei auch noch der Unterhaltungswert stimmt, versteht sich dann fast von selbst, obwohl für “Scheibenwelt-Veteranen” manche Pointen und Witze fast vorhersehbar sind.

Viel deutet darauf hin, dass Pratchett mit den “alten” Discworld-Geschichten abschließt. Schließlich endete bereits in Wahre Helden (The Last Hero) die “Ära Cohen” überaus oppulent. Und mit diesem Roman nun erhält die “Mumm”-Saga einen würdigen Abschluss. Ob es allerdings ein Happy-End gibt, das mag der geneigte Leser selbst herausfinden.

Johannes Cabal the Necromancer von Jonathan L. HowardJohannes Cabal hätte vom Teufel gerne seine Seele zurück, die er gegen nekromantische Expertise eingetauscht hatte, möchte sein Wissen aber behalten. Also muss er eine Wette eingehen, wenn er es schafft 100 Seelen innerhalb eines Jahres für die ewige Verdammnis zu lukrieren, erhält er seine zurück. Und welches Mittel stellt der Teufel dem unterkühlten, streng-rationalen Johannes Cabal zur Verfügung? Natürlich ein eingestampftes höllisches Jahrmarktsprojekt …

-“Lo!” cried the demon. “I am here! What dost thou seek of me? Why dost thou disturb my repose? Smite me no more with that dread rod!” He looked at Cabal. “Where’s your dread rod?” “I left it at home,” replied Cabal. “Didn’t think I really needed it.”- p. 2

The Necromancer (Seelenfänger) tritt mit dem Anspruch auf, Grusel mit Funtasy zusammenzubringen, und ist gleichzeitig der Debutroman von Jonathan L. Howard. Dabei sieht sich das Buch mit einer generellen Schwierigkeit der Funtasy konfrontiert: Witz und Komik allein tragen den Leser oder die Leserin nicht durch das ganze Buch. Die Wahl eines Faustianischen Grundthemas mit den inzwischen schon stereotypen Elementen und Figuren kann dieses Manko nicht vollkommen ausgleichen, weshalb die Handlung des Romans hauptsächlich von den Schwierigkeiten und Konflikten getragen wird, die sich beim Organisieren des Jahrmarkts und dem Sammeln der Seelen ergeben. Da aber fast jedes größere Ereignis mit einem mehr oder weniger ausführlichen Exkurs eingeleitet wird, die Aufgaben relativ in sich geschlossen sind und keine tiefergehende Verknüpfung mit der eigentlichen Handlung besitzen, wirkt der Roman recht episodenhaft. Dies führt einerseits dazu, dass es dem Roman an innerer Kohärenz fehlt, und manche dieser Geschichten haben auch ihre Längen, andererseits stecken in diesen Geschichten oft sehr atmosphärische Szenen, die Howard mit seinem Hang zu ausführlichen Beschreibungen zu erzeugen versteht, und eine pointierte Erzählweise.

Der Funtasy-Aspekt ist ein zweischneidiges Schwert. Seinen größten Witz entfaltet der Roman dann, wenn Howard seiner Erzählerstimme einen ironischen Unterton verpasst, um die Erzählelemente von Horror- und Gruselgeschichten durch den Kakao zu ziehen. So ist der abgeklärte Johannes Cabal, der den pompösen Ritualen der schwarzen Magie und ihren Kreaturen mit distanzierter Missachtung begegnet, eine erfrischend witzige Abwechslung. Was Komik anbelangt, lässt Howard aber auch sonst nichts unversucht, von Slapstick-Humor über (mal mehr, mal weniger gut gelungene) intelligent-sarkastische Dialoge bis hin zu popkulturellen Anspielungen ist alles dabei. Zum Manko wird die Komik, wenn fast jede Szene eine humoristische Wendung nehmen muss. Dies bricht sehr oft mit der zuvor aufgebauten Atmosphäre und/oder der Figurenentwicklung, zumal der Versuch, den Akteuren und ihren Dialogen Witz und Pointen einzuhauchen, nicht immer geglückt ist und dann bemüht wirkt. Dies bessert sich jedoch deutlich im Verlauf des Romanes, der Humor wird ab dem zweiten Drittel gezielter und pointierter eingesetzt. Allerdings ist gerade dieser Aspekt des Buches sehr schwer einzuschätzen, da Humor bekanntermaßen eine sehr subjektive Angelegenheit ist.

Der Humor ist es auch, der einem Johannes Cabal näherbringt. Dieser ist alles andere als ein strahlender Held, seine Kälte und Rücksichtslosigkeit machen ihn nicht gerade zu einem Sympathieträger, seine trockenen und bissigen Kommentare gleichen dies aber teilweise wieder aus. Außerdem erhält er im Verlauf der Geschichte durch Rückblenden und Entwicklungen zunehmend Substanz (und Menschlichkeit), um nicht zum Abziehbild zu verkommen. Schon sehr bald bekommt er auch eine Riege an Begleitern, unter denen sich einige Sympathieträger befinden und die Dynamik in die Figurenkonstellationen bringen. Als heimlicher Held erweist sich bei seinen wenigen detailreicheren Auftritten der Jahrmarkt selbst, in den Howard einige sehr gelungene und witzige Ideen einfließen lässt.
Zum Ende des Buches werden jedoch Handlung, Grundthema und Figurenkonflikte gut zusammengeführt, sodass man wirklich von einem Finale sprechen kann. Gleichzeitig eröffnen sich neue Thematiken als Grundlage für die weiteren Bände der Reihe.

The Necromancer ist also ein solider Roman, auch wenn beim Humor anfangs weniger mehr gewesen wäre. Die englische Ausgabe lohnt sich nur für Leute mit gehobeneren Englischkenntnissen, allen anderen sei die deutsche Ausgabe empfohlen, die mit ihrem leicht Burtonesken Cover durchaus mit dem Original mithalten kann.

Cover zum Buch "Nur Du hast den Schlüssel" von Terry PratchettJohnny und seine Freunde finden die obdachlose und geistig verwirrte Mrs. Tachyon unter ihrem umgestürzten Einkaufswagen liegen. Sie sorgen dafür, daß sie ins Krankenhaus kommt. Als Johnny sich um den verwaisten Einkaufswagen kümmert, wird ihm bald klar, welches Geheimnis dieser birgt: Mit dem Wagen kann man durch die Zeit reisen.
Da Johnny in der Schule gerade an einem Projekt arbeitet, das sich mit der einzigen, versehentlichen Bombardierung seiner Heimatstadt Blackbury im Jahre 1941 beschäftigt, gerät er unbeabsichtigt in diese Zeit.

-Neun Uhr abends. Es war dunkel, nur hin und wieder lugte der Vollmond hinter den verwaschenen Wolken hervor. Der Wind kam aus Südwest. Nach dem Gewitter war die Luft frisch und das Kopfsteinpflaster rutschig.-
Nach den Bomben

Terry Pratchett schreibt humorvoll, hintergründig und bringt die Dinge auf den Punkt. So benötigt er nur einen einzigen Satz, um dem Leser klarzumachen, wie sinnvoll es seiner Meinung nach ist, straffällig gewordene Jugendliche zu einem Abenteuerurlaub ins Ausland zu schicken. So sagt Mrs. Partridge über Bigmac, der mit Vorliebe Autos stiehlt: Er wollte wissen, wie viele Autos man stehlen muß, um kostenlos Urlaub in Afrika zu bekommen. Schaut man sich hingegen eine Stunde lang an, wie vier Politiker und drei Sozialarbeiter sich bei Sabine Christiansen zum selben Thema ständig ins Wort fallen, ist man hinterher genauso schlau wie vorher.
Mit demselben trockenen Humor handelt Pratchett in diesem Roman für Jugendliche Themen ab wie Vorurteile (besonders Rassismus) oder den Schrecken des Krieges. Auf diese Weise vermittelt er Werte, ohne auch nur eine Sekunde oberlehrerhaft zu wirken.

Die Übersetzung hat einen kleinen Schönheitsfehler: Offensichtlich hat Pratchett in dieser Geschichte oft das Wort technically benutzt, das die Übersetzerin wörtlich übersetzt hat: Er war schwarz. Technisch gesehen. Oder: Das war technisch gesehen ein Verbrechen…. Abgesehen davon, daß man dies im Deutschen so nicht sagt, bedeutet technically in solchen Zusammenhängen so viel wie genau genommen.

Das Buch ist für Jugendliche ab ca. zwölf Jahren geeignet. Jüngere werden wahrscheinlich Pratchetts Humor nicht in jedem Fall verstehen und sich vielleicht auch noch nicht für die Thematik interessieren.
Erwachsene, die sich nicht davon abschrecken lassen, daß die Protagonisten Jugendliche sind und die nicht den plakativeren Scheibenwelthumor erwarten, werden bei der Lektüre ebenfalls auf ihre Kosten kommen.

Cover zum Buch "Nur Du kannst sie verstehen" von Terry Pratchett1993. Die Ex-Senioren von Blackbury City sind ziemlich aufgebracht. Die Stadtverwaltung hat ihren Wohnbezirk für 5 Pence an die Vereinigte Holding GmbH verkauft, und die möchte die alten Bauten abreißen und auf dem Grundstück einen Bürokomplex errichten. Der zwölfjährige Johnny Maxwell beschließt, den Ex-Senioren bei ihrem Kampf um die Erhaltung ihres Wohngebietes zu helfen.

-Johnny wusste selbst nie so recht, wieso er angefangen hatte, die Toten zu sehen.-
Kapitel

Was hat ein Buch über den Kampf einer Gruppe Senioren gegen Bauspekulanten auf einer Webseite zu suchen, die sich mit Fantasy beschäftigt? Nun, es handelt sich hierbei eben nicht um Senioren, sondern um Ex-Senioren, …”Atembehinderte” …”vertikal Benachteiligte”…diese Menschen sind einfach seit geraumer Zeit…tot.
Benutzen Sie um Himmels willen nicht das Wort, das mit den Buchstaben “G-e-s-p-” anfängt! Das mögen die Herrschaften gar nicht und sie könnten gerade jetzt in unserer Nähe sein, auch wenn wir sie nicht sehen. Sie sehen und mit ihnen reden kann nur einer: Johnny Maxwell. Und als die Atembehinderten Johnny bitten, er möge etwas dagegen tun, dass der alte Friedhof platt gemacht wird, ergreift der Junge zusammen mit seinen Freunden die Initiative.
Terry Pratchett vermittelt hier auf witzige Weise – jedoch feinsinniger und nachdenklicher als in seinen “Scheibenwelt-Romanen” – zeitlos gültige Werte. Er wendet sich gegen Krieg und wirbt für ein gesundes Geschichtsbewußtsein, für Zivilcourage, für eine Demokratie, die den Namen “Volksherrschaft” wirklich verdient und vor allen Dingen dafür, daß man die Möglichkeiten des Lebens voll ausschöpfen soll. Es ist nicht einzusehen, warum diese Lebensweisheiten nur jüngeren Leser zugänglich gemacht werden sollten. Für Erwachsene, die nicht dem Schubladendenken verfallen und daher nicht der Meinung sind, Pratchett dürfe nur noch Romane mit abgefahrenem Scheibenwelt-Humor schreiben, ist auch dieses Buch ein Lesevergnügen.
Also noch einmal ganz deutlich: Nur Du kannst sie verstehen (Johnny and the Dead) hat nichts mit den Scheibenweltromanen zu tun und sollte auch nicht mit ihnen verglichen werden!
Ich frage mich nur die ganze Zeit, warum plötzlich jemand auftaucht, der in GROSSBUCHSTABEN spricht :-).

