Bibliotheka Phantastika Posts

City of Ember ist ein dystopischer Science Fiction Film aus dem Jahr 2008, welcher hierzulande leider nicht den Weg in die Kinos fand, sondern gleich auf DVD/Blueray erschien. Dabei hat diese Verfilmung des gleichnamigen Romans von Jeanne DuPrau (dt. Lauf gegen die Dunkelheit) einiges zu bieten: eine wundervoll stimmige Farbgebung und wirkungsvolle Kulisse, eine klassische Abenteuerqueste, die jedem Jules Verne-Fan das Herz höher schlagen lässt, sehr gute Schauspieler und richtig viel Steampunk!

Die Stadt Ember wurde vor beinahe 250 Jahren weit unter der Erde erbaut, um die Menschheit zu retten – dazu wurden seinerzeit 200 Menschen in die unterirdische Stadt evakuiert. Warum genau kann man als Zuschauer nur erahnen, denn das Wissen um die Vergangenheit ist inzwischen längst verloren gegangen. Ebensowenig wissen die Menschen von Ember, wie man Elektrizität und Feuer richtig nutzen kann, oder wie sie ihre inzwischen marode gewordene Stadt und den immer öfter ausfallenden Generator, der ihre Stadt künstlich erhellt, reparieren können. Bei einem Ausfall wird die Stadt in vollkommene Dunkelheit getaucht und die Bewohner Embers fürchten, dass der Generator eines Tages ganz ausfallen wird.
In dieser Zeit machen die beiden Schüler Lina und Doon ihren Schulabschluss und bekommen per Los ihre zukünftigen Jobs zugewiesen. Da sie beide einen Beruf gezogen haben, der ihnen missfällt, dem jeweils anderen aber gefällt, tauschen sie kurzerhand und werden im Verlauf der Handlung zu Verbündeten.
Die verwaiste Lina, die ein Nachkomme des siebten Bürgermeisters von Ember ist, findet in dem Haus ihrer Großmutter eine alte Metallbox, die von ebenjenem Bürgermeister einst entwendet wurde, der damit auch die ursprünglichen Pläne für Ember verloren gehen ließ. In der Box findet Lina nun die schlecht erhaltenen Anweisungen der “Erbauer”, die 200 Jahre nach Embers Bezug hätten umgesetzt werden sollen. Zusammen mit Doon macht Lina sich daran, die Geheimnisse dieser Box zu lüften und die zerfallende Stadt zu verlassen. Selbstverständlich stellen sich ihnen hier einige Hürden in den Weg, wie etwa ein korrupter Bürgermeister, ein sich in den Tunneln herumtreibendes schneckenähnliches Monster, die Entdeckung alter Mechanik, reißende Flussströmungen und die spannende Enträtselung bruchstückhafter Hinweise, die vielleicht ins Nichts führen.

City of Ember überzeugt dabei durch eine wundervoll schmutzig-braune Farbwelt, die von wenigen leuchtenden Farben geprägt ist. Gaslichtatmosphäre wartet überall, eine eindeutig nostalgische Typographie, ebenso wie spannende Konstruktionen maroder Technik, Rost und Flickwerk. City of Ember: Flucht aus der DunkelheitSelbst die immer wieder neu und grob zusammengehaltene Kleidung der Menschen zeugt von den Jahren einer reinen Nutzgesellschaft, die nie gelernt hat selbst etwas herzustellen und von den Hinterlassenschaften der Erbauer lebt. Wer das Computerspiel Bioshock zufällig kennt, wird die Optik des Films am ehesten mit diesem Spiel vergleichen können.

Was den Film zusätzlich so sympathisch macht, ist, dass er sich nicht unbedingt an Kinder richtet, sondern durchaus sozialkritische Aspekte aufweist, ein logisch durchdachtes Konzept für eine unterirdisch existierende Stadt abliefert und mit überzeugenden Darstellern besetzt ist, die den Verfall und die Probleme Embers wunderbar präsentieren können.
Mein einziger Kritikpunkt an diesem Film, der mich bestens unterhalten hat und daher unbedingt empfohlen wird, war das etwas abrupte Ende. Da die Romanvorlage allerdings aktuell aus vier Bänden besteht, wollte man sich wohl auch bei der Filmadaption die Option eines Nachfolgers offen halten. Wer ein Herz für klassische Abenteuerqueste und Steampunk bzw. Gaslichtwelten hat, wird City of Ember mögen.

