Category: Zettelkasten

Jasper Fforde beim Signieren unseres Verlosungsbuches.
Jasper Fforde signiert das zu gewinnende Exemplar von "Grau"!

…ist alle Theorie.
Um unseren theoretischen Betrachtungen von Büchern auch etwas bunte Praxis beizumischen, haben wir bei der Lesung von Jasper Fforde keine Kosten und Mühen gescheut und nicht nur unsere eigenen Bücher signieren lassen, sondern gleich eins mehr.
Dieses Exemplar wollen wir nun verlosen, dazu braucht ihr nur die folgende Frage zu beantworten:

In seinem Roman Grau beschreibt Jasper Fforde eine wohlgeordnete und streng hierarchisch aufgebaute Welt. Auf welcher Stufe in der Hierarchie ein Mensch steht, wird davon bestimmt, welche Farben er wahrnehmen kann.
Welche Farbe muss man sehen können, um auf die höchste Stufe der Gesellschaft zu kommen?

Eure Antwort, zusammen mit eurer Adresse, schickt bitte bis 20.11.2011 23:59Uhr an info[ät]bibliotheka-phantastika.de. Aus allen richtigen Einsendungen losen wir den Gewinner aus.
Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Das bp-Team wünscht allen Teilnehmern viel Glück!

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Fünf Bücher auf einen Streich werden wir in Zukunft immer wieder mal verbloggen und uns für kein Thema zu schade sein, nur von den fünf Büchern für die einsame Insel lassen wir die Finger, versprochen!  

1, Greg Keyes: The Blackgod
Teil der angesichts des schwindenden Regalplatzes nicht ganz vernünftigen Initiative “Lieblingsbücher im Hardcover”, und für einen nicht allzu fernen Re-read gedacht. Da die Reihe über ein alternatives Amerika ohne Kolonialismus mit dem zweiten Band auch schon komplett ist, ist es zu verschmerzen, und die beiden Romane sind immerhin das Beste, was ein von mir sehr geschätzter Autor bisher geschrieben hat.
Ein wunderschönes Buch mit einer im Taschenbuch fehlenden, farbigen Karte und Innenillustrationen ist The Blackgod allemal.

2, Jack Yeovil: Dark Future 1 – Dämonenjagd
und
3, Jack Yeovil: Dark Future 2 – Krokodilsjagd
Das Kontrastprogramm zum bibliophilen Luxus aus Nummer 1:Krokodilsjagd von Jack Yeovil Nachdem ich mit Jack Yeovil aka Kim Newman schon mit Warhammer-Romanen so gute Erfahrungen gemacht habe, muss ich ein weiteres Games-Workshop-Setting antesten, das Richtung Cyberpunk geht. Ein Gelegenheitskauf, denn die englischen Ausgaben wären definitiv hübscher gewesen. Bitte unbedingt einen Blick auf die Cover werfen, schöneren 80er-Action-Revival-Trash wird man wohl kaum finden.
Dämonenjagd von Jack YeovilUngeachtet der ästhetischen Anmaßung freue ich mich auf die Lektüre, denn die durchgeknallten Ideen des Entwurfs mit Elvis als Kopfgeldjäger und Leonard Nimoy als Astronaut versprechen eine tour de force durch die Popkultur. Und darauf, dass Yeovil/Newman interessante Geschichten schreibt, verlasse ich mich blind.

4, Kate Elliott: Cold Magic
Nicht ganz so unverzagt optimistisch bin ich bei Cold Magic. Ich mochte Kate Elliotts Sternenkrone, und das neue Setting hat einige Elemente, die mich im Vorfeld stark angesprochen haben: Mit Eiszeiten kann man mich immer ködern, und nach der Beschreibung der Autorin, “Afro-Celtic post-Roman Icepunk Regency novel with airships, Phoenician spies, and the intelligent descendants of troodons”* kommt man an dem Roman doch eigentlich gar nicht mehr vorbei, oder?
Aber ob mir die Regency-Elemente gut gefallen werden? Oder wird das Ganze doch nur eine hübsch verpackte Romanze? Das angetestete erste Kapitel mit der doch sehr mädchenhaften weiblichen Hauptfigur hat mich zunächst nicht zum sofortigen Weiterlesen animiert. Aber zumindest bis zum Auftauchen des ersten Dinosauriers muss auf jeden Fall noch durchgehalten werden.