Cover des Buches "Phönix" von Steven BrustVlad sitzt im Keller eines Holzgebäudes in Süd-Adrilankha und versucht, nicht von drei finsteren Kerlen, die er nicht einmal sehen kann, umgebracht zu werden. In dieser ausweglosen Lage schickt er ein Stoßgebet zu seiner Schutzgöttin Verra – und wird erhört. Diese hat diesen Überfall nur inszeniert, um Vlad einen Auftrag erteilen zu können. Er soll König Haro auf der Insel Grünewehr ermorden. Zwar ist die Insel vor Zauberei geschützt, aber trotzdem ist der Auftrag für einen Berufsmörder nicht besonders schwierig auszuführen. Dumm nur, dass Vlad bei der Auftragserledigung über einen mysteriösen Trommler stolpert und sich nun beide in Gefangenschaft befinden. Ungefähr zur gleichen Zeit wird Vlads Frau Cawti in der Heimat als Rebellin verhaftet.

-Ständig fragen die Leute mich: “Vlad, wie machst du das? Warum bist du so gut darin, Leute umzubringen? Was ist dein Geheimnis?” Ich antworte: “Es gibt kein Geheimnis. Das ist genauso wie alles andere auch. Manche verputzen Wände, andere machen Schuhe, ich lege Leute um. Man muß eben sein Handwerk erlernen und üben, bis man gut genug ist.”-
Prolog

Die Stärke dieses Buches ist der Ich-Erzähler Vlad Taltos, der seine Abenteuer mit trockenem, lakonischem Humor zum Besten gibt, dabei aber nie albern wird oder in Gefahr gerät, im Klamauk zu enden. Für Komik sorgt auch Vlads Helfer Loiosh, ein kleiner Flugdrache, dessen Benehmen Ähnlichkeit mit dem der tierischen kleinen Helfer der Helden in den Disneyfilmen aufweist, die meist von Otto synchronisiert werden.
Außerdem gibt es Vlads Frau Cawti, mit der er sich zwar gerade nicht allzu gut versteht.  Trotzdem möchte er nicht, dass sie im Imperialen Gefängnis eingekerkert bleibt. Cawti allerdings möchte das schon – obwohl sie begnadigt wurde, weigert sie sich strikt das Gefängnis zu verlassen, so lange ihre Freunde nicht ebenfalls freigelassen werden. Sture Ehefrauen können ein richtiges Problem sein, da spielt es dann auch keine größere Rolle mehr, dass jemand ein Kopfgeld auf Vlad ausgesetzt hat und er Gefahr läuft, selbst ermordet zu werden.

Da wir gerade über Familienangehörige sprechen: Großväter stellen ein weiteres Problem dar. Vlads Großvater findet den Beruf seines Enkels überhaupt nicht gut. Seit Vlad das weiß, plagt ihn das schlechte Gewissen, weil er sich bezahlen lässt, um Menschen das Leben zu nehmen und vor dem Mord an Haro bekommt er eine moralische Krise.
Das ist alles überhaupt nicht witzig!
Komisch ist es allerdings schon und so wird glücklicherweise verhindert, dass Vlad Taltos der erste Auftragsmörder der Literatur ist, über dessen Schicksal der Leser vor Mitleid in Tränen ausbricht, was politisch überaus inkorrekt wäre.

Aber Phönix (Phoenix) bietet noch mehr als trockenen Humor, es bietet auch Lebenshilfe.
Haben Sie sich schon einmal klar gemacht, auf wie viele verschiedene Arten Sie sterben können? Vlad erzählt davon: Jedes einzelne ihrer lebenswichtigen Organe kann auf hundert verschiedene Arten versagen, unzählige Krankheiten warten darauf, Ihnen den Garaus zu machen, sie können von Tieren gerissen werden, sie können das Opfer von Naturkatastrophen werden, kleine Missgeschicke, tragische Unfälle lauern bei jedem Schritt, den Sie machen und haben Sie eine Ahnung, wie viele Menschen es darauf abgesehen haben, Sie absichtlich um die Ecke zu bringen…

Wie alt sind Sie? Siebzehn, achtundzwanzig oder sogar schon über vierzig und Sie leben noch???? Wenn Sie diesen Abschnitt des Buches gelesen haben, dann werden Sie nie wieder morgens muffelig im Bett liegen und den Tag verfluchen, weil Sie einer langweiligen Arbeit unter einem miesen Chef nachgehen müssen. Sie werden fröhlich aus dem Bett springen, das Fenster aufreißen, den Tag begrüßen und glücklich sein, dass Sie LEBEN. Was kann man von einem Buch mehr verlangen???

P.S. Spannend ist Phönix natürlich auch. Sie werden nie darauf kommen, welches Geheimnis sich hinter dem Trommler verbirgt.

Pyramiden von Terry PratchettTeppic, der Sohn des Königs von Djelibeybi, wird bei der Assassinengilde von Ankh-Morpork ausgebildet. Doch sein Vater stirbt früher als geplant, und so muß Teppic in den anachronistischen Wüstenstaat zurückkehren und König werden, was eigentlich nicht seinem Willen entspricht.
Zum Gedenken seines Vaters (der sich auch immer wieder mal zu Wort meldet) soll die größte Pyramide aller Zeiten gebaut werden, was etliche Architekten, Arbeiter und Bauherren die Nerven kostet. Zu allem Überfluß muß Teppic auch noch feststellen, daß sein Amt ihm nicht gestattet, zu tun, was er will, denn der königliche Tagesablauf und die königlichen Entscheidungen werden maßgeblich vom Hohepriester Dios beeinflußt …

– Nur Sterne, in der Schwärze verstreut – als sei die Windschutzscheibe des göttlichen Wagens zerbrochen, ohne daß sich der Schöpfer die Mühe machte, alle Splitter einzusammeln. –

Dieses Buch ist besonders für Leser geeignet, die es makaber lieben und sich für Dinge interessieren, die sich ein paar tausend Jahre vor Christi Geburt abgespielt haben.
Es gibt viele Bücher, in denen erzählt wird, wie einem Mörder das Handwerk gelegt wird, wer aber wissen will, wie ein Meuchelmörder sein Handwerk lernt, der muß Pyramiden (Pyramids) lesen. Im ersten Kapitel werden alle möglichen Arten gelehrt, einen Menschen zu inhumieren. Falls Ihnen nicht sofort klar ist, was dieses Wort bedeutet, denken Sie einfach über den Begriff “exhumieren” nach und stellen sich das Gegenteil vor. Genau! Da der größte Teil des Romans im Land der Pyramiden spielt, wird auch ganz exakt geschildert, wie man einen Leichnam zur Mumie macht. Der Einbalsamierer entnimmt die Organe vorzugsweise durch die Nase und verteilt sie in verschiedene Krüge. Sie finden das eklig? Aber nur, weil sie noch nicht gelesen haben, wie der Pharao erwacht und seine Organe eigenhändig wieder einsammelt. Sooooo schlimm ist das alles nun auch wieder nicht. Schließlich handelt es sich um einen Roman von Terry Pratchett und all diese Szenen sind weitaus komischer als gruselig. Selbst wenn ein Heer von Mumien wie in einem drittklassigen Horrorfilm durch das Land zieht ist das nicht so furchterregend, daß man beim Lesen die Augen schließen müßte. Außerdem liefert Pratchett eine urkomische Parodie auf das Bestattergewerbe und witzige Anspielungen auf den trojanischen Krieg, das Alte Testament, die antike Sagenwelt, Cäsar und Kleopatra und einige andere Sachen, die Sie am besten selbst herausfinden. Der Roman hat zwei, drei Längen, die jedoch durch die Komplexität der parodierten Themen mehr als wett gemacht werden.

Die Rache der Shadowmoon von Sean McMullenNach dem Untergang des Kontinents Torea machen Wetterschwankungen wichtige Schiffswege unpassierbar. Daher schließen sich mächtige Zauberer zusammen, um das magische Artefakt “Dragonwall” aufzubauen, das die Probleme in Griff bekommen kann (und nebenbei auch noch anderen Zwecken dient). Bald geht nicht nur den Beteiligten auf, dass damit ein schwer zu kontrollierendes Experiment angestoßen wurde. Zum Glück sind schon einige Helden unterwegs: Wallas ist ein kürzlich des Attentats beschuldigter Hofmusiker, der in erster Linie Frauen und ein sorgloses Leben im Kopf hat. Er trifft auf Andry, einen Seefahrer, der sein Heimweh in Alkohol ertränkt – gemeinsam stolpern sie in die Bemühungen zur Verhinderung von Dragonwall …

– Obwohl ein Wolkenbruch auf die Straßen von Alberin niederprasselte und der Wind so stark war, dass man in den Böen nicht geradeauf laufen konnte, waren die beiden Männer, die gerade das Anwesen verlassen hatten, erleichtert, wieder im Freien zu sein. –
Prolog

Zu Die Rache der Shadowmoon liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Die Rache der Shadowmoon und Die Schlacht der Shadowmoon.

Cover von Das Regenbogen-Schwert von Simon R. GreenPrinz Rupert wird ausgeschickt, um in den Wäldern einen Drachen zu erlegen. Nicht so sehr, damit er sich bewährt, denn es kann nur einen Thronerben geben, und Prinz Rupert ist nunmal der Zweitgeborene. Doch als der Prinz und sein melancholisches, sprechendes Einhorn tatsächlich auf einen Drachen treffen, entpuppt dieser sich als alt, müde und Schmetterlingssammler. Darüber hinaus tyrannisiert den kampfesmüden Drachen eine schlagkräftige Prinzessin, die vor ihrem Bräutigam ausgerissen ist. Als das Königreich von einer immer stärker werdenden dunklen Macht bedroht wird, ist Prinz Rupert plötzlich der einzige, der sich der drohenden Gefahr (gemeinsam mit seinen drei untypischen Begleitern) entgegenstellen kann.