Über den Tellerrand

Bibliotheka Phantastika erinnert an Kenneth Morris, der heute vor 75 Jahren gestorben ist. Dass Autoren in Vergessenheit geraten, ist beileibe nicht ungewöhnlich, und wenn ihr Oeuvre relativ schmal und bereits vor langer Zeit entstanden ist und kaum jemals neu aufgelegt wurde, ist diese Entwicklung beinahe zwangsläufig. All diese Faktoren treffen auf den am 31. Juli 1879 in Pontamman, Carmarthenshire, Wales, geborenen Kenneth Vennor Morris zu, und vermutlich ist es nur Ursula K. Le Guins Aussage, er sei (neben J.R.R. Tolkien und Eric Rücker Eddison) einer der drei stilistisch überragenden Fantasy-Autoren des 20. Jahrhunderts, zu verdanken, dass Morris heutzutage nicht vollkommen vergessen ist.
Morris selbst, der mit 17 in die Theosophische Gesellschaft eintrat und Zeit seines Lebens ein überzeugter Theosoph war, scheint an schriftstellerischem Ruhm und finanziellem Erfolg nicht sonderlich interessiert gewesen zu sein, denn er veröffentlichte fast alle seine rund 40 Kurzgeschichten in mehr oder weniger obskuren theosophischen Magazinen. 1926 erschien zwar eine kleine Auswahl von ihnen unter dem Titel The Secret Mountain and Other Tales in Buchform, doch eine Gesamtausgabe aller Erzählungen sollte es erst 1995 mit The Dragon Path. Collected Tales of Kenneth Morris geben.
Book of the Three Dragons von Kenneth MorrisZwischen 1910 und 1914 schrieb Morris zwei Romane, die sich – im Gegensatz zu seinen Geschichten, die auf alle möglichen irdischen Mythologien zurückgriffen – eines einzigen mythologischen Hintergrunds bedienten, und zwar der Sammlung mittelalterlicher walisischer Erzählungen, die als “Das Mabinogion” bekannt sind. Der erste dieser Romane, The Fates of the Princes of Dyfed (1914, erste und bisher einzige Neuauflage 1978), ist denn auch kaum mehr als eine recht eng ans Orginal angelehnte Nacherzählung des ersten Zweigs des Mabinogion. Der zweite, Book of the Three Dragons erschien erst 1930, und in den 20er Jahren hatte Morris ihn noch einmal stark überarbeitet – mit großem Erfolg, denn im Book of the Three Dragons nimmt er sich nicht nur viel mehr Freiheiten im Umgang mit dem Ursprungsmaterial, sondern dieses (vom Verlag um ein Drittel gekürzte) Werk ist es auch, auf das sich Ursula K. Le Guins o.e. Aussage bezieht. Immerhin gibt es seit 2004 auch eine vollständige Neuauflage, so dass es für interessierte Leser und Leserinnen möglich ist, sich ein eigenes Urteil zu bilden.
Morris’ dritter Roman The Chalchiuhite Dragon, der im präkolumbischen Zentralmexiko spielt und sich toltekischer Mythen – unter anderem der Quetzalcoatl-Legende – bedient, ist erst 1992 posthum erschienen und das einzige längere Werk von Morris, das auch auf Deutsch – als Der Smaragddrache (1994) – vorliegt, und in dem man auch ein paar Hinweise auf Morris’ theosophische Überzeugungen entdecken kann.
Der genrehistorisch und stilistisch interessanteste Roman des am 21. April 1937 verstorbenen Kenneth Morris ist und bleibt jedoch Book of the Three Dragons, und wer Lust hat, wieder einmal Fantasy zu lesen, die sich nicht an den derzeit aktuellen Erzählkonventionen orientiert und sich nicht mehr oder weniger direkt auf Vorläufer und Vorbilder innerhalb des Genres bezieht, sondern auf alte Quellen zurückgreift und auch sprachlich diesen Verweis nicht leugnet, dem sei Book of the Three Dragons ausdrücklich ans Herz gelegt.

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Der magische Stein von David ZindellVor vielen Jahrtausenden, so sagen es die Legenden der Menschen, brachte Elahad, der König des Sternenvolks, den Lichtstein nach Ea, in die Welt der Menschen. Der Stein verleiht seinem Besitzer unermesslich große Macht, doch ging er vor Jahrhunderten verloren. Und nun sucht Morjin, der Herr der Lügen, den Stein, um mit seiner Hilfe die Welt zu unterwerfen. Doch auch Valashu, Prinz eines der letzten freien Königreiche Eas, macht sich, unterstützt von seinen treuen Gefährten, im Auftrag des Königs von Tria auf die Suche nach dem Lichtstein.

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Der magische Stein war auch schon in der alten bp zu finden und purzelt nun aus bald aktuellem Anlass als Nachzügler vom Umzugswagen, denn wir haben Hoffnung, dass die vorzeitig abgebrochene Queste von Valashu und seinen gewiss weit mehr als sieben Freunden doch noch ein gutes Ende finden wird …

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Wer kennt diese Situation nicht: Man hat seine aktuelle Lektüre beendet und schlendert zum SUB (oder besser den SUBs), um sich eine neue herauszusuchen, und plötzlich steht man vor der Qual der Wahl. Der Blick schweift über ältere Neuerwerbungen, die einen damals brennend interessiert haben, aber nun schon etwas Staub ansetzen, und über neuere, auf die man aber jetzt gerade doch nicht Lust hat. Tja, was also tun? Man schreibt einen Blog und hofft, dass einem dabei die Erleuchtung kommt oder dass einem die Internetcommunity hilft.

Hier also fünf Bücher, zwischen denen ich mich entscheiden muss:

Cover von Natural History von Justina Robson1. Justina Robson: Natural History
Ein SF-Roman, auf den ich durch einen Artikel in der zweiten Ausgabe der Pandora aufmerksam geworden bin. Neben dem wunderschönen Cover punktet der Roman mit seiner Thematik: Die Autorin nähert sich darin dem für mich immer wieder faszinierenden Verhältnis von Mensch und Maschine, (künstlichem?) Bewusstsein und Leben sowie den hybriden Verschmelzungen und Entwicklungen zwischen diesen behaupteten Antagonismen. Bereits das erste Kapitel verheißt sehr viel, wird hier doch der Song “American Pie” mit den Erinnerungen des Bewusstseins eines Raumschiffes, das gerade einen dramatischen Fehler gemacht hat, und den Beschreibungen seiner Lage zusammengeführt.