5, Julian May: The Pliocene Companion
Es bleibt bei den alternativen Welt-Entwürfen: Da ich einen lockeren Re-read der Pliocene Exiles-Romane von Julian May durchführe, in denen eine Tür in die Erdgeschichte geöffnet wird, durch die etliche Menschen in ein von ihnen erhofftes Paradies im Pliozän fliehen, wollte ich mir auch den Pliocene Companion anschaffen. Das ist mehr oder weniger die gesammelte Recherche für die Roman-Reihe, mit Materialien zu den Figuren und vielem mehr. Solche Meta-Literatur finde ich eigentlich immer interessant und bin auch von den Ausführungen im Nachwort der Pliozän-Romane schon recht angetan – eine unausweichliche Anschaffung also, die leider nicht ganz leicht zu bekommen ist.

*Ist eigentlich noch jemand der Meinung, dass man es mit den *-punk-Subgenres auch ein bisschen übertreiben kann? Im aktuellen Locus wurde die Kurzgeschichtensammlung Love and Romanpunk rezensiert – mein bisheriges Highlight.

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Liebe Besucher der Bibliotheka Phantastika!

Seit heute Mittag gegen 15.00 ist das angeschlossene Forum gar nicht oder nur teilweise verfügbar.
Beim Webhoster 1&1 liegt wohl die Störung eines internen Systems vor – das zwischenzeitlich wieder ging – nun aber schon wieder nicht verfügbar ist.
Leider können wir auch wenig dazu sagen, da die Meldungen dazu sehr dünn sind.
Selbst der Twitter-Account des Webhosters ist eher schweigsam.
Wir hoffen, das der Dienst morgen wieder einwandfrei zu Verfügung steht.
Inzwischen bitten wir die Störung zu entschuldigen, deren Behebung leider nicht in unserer Macht steht.

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Wir freuen uns, heute den ersten Gastbeitrag in unserem Blog präsentieren zu können: Eine Lese-Empfehlung von Timpimpiri für einen von ihr übersetzten Roman. Timpimpiri ist ansonsten in unserem Forum anzutreffen.

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Es gab in der letzten Zeit nicht viele Bücher, die mich so richtig fasziniert haben, und am Anfang war ich auch bei Glenda Larkes Die Inseln des Ruhms etwas skeptisch. Die Grundidee, einen Archipel aus Inselreichen zum Schauplatz einer sich in ihrer ganzen Dimension erst allmählich entfaltenden Geschichte zu machen, hat mir zwar gefallen, aber im ersten Band (Die Wissende) war der Handlungsort auf eines dieser Reiche verengt, und zusammen mit der Anzahl der Akteure erinnerte das alles insgesamt sehr an ein Kammerspiel – wenn auch an ein durchaus interessantes und eines, das mit einer sehr ungewöhnlichen Hauptdarstellerin aufwarten konnte.

Im zweiten Band mit dem Titel Der Heiler weitet sich der Schauplatz, und jetzt zeigt die australische Autorin, die seit einiger Zeit in Malaysia lebt, dass sie das, was sie im ersten Band versprochen hat, auch tatsächlich hält. Denn nachdem Flamme und Glut von Gorthen-Nehrung nach Mekaté gelangt sind – sozusagen im Off zwischen Band 1 und Band 2 –, bringt sie die beiden Heldinnen mit Kelwyn Gilfeder zusammen, dem Neffen von Garwin Gilfeder, der schon in Band 1 seinen Auftritt hatte.
Das zufällige Zusammentreffen der drei bildet den fulminanten Auftakt des zweiten Bandes – mit einer Szene und einem Anfang, der seinesgleichen sucht: “Ich bin Glut und Flamme das erste Mal begegnet, als ich meine Frau umgebracht habe. Genauer gesagt, am Abend davor.” Das machte neugierig, und meine Neugier wurde nicht enttäuscht. Sowohl die Umstände der Ermordung wie auch die weitere Entwicklung der Geschichte zeugen von einem hohen Maß an Originalität und Intensität. Sicher, richtig groß im epischen Sinne ist auch dieser Band nicht – das wäre auch ein eigenartiger Bruch zum ersten gewesen –, aber er hat ungewöhnliche Ideen, wunderschöne neue Charaktere, einen hintergründigen, humorvollen Ton, und er wartet mit einem Showdown auf, der noch überraschender und frappierender ist als der Anfang. Keine Frage, die Autorin hat die Prämissen ihrer Geschichte wirklich durchdacht und folgt ihnen konsequent bis zum – teilweise bitteren, augenöffnenden – Ende; das gilt sowohl für die Haupthandlung (die abwechselnd von Kelwyn und Glut erzählt wird), wie auch für die Rahmenhandlung um Feldforscher Shor iso Fabold.

