Manuel ist ein einfacher Schweinehirt, als ein Fremder an ihn herantritt und dazu überredet Gisèle, die Tocher des Königs, aus den Klauen des bösen Magiers Miramon zu befreien. Dazu überlässt er Manuel sogar das magische Schwert Flamberge, aber irgendwie verläuft die Rettung dann doch nicht wie erwartet: Manuel verliebt sich in die Falsche. Auf dem Heimweg begegnet er Horvendile, aus dessen Ratschlag Manuel sein Lebensmotto ableiten wird: “Mundus vult decipi.” – Die Welt will betrogen sein. Sich dieses zu Herzen nehmend scheint seinem Aufstieg nichts mehr im Wege zu stehen. So wird aus ihm der größte und von Skrupeln unbeleckteste Glücksritter, schließlich sogar der Erlöser Poictesmes.
-Man erzählt sich in Poictesme, dass in den alten Zeiten, als Wunder so gewöhnlich waren wie Pasteten, ein junger Schweinehirt namens Manuel lebte, der still und bescheiden des Müllers Schweine hütete.-
I. Wie Manuel den Schweinen Lebewohl sagte
Die fiktive Grafschaft Poictesme liegt an der französischen Küste des Golf du Lion, umgeben von mehr oder weniger fiktiven feudalistischen Gesellschaften des Mittelalters, doch dieses dient hauptsächlich als Kulisse für die Legendenbildung.
Wie der Titel vermuten lässt, ist Manuel die zentrale Figur der Geschichte, doch er bleibt dem Leser fremd. Manuel ist selbstsüchtig und er versucht stets seine egoistischen Taten mit Idealen als gut oder zumindest gerechtfertigt hinzustellen. Am Ende muss der Leser sich fragen, wieviel von diesem mutigen, gewitzten und liebenswürdigen Abenteurer nur gespielt ist – ist er vielleicht einfach nur ein kaltherziger Opportunist – Mundus vult decipi – der der Welt zu zeigen vermag, was sie sehen will? Cabell schreibt die Legende nicht für Manuels Mitmenschen, sondern für den Leser.
Aufgrund der starken Episodenhaftigkeit der Legende wirken die anderen Figuren mehr wie ein bestimmtes menschliches Verhalten, als wie eine ganze Figur. Dennoch sind sie nicht bloß konsequent die Verkörperungen einer einzelnen Eigenschaft, sondern weichen ein wenig von ihrem klaren Kurs ab – sie haben doch mehr als eine Eigenschaft.
Die wichtigste Figur nach Manuel ist sicherlich seine Frau. Er formt ihren Körper nach seinen Vorstellungen aus Lehm und beseelt ihn mit dem Geist einer Toten. Doch ist es ihm gut gelungen? Die anderen Männer verwundern sich, warum er diesen kleinen Krüppel anderen Frauen vorzieht. Sie liebt ihn und er liebt sie, doch scheint ihre Liebe hauptsächlich aus Meinungsverschiedenheiten zu bestehen. Sie verändert ihn mehr, als er es anderen gestattet.
Durch Prinzessin Alianora erhält Manuel den Schlüssel zur weltlichen Macht, denn sie will einen großen König aus ihm machen. Von Königin Freydis erhält er die Fähigkeit, Lehmstatuen zu beleben, denn sie will einen großen Künstler aus ihm machen. Daneben treten noch weitere Figuren auf, die seine Leben beeinflussen: Math, seine Halbschwester; Suskinde, seine Jugendliebe; Horvendil, der Dichter; der Gott Sesphrada, den er selbst schuf und seine Tochter Melicent, die ein ungewöhnlich dummes Balg ist.
Auch wenn alle magischen Elemente der Sword & Sorcery auftreten – Miramon, der finstere Magier; das magische Schwert Flamberge; ein Drache und sogar Sesphrada der Gott – so sind diese doch alle schräg: Der Gott ist ein mieser, selbstgeschaffener Götze und den Drachen kann man nur als Leichnam bemerken. (Manuel: “Und wenn ich daran denke, dass für den Rest der Zeit diese Kreatur [seine Frau] meine Lebensgefährtin sein soll, dann gehe ich gewöhnlich hinaus und bringe jemanden um. Dann komme ich zurück, weil sie weiß, wie ich gern mein Toast habe.”, S. 195-196)
Wie der Titel richtig feststellt, behandelt die Geschichte die Legende von Manuel – im doppelten Sinne. Einerseits wird geschildert, wie aus dem einfachen Schweinehirten der Erlöser Poictesmes wird, wobei zumeist die großen Heldentaten nur sehr summarisch zusammengefasst werden (weil sie vermutlich nie stattgefunden haben), und andererseits wird in einigen Episoden gezeigt, wie Manuel aus Zufällen und egoistischen Taten eine Legende um sich herum strickt. Wie bei Legenden üblich trägt auch die Manuels biographische Züge.
Die Episoden der Legende Manuels behandeln parabelförmig die großen Fragen. Was sind die Bedürfnisse der Menschen? Was ist die Liebe? Wie unterscheidet die Gesellschaft zwischen guten Menschen und schlechten? Und im Kern die Frage: Was macht das menschliche Dasein aus und wieviel davon können andere erkennen? Manche Diskussionen sind außerordentlich gehaltvoll – im Kapitel XVII – Die Magie der Bildnismacher liefert der Autor die Kernfrage der Diskursanalyse: Bestimmt der Mensch den Diskurs oder der Diskurs den Menschen? Auch die Frage inwiefern der Beruf den Charakter formt wird neben anderen angeschnitten. In seiner ironischen Art ist dieses ein psychologischer Roman, der relevante Fragen der Gesellschaft aufgreift – Psychologische Fantasy.
Hinzukommt, dass die Geschichte einerseits durch einen gewissen trockenen Humor, viel Ironie und völlig ernstgenommenen Metaphern eine zuweilen bizarre Komik entwickelt.
Der Schreibstil unterstützt dieses, da er manchmal abrupt zwischen alltagsprachlichen Zusammenfassungen und pompöser, altmodischer Rhetorik springt. Aber so oder so – die Sprache bleibt immer elegant. Wie schon bei Jürgen ist vieles konsequent doppeldeutig, dem Leser stellt sich z.B. die Frage, ob der Storch tatsächlich die Kinder bringt, oder ob es nur eine Metapher ist.
Als erster Teil des Dom Manuel-Zyklus liefert die Geschichte die Grundlagen für die Folgenden, auch wenn diese durchaus für sich gelesen werden können. Wer etwas der anderen kennt, kann noch ein wenig mehr über der Part von Horvendil rätseln. Darüber hinaus ist Manuel aber das extreme Gegenteil von Jürgen; im Zyklus legt Cabell seine Ansichten über Lebensauffassungen dar, die Vertreter sind Dom Manuel (Chevalereske/Ernste), Jürgen (Galante/Ironische) und Horvendil (Poetische/Schaffende).