-»Kein Drache, kein Regenbogenschwert, aber wir kehren in die Finsternis zurück! Wir müssen verrückt sein! Aber was soll’s? Vielleicht finden wir wenigstens den Mistkerl, der mein Horn geklaut hat. Seit der Zeit fühl ich mich irgendwie nackt.«
»Du bist doch immer nackt«, sagte Rupert.
»Menschen sind eine Rasse zum Abgewöhnen«, meinte das Einhorn.-
Kapitel Fünf – Der Schwarze Turm

Wow, das hätte ich wirklich nicht gedacht! Der verzweifelte Spontankauf überrascht auf ganzer Linie: die komplexe, spannende, ideenreiche und lustige Geschichte hat mich sofort gefesselt und bis zum Ende nicht mehr losgelassen. Allein schon die Charaktere sind fabelhaft gelungen: das melancholische, dauernd meckernde Einhorn, der friedfertige Drache, eine nicht ganz damenhafte Prinzessin und der ständig übersehene, aber trotzdem heldenhafte Prinz Rupert bilden ein Quartett der Extraklasse. Diese Kombination schreit geradezu nach vielen bissigen und komischen Ereignissen und davon gibt es im Buch auch reichlich. Gott sei Dank versucht der Autor nicht, den Witz auf jeder Seite mit Gewalt übers Knie zu brechen, sondern streut gekonnt an den richtigen Stellen Ironie oder Sarkasmus. Und neben all den lustigen Stellen wir hier eine durchaus ernste Geschichte erzählt: das Waldkönigreich wird vom Dämonenfürsten und seinen Sklaven bedroht und Rupert ist der einzige, der die Welt noch vor dem Bösen retten kann. Jedoch hatte der Zweitgeborene am Hofe des Königs nie ein leichtes Leben: immer im Schatten seines älteren Bruders war er oft genug nur ein Ziel für Intrigen und die Boshaftigkeit des Hofadels. Gleich zu Beginn des Buches befindet er sich ja auf einer Mission, die ihn eigentlich das Leben kosten soll – schließlich braucht keiner einen zweiten Sohn, denn die Erbfolge ist bereits gesichert. Dieser Wechsel zwischen lustiger Geschichte, bitterer Ironie und den persönlichen Schicksalen der Charaktere (Prinzessin Julia wurde von ihren sieben älteren Schwestern dem Drachen zum Frass vorgeworfen, weil sie sich weigerte zu heiraten!) ist unglaublich gut aufgebaut und macht das Buch zu einem wahren Lesevergnügen. Und auch der Stil des Autors ist gelungen, schließlich werden viele schöne Metaphern für die Geschichte benötigt.
Aber irgendwo ist immer ein Haken, und diesmal war es das (meiner Meinung nach dämliche) Cover. So nichtssagend und irgendwie albern, dass ich mich damit kaum von zu Hause fort trauen konnte. Dafür ist der Roman im Gesamturteil eine der wirklich lesenswerten Fantasygeschichten auch für Neueinsteiger.

Die Schlacht der Shadowmoon von Sean McMullenNach dem Untergang des Kontinents Torea machen Wetterschwankungen wichtige Schiffswege unpassierbar. Daher schließen sich mächtige Zauberer zusammen, um das magische Artefakt “Dragonwall” aufzubauen, das die Probleme in Griff bekommen kann (und nebenbei auch noch anderen Zwecken dient). Bald geht nicht nur den Beteiligten auf, dass damit ein schwer zu kontrollierendes Experiment angestoßen wurde. Zum Glück sind schon einige Helden unterwegs: Wallas ist ein kürzlich des Attentats beschuldigter Hofmusiker, der in erster Linie Frauen und ein sorgloses Leben im Kopf hat. Er trifft auf Andry, einen Seefahrer, der sein Heimweh in Alkohol ertränkt – gemeinsam stolpern sie in die Bemühungen zur Verhinderung von Dragonwall …

– Am fünften Tag nach der Abreise aus Glasbury kam die Reisegarde in Sichtweite des Kapfanggebirges, einer noch jungen Bergkette mit spitzen Gipfeln und scharfen Graten, nahezu frei von sanften und abgerundeten Hängen. –
Drachenschule

Zu Die Schlacht der Shadowmoon liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Die Rache der Shadowmoon und Die Schlacht der Shadowmoon.

Johannes Cabal: Seelenfänger von Jonathan L. HowardJohannes Cabal hätte vom Teufel gerne seine Seele zurück, die er gegen nekromantische Expertise eingetauscht hatte, möchte sein Wissen aber behalten. Also muss er eine Wette eingehen, wenn er es schafft 100 Seelen innerhalb eines Jahres für die ewige Verdammnis zu lukrieren, erhält er seine zurück. Und welches Mittel stellt der Teufel dem unterkühlten, streng-rationalen Johannes Cabal zur Verfügung? Natürlich ein eingestampftes höllisches Jahrmarktsprojekt …

– Walpurgisnacht. Hexensabbat, die letzte Nacht im April, in der das Böse umgeht. –
Kapitel 1 – In dem ein Wissenschaftler die Hölle besucht und ein Pakt geschlossen wird.

Zu Seelenfänger liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover des Buches "Der silberne Hengst" von James Branch CabellDom Manuel, der Graf von Poictesme, ist fort. Auf dem letzten Konvent seiner getreuen Ritter vom Orden des silbernen Hengstes prophezeit der undurchsichtige Horvendil einem jeden von ihnen das Entschwinden aus dem Land. Und die Voraussagen erweisen sich als wahr, denn die Ritter erleben seltsame Abenteuer, an deren Ende keiner mehr der ist, der er vorher war – wenn er überhaupt noch ist. Eng verknüpft damit ist die wachsende Legende des mittlerweile religiös als Erlöser Poictesmes verehrten Manuel. So werden die Ritter bald Relikte einer vergangenen Zeit und haben mit dem Wandel, der durch die Legende ihres ehemaligen Kameraden veranlasst wurde, und anderen menschlichen Schwächen zu kämpfen.

-Man erzählt sich, wie Dom Manuel, der der hohe Graf von Poictesme war und den man überall als den größten und von Skrupeln unbeflecktesten Glücksritter seiner Zeit ansah, ohne Grund und Vorwarnung am Festtag von St. Michael und allen Engeln aus seiner Burg zu Storiesende entschwunden war.-
1 Kindergerede

Schauplätze und Zeitraum des Geschehens umfassen große Weiten, es geht durch Persien, nach Mittelamerika, nach Inis Dahut und den anderen Wunderinseln, sogar in den Himmel und die entgegengesetzte Richtung, doch Kern ist die (fiktive) südfranzösische Provinz Poictesme des 13. Jh. Die realen Hintergründe werden nur beiläufig eingeflochten, die z.T. sehr phantastischen Gesellschaftsformen und Wesen werden zwar etwas ausführlicher behandelt, dienen aber in erster Linie dazu, die anthropologischen Konstanten zu verdeutlichen.
Magische Elemente gibt es haufenweise, aber sie lassen sich nicht auf eine einfache Formel bringen. Nur ein paar Dinge seien hier genannt: Es treten Engel, Dämonen, Götter und Zauberer auf, doch niemals so, wie der Leser es erwartet.

Auch wenn die Zahl der auftretenden Figuren recht groß ist, läßt sich innerhalb eines Abenteuers der Überblick leicht bewahren, aber darüber hinaus ist es z.T. nicht ganz leicht. Zentrale Rollen spielen sieben der zehn Ritter: Gonfal, ein Realist, der die Wunderinseln besucht und um die Hand der Königin Morvyth anhält; Miramon Lluagor, ein Künstler, der endlich die leuchtenden Bienen Toupans erhält und wieder mit seiner Frau Giséle streitet; Coth, ein Hitzkopf und Querulant, der Manuel im fernen Westen bei den Taolteken sucht; Guivric, ein gewitzter Mann, der im wahrsten Sinne des Wortes um seinen Platz in der Gesellschaft kämpfen muß; Kerin, ein naiver Mensch, den seine Frau Saraïde auf eine langwierige Suche nach den Fragen des Lebens schickt; Nizian, der Rechtschaffendste der Ritter, der wie ein Vogel auftritt – was gläubigen Menschen, weder seiner Frau Balthis noch dem Heiligen Holmendis, nicht gefallen kann und Donander, dem Standfestesten der Zehn, der aus Versehen statt in den Himmel nach Walhalla gelangt. Doch auch die Frau Manuels, die ehemalige Heidin Niafer, die sehr um die Verbreitung der Legende um den christlichen Erlöser Poictesmes bemüht ist, und Jürgen, mal als junger Sohn Coths, mal als alter Pfandleiher, kommen Rollen zu.
Auch wenn die Figuren Inkarnationen von Grundmustern menschlichen Verhaltens sind und keine komplexe Psychologie haben, gelingt es Cabell doch, ihnen allen eine gewisse Einmaligkeit zu verleihen – wer Jürgen gelesen hat, erkennt ihn sofort wieder. Aufgrund der höchst befremdlichen Situationen, in welche die Ritter geraten, stört der Mangel auch nicht besonders.

Der Hauptplot befaßt sich wieder mit Manuel, denn es geht um seine Anpassungsfähigkeit – Mundus vult decipi – selbst nach seinem Verschwinden kann er den Menschen darstellen, was sie sehen wollen. Doch oftmals rückt dieser Strang in den Hintergrund und ins Rampenlicht treten die Nebenplots der einzelnen Ritter – jeder der sieben erhält ein Buch, mit Ausnahme von Coth, der zwei erhält; dazu kommt das erste Buch als Einleitung/Auftakt mit der Prophezeiung Horvendils im Mittelpunkt und das zehnte und letzte Buch als eine Art Abschluß in dem Niafer und Jürgen über Manuel und seine Legende nachdenken.
Die Ritterabenteuer befassen sich immer mit Grundpfeilern des menschlichen Verhaltens und zumeist mit dem Geschlechterverhältnis. Oftmals wird der Sinn und Unsinn des Christentums behandelt. In dem Abenteuer des Miramon Lluagor erhält dieser Toupans leuchtende Bienen, die dem Anwender drei Wünsche gewähren. Doch mit jedem Wunsch wird der schlafende Gott Toupan etwas aktiver, sollte er zur Gänze erwachen, würden die alten Götter zurückkehren und die Schöpfung beenden. Miramons turbulente Variante des 3-Wünsche-Themas entbrennt mit dem klassischen Ehestreit zwischen ihm und Giséle.
Die Nebenplots sind unterschiedlich gut gelungen, manche, wie Guvirics Reise, sind recht schwer zugänglich, da sie zu kryptisch sind, und können daher den Leser nicht so recht mitnehmen. Andere, wie Ninzians Erlebnis, sind dagegen äußerst amüsant. Ihre besondere Qualität erhalten die Geschichten aus der ironischen Überzeichnung der fein beobachteten menschlichen Eigenheiten – spannend sind die Geschichten nur selten.