Glenda Larke, das ist für mich nach diesem zweiten Band klar, ist eine mutige Autorin, die zwar bemessen an Handlungssträngen, Verflechtungen etc.pp. eine eher kleine Geschichte geschrieben hat, die aber dafür umso mehr in die Tiefe geht und Aspekte des Menschseins und des Lebens so inszeniert, dass ich beim Übersetzen tatsächlich das ein oder andere Mal innehalten musste. Dass sie darüber hinaus vollkommen glaubwürdige und interessante Frauenfiguren erschaffen hat – sodass Die Inseln des Ruhms jeden Bechdel-Test mit Auszeichnung bestehen würden –, ohne eine vorwiegend “weibliche” Geschichte geschrieben zu haben, machte das Lesen und Übersetzen des Bandes zu einem wahren Genuss. Was, wie ich schon mal verraten möchte, auch beim dritten Band der Fall war.

zur Leseprobe bei Random House

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Bei meinem zweiten nostalgischen Ausflug hatte ich größere Sorgen als bei Das letzte Einhorn: Ein früheres Lieblingsbuch von einem Autor, der nach wie vor (seit mehr als 30 Jahren!) an seiner Shannara-Saga werkelt und ziemlich an Ruf eingebüßt hat. Mit seinem verstorbenen Kollegen Robert Jordan – zusammen ergeben sie so etwas wie das Dreamteam der generischen epischen Fantasy – kann Terry Brooks längst nicht mehr an Beliebtheit mithalten. Und ich war sicher, dass die Shannara-Bücher mir heute nicht mehr viel bieten würden. Unter dieser pessimistischen Prämisse hieß es also: Ran an den Schinken!

Die Elfensteine von Shannara (Terry Brooks, 1982)

Wann gelesen?
Zum ersten Mal vor ca. 20 Jahren. Und bald drauf nochmal – damals war die Zeit unendlich und das Geld knapp, da konnte man alles mehrmals lesen …

Besonderheiten?
Die Elfensteine von Shannara
(Original: The Elfstones of Shannara) ist der zweite Band der ursprünglichen Shannara-Trilogie. In der Übersetzung wurden Die Elfensteine von Shannara - Sammelbanddaraus drei Trilogien; es ist einer der kuriosen Fälle, in denen Bücher gedrittelt wurden (in Die Dämonen/Der Druide/Die Elfensteine … von Shannara). Allerdings gibt es auch schon seit 1986, drei Jahre nach der Veröffentlichung des ersten Einzelbandes, eine Sammelausgabe, die alle drei Bände vereint (und dafür von einem mittlerweile etwas speckigen Aufkleber mit dem Text „Sonderleistung“ geadelt wird). Neue Seitenzahlen waren bei der Sonderleistung allerdings nicht mehr drin, wir haben es mit dreimal etwas über 200 Seiten zu tun.
Es reichen nur wenige, zum Verständnis nicht nötige Fäden zurück in den Vorgänger Das Schwert von Shannara (den ultimativen Tolkien-Ripoff). Und in die Zukunft reicht gar nichts, man kann Die Elfensteine also bedenkenlos als Standalone lesen.