Cover von The Summer Isles von Ian R. MacLeod2. Ian R. MacLeod: The Summer Isles
Mich hatte bereits Aether mit seinem wunderschönen Stil, der feinen Melancholie und der ernsten Thematik begeistert, daher wollte ich unbedingt mehr von MacLeod lesen und habe mir seine mit dem World Fantasy Award ausgezeichnete Erzählung “The Summer Isles” in der zur Novelle ausgebauten Fassung besorgt. Die edle (limitierte und signierte) Ausgabe von Aio lässt dabei nicht nur das Fanboyherz, sondern auch das Buchliebhaberherz höher schlagen. Aber abgesehen davon hat mich der eigentliche Inhalt dazu bewogen, mir das Buch zu kaufen. Das alternative England, in dem Faschisten die Macht ergriffen haben und in dem sich der (homosexuelle) Protagonist durchschlagen muss, hat sofort mein Interesse geweckt.

Cover von The Books of he Wars von Mark Geston3. Mark Geston: Out of the Mouth of the Dragon
Nachdem mir der erste Roman aus der (sehr) lose miteinander verbundenen Trilogie rund um die vom Schicksal gebeutelte „Welt“ und ihre Bewohner recht gut gefallen hat, stünde hiermit die Quasi-Fortsetzung griffbereit im Sammelband The Books of the Wars zur Verfügung. Die schon im ersten Band interessante Erzählweise Gestons und der wilde Mix aus SF- und Fantasy-Elementen verspricht jedenfalls spannend zu werden und (so banal es klingt) das Format wäre ideal für Fahrten mit den Öffis.

Cover von Lilith's Brood von Octavia E. Butler4. Octavia E. Butler: Dawn
Butlers Debutroman Patternmaster (Als der Seelenmeister starb) hat in der BP-Redaktion zwar zu kontroversen Reaktionen geführt, für mich aber mehr Potential entfaltet als Schwachpunkte gezeigt. Trotzdem habe ich mit dem Sammelband Lilith’s Brood erstmal die Reihe zur gleichnamigen Trilogie (Dawn, Adulthood Rites, Imago) gewechselt – auch bekannt als Xenogenesis-Trilogie. Darin wird Protagonistin Lilith von einem Alienvolk von der fast völlig zerstörten Erde gerettet. Die Oankali genannten Aliens haben nicht nur drei Geschlechter, sondern auch die Fähigkeit sich telepathisch zu verbinden und Gene mit anderen intelligenten Spezies auszutauschen, weshalb sie als Genhändler fungieren. Natürlich „profitieren“ auch Lilith und im weiteren Verlauf der Reihe ihre Nachkommen von diesen Fähigkeiten der Außerirdischen.

Cover von The Habitation of the Blessed von Catherynne M. Valente5. Catherynne M. Valente: The Habitation of the Blessed
Ein neuer Anlauf mit einer Reihe (A Dirge for Prester John) von Frau Valente, die für mich immer wieder eine Herausforderung ist. Aber das Setting rund um den Mythos des Priesterkönigs Johannes, dessen Reich in Valentes Version auch noch von einer Unzahl mittelalterlicher Sagenwesen bevölkert wird, hat mich sehr fasziniert. Auch der Ansatz, die Geschichte des Romans in unterschiedlichen literarischen Formen des Königreichs zu erzählen, die von Kapitel zu Kapitel wechseln, hat mich unglaublich gereizt. Die Aufmachung des Buches ist mit deckled edges ebenfalls wunderschön anzuschauen.

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Timeless von Gail CarrigerZwei Jahre nach der Geburt des gemeinsamen Töchterchens Prudence leben Alexia und Conall Maccon weiterhin im Ex-Kleiderzimmer des exzentrischen Vampirs Akeldama, als eine Einladung der Vampirkönigin Alexandrias die gefürchtete Badenacht unterbricht und die Familie zu einer Reise nach Ägypten nötigt. Da bei den Maccons nichts ohne fliegende Fetzen von Statten geht, wird die Reise selbst zum Auftakt abenteuerlichen Chaos, bei dem die anwesende Theatergruppe der Familie Tunstell selbstverständlich nicht zu einer Verbesserung der Ordnung beiträgt.

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Für viele von uns sind Namen mehr als nur interessante Buchstabenfolgen – weit über simple Allegorien hinaus verorten sie uns LeserInnen in einer fremden Welt, sagen uns, welchen Klang sie hat, wie vertraut oder fremd sie ist, welchen Bezugsrahmen sie schafft, wie erfindungsreich oder gewöhnlich sie sich präsentiert.
LeserInnen phantastischer Literatur wünschen sich zurecht, dass bei der Übersetzung von Eigennamen sorgfältig und sensibel vorgegangen wird.