Der silberne Hengst (The Silver Stallion)
ist der zweite Teil der Chroniken von Poictesme. Er ist zwar ohne weiteres für sich lesbar, da die relevanten Punkte aus Manuels Leben (wenn auch etwas verzerrt) im Kapitel Die Legende von Manuel wiederholt werden, aber mit der Kenntnis der anderen Bücher werden viele Details mit Bedeutung aufgeladen. Insgesamt scheint dieses Buch weniger tiefschürfend zu sein, als es Die Legende von Manuel oder Jürgen ist, dennoch ist dieses eine sehr unterhaltsame Satire auf Ritterromane, Märchen – und das menschlichen Miteinander.
Sprachlich unterscheidet es sich nicht vom üblichen ironischen Stil Cabells; kurze, lakonische Sätze wechseln sich mit langen, geschraubten Reden ab und die Wortwahl ist immer äußerst treffend.

Sophie im Schloss des Zauberers von Diana W. JonesSophie ist gefangen in ihrem Leben als älteste von drei Töchtern. Als solche ist es ihr bestimmt, verantwortungsbewusst zu sein und außerdem den Familienbetrieb, ein Hutmachergeschäft, zu übernehmen. Diesem Schicksal hat die junge Sophie sich längst ergeben, als die teuflische Hexe der Wüste eines Abends ihren Hutladen betritt und das Mädchen ohne eine Erklärung in eine alte Frau verwandelt.
Jetzt, da Sophie sich nicht nur alt fühlt, sondern auch alt aussieht, flieht sie aus der Stadt und findet sich des nachts alleine in der Wildnis wieder. Dabei stolpert sie über das wandelnde Schloss des Zauberers Howl, von dem es heißt, er stehle die Seelen junger Mädchen und verspeise ihre Herzen.

-Im Lande Ingari, wo Dinge wie Siebenmeilenstiefel und Tarnkappen wirklich existieren, gilt es als ziemliches Pech, als ältestes von drei Geschwistern geboren zu werden. Alle wissen, dass das älteste Kind am schnellsten und am schlimmsten versagen wird, wenn die drei sich aufmachen, um ihr Glück zu suchen.-
1. Kapitel in dem Sophie mit Hüten spricht

Frau Jones hat hier eine zauberhafte Welt geschaffen, in der man selbst gerne ein paar Streifzüge machen würde. Das Ganze wird auf eine so humorvolle Weise verpackt, dass es schwer fällt, Sophie im Schloss des Zauberers (im Original: Howl’s Moving Castle) aus der Hand zu legen. Es ist wohl eines der wenigen Bücher, die  nachhaltig in Erinnerung bleiben und auch nach dem dritten, vierten und fünften Lesen noch immer Freude bereiten.

Zu verdanken ist dies wunderbar gezeichneten Charakteren, die von schrullig bis überdimensional wehleidig und wahrhaft seltsam alles abdecken. Wir haben hier eine grantige alte Dame mit Putzfimmel, einen Feuerdämon mit Existenzängsten, einen wahnsinnig mächtigen Zauberer mit einem ausgeprägten Eitelkeitsproblem, eine anhängliche Vogelscheuche, Hunde, die keine sind, und Zauber, über die man nicht sprechen kann. Mit einem außerordentlichen Gespür für Sprache haucht die Autorin der Welt Ingari und ihren verschiedenen kleinen Städten buntes Leben ein. Es bedarf tatsächlich nicht vieler Worte, um sich alles im Detail vorstellen zu können.
Die eigentliche Quest, den mysteriösen Vertrag zwischen Howl und dessen Feuerdämon Calcifer zu brechen, damit letzterer im Gegenzug Sophies Fluch aufhebt, wird dabei beinahe zur Nebensache, und doch wird das Buch nie langweilig oder sinnlos. Man erlebt die Handlungen und Entwicklungen der Charaktere so gerne und selbstverständlich mit, dass es einen mit Empörung zurück lässt, dass auch dieses Buch irgendwann enden muss.

Diana W. Jones gilt zwar als Kinderbuchautorin, und auch Sophie im Schloss des Zauberers wird offiziell als Kinderbuch gehandelt, dennoch wirken die vielen versteckten Anspielungen und Kniffe oft zu komplex für Kinder. Manches dürfte sich erst im Jugend- oder Erwachsenenalter tatsächlich erschließen, da es ein gewisses Maß an Allgemeinbildung oder auch emotionaler Entwicklung benötigt, um Anspielungen auf Hamlet, König Artus, Alice im Wunderland und Der Herr der Ringe zu erkennen oder auch Dinge wie die ersten Anzeichen von Verliebtheit  und Ironie. Denn der Humor springt einem hier nur selten mitten ins Gesicht.  Er zeichnet sich vor allem durch Wortwahl und teils hitzige Dialoge aus.
Vermutlich dürfte auch nicht einmal vielen Erwachsene auffallen, dass in dem Roman ein Gedicht von John Donne zu einem wichtigen Bestandteil der Handlung wurde.
Natürlich kann man Sophie im Schloss des Zauberers auch ohne das alles genießen, doch gerade diese Kleinigkeiten verleihen ihm seinen ganz eigentümlichen Charme. Die Verwendung bestimmter Begriffe, Namen oder bekannter Zitate unserer realen Welt geben dem Buch teilweise selbsterklärende Eigenschaften oder auch ein Gefühl von vertrautem Wiedererkennen.

Ungewöhnlich ist auch die Herangehensweise der Autorin an ihre Figuren. Anders als man es gewohnt ist, wird Sophie nach dem Tod ihrer Eltern nicht zum Spielball ihrer Stiefmutter. Nein, besagte Stiefmutter liebt sie sogar genauso sehr wie  ihre eigene Tochter, auch wenn die Autorin versucht, den Leser diesbezüglich auf eine falsche Fährte zu locken. Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie Diana W. Jones sich den typischen Klischees der Fantasy in diesem Roman widersetzt und alles ein wenig anders macht.
Ein einziges Mal wurde die Autorin schwach und verlieh dem Roman ein so umfangreiches Happy-End, dass einem glatt schwindelig werden könnte. Alles andere hätte Sophie im Schloss des Zauberers allerdings seinen märchenhaften und ohnehin vor seltsamen Ereignissen strotzenden Charakter genommen. Man kann also getrost sagen, Frau Jones ist ihrer Linie vom ersten bis zum letzten Satz treu geblieben.

Obwohl die Übersetzerin der deutschen Ausgabe, Gabriele Haefs, hier eine sehr gute Arbeit abgeliefert hat, geht natürlich doch der ein oder andere Wortwitz verloren und die Sprache wirkt manchmal etwas zu betont einfach. Wer gerne auch mal auf Englisch liest, sollte daher zur Originalausgabe greifen. Einen empfehlenswerten Lesegenuss bieten aber durchaus beide Sprachen.
Ignorieren sollte man allerdings den Klappentext der deutschen Ausgabe, denn der hat nur bedingt etwas mit dem Buch zu tun.

Für diejenigen, die nicht genug kriegen können von Sophie, Howl und Calcifer, gibt es noch zwei weitere Bücher, die in Ingari angesiedelt sind: Ziemlich viele Prinzessinnen (Castle in the Air) und House of many ways (noch nicht ins Deutsche übersetzt). Es handelt sich dabei nur indirekt um Fortsetzungen, da die bekannten Personen lediglich kleinere Nebenrollen einnehmen. Für Fans von Sophie und Howl dennoch zu empfehlen.

Verfilmung:
Das Buch wurde 2004 von den Ghibli Studios in einer wunderbaren Umsetzung verfilmt. Hier gibt es auch eine ausführliche Besprechung dazu.

Cover von Die Stadt der träumenden Bücher von Walter Moers Hildegunst von Mythenmetz, ein Jungspund von 77 Jahren, Bewohner der Lindwurmfeste und Ich-Erzähler dieses Romans, kommt nach Buchhaim, um den genial begabten Dichter eines Manuskriptes ausfindig zu machen, das ihm sein Dichtpate Danzelot von Silbendrechsler auf dem Sterbebett vermacht hat. Buchhaim ist eine Stadt, deren Bewohner für Bücher und von Büchern leben. Hier drängt sich Buchladen an Buchladen, Verlagssitz an Verlagssitz und Lesestube an Lesestube. Seine Suche führt Hildegunst in das Labyrinth unter der Stadt, in dem Buchjäger noch heute auf der Jagd nach kostbaren Büchern sind und in dem tödliche Gefahren lauern.

– Hier fängt die Geschichte an. Sie erzählt, wie ich in den Besitz des Blutigen Buches kam und das Orm erwarb. Es ist keine Geschichte für Leute mit dünner Haut und schwachen Nerven – welchen ich auch gleich empfehlen möchte, dieses Buch wieder zurück auf den Stapel zu legen und sich in die Kinderbuch-Abteilung zu verkrümeln.-
Eine Warnun

Beinahe wäre dieses Buch nicht besprochen worden. Der Rezensent hat schon öfter angedeutet, daß er eher zu den schreckhaften Naturen gehört und lange hat er sich überlegt, ob er sich nicht die Warnung zu Herzen nehmen soll und lieber auf die Lektüre des Buches verzichtet: Ja, ich rede von einem Ort, wo einen das Lesen in den Wahnsinn treiben kann. Wo Bücher verletzen, vergiften, ja, sogar töten können. Nur wer wirklich bereit ist, für die Lektüre dieses Buches derartige Risiken in Kauf zu nehmen, wer bereit ist, sein Leben aufs Spiel zu setzen, um an meiner Geschichte teilzuhaben, der sollte mir bis zum nächsten Absatz folgen. Allen anderen gratuliere ich zu ihrer feigen, aber gesunden Entscheidung, zurückzubleiben. Macht’s gut, ihr Memmen! Ich wünsche euch ein langes und sterbenslangweiliges Dasein und winke euch mit diesem Satz Adieu!
Ach, was soll’s! Wer schon als Kind mit Hagen von Tronje in Etzels brennendem Saal gestanden hat, mit Odysseus dem Zyklopen entronnen ist und wer unter verschiedenen Piratenkapitänen gedient hat, wird ja wohl auch die Lektüre dieses Buches unbeschadet überstehen,—hoffentlich.