Was hat mir damals gefallen?
Spannung und Abenteuer:
Terry Brooks war vielleicht der erste Autor, der mir begegnet ist, der mit abwechselnd erzählten Handlungssträngen arbeitet. Man begleitet einerseits Wil Ohmsford, den unerfahrenen Hüter der Elfensteine, der das Mädchen Amberle, die letzte Hoffnung auf Rettung vor den einfallenden Dämonenhorden, auf ihrer Queste beschützt, andererseits verfolgt man den verheerenden Rückzugskrieg des Elfenkönigs und seiner Verbündeten. Die finsteren Verfolger, dramatischen Kämpfe und riesigen Schlachten waren eine wahre Freude.
Die Geschichte: Man mag es kaum glauben, aber Die Elfensteine haben eine sehr schöne Grundhandlung. Die Mär vom sterbenden Lebensbaum der Elfen, dessen Samenkorn zu neuem Leben erweckt werden muss, war das Richtige für eine kleine Baumfreundin. Und dann gab es da noch die Überraschung, die mich damals mit offenem Mund vor dem Buch sitzen hat lassen, wahrscheinlich mit dem ganzen Reaktionsspektrum von „Frechheit!“ bis hin zu einem zufriedenen Seufzen.
starke Einzelszenen: Neben besagter Überraschung gibt es noch einige sehr einprägsame Szenen, die mir auch heute noch eine Gänsehaut verursachen, wenn ich daran denke. Der Kampf auf der Brücke, die erste Begegnung mit dem Raffer (dem fiesesten aller Dämonen), der letzte Kampf des Elfenkönigs …
Figuren und Welt: Die Figuren haben mich beeindruckt, besonders angetan war ich von Terry Brooks’ Gandalf-Ersatz, dem Druiden Allanon. Überhaupt sind die Vier Länder ein sehr farbenprächtiges Spektakel, in dem Platz für alle möglichen Kuriositäten ist. Für mich hieß das damals, dass einem alles begegnen konnte: Gestaltwandelnde Dämonen, eiskalte Hexen, Elfen, die auf Rocs fliegen …

Die Elfensteine von Shannara - neuer Sammelband
Auch nach fast 20 Jahren noch eine Sonderleistung - Sammelband in neuer Aufmachung

Und heute?
Überraschung! Die Elfensteine von Shannara geben noch immer ein feines Abenteuer ab. Für gewisse Verwunderung sorgt der gemächliche Aufbau: die erste Action kommt nach 50 Seiten (und zwar off-screen), vorher wurden die Protagonisten vorgestellt und in die Situation eingeführt. Terry Brooks bedient sich in Plot und Figuren freilich Stereotypen (die damals für die Fantasy auch noch nicht so verfestigt waren), doch er weiß, wie man damit Effekte erzielt. Originell ist daran heute fast nichts mehr, aber die klug gesetzten Details machen wett, dass keinerlei Brüche und nicht viel Subtiles auftauchen. Mein spezieller Freund Allanon ist hauptsächlich dafür zuständig, blaues Feuer aus den Fingern zu schießen und hochgeheimnisvoll zu tun, macht aber trotzdem etwas her, denn die groben Striche, die Brooks verwendet, die immer gleichen Attribute, mit denen er beschreibt, sitzen und zeichnen schnell ein deutliches Bild.
Happig wird es, wenn es an die Figurenpsychologie geht und Brooks in diesem Bereich der ebenso weitverbreiteten wie häufig grundfalschen Forderung „Show, don’t tell“ folgt: Dann kommen mitunter seitenlange, sehr bemühte Blicke ins Innenleben, die das Prädikat „nicht hilfreich“ verdient haben.
Trotz des langsamen Aufbaus (der auch erstaunlich atmosphärische Landschaftsbeschreibungen bietet) ist die Geschichte nach wie vor äußerst dynamisch: Brooks hat für Die Elfensteine die richtigen Elemente richtig zusammengesetzt; die Bilder, die die Höhepunkte markieren, funktionieren.
Spannungsszenen sind auch heute noch äußerst mitreißend, in den hochgelobten Brooks’schen Schlachtszenen dagegen: massenhaftes Dämonenschnetzeln, wenn man einen erschlägt, kommen drei neue nach, Ausfall, Rückfall, Todesfall – Beifall dafür eher nicht …

Fazit: Alte Liebe rostet (fast) nicht
Erinnerung und neuerliche Leseerfahrung klaffen gar nicht so weit auseinander. Man ist abgeklärter, aber die Kenntnis der Klischees nimmt dem Roman nicht viel von seiner Wirkung – die natürlich auch damals schon rein vordergründig war. Die Shannara-Reihe hat definitiv einige Gurken zu bieten, Die Elfensteine gehören nicht dazu. Wenn man bei der sorgsam aufbauenden Erzählweise nicht ungeduldig wird, wartet ein klassisches Abenteuer, das man am Ende nach einer schönen, runden und letztendlich doch nicht ganz unoriginellen Geschichte zuklappt.