Viele wünschen sich allerdings auch, dass Eigennamen generell unübersetzt bleiben sollen.
Doch während wir in der „realistischen“ Literatur schon lange mehr keinen Herrn Schmidt aus einem Mr Smith machen, ist dieser Wunsch in der phantastischen Literatur zu kurz gesprungen. Wann immer es um eine eigenständige Sekundärschöpfung geht – also eine Welt, auf der kein Großbritannien, kein Deutschland, keine USA existieren – gibt es auf die Frage, ob (sprechende) Eigennamen einer Übersetzung bedürfen, nur eine Antwort: Ja!
Die Gründe hierfür lassen sich unter drei Punkten zusammenfassen:

1, Verständlichkeit
Nicht alle LeserInnen beherrschen die Originalsprache. Wer einwenden will, die heutigen DurchschnittsleserInnen seien mit ausreichend vielen Anglizismen und der englischen Sprache an sich vertraut, muss sich der Frage stellen, wer dabei auf der Strecke bleibt: Was Qhorin Halfhand auszeichnet, mag sich fast jedem erschließen. Aber was, wenn AutorInnen sich mit Etymologie und Onomastik ihrer Muttersprache beschäftigt haben – was bei der Weltschöpfung und der Auseinandersetzung mit Sprache durchaus zum Handwerk gehören kann –, wenn also die sprechenden Elemente der Wörter einzelne Morpheme sind, vielleicht sogar veraltete? Versteht auch jeder, der Herrn Halbhand zuordnen konnte, was es mit der achtbeinigen Shelob auf sich hat?[1] Dabei sind uns manche Namensbausteine mit Bedeutung nicht einmal in der eigenen Sprache ganz klar bewusst: die zahllosen Müllers stellen uns vor kein Problem, und wir wissen, was Neustadt bedeutet, bei Stuttgart oder Schubert wird der ein oder andere nachdenken oder -schlagen müssen. Anderes wissen wir intuitiv, können es i.d.R. aber nicht aktiv abrufen. Was bedeutet die Endung „schaft“? Und wissen wir um diese Dinge tatsächlich auch in einer Fremdsprache?
Spätestens, wenn die Fremdsprache nicht mehr Englisch heißt, offenbart sich das Ausmaß der Problematik: Was ist mit spanischen Namen? Russischen? Wer hätte sich beim Geralt-Zyklus des polnischen Autors Andrzej Sapkowski eine Sängerin namens Oczko gewünscht statt Äuglein? Oder hätte Geralt auch gleich der Wiedźmin Geralt z Rivii bleiben sollen?
Für LeserInnen, die der Originalsprache nicht oder nicht ausreichend mächtig sind, geht bei einer unterlassenen Übersetzung von Namen eine Bedeutungsebene ganz oder teilweise verloren, dafür wird eine nicht intendierte Ebene hinzugefügt, was uns zum nächsten Punkt bringt.

2, Wirkung
Unsere Muttersprache haben wir verinnerlicht, mitsamt ihrer Wortbildung und der groben Bedeutung einzelner Bausteine, so dass wir Erklärungen sofort, meist sogar passiv abrufen können – was bei guten sprechenden Namen (v.a. Ortsnamen) ein äußerst nützlicher Umstand ist: Sie fügen sich relativ natürlich in den Kontext ein, ihr Bedeutungsinhalt ist etwas, über das man im Zweifelsfall nicht zweimal nachdenken muss. Ein unübersetzter Eigenname bleibt dagegen ein Fremdkörper im Text, der zwar vielleicht verstanden wird, jedoch eine „Exotik“ ausstrahlt, die so nicht intendiert war. Denn etwas, das vorher mit dem Kontext verschmolzen ist, ragt nun in der Fremdsprache daraus hervor und wird anders wahrgenommen. Und das Herausragende sind dann genau jene Elemente, die vom Autor/der Autorin ursprünglich so angelegt wurden, dass sie ohne Hürde verstanden werden können.
Folgende Sätze illustrieren das Problem vielleicht:

Die Zeit Damelon Giantfriends neigte sich im Land ihrem Ende zu, noch bevor meinesgleichen den Bau von Coercri oder Grieve vollendeten, der Siedlung der Riesen bei Seareach.[2]

Als Herr Bilbo Baggins von Bag-End ankündigte, daß er demnächst zur Feier seines einundelfzigsten Geburtstages ein besonders prächtiges Fest geben wolle, war des Geredes und der Aufregung in Hobbiton kein Ende.[3]

Für einige LeserInnen ist vermutlich die Verfremdung, die unvertraute Assoziation, die das Englische mit sich bringt, durchaus reizvoll – sie finden Stormhaven, Hayholt oder Wormtail in einem deutschen Text klangvoller als Sturmhafen, Hochhorst oder Wurmschwanz. Zumal aufgrund der angloamerikanischen Provenienz eines Großteils der Fantasy und der langen Tradition, Eigennamen mitunter unübersetzt zu lassen, englische Begriffe womöglich auch mit „Fantasyflair“ assoziiert werden und schon immer eine Prise Exotik beigesteuert haben, die gern angenommen wurde.[4] Der Effekt ist dennoch gegenläufig zu dem, was AutorInnen mit sprechenden Namen bezwecken – etwas Vertrautes oder auch Ungewohnt-Nachvollziehbares mit dem Material zu schaffen, das ihnen und ihren LeserInnen zur Verfügung steht.
Besonders deutlich wird die verfremdete Wirkung nicht eingedeutschter Namen, wenn man auf den Klang achtet, obige Sätze z.B. laut liest, denn dann stehen mitten im Satz Wörter, die anderen Ausspracheregeln folgen. Dadurch kommt es zu einem Bruch im Lesefluss, der sogar noch weiter geht, wie im nächsten Punkt ausgeführt.