Nun denn, der Rezensent machte sich ans Werk und bald schon, es muß leider gesagt werden, fühlte er eine leise Enttäuschung in sich aufsteigen. Ja, Die Stadt der Träumenden Bücher ist ein phantasievoller Roman, witzig, originell, mit wunderbaren Illustrationen, die intelligente Parodie eines Entwicklungsromans und eine gnadenlose Abrechnung mit dem Literaturbetrieb, mit Literaturagenten, Schriftstellern und natürlich Kritikern. Aber wo bitte bleibt die nervenzerfetzende, versprochene Spannung? Eine Schreckse, eine einäugige, weiße Fledermaus, ein Trompaunenkonzert, alles ganz nett, aber ist das schon alles, was Mythenmetz an Schrecken zu bieten hat??? Nein, ist es nicht!!! Hildegunst von Mythenmetz wird das Opfer eines heimtückischen Anschlages. Er fällt in Ohnmacht, ihm wird schwarz vor Augen -und dem Leser auch. Wenn beide wieder klarer sehen, geraten sie in die spannendsten, gefährlichsten, unglaublichsten und schreckenerregendsten Abenteuer, die die Katakomben von Buchhaim zu bieten haben. Machen Sie sich auf furchtbare Begegnungen mit Bücherjägern, Spinxxxxen, Harpyre, Kannibalen, Gefährlichen Büchern, dem Schattenkönig und den Schrecklichen Buchlingen gefaßt. Falls Sie bei der Nennung dieser Namen noch nicht blaß um die Nase geworden sind, dann waren Sie noch nie in Zamonien. Allerdings muß der Rezensent gestehen, daß er sich auf Anhieb in die Schrecklichen Buchlinge verliebt hat. Plötzlich war er bereit, diesem Roman allein wegen der Buchlinge sechs, sieben, acht oder gar Trilliarden Sternchen zu verleihen und er möchte unbedingt mehr über diese Kerlchen lesen: BUCHHAIM, BUCHHAIM, BUCHHAIM!!!!!! (lieber Leser, achten Sie gar nicht auf das Fettgedruckte, es ist nur ein kleiner interner Hinweis für den Übersetzer des Buches, oder ist es ein Zeichen des beginnenden Wahnsinns????)

Jeder Buchling wählt sich einen zamonischen Schriftsteller aus, dessen Namen er trägt und dessen Werke er auswendig lernt. Das Besondere daran ist: zwischen den zamonischen Schriftstellern und den Autoren unserer Realität gibt es einen Zusammenhang und es macht einen Wahnsinnsspaß (schon wieder “Wahnsinn”) herauszufinden, welchen. Man kann aber auch zur Verzweiflung getrieben werden, wenn es bei einigen nicht gelingt. Hier ein paar einfache Beispiele zum Üben: Ojahnn Golgo van Fontheweg, Gofid Letterkerl, Perla La Gadeon, Ali Aria Ekmirrner, Balono de Zacher und Sanotte von Rhüffel-Ostend.
Ach, der Rezensent könnte noch stundenlang erzählen, von der Haifischmade Phistomefel Smeik, von Colophonius Regenschein, von Rongkong Coma von der Bücherbahn der Rostigen Gnome, von Schloß Schattenhall und von vielem anderen. Aber er denkt ja gar nicht daran, er hat sich nicht mit Hildegunst von Mythenmetz in tödliche Gefahren gestürzt, damit andere davon profitieren, die nichts tun, außer gemütlich vor dem Computer zu sitzen. Wenn Sie die Geschichte der Stadt der Träumenden Bücher kennenlernen wollen, dann lesen Sie sie gefälligst selbst – wenn Sie sich trauen…

Cover des Buches "Through the looking glass" von Lewis CarollIm Spiel mit ihrem kleinen schwarzen Kätzchen vertieft, überlegt das Mädchen Alice sich, wie lustig es auf der anderen Seite des Spiegels wohl sein mag, und so geht sie durch diesen ins Spiegelhaus. Sich dort umschauend sieht sie, wie die Figuren des Schachspiels lebendig werden. Auch sonst ist einiges sonderbar, und Alice beschließt sich den Garten anzusehen, was ihr zunächst sehr schwer fällt, da die Wege vom Haus weg zum Haus hinführen. Erst nach einigen Anstrengungen kann sie dem Haus entkommen. Im Garten trifft sie auf die Schwarze Königin, die dem Mädchen erklärt, wie es vom Bauern zur Königin werden kann. Alice nimmt die Herausforderung an und beginnt eine höchst bizarre Reise…

-One thing was certain, that the white kitten had had nothing to do with it: – it was the black kitten’s fault entirely.-
Chapter 1 Looking-Glass House

Die Welt hinter dem Spiegel ist eine höchst eigenartige, verzerrte und verdrehte Variante des “realen” Englands des späten 19. Jh., auch wenn es nirgends explizit erwähnt wird, so schimmert doch das Britische überall durch.
Um ihr Ziel zu erreichen, muss Alice zur anderen Seite des Landes reisen, welches in schachbrettartige Felder unterteilt ist. Wobei es beim Überqueren der Feldergrenzen zu drastischen Veränderungen kommen kann – während sie im ersten Feld noch auf einer Wiese geht, sitzt sie nach dem Übergang plötzlich in einem fahrenden Zug und wird von einem Schaffner angeschnauzt.

Unterwegs trifft Alice auf äußerst bizarre Figuren; so unterhält sie sich mit sprechenden Blumen – einige sind hilfsbereit, andere sind besserwisserisch; sie lernt die Weiße Königin, eine etwas hilflos wirkende Dame, die in der Zeit rückwärts lebt, und die Schwarze Königin, die sich Alice gegenüber sehr ambivalent verhält, kennen; sie muss sich mit den aufgeblasenen Brüdern Tweedledum und Tweedledee auseinandersetzen, die Höflichkeit einfordern, aber selbst unhöflich sind; sie lässt sich vom eiförmigen Humpty Dumpty das Gedicht vom Jabberwocky erklären und vom tolpatschigen Weißen Ritter, der viele fragwürdige Erfindungen macht, gegen den Schwarzen Ritter, der die Kleine gefangen nehmen will, verteidigen.
Daneben trifft sie ein Schaf, das einen Kaufmannsladen führt, den Weißen König und seine Boten, den Löwen und das Einhorn und zahllose andere groteske Gestalten.

Das die Figuren irgendwie plausibel seien, wird niemand behaupten, denn sie verhalten sich dermaßen absurd, dass selbst die einfachsten Gespräche zur Herausforderung werden – die anderen akzeptieren kaum die alltäglichen Deutungen. Besonders deutlich wird dieses bei Redewendungen: Als Humpty Dumpty erklärt, dass er lieber Un-Geburtstagsgeschenke möge, bittet Alice mit “Beg your pardon?” um eine Erläuterung, doch ihr Gesprächspartner nimmt es wörtlich: “I’m not offended.” Dennoch sind die Figuren alle einzigartig, keine ist ein bloßes Klischee oder unausgereift.

Alice selbst ist genau sieben Jahre und sechs Monate alt, sie hat viel Phantasie und Abenteuerlust. Während sie in der “Realität” die Unvernünftige ist, wird sie in der Spiegelwelt scheinbar zur Vernünftigsten, gemessen an den normalen Maßstäben; gemessen an denen der anderen Welt ist sie auch hier unvernünftig. In der ganzen Geschichte ist sie die einzige plausible Figur, Carroll trifft die Eigenarten eines Kindes wieder sehr gut.

Der Plot an sich ist relativ nebensächlich: Um eine Königin zu werden muss Alice, die als Weißer Bauer startet, ins achte Feld und so macht sie sich auf die Reise. Der Schwerpunkt der Story liegt ganz deutlich auf den grotesken Begegnungen, die mal komisch sind (oder furchterregend, wenn man sie ernst nimmt) und mal zum Nachdenken über Sinn und Unsinn von Sprache und Gebräuchen anregen.
Dieses erreicht Carroll einerseits durch seine Wortspiele und andererseits durch die (alp-)traumhaften Wandlungssequenzen. Im Vergleich zum ersten Buch ist Through the Looking Glass (Alice hinter den Spiegeln) düsterer geraten; es fehlt zwar an einer Bedrohung, aber durch die schnellen Verwandlungen und abrupten Wechsel wird das gewohnte Kausalitätsgefüge noch stärker aufgebrochen.

Außerdem werden viele Gedichte und Lieder zum Besten gegeben, die durchaus gelungen und nicht bloßer Selbstzweck sind. Der geneigte Leser sollte einmal das Jabberwocky-Gedicht mit getragener Stimme vortragen; gerade die erste Strophe klingt sehr bedeutsam und bedeutet doch nichts. Das Lied vom Walross und Tischler, welche die Austern zum Picknick überreden und diese dann verspeisen, dient dazu, ein moralisches Dilemma aufzuwerfen: Wer ist schlimmer, das Walross, welches mehr Austern aß, aber den Tod der Austern betrauert, oder der Tischler, der weniger aß, aber soviel, wie er bekam? Das Gedicht regte Terry Gilliam (Monty Python) zum Film Jabberwocky an und auf das Lied bezieht sich Matt Damon als Loki in dem Film Dogma, als er der Nonne erklärt, warum er seinen Glauben verlor. Man sieht, auch der zweite Teil ist nicht ohne Wirkungsgeschichte.

Zum ersten Teil, Alice’s Adventures in Wonderland (Alice im Wunderland), gibt es allerdings nahezu keine Beziehung – Alice ist dieselbe, allerdings etwas selbstsicherer, und es gibt ein paar Andeutungen, so ist wohl Haigha der Hase und Hatta der Hutmacher der verrückten Teeparty.

Die Sprache ist wiederum unglaublich elegant und flüssig, allerdings nicht ganz so kunstvoll wie im Vorgänger. Außerdem wird es etwas schwieriger, da Carroll ungebräuchlichere Worte wählt. Dennoch sollte man sich nicht von der englischen Ausgabe abschrecken lassen.