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Inspiriert von den Listen Patrick Rothfuss‘ und dem Buch Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat von Pierre Bayard möchte ich hier ein paar Überlegungen anstellen. Zuerst mal zur Ausgangssituation: Patrick Rothfuss hat in seinem Blog drei Listen veröffentlicht:

Liste 1: Bücher, die er gelesen hat und die er weiterempfiehlt.
Liste 2: Bücher, die aus Platzgründen aus Liste 1 rausgenommen wurden.
Liste 3: Bücher, die womöglich in Liste 1 wären, hätte er sie denn (komplett) gelesen.

Solche Checklisten sind ja immer ein herrlicher Anlass, um vor dem eigenen (gedanklichen oder realen) Buchregal auf und ab zu marschieren und abzuhaken, was man schon gelesen hat, und alles übrige auf eine to-read-Liste zu setzen – man werfe nur mal einen Blick in unser Forum. (Diese Listen enden dann zwar meist so wie die Neujahrsvorsätze, aber manche Bücher kauft man doch, wenn sie auf der x-ten to-read-Liste aufgetaucht sind.)

Auf Bayards Buch, das ich nur empfehlen kann, sei hier nur in Kürze eingegangen: Er spricht sich für eine Anerkennung des Nicht-Lesens aus. Lesen und Nicht-Lesen seien komplementäre Teile desselben Vorgangs, schließlich muss man für jedes Buch, das man liest, ein anderes auslassen.

Nun gleicht nichts, zumindest für ein ungeübtes Auge, dem Ausbleiben des Lesens mehr als das Nichtlesen,  und niemand scheint jemandem, der nicht liest, näher als jemand, der nicht liest. […] Im ersten Fall interessiert sich die nicht lesende Person nicht für das Buch, wobei hier »Buch« gleichzeitig als Inhalt und als Stellung [d.h. die Verortung des Buches in einem (literarischen) Kontext] zu verstehen ist. […] Im zweiten Fall verzichtet die nicht lesende Person nur deshalb auf die Lektüre, um wie Musils Bibliothekar das Wesentliche des Buches zu erfassen, nämlich seine Stellung in Bezug zu anderen. Damit bekundet sie nicht etwa mangelndes Interesse am Buch, ganz im Gegenteil. (Bayard, Pierre: Wie man über Bücher spricht, die man nicht gelesen hat. München 2009, 32)

Ein Buch nicht gelesen zu haben, hat also nichts mit einer Missachtung des Buches zu tun, sondern ist vielmehr Resultat einer Beschäftigung mit dem Buch, indem man sich sowohl über dessen Inhalt, als auch dessen Position etwa innerhalb eines Genres informiert.

Was hat das jetzt mit Pats Listen zu tun?
Diese finde ich unter zweierlei Aspekten interessant. Auf der einen Seite ist Liste 1 (Empfehlungen aufgrund des eigenen Urteils) eine recht kanonische Liste, die großteils Bücher umfasst, die ohnehin schon als Klassiker gelten (Herr der Ringe, Narnia, Erdsee-Trilogie, 1984) und deren erneute Empfehlung durch Rothfuss eigentlich nicht notwendig wäre. Damit wird – wieder einmal – festgeschrieben, dass man diese Bücher gelesen haben sollte, will man zum Genre Phantastik etwas Sinnvolles beitragen.

Auf der anderen Seite empfiehlt Pat – indirekt – mit Liste 3 auch Bücher, die er nicht (komplett) gelesen hat, denn die Listenform und die Verbindung mit Liste 1 (wo sie eventuell gelandet wären) legen eine Auswahl nahe, die auch Empfehlungscharakter hat. Auch hier finden sich wieder einige Klassiker und Anwärter auf diesen Titel (Conan, Malazan Books of the Fallen, Gormenghast, Watership Down), bei denen naheliegt, dass sie auf der Liste gelandet sind, weil sie als Klassiker gelten und weil Rothfuss um ihre Stellung weiß, ohne sie gelesen zu haben.