3, Immersion
Wenn eine Fantasywelt als Sekundärschöpfung vorliegt, wird die innertextuelle Fiktion häufig durch eine eigene Historie und deren Verschriftlichung und durch eigene Sprachen verstärkt. Nicht selten gibt es Referenzen auf Bücher, Chroniken, Annalen dieser Welten. Wenn diese Fiktion zu Ende gedacht wird, ist die Muttersprache des Autors oder der Autorin lediglich ein Substitut für die Sprache der Welt der Geschichte, und AutorInnen sind “ÜbersetzerInnen” aus dieser Sprache.
Den Archetypus für diese Idee hat Tolkien (bei dem auch die Sprachschöpfung vor der Weltschöpfung stand) mit seinem Roten Buch geschaffen, der fiktionalen Quelle seiner Mittelerde-Geschichten: Anhang F von Der Herr der Ringe erklärt:

Bei der Sprache, die in dieser Geschichte durch Englisch ausgedrückt wird, handelt es sich um das Westron oder die “Gemeinsprache” der westlichen Lande von Mittelerde im Dritten Zeitalter.

Tolkien treibt die Fiktion soweit, dass er Eigennamen, die auf Westron Bedeutung tragen, in ihre Entsprechungen im Englischen (oder verwandten Sprachen) “übersetzt” hat, und auch phonetische Anpassungen vornahm: So ist z.B. auch das Wort Westron selbst eine Übersetzung von Adûni, und die Hobbit(was natürlich auch eine Übersetzung ist)-Familie Boffin ist eine phonetische Angleichung von Bophîn ans Englische.[5]
Kompliziert und weit hergeholt? Es geht auch einfacher: Gibt es einen Grund, weshalb man auf Mittelerde, in Osten Ard oder in Bas-Lag Englisch sprechen sollte? Nein, denn all diese Welten sind so aufgebaut, dass sie eigene Sprachen und Kulturen besitzen und losgelöst von unserer Welt stehen. Auf Fantasywelten spricht man Hardisch, Khuzdul oder Galach.
Englische Einsprengsel führen dazu, dass die Illusion zerstört wird, sich in einer anderen Welt zu befinden, denn Englisch ist für viele LeserInnen konkret verortet, wohingegen Deutsch als unsere Default- und Denksprache in den Hintergrund tritt – es ist für Muttersprachler ein Neutrum (Bayrisch oder Platt verorten wir allerdings sehr wohl, weshalb Dialekte für Fantasy meist gänzlich ungeeignet sind). Das Eintauchen in eine Fantasywelt wird durch eine Verortung der Sprache in unserer Welt erschwert, und allein die Tatsache, dass man bei unübersetzten Namen plötzlich wieder Englisch und Deutsch vor der Nase hat, macht die Übersetzungarbeit und die Sprachunterschiede unserer Welt sichtbar.

Übersetzung: unerlässlich
Leider kann die Fantasy-Literatur auf eine lange Reihe schlampig oder nur teils übersetzter Namen zurückblicken. Auch heute wird das Thema unterschiedlich gehandhabt, und die sonstige Verwendung von Anglizismen sorgt dafür, dass englische Begriffe als jugendlich-spritzig gelten und daher z.T. gezielt im Text belassen werden.
Betrachtet man übrigens den umgekehrten Weg, die Übersetzung vom Deutschen ins Englische, werden sprechende Namen natürlich auch übertragen, so hat etwa Ralph Manheim, der neben Grass und Brecht auch Michael Ende übersetzte, nicht nur die “Desert of Colors” und die “Swamps of Sadness” in den Text von The Neverending Story eingebracht, sondern auch aus Phantásien Fantastica gemacht und sogar phonetische Anpassungen vorgenommen, etwa von Fuchur zu Falkor.
Solche phonetischen Anpassungen kommen auch vom Englischen ins Deutsche vor (z.B. Winnie-the-Pooh zu Pu der Bär) und sind zumindest in Fällen, in denen die Aussprache der Originalnamen nach deutschen Regeln völlig in die Irre führen würde, sinnvoll – aber mit Sicherheit strittiger als reine Namensübersetzungen.