Cover von Der Vampir, der mich liebte von Charlaine HarrisSookie Stackhouse, 26 Jahre alt und Kellnerin von Beruf, hat sich gerade von ihrem Freund getrennt. Bill war ihr erster richtiger Freund, außerdem verlief die Trennung unter besonders unerfreulichen Umständen, deshalb fühlt sich Sookie ziemlich mitgenommen. Die Aussichten auf eine neue Beziehung sind eher gering, denn Sookie kann Gedanken lesen und das finden normale Männer eher abschreckend. Bill, den Vampir, hat diese Gabe nie gestört, Gedanken von Vampiren kann sie sowieso nicht lesen. Eigentlich ist Sookies Bedarf an Aufregungen für die nächste Zeit gedeckt. Aber es kommt noch schlimmer. In der Neujahrsnacht läuft ihr Bills Chef, der Vampir Eric, halbnackt und völlig verwirrt vor’s Auto. Er hat sein Gedächtnis verloren und nicht die geringste Ahnung, was mit ihm geschehen ist. Erics Stellvertreterin Pam kann Licht ins Dunkel bringen. Die skrupellose und mächtige Hexe Hallow will mit ihren Getreuen Erics Geschäfte übernehmen, außerdem forderte sie noch eine andere Dienstleistung, die der Vampir so schroff ablehnte, daß Hallow ihn wütend mit einem Fluch belegte. Daraufhin fand sich Eric in diesem derangierten Zustand auf der Straße wieder. Hallow hat für seine Ergreifung ein Kopfgeld ausgesetzt. Der Machtkampf zwischen Hexen und Vampiren hat begonnen. Sookie steckt unfreiwillig mitten drin und wäre dringend auf die Hilfe ihres Bruders angewiesen – doch der ist seit dem Neujahrstag verschwunden…

– Jetzt hätte ich meinen Bruder angerufen, wenn ich gewußt hätte, wo er war. Denn wenn du in deiner Küche ein Blutbad beseitigen mußt, hast du am liebsten die Familie um dich.-
Seite 300, Kapitel 13

Charlaine Harris gehört offensichtlich zu den Autoren, die das Vampir-Genre nicht sooo todernst nehmen. Das ermöglicht ihr, munter draufloszuschreiben und ihre eigene Vampirwelt zu erschaffen. Sie versucht erst gar nicht, berühmtere Kollegen wie Bram Stoker oder Anne Rice zu kopieren und das ist der Grund dafür, daß Der Vampir, der mich liebte (Dead to the World) ein witziger, unterhaltsamer Roman geworden ist und keineswegs eine kitschige Liebesschmonzette, wie der völlig verunglückte Titel vermuten läßt.
Die Geschichte spielt in Louisiana. Vampire leben offen unter den Menschen, seit die Untoten vor ein paar Jahren, am Abend der Großen Enthüllung, überall auf der Welt im Fernsehen auftraten, um von ihrer Existenz zu berichten. Dieser Schritt an die Öffentlichkeit wurde durch die Entwicklung von synthetischem Blut ermöglicht. Seitdem leben sie genauso mehr oder weniger einträchtig mit den Menschen zusammen wie es Menschen untereinander auch tun. Im Allgemeinen geht es friedlich zu, aber es kommt auch schon einmal zu unschönen Zwischenfällen wie z.B. Eifersuchtsdramen, Drogenhandel, Mord und Totschlag und die arme Sookie ist in diese unglückseligen Ereignisse immer wieder verstrickt, obwohl sie sich alle Mühe gibt, Ärger aus dem Weg zu gehen. Es gibt aber auch Angenehmes im Leben der Kellnerin. Der Sex mit Eric ist für sie himmlisch. Ja, der erstaunte Leser muß feststellen, daß es im modernen Louisiana keine doppeldeutige, schwüle Erotik gibt. Keine Frau gerät hier in ekstatische Verzückung, weil ein Vampir mit seinen spitzen Zähnen in ihre Halsschlagader eindringt. Diese Vampire können auch anders, sie besitzen tatsächlich die Fähigkeit, sich anderen weiblichen Körperregionen auf menschliche Weise zu widmen.
Die Sexszenen zwischen Sookie und Eric sind so detailliert beschrieben, daß hier eine deutliche Warnung ausgesprochen werden muß. Es könnte Leserinnen geben, die nach der Lektüre für die Männerwelt verloren sind. Bedenken Sie aber, meine Damen, daß es für Sie äußerst schwierig sein dürfte, einen Vampir wie Eric zu finden, der nebenbei gesagt, weitaus weniger charmant ist, wenn er seine Sinne beisammen hat und nicht gerade unter Gedächtnisverlust leidet.

Außer Vampiren gibt es in Louisiana auch noch andere nichtmenschliche Wesen, die den Schritt an die Öffentlichkeit aber vorerst noch scheuen. Sookie erkennt sie trotzdem. Es sind Werwölfe und andere Gestaltwandler, manchen von ihnen sollte man bei Vollmond lieber aus dem Weg gehen, einigen sogar in gewöhnlichen Nächten. Die meisten von ihnen sind harmlos, aber nicht mit allen ist gut Kirschen essen, vor allen Dingen nicht mit der mysteriösen Sippe, die draußen an der abgelegenen Kreuzung lebt und sich seit Generationen fast ausschließlich durch Inzest erhält – was das für Auswirkungen auf die geistige Gesundheit haben kann, ist ja allgemein bekannt.
Schließlich fällt dann auch noch dieser brutale Hexenclan in den Ort ein und natürlich kommt es zu einem erbitterten Kampf auf Leben und Tod.

Der Vampir, der mich liebte ist sicherlich kein raffiniert gestrickter, gruseliger, traditioneller Vampirroman, in dem die Untoten Menschen jagen, um ihr Blut zu trinken und Menschen Vampire, um sie zu vernichten und in dem von Zeit zu Zeit ein Protagonist der Faszination der jeweils anderen Welt verfällt. Charlaine Harris erzählt ihre Geschichte geradeheraus, in einer modernen Umgangssprache, mit Witz und Augenzwinkern, sie schmeißt viele der gängigen Klischees über nichtmenschliche Wesen über Bord, stattet Vampire wie Werwölfe und Gestaltwandler mit bisher nicht gekannten Eigenschaften aus und spinnt so einen höchst unterhaltsamen Roman.

Cover von Voll im Bilde von Terry Pratchett Ungefähr dreißig Meilen entfernt von Ankh-Morpork befindet sich eine Landzunge. Dort lebte viele Jahre Deccan Ribobe, der letzte Hüter der Tür und sang Beschwörungen, die dafür sorgten, daß eine bestimmte Idee nicht entwich. Leider versäumte Deccan Ribobe, einen Nachfolger auszubilden und als TOD unerwartet eintrifft, wird diese Idee freigesetzt und fällt in Ankh-Morpork ein. Die Landzunge trägt übrigens den Namen Holy Wood und plötzlich fühlen ganz viele Einwohner Ankh-Morporks den Drang, sich an der Herstellung bewegter Bilder zu beteiligen. Es endet wie es immer endet: Die Scheibenwelt muß wieder einmal gerettet werden.

– Seht nur … Dies ist der Weltraum. Manchmal wird er auch als letzte Grenze bezeichnet. –

Falls Sie Schauspieler, Produzent oder ein Hund sind, der im Filmgeschäft arbeitet, dann werden Sie sich wahrscheinlich nach jeder zweiten Zeile vor Lachen auf die Schenkel schlagen, zustimmend mit dem Kopf nicken und vor sich hinmurmeln: “Genauso ist es, Pratchett hat wieder einmal den Nagel auf den Kopf getroffen.” Falls Sie aber nur ein durchschnittliches Interesse am Film haben und/oder schon mehrere Scheibenweltromane gelesen haben, dann wird Ihnen Voll im Bilde (Moving Pictures) auch nur ein durchschnittliches Lesevergnügen bieten. Zum einen kennt der fleißige Pratchett-Leser mittlerweile das Rezept: Man nehme ein Thema, das auf der Erde allseits bekannt ist, verlege es auf die Scheibenwelt, reichere es mit Zauberern und Trollen an und ziehe es kräftig durch den Kakao. Zum anderen zitiert Pratchett sich selbst. Kameras funktionieren auf der Scheibenwelt, indem in ihrem Inneren Kobolde sitzen, die Bilder malen. Das ist originell, wenn man es zum erstenmal liest, aber nicht mehr besonders lustig, wenn man das Prinzip schon von den Fotoapparaten aus den Rincewind-Romanen kennt. Auch daß wieder jemand auftaucht, der mit einem S-Fehler spricht und die Einwohner Ankh-Morporks mit der Orthographie auf Kriegsfuß stehen, ist nur noch mäßig komisch, wenn man vorher schon neun andere Scheibenweltromane gelesen hat.

Voll im Bilde ist aber sehr gut als Einsteigerlektüre für jemanden geeignet, der die Scheibenwelt kennenlernen möchte, da es sich um eine abgeschlossene Geschichte handelt, für die man keine Vorkenntnisse benötigt. Hier trifft man allerdings nicht auf die Hauptfiguren aus anderen Romanen wie den Zauberer Rincewind, Oma Wetterwachs oder die Nachtwache und auch TOD hat nur zwei Kurzauftritte. Dafür macht der Würstchenverkäufer Treibe-mich-selbst-in-den-Ruin-Schnapper ungeahnte Karriere, und das aus den Pyramiden bekannte Kamel “Du Miststück” spielt ebenfalls eine kleine Rolle. Hauptsächlich hängt das Wohl und Wehe der Scheibenwelt diesmal aber von dem Langzeitstudenten Victor und der Kellnerin Ginger ab, die beide vor den Kameras agieren und von dem Wunderhund Gaspode, der unglaublich intelligent ist und trotzdem gegenüber dem beschränkten aber viel schöneren Hund Laddie den Kürzeren zieht.

Pratchett parodiert in diesem Roman geldgierige Produzenten, den Starrummel und natürlich unzählige Filme wie Vom Winde verweht, Der weiße Hai, Star Trek, Schneewittchen, Lassie, King Kong

Voyage of the Shadowmoon von Sean McMullenAuf dem Kontinent Torea ist ein machthungriger Kaiser auf dem Weg, alle anderen Reiche zu erobern – und er schreckt dazu auch vor dem Gebrauch einer zerstörerischen Waffe nicht zurück.
Zur selben Zeit tingelt das kleine Schiff Shadowmoon durch die Häfen der Küste. Niemand weiß, daß die Mannschaft aus Spionen besteht, die Informationen sammeln – unter anderem über die Waffe des Kaisers Wasrovan. Doch wer wem vertrauen kann und wer für wen arbeitet, ist niemals ganz klar. Die Katastrophe droht bereits über Torea hereinzubrechen, und die Spione und zufällig auf der Shadowmoon gestrandeten Passagiere müssen zusammenarbeiten, um dem verrückten Wasrovan seine Waffe abzunehmen…

-Miral dominated the sky as the deepwater trader docked, an immense green, banded disk at the center of threee scintillating green rings.-
Prologue

Sean McMullen schafft in diesem Roman den Spagat zwischen einer epischen, mitreißenden Handlung und nahezu unglaublicher Komik, die entweder aus absurden Situationen oder aus dem trockenen Humor der Figuren erwächst. Der rote Faden wird allerdings nie dem Witz untergeordnet, auch wenn der Autor sämtliche Gelegenheiten für skurrilen Szenen auskostet.
Schon die Charaktere allein bieten Anlaß für einige Lacher: Da wäre in erster Linie Laron, der einzige Vampir der Welt Verral, der seit Jahrhunderten im Körper eines pickeligen 14jährigen steckt, und der auf seinen Beutezügen immer das Wohl der Menschheit im Auge hat; außerdem der Krieger und Magier Roval, der seine Probleme mit dem anderen Geschlecht am liebsten in Alkohol ertränkt, die erstaunlich resourcenreiche Priesterin Terikel und etliche andere. Der Leser wird in schneller Folge von einem Charakter zum nächsten gejagt und wird dabei Zeuge unglaublicher Abenteuer in schönster Mantel- und Degen-Manier, die nicht selten auf einem äußerst wagemutigen Plan fußen. Der Spaß und die amourösen Episoden kommen dabei keinesfalls zu kurz, dennoch nimmt sich die Handlung im Grunde genommen ernst – auch wenn sie meistens locker und leichtfüßig von einem Punkt zum nächsten hastet, von einem lakonischen Erzählstil geerdet, der Voyage of the Shadowmoon zu einem einzigartigen Vergnügen macht.

Auf den zweiten Blick erscheinen die Zusammenhänge kompliziert und mitunter verwirrend, denn es ist teilweise recht schwer, sich zu merken, wer mit wem gemeinsame Sache macht und was die jeweiligen Charaktere über die anderen wissen. McMullen behält sich auch vor, den Leser mehrmals kräftig zu überraschen, indem er die eigentlichen Ziele einer im Grunde wohlbekannten Figur erst recht spät in der Handlung eröffnet.

Erwähnenswert ist auch die Welt Verral – der Mond eines größeren Planeten – die Magie in rauhen Mengen aufweist und sich noch in jeder Menge anderer exotischer Einzelheiten  von unserer Welt (die übrigens am Rande eine Rolle spielt) unterscheidet. Zahlreiche Orden, Vereinigungen und Reiche bieten Raum für die Spionage-Arbeit der Agenten, denen James Bond wohl nicht das Wasser reichen könnte. Als wäre das alles nicht schon sensationell genug, macht McMullen zu Beginn des Buches etwas, das in Fantasy-Romanen normalerweise immer in letzter Sekunde verhindert wird, und benutzt es als Ausgangspunkt für die Handlung (und beeindruckenden Schauplatz).
Wenn man sich in dieses grandiose Abenteuer auf See, an intrigenreichen Höfen und anderen exotischen Schauplätzen stürzt, wird man feststellen, daß sich wunderbarer Nonsens-Humor und Spannung und bedeutsame Ereignisse nicht gegenseiutig ausschließen; und auch die Charaktere setzen sich im Gedächtnis fest, obwohl sie vordergründig hauptsächlich durch ihre Schrullen zum Leben erweckt werden.

Cover von Wachen! Wachen! von Terry PratchettEine geheime Bruderschaft bedroht die Stadt Ankh-Morpork, indem sie einen Drachen herholt, um den Patrizier zu stürzen. Dagegen vorgehen könnte die Stadtwache, wäre sie nicht die marodeste, arbeitsscheueste, feigste und korrupteste Truppe der ganzen Stadt. Doch voller Hoffnung betritt der aufrichtige Karotte Ankh-Morpork, um sich der ehrenhaften Wache anzuschließen und die Bürger zu schützen…

– Hierher verschwanden die Drachen. Sie liegen und … Nein, sie sind nicht tot. Sie schlafen auch nicht.
Von Warten kann ebenfalls keine Rede sein, denn wer wartet, erwartet etwas. Der angemesssene Ausdruck lautet vermutlich … Schlummern. –

Wachen! Wachen! (Guards! Guards!) ist einer der besten Scheibenweltromane. Hier hat Pratchett nicht einfach eine Slapstick-Szene an die andere gereiht, sondern er liefert eine durchdachte, runde Geschichte, die durch ihre Charaktere besticht und natürlich – wie immer – durch den für Pratchett typischen skurrilen britischen Humor. Hauptmann Mumm, der Anführer der Stadtwache, macht seinem Namen anfangs so gar keine Ehre. Er hat kein bißchen Mumm, sondern ist hauptsächlich damit beschäftigt, betrunken in der Gosse zu liegen. Dafür zeigt der Gefreite Karotte um so mehr Tatendrang. In kürzester Zeit lernt er einen großen Teil der ankh-morporkischen Gesetze, samt Zusätzen auswendig und verhaftet den Präsidenten der Gilde der Diebe. So etwas ist in Ankh-Morpork seit Menschengedenken nicht mehr vorgekommen und kann nur einem Hinterwäldler passieren. Karotte wurde von seinen Eltern, zwei Zwergen, erst vor kurzem in die große Stadt geschickt, nachdem sie dem zwei Meter großen Jungen schonend beigebracht hatten, daß er ein Findelkind ist. Als Ankh-Morpork von einem Drachen bedroht wird, den der Oberste Größte Meister der Einzigartigen und Höchsten Loge der Aufgeklärten Brüder beschworen hat, wächst Hauptmann Mumm über sich selbst hinaus. Pratchett parodiert auf köstliche Weise die Geheimniskrämerei und die Rituale einer Freimaurer-Loge und keiner, der das Buch gelesen hat, wird Mumms spektakuläre Flucht aus dem Kerker vergessen.

Cover von Das Zaubergift von Martin ScottEigentlich möchte Thraxas Ferien machen. Im Sommer ist es in Turai viel zu heiß, um zu arbeiten. Doch dann stürzt ein junger Mann in Thraxas’ Büro, der beschuldigt wird, einen stadtbekannten Bildhauer umgebracht zu haben und der den Privatdetektiv anfleht, seine Unschuld zu beweisen. Ein Hippiemädchen will Thraxas unbedingt engagieren, damit er ein paar Delphinen hilft und zwei Mönche beauftragen ihn, nach einer Statue zu suchen. Was bleibt unserem Helden übrig? Thraxas wirft seine Ferienpläne über Bord.

– Makri betritt die “Rächende Axt” mit dem Schwert an der Hüfte und einem Bündel Notizen aus ihrem Philosophiekurs in der Hand. Der Schweiß rinnt ihr in Bächen den Hals hinunter.-
1. Kapitel

Die englische Originalausgabe trägt den Titel Thraxas and the Warrior Monks. Dieser Titel entbehrt auch nicht einer gewissen Logik, denn der ganze Fall dreht sich um zwei rivalisierende Mönchsorden, die sich nach Art der Shaolin heftig bekämpfen. Wahrscheinlich haben sich aus diesem Grund die europäischen Verlage dazu entschlossen, diesen Titel in der jeweiligen Landessprache beizubehalten. Ob in Frankreich, den Niederlanden, in Rußland oder Polen, in ganz Europa stehen die kriegerischen Mönche auf der Titelseite. In ganz Europa??? Nein!!! Ein kleines starrsinniges Völkchen im Herzen Europas wehrt sich standhaft gegen einleuchtende Titel und verteidigt stur seine eigenartige Auffassung, daß der Titel und das Cover eines Buches mit dem Inhalt nichts, aber auch rein gar nichts, zu tun haben dürfen. Richtig geraten lieber Leser, das kleine aufrechte Völkchen, das sich so energisch der europäischen Einheit verweigert, ist der Blanvalet bzw. Goldmann-Verlag in Deutschland, der sich in seiner unerforschlichen Weisheit dazu entschlossen hat, als Titel des Romans ausgerechnet Das Zaubergift zu wählen. Kein Mensch in diesem Buch hat irgend etwas mit Zaubergift zu tun. Aber ich will nicht lügen: Sarin, die gnadenlose Mörderin, ist wieder am Werk. Sarin ist auch der Name eines Nervengiftes, das im zweiten Weltkrieg entwickelt, aber dann doch nicht als chemische Waffe eingesetzt wurde. Also wenn man es so sieht…

Für die Umschlaggestaltung ist das Design Team München verantwortlich, für die Umschlagillustration Schlück/Maitz. Es wäre interessant zu erfahren, warum man sich auch für ein Cover entschieden hat, das mit dem Roman nichts zu tun hat. Was haben die Drachen und dieser Jung-Siegfried-Verschnitt auf dem Titelbild zu suchen? Um Thraxas kann es sich nicht handeln, denn der ist fett und trägt sein blondes Haar zu einem Zopf gebunden. Und Drachen kommen in dem Buch genauso oft vor wie Zaubergift, eher seltener.

Die Namensgebung hat sich gegenüber dem ersten Band ebenfalls nicht verbessert. Neu sind der ermordete Bildhauer Rodinaax (ja, man bemüht sich auch das Bildungsbürgertum als Leser zu gewinnen), der des Mordes Verdächtige Gesox, die Jugendbande Kuul-Tiens und besonders geschmacklos ist die einmalige Erwähnung des hohen Bonzen des Gaststättengewerbes namens Juhnkar. Dem Fischhändler Iglox ist sein Name mittlerweile anscheinend so peinlich, daß er sich in Tranox umbenannt hat.
Schade, schade, schade. Wenn man das Glück hat, zehn zusammenhängende Zeilen lesen zu können, ohne daß man auf diese ach so originellen Namen stößt, dann merkt man, daß Martin Scott dem Leser eigentlich eine gelungene Parodie auf die alten Detektivromane der Schwarzen Serie bietet. Diese Reihe könnte dem Leser gute leichte Unterhaltung bieten, wenn der Verlag nicht mit aller Gewalt darauf hinarbeiten würde, das Lesevergnügen zu ruinieren.
Nehmen Sie es dem Autor nicht übel, der kann nichts dafür. Wenn es Ihnen möglich ist, lesen Sie das Original (obwohl die englischen Cover auch eine Qual für das Auge sind) und irgendwie habe ich den diffusen Verdacht, daß Sie mit der französischen, niederländischen, polnischen und russischen Ausgabe auch besser bedient sind als mit der deutschen. Deutsche Leser, bildet Euch weiter: Lernt Fremdsprachen!

Cover von Der Zauberhut von Terry PratchettZauberer Allesweiß floh in jungen Jahren aus der Unsichtbaren Universität, heiratete und bekam viele Söhne, deren achter ein kreativer Magus ist. Ein kreativer Magus ist so ziemlich der mächtigste Zauberer, der auf der Scheibenwelt herumläuft. Leider ist er nicht unbedingt der liebenswürdigste. Dieser achte Sohn macht sich also als Knabe auf zur Unsichtbaren Universität und fordert zwei der besten Zauberer zum Duell. Das schreckliche Gör gewinnt, richtet ein einziges Chaos an und wünscht Erzkanzler zu werden. Dies hohe Amt erfordert aber eine Zeremonie, in der der Zauberhut eine Rolle spielt. Ganz zufällig ist dieser wichtige Hut gerade nicht zu Hause, sondern auf Reisen mit einem gewissen Rincewind sowie Conina, der Tochter Cohens des Barbaren, und Truhe.

-Vor vielen Jahren sah ich in Bath eine wohlbeleibte amerikanische Dame, die einen riesigen karierten Koffer hinter sich herzog. Die kleinen, quietschenden Räder blieben immer wieder in den Pflasterrissen stecken und verliehen dem Ding ein höchst interessantes Eigenleben. In jenem Augenblick wurde Truhe geboren. Ich danke jener Frau und allen anderen Leuten in Orten wie Ichweißnichtwo, Nebraska. Vermutlich können sie ein wenig Zuspruch vertragen.-
Widmung

Zuerst darf jeder einmal raten, woher Joanne K. Rowling die Idee hat, daß es Zauberhüte gibt, die sprechen, wenn man sie sich auf den Kopf setzt. Nun, ich werde die Antwort ganz gewiß nicht geben, sonst werde ich noch wegen Verleumdung oder Geheimnisverrat mit einer Millionenklage vor Gericht gezerrt und dabei weiß ich noch nicht einmal, wie ich mein Bafög zurückzahlen soll. Also von mir kein Wort zu diesem Thema. Widmen wir uns statt dessen dem Buch: Dieser Roman hat zwei Handlungsstränge: Einmal wird erzählt, wie dieser freundliche Knabe (jedem, der sich unfreundlich über das liebe Kind äußert, bekommt dies außerordentlich schlecht) die Unsichtbare Universität auf den Kopf stellt und wie unfähig die Zauberer sind, dies zu verhindern, ja einige lassen sich sogar korrumpieren. Kreative Magie ist so gefährlich, weil sie sich an keine Gebote hält und eigentlich den Göttern vorbehalten ist. Der andere Handlungsstrang erzählt von Rincewind, der wieder einmal die Scheibenwelt vor dem Untergang retten muß, indem er den Hut, der das Zeichen des obersten magischen Amtes ist und das Symbol für eine Zauberei, die sich an gewisse Werte hält, in Sicherheit bringt. Dabei wird er von Piraten, orientalischen Straßenkindern, Großwesiren und anderen ungemütlichen Herrschaften stark behindert. Falls irgend jemand immer noch nicht verstanden hat, wie prekär die Lage ist, dem sei gesagt, daß Tod, Krieg, Hunger und Pestilenz irgendwo auf der Scheibenwelt in einer Kneipe sitzen und warten, sehr geduldig warten … Glücklicherweise hat Rincewind Conina an seiner Seite. Die wollte eigentlich Barbarenfriseuse werden, aber nun kämpft sie mit ihm für die gute Sache, wobei sie meistens Schwerter, manchmal aber auch Scheren und Kämme benutzt. Achtung: Jetzt kommt der Satz, der zwangsläufig so oder ähnlich in jeder Pratchett-Rezension steht. Dank Pratchetts Sprachwitz ist die Geschichte ungeheuer komisch. Besonders geeignet dürfte der Roman für Kinderhasser sein. Sie finden ihr Vorurteil voll bestätigt, daß diese kleinen Ungeheuer nichts als Ärger anrichten.

Cover des Buches "Das zehnte Königreich" von Kathryn WesleyVirginias Leben ist todsterbenslangweilig ohne jede Aussicht auf Besserung. Zur gleichen Zeit flieht die böse Königin in den neun Königreichen aus dem Schneewittchen-Gedächtnis-Gefängnis, um die Herrschaft an sich zu reißen. Zu diesem Zweck verwandelt sie ihren Stiefsohn, Prinz Wendell, in einen Golden Retriever und lässt den Hund die Gestalt des Prinzen annehmen. Bei einem Fluchtversuch  springt Prinz Wendell durch einen Zauberspiegel und landet direkt im New York der Gegenwart vor Virginias Fahrrad, die gerade auf dem Weg zur Arbeit ist. Sie kümmert sich um den angefahrenen Hund und ahnt nicht, dass sie sich damit in große Gefahr begibt. Die Königin hat ein paar Trollen und einem gefährlichen menschlichen Wolf befohlen, Prinz Wendell zurückzubringen.

-Virginia stützte ihre Ellbogen auf den Fenstersims und beugte sich hinaus in die Brise. Wenn sie die Augen halb geschlossen hielt, erweckten die Bäume vor ihrem Fenster den Eindruck einer ausgedehnten Waldfläche: schattig, grün und angefüllt mit neuen Möglichkeiten und Abenteuern.-
Teil 1 Der Hund, einst bekannt als Prinz Kapitel 1

Das zehnte Königreich (The Tenth Kingdom) ist eine witzige Parodie auf sämtliche Märchen, angefangen bei Schneewittchen über Aschenputtel und Rotkäppchen bis hin zu Rapunzel.

Besonders gut ist das Autorenehepaar jedoch immer dann, wenn es sich über die westliche, insbesondere die amerikanische, Kultur lustig macht: Die Trolle beanspruchen in Kolumbus-Manier New York als das zehnte Königreich und rauben zuerst einmal die Einheimischen aus. Wolf versucht seine tierische Natur zu überwinden, indem er sich durch einen Stapel Lebenshilfe-Bücher liest und Virginia stützt sich als Verteidigerin in einem Prozess auf das juristische Wissen, das sie sich durch Anschauen der Perry-Mason-Serie erworben hat, was dem Angeklagten dann auch prompt die Todesstrafe einbringt.

Allerdings hätte es dem Buch gut getan, wenn die Geschichte etwas gestrafft worden wäre. Manche Szenen sind nur mäßig amüsant und werden auch nicht benötigt, um die Handlung voranzutreiben. Sie scheinen nur geschrieben worden zu sein, um Seiten anzuhäufen oder besser gesagt, um Sendezeit zu füllen. Denn Das zehnte Königreich ist das Buch zum Film, bzw. zur Fernsehserie und wurde, wie die Redaktion durch aufwendige Recherchen herausgefunden hat, offensichtlich erst nach der Serie verfasst.

Zentaurengelichter von Glen CookPrivatdetektiv Garrett soll die Erbin eines beträchtlichen Vermögens ausfindig machen. Das gefällt einigen Herrschaften gar nicht und so pflastern bald Leichen Garretts Weg.

-Bamm!Bamm!Bamm! Es klang, als klopfe jemand mit einem Vorschlaghammer gegen die Tür. Ich rollte zur Seite und schlug ein dickes Auge auf.-
1. Kapitel

Wer Philip Marlowe mag oder sein politisch unkorrekteres Pendant Mike Hammer, der wird auch an Detektiv Garrett Gefallen finden. Garrett ist der typische einsame Wolf, hartgesotten, cool, mit einer lakonisch-zynischen Sprache, der so herrliche Macho-Sprüche vom Stapel läßt wie: “Normalerweise schlag ich Frauen nicht den Schädel ein”, erklärte ich dem winzigen Wesen, als ich die Tür öffnete. “Aber in Ihrem Fall könnte ich mal eine Ausnahme machen.”
Vielleicht fragen Sie sich langsam, was das denn nun bitte mit Fantasy zu tun haben soll. Die Antwort ist einfach. Garrett ermittelt nicht in irgendeiner amerikanischen Großstadt, sondern in TunFaire, der Hauptstadt von Karenta. Diesmal verschlägt es ihn allerdings ins Cantard, das ist ein Kriegsgebiet mit einer Stadt namens Full Harbor. Offensichtlich handelt es sich um eine Anspielung auf Pearl Harbour, die aber nicht weiter ausgeführt wird. Unterstützt bei seiner Suche wird Garrett von Morpheus Ahrm, einem elfischen Killer, drei Grollen, die eine Mischung zwischen Mensch, Troll und dem “Sprechenden Tier” sind und ziemlich schnell die Geduld verlieren und natürlich von dem “Toten Mann”, der tatsächlich so tot ist, wie es nur geht, was ihn aber nicht daran hindert, mit Garrett zu kommunizieren. Seine Gegner sind Einhörner, Vampire und ein Zentaur.

Der Knackpunkt des Romans ist wie so oft die Sprache. Einerseits ist es spaßig, daß Cook genau den Ton seiner Vorbilder trifft, andererseits verhindert dieser lakonisch-zynische Ton, daß Spannung aufkommt. Cook erliegt offensichtlich wie viele andere Fantasy-Autoren dem Irrtum, daß das Hinmetzeln von möglichst vielen Ungeheuern per se spannend ist. Und so witzig ist das Buch nicht, daß die Komik die fehlende Spannung wettmachen würde. Auch die Wahl der Namen könnte bei sensiblen Gemütern zu Zahnschmerzen führen, wenn z.B. ein Riese Lou Latsch genannt wird.

Ziemlich viele Prinzessinnen von Diana Wynne JonesAbdullah, ein gewöhnlicher Teppichhändler und Waise mit Verwandten, die nicht wirklich viel von ihm halten, gibt sich oft und gerne seinen Tagträumen hin, wo er als Prinz eine wunderschöne Prinzessin trifft. Die Träume werden allzu real, als Abdullah einen Teppich erwirbt, der angeblich fliegen kann. Zunächst scheint der Kauf ein Reinfall zu sein, doch als Abdullah darauf einschläft, wacht er wenig später im Garten des Sultans auf und trifft dort dessen Tochter, Flower-in-the-Night, in die er sich prompt verliebt. Schlecht für ihn, dass gerade ein Djinn auf Streifzug ist und Scharen von Prinzessinen, inklusive Flower-in-the-Night, entführt. Zusammen mit seinem Teppich und einem eigenwilligen Flaschengeist macht sich Abdullah daran, seine Geliebte zu befreien.

Zu Ziemlich viele Prinzessinnen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.