Um Bücher zu kennen, um ihre Bedeutung für das Genre einschätzen und schließlich um über sie sprechen zu können, muss man diese also nicht unbedingt gelesen haben. Pierre Bayard meint, dass der Blick auf das einzelne Buch den Blick auf die Gesamtheit, auf die Zusammenhänge verstellen kann. Bei der Menge an Büchern, die veröffentlicht wurden und veröffentlicht werden, ist es wichtig sich zurechtzufinden und Prioritäten setzen zu können. Das Festhalten und Abarbeiten einer kanonischen Liste kann insofern auch dazu führen, dass lohnende Neuerscheinungen weniger Beachtung finden.

Dem Nicht-Lesen so viel Raum auf einer Rezensionsseite zu bieten, erscheint wahrscheinlich etwas seltsam und in der Tat kommt ein Punkt bei Bayard etwas zu kurz: Um sich über Bücher zu informieren, braucht es Leute, die diese Bücher gelesen haben und Informationen darüber zusammentragen, Meinungen darüber äußern, denn erst im kommunikativen Austausch mit sich selbst und mit anderen (vgl. Bayard, Bücher, 68) über diese Bücher wird deren Bedeutung festgelegt. Rezensionen erfüllen also eine doppelte Funktion: Sie helfen beim Lesen und beim Nicht-Lesen von  Büchern.

Insofern erfüllen Pats Listen noch einen dritten Zweck, sie regen dazu an, zu reflektieren, was man alles nicht gelesen hat. Welche drei (nicht-kanonischen) Bücher stehen bei euch ganz oben auf der to-read-Liste?

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Trudi Canavan
Trudi Canavan in Leipzig. © Juliana Socher.

Während vor den Türen der Lehmanns Buchhandlung in Leipzig die Besucher des Wave-Gothic-Treffens in ihren Gewandungen perfekt auf die Lesung eines Romanes einer der erfolgreichsten Fantasyautorinnen einstimmen, werden im Inneren des Buchladens die Stühle gerückt und die letzten Vorbereitungen getroffen. Die Gäste sammeln sich bereits um das Lesepult, doch mich bringt der Fahrstuhl in den Bücherbackstagebereich und weiter in das Büro, wo Trudi Canavan die letzten Notizen in ihr Exemplar von The Traitor Spy 2: The Rogue schreibt und zeichnet. Nach einem kurzen Fototermin wird das Buch zugeschlagen und Trudi Canavan eilt die Treppe hinunter zum Podium, wo sie das letzte Mal im Rahmen ihrer Lesereise aus ihrem neuen Werk lesen wird. Begleitet wird sie von Margarete von Schwarzkopf als Moderatorin und dem deutschen Schauspieler Hans-Werner Meyer, der einige Szenen aus der deutschen Übersetzung Sonea – Die Heilerin vortragen wird.

Das ausführliche Interview mit Frau Canavan erlaubt es dem Zuhörer, der Autorin bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Ihre Schreibkarriere begann – nach einer kurzen Liebäugelei mit dem Beruf des Filmregisseurs, ausgelöst durch Star Wars – Das Imperium schlägt zurück – mit dem Verfassen von Kurzgeschichten. Nach einigen Veröffentlichungen entstand das Manuskript ihres ersten Romans – besonders aus dem Wunsch heraus, die erdachten Charaktere tatsächlich kennenlernen zu können, ohne dass schon nach wenigen Seiten ein Abschied von ihnen anstünde. Die Möglichkeiten, eine Figur eine komplexe Entwicklung durchleben zu lassen und realkulturelle Inspirationen in die Geschichtenerzählung einzuspinnen, reizten die Autorin dabei besonders. Ihr Wissen über die japanische Kultur beeinflusste insbesondere das Schreiben ihrer ersten Trilogie The Black Magician, während die Inspirationen für die Age of Five-Trilogie eher aus dem antiken Mythologienschatz stammen: die eskapadenfreudigen griechischen Götter mit zuweilen sehr menschlichen Zügen waren wie geschaffen als Vorbild für ihren zweiten Bücherzyklus.
Als Ort der Ideen und größten Kreativität wurde von einem Fragesteller aus dem Publikum sofort das berüchtigt-romantisierte Schriftstellercafé vermutet. Denn wo ließe es sich besser schreiben als in einem belebten Café, völlig in das eigene Werk versunken, während das Leben auf den Straßen und auf den Seiten pulsiert? Zerstört wurde diese Vorstellung von Canavans Klarstellung, dass sie nach einer Stunde des Sitzens derartige Rückenschmerzen plagen, dass das Aufsuchen eines Cafés völlig unsinnig sei. Auch das berühmte Ideal vom Drauflosschreiben wurde sogleich entkräftet: „I’m a planner!“.