Trotz der eindeutigen Gründe für eine Übersetzung von Eigennamen[6] ist nachvollziehbar, dass es Probleme mit der Eindeutschung gibt. Nicht nur, weil es häufig schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist, Namen eins zu eins zu übertragen, sondern vor allem, weil die Namen gerade in der Fantasy die Realität der benannten Figur, des Ortes oder der Sache konstituieren, ihre Identität maßgeblich mitbestimmen. Bei einem Gegenstand von solcher Bedeutung spielt die Gewohnheit zwangsläufig eine große Rolle, und ganz gleich, wo man dem Original-Namen zuerst begegnet ist – im englischen Roman, in einem Internetforum oder in einer alten Übersetzung –, ist es verständlich, wenn man eine Eindeutschung auf den ersten Blick ablehnt. Meine Bitte wäre daher: Riskiert auch einen zweiten Blick. Gerade die ÜbersetzerInnen, die sich um die Übersetzung von Namen bemühen, machen sich häufig Gedanken, gehen nicht unbegründet vor, sprechen sich mit dem Autor oder der Autorin ab.
Umgekehrt ist für eine Akzeptanz von übersetzten Eigennamen eine hohe Qualität dieser Übersetzungen und nicht zuletzt konsequentes Vorgehen nötig – dann können sprechende Namen die ihnen eigene Poesie entfalten und wir müssen nicht auf den Grauen Mausling, Simon Mondkalb, das Auenland oder Schwelgenstein verzichten.

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  • 1 Margaret Carroux hat es in ihrer Übersetzung von Der Herr der Ringe bei näherer Betrachtung ziemlich gelungen mit Kankra ausgedrückt – mehr darüber kann man hier nachlesen.
    2 aus: Lord Fouls Fluch (Stephen R. Donaldson); in der Übersetzung von Horst Pukallus heißt es tatsächlich: Die Zeit Damelon Riesenfreunds neigte sich im Lande ihrem Ende zu, noch bevor meinesgleichen den Bau von Coercri oder Herzeleid vollendeten, der Siedlung der Riesen an der Wasserkante. Der Effekt wird allerdings zunichte gemacht, wenn ein paar Seiten weiter Diamondraught getrunken wird.
    3 aus: Der Herr der Ringe: Die Gefährten (J.R.R. Tolkien); in der Übersetzung von Margaret Carroux heißt es tatsächlich: Als Herr Bilbo Beutlin von Beutelsend ankündigte, daß er demnächst zur Feier seines einundelfzigsten Geburtstages ein besonders prächtiges Fest geben wolle, war des Geredes und der Aufregung in Hobbingen kein Ende.
    4 Die Vehemenz, mit der Namensübersetzungen manchmal verteufelt werden, lässt den Schluss zu, dass muttersprachliche Eigennamen der Leserschaft vielleicht zu wenig phantastisch sind, zu gewöhnlich klingen.
    5 Näheres hier: http://tolkiengateway.net/wiki/Westron#Translation
    6 Bei Fantasy, die auf unserer Welt spielt oder bei der aus anderen Gründen die Sprache Englisch (oder andere Fremdsprachen) existieren, fällt das Argument der Immersion natürlich weg, und die anderen beiden sind abzuwägen gegen die Authentizität der sprachlichen Herkunft der Eigennamen.

Metaflöz

Steal Across the Sky von Nancy KressAliens tauchen auf, bauen eine Basis auf dem Mond und schalten eine Anzeige im Internet. Sie nennen sich „die Büßer“ und suchen Freiwillige, die sich ihnen als “Zeugen” zur Verfügung stellen. Sie behaupten, der Menschheit vor 10.000 Jahren etwas angetan zu haben, das sie nun offenbaren und für das sie damit Buße tun wollen.
Scheinbar wahllos werden über zwanzig Menschen ohne eindeutige Qualifikationen ausgewählt, um von den Büßern an die Schauplätze gebracht zu werden, wo sie das Verbrechen bezeugen können.

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Unser eab macht über die Feiertage Pause, so dass unser Blog ein paar Tage ruhen wird. Wer in der Zwischenzeit dringend neuen Lesestoff braucht, dem legen wir unsere frisch erweiterte Link-Liste ans Herz, in der wir Blogs und Webseiten zusammengetragen haben, die wir gerne besuchen.

Wir wünschen all unseren Lesern und Leserinnen frohe Ostern und verabschieden uns mit einem Zitat aus Richard Adams’ Watership Down, das dieses Jahr sein 40. Jubiläum feiert. Haltet beim Osterspaziergang Ausschau nach den Nachkommen des Kaninchenfürsten:

“El-ahrairah, your people cannot rule the world, for I will not have it so. All the world will be your enemy, Prince with a Thousand Enemies, and whenever they catch you, they will kill you. But first they must catch you, digger, listener, runner, prince with the swift warning. Be cunning and full of tricks and your people shall never be destroyed.”

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Bibliotheka Phantastika erinnert an C.L. Moore, die heute vor 25 Jahren gestorben ist. Schon mit ihrer ersten Veröffentlichung – der Erzählung “Shambleau” in der Novemberausgabe des Pulpmagazins Weird Tales im Jahre 1933 – erregte die am 24. Januar 1911 in Indianapolis, Indiana, geborene Catherine Lucille Moore einiges Aufsehen. Dabei bewegt sich die u.a. von H.P. Lovecraft gelobte Geschichte, in der der Herumtreiber und Abenteurer Northwest Smith auf dem Mars eine junge Frau vor einer aufgebrachten Menschenmenge rettet – nur, um alsbald festzustellen, dass die Menschen einen guten Grund hatten, aufgebracht zu sein –, inhaltlich durchaus im normalen Rahmen der damals beliebten planetary romances (bei denen es sich nicht um Romanzen handelt!), doch durch Moores emotionsgeladenen, fast schon poetischen Stil und die Atmosphäre, die sie dadurch schafft, hebt sich “Shambleau” deutlich von vielen Werken ihrer Zeitgenossen ab. Auf dieses erste Northwest-Smith-Abenteuer sollten noch zwölf weitere folgen, die fast alle zwischen 1934 und 1939 in Weird Tales veröffentlicht wurden.
Black God's Kiss von C.L. MooreMit “Black God’s Kiss” (im Oktober 1934 wiederum in Weird Tales erschienen) wechselte Moore – von der zu diesem Zeitpunkt niemand wusste, dass sich hinter den Initialen C.L. eine Frau verbarg – dann von den entsprechend der damaligen Vorstellungen geschilderten Welten des Sonnensystems in ein ans mittelalterliche Frankreich angelehntes Phantasiereich, denn in dieser Geschichte schlug die Geburtsstunde von Jirel of Joiry, der ersten Heldin der Sword & Sorcery. Diese und die fünf weiteren, zwischen 1934 und 1939 erschienenen Jirel-Stories sind im gleichen emotionsgeladenen Stil verfasst wie die Northwest-Smith-Geschichten, und sie präsentieren eine Heldin, die zwar ihre Weiblichkeit nicht verleugnet, aber auch hervorragend mit dem Breitschwert umgehen kann. Allerdings zeigt sich in diesen Geschichten auch, dass das Plotten nicht unbedingt zu C.L. Moores Stärken gehört hat, denn inhaltlich sind sich sowohl die Jirel- wie auch die Northwest-Smith-Abenteuer doch recht ähnlich.
Vielleicht ist das der Grund, warum Moore, nachdem sie 1940 ihren Autorenkollegen Henry Kuttner geheiratet hatte, kaum noch allein Geschichten verfasst hat, sondern – unter etlichen Pseudonymen – fast ausschließlich zusammen mit Kuttner. Zu den wenigen von ihr allein verfassten Werken aus dieser Zeit zählen die beeindruckenden SF-Erzählungen “There Shall Be Darkness” (1942) und “No Woman Born” (1944) sowie der Roman Judgment Night (Astounding, August-September 1943, Buchausgabe 1952 bzw. 1965; dt. Die Nacht des Gerichts (1985)). Nicht ganz uninteressant für Fantasyleser könnte noch der gemeinsam mit Kuttner geschriebene Roman Earth’s Last Citadel ( Argosy, April-Juli 1943, Buchausgabe 1964; dt. Der Brunnen der Unsterblichkeit (1966)) sein, in dem eine sehr ungewöhnlich zusammengestellte Gruppe von “Helden” sich plötzlich Milliarden Jahre in der Zukunft auf einer im wahrsten Sinne des Wortes fremd gewordenen Erde wiederfindet.
Nach Kuttners Tod im Jahre 1958 hat C.L. Moore praktisch nur noch für das Fernsehen gearbeitet, und nachdem sie 1963 ein zweites Mal geheiratet hat, hat sie ganz zu schreiben aufgehört. Eine – vermutlich die erste – Komplettausgabe der Northwest-Smith-Stories ist erst 2008 als Northwest of Earth erschienen, die einzige Komplettausgabe der Jirel-Stories als Black God’s Kiss 2007. Auf deutsch sind sämtliche Jirel-Geschichten in Jirel, die Amazone (2002) enthalten, etliche Geschichten mit Northwest Smith und Jirel findet man – zusammen mit weiteren Erzählungen – in Der Kuss des schwarzen Gottes (1982) bzw. Shambleau (1990; das ist The Best of C.L. Moore (1975)).
C.L. Moore hat in vielerlei Hinsicht eine Vorreiterrolle gespielt, und Autorinnen von Leigh Brackett (deren Mars-Erzählungen Moore ebensoviel verdanken wie Edgar Rice Burroughs), Marion Zimmer Bradley oder C.J. Cherryh haben mehrfach zum Ausdruck gebracht, wie sehr sie sie schätzen. 1981 wurde sie mit dem World Fantasy Award für ihr Lebenswerk ausgezeichnet und 1998 in die Science Fiction Hall of Fame aufgenommen. Letzteres posthum, denn am 04. April 1987 ist sie, die in ihren letzten Lebensjahren an Alzheimer gelitten hat, verstorben.

Reaktionen

Bibliotheka Phantastika gratuliert Dennis L. McKiernan, der heute 80 Jahre alt wird. Als der am 04.04.1932 in Moberly, Missouri, geborene Dennis Lester McKiernan im Alter von 45 Jahren einen schweren Motorradunfall hatte, der ihn monatelang ans Bett fesselte, begann er zu schreiben – “to stay sane”, wie er selbst sagt. Dabei versuchte er sich ausgerechnet an einer Fortsetzung von J.R.R. Tolkiens The Lord of the Rings. Er fand auch einen US-Verlag, der die The Dark Tide von Dennis L. McKiernanGeschichte veröffentlichen wollte und versuchte, eine entsprechende Genehmigung des Tolkien Estate einzuholen, die allerdings nicht erteilt wurde. Deshalb musste McKiernan das Werk umschreiben und vor allem ein neues Setting – die Welt Mithgar – entwickeln, und um das Ganze stimmig zu machen, hat er sich außerdem eine Vorgeschichte einfallen lassen, die – logischerweise – dem Lord of the Rings recht ähnlich ist. Das ist das Geheimnis hinter der Iron Tower Trilogy (The Dark Tide, Shadows of Doom, The Darkest Day, alle 1984), die tatsächlich in Bezug auf Handlungsschauplätze, Personen und Plot deutliche, kaum zu übersehende Parallelen zum LotR aufweist, und die trotzdem – oder deswegen? – bis heute McKiernans bekanntestes Werk geblieben ist. (Möglicherweise liegt das aber auch an den überaus sympathisch gezeichneten Hobbits – pardon, Warrows bzw. Wurrlingen.)
Sein eigentlicher Erstling erschien unter dem Reihentitel The Silver Call zwei Jahre später als Zweiteiler (Trek to Kraggen-Cor und The Brega Path), und auch hier war die Nähe zum großen Vorbild noch deutlich spürbar. Mit Dragondoom (1990) – einem Roman, der deutlich früher als die vorherigen spielt – ist er dann jedoch aus dem Schatten Tolkiens herausgetreten, und in diesem Roman wird auch zum ersten Mal deutlich, dass Mithgar eben nicht Mittelerde, sondern eine eigenständige Welt ist. Hierzu trägt auch bei, dass McKiernan die Historie seiner Welt in bisher sechs Epochen gegliedert hat und die Mithgar-Saga nicht chronologisch erzählt, sondern immer mal wieder vor und zurück springt.
So spielen The Eye of the Hunter (1992) und Silver Wolf, Black Falcon (2000) in der 5. Epoche (d.h. der gleichen wie The Silver Call), während Voyage of the Fox Rider (1993) und The Dragonstone (1996) in der 1. Epoche und damit am frühesten in der Geschichte Mithgars angesiedelt sind. Die 2. Epoche bildet den Handlungshintergrund für die Hel’s Crucible Duology (Into the Forge (1997) und Into the Fire (1998)), wohingegen City of Jade (2008), der bisher letzte Roman, genau wie die Kurzgeschichtensammlung Red Slippers: More Tales of Mithgar (2004) in der jüngsten, der 6. Epoche spielt.
McKiernan nutzt die Möglichkeiten, die ihm der Jahrtausende umspannende geschichtliche Hintergrund seiner Welt bietet, um einerseits spannende Geschichten zu erzählen, doch darüber hinaus setzt er sich auch mit Themen auseinander, die man in einem (trotz aller Eigenständigkeit immer noch tolkienesken) Fantasyzyklus vielleicht nicht unbedingt erwarten würde – da geht es dann um Intoleranz, Rassismus, Unsterblichkeit und die Beziehung der Menschen zu ihrer Umwelt ebenso wie um die Frage nach der Natur des Bösen. Vielleicht ist dies mit ein Grund, warum die Mithgar-Saga auch nach mittlerweile fast 30 Jahren immer noch ihre Leser findet.
In Deutschland ist McKiernans Publikationsgeschichte etwas holpriger verlaufen. Nachdem in den 80ern die Iron Tower Trilogy veröffentlicht wurde – unter dem Reihentitel Der eiserne Turm und den Einzeltiteln Schwarze Flut, Kalte Schatten und Sonnentod (alle 1987) – und Dragondoom als Drachenkampf (1992) den Weg nach Deutschland fand, wurde es hierzulande lange still um McKiernan. Doch der Erfolg von Peter Jacksons Version der Ring-Trilogie und der sich daran anschließende Boom der “Tolkien-Völker-Elfenzauber von Dennis L. McKiernanRomane” haben im neuen Jahrtausend dafür gesorgt, dass man sich in deutschen Lektoraten wieder an McKiernan und Mithgar erinnert hat. Und so sind seit 2004 inzwischen fast alle seine Romane auf Deutsch erschienen. Lustig – man könnte auch sagen bezeichnend – ist, dass dabei aus Drachenkampf Zwergenkrieger (2005) wurde, und aus den drei Bänden um den eisernen Turm Halblingsblut, Halblingszorn und Halblingsbund (alle 2009) – und das, wo wir es hier doch eindeutig mit Wurrlingen zu tun haben. Auch die weiteren deutschen Ausgaben exerzieren sowohl in der stark an die Peter-Jackson-Filme angelehnten Aufmachung als auch in den Buchtiteln “Völkerroman”-Ästhetik nach Strich und Faden durch, was man sich durchaus einmal auf der Zunge zergehen lassen kann: Auf Zwergenzorn und Zwergenmacht (2004/05, Übersetzung von The Silver Call) folgte das oben erwähnte Zwergenkrieger, dann Elfenzauber, Elfenkrieger, Elfenschiffe, Elfensturm (alle 2006; das sind die Romane der 1. Epoche). Weiter ging es mit den Hel’s-Crucible-Bänden als Magiermacht, Magierschwur, Magierkrieg, Magierlicht (alle 2007), um 2008 dann bei den Drachen zu landen (mit Drachenbann, Drachenmacht, Drachenbund, Drachenkrieg, das sind die Romane der 5. Epoche) und 2009 zu den Elfen zurückzukehren (Elfenjäger, das ist City of Jade), womit die Mitghar-Romane auf Deutsch komplettiert wären, und das trotz einer Verpackung, die auch schon zum Zeitpunkt der Veröffentlichung antiquiert gewirkt hat.

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