Trudi Canavan
© Juliana Socher.

Die Quelle ihrer Inspiration war, neben zahlreichen Sachbüchern, auch ein Fernsehbericht über die Vertreibung der Bettler aus Barcelona, bevor 1992 dort die Olympiade ausgetragen wurde. Dieses Motiv begegnete ihr am gleichen Tag im Traum erneut – nur, dass es Magier waren, welche die Bettler aus der Stadt vertrieben. Die Idee für das erste Kapitel von The Magician’s Guild war geboren. Doch auch wenn diese Inspiration im Schlaf wie ein wahrgewordener Traum eines jeden Schriftstellers erscheint – Canavan warnt davor, aus Träumen Buchstabenkapital zu schlagen, denn: „Dreams make no good stories“. Außer, die Idee überlebt das kritische Nachdenken am Frühstückstisch, ergänzt sie grinsend.

Der Namensgebungproblematik begegnet Trudi Canavan mit Begeisterung: „I love this question because I love the answer!“ ruft sie und erklärt: auch wenn die Handlung immer wichtiger ist als die Bezeichnung – die Charaktere bekommen also oft erst im Nachhinein einen Namen –, sind ihr Namenskonventionen sehr wichtig. Oftmals benutzt sie reale Namen, um sie im Sinne dieser vorher festgelegten Konventionen zu verfremden; beispielsweise benutzt sie oft zweisilbige, konsonantenreiche Namen, um die männlichen Charaktere ihrer Romane zu taufen. Sollte ihr partout nichts einfallen, empfiehlt sie den Trick, der so alt sein mag wie die Tastatur selbst: man lege den Kopf unsanft auf die Tasten nieder und stelle das entstandene Wort so lange um, bis ein passender Name entsteht. Von einzufügenden Apostrophen jedoch sagte sie wohlweislich nichts.
Mit der Benennung und Formung einer Figur nach einem realen Vorbild hat Canavan nur schlechte Erfahrungen gemacht. Der ursprünglich gutmütig erdachte Charakter „Alarin“, der nach einer Freundin benannt wurde, ging plötzlich seine eigenen Wege: „he turned evil on me!“ Der neue, eher unliebsame Alarin war der Grund, weshalb sich Trudi Canavan nach einer Zeit eisigen Schweigens bei der Namenspatin entschuldigen musste.

Trudi Canavan
Margarete von Schwarzkopf, Trudi Canavan und Hans-Werner Meyer © Juliana Socher.

Auch beim Thema Magie leuchten Canavans Augen auf. Mit „magic is technology, and black magic is nuclear power“, macht sie deutlich, wie ambivalent der Gebrauch dieser inneren Energien in ihrem Romanen behandelt wird. In den richtigen Händen nützlich – nicht umsonst ist das Thema der Heilung ein durchgängiges, romanübergreifendes Motiv –, kann sich die Magie in den falschen Händen jedoch zu etwas Gefährlichem entwickeln. So auch die magischen Steine, die in The Traitor Spy Trilogy eingeführt werden. Sie sind nicht nur geheimnisvolle magische Artefakte, sondern haben vielmehr das Potential, sich – im 3. Band, wie die Autorin hinter vorgehaltener Hand verriet – zu einem Werkzeug teuflischer Macht zu entwickeln. Ein weiteres Werkzeug dieser Art sind Drogen; neben „choosing your loyalty“ ein weiteres zentrales Thema der neuen Trilogie. Als Inspiration für die ‘Fäule’ diente in diesem Fall der Missbrauch von Opium durch die Gestalten der historischen Londoner Unterwelt. Dass die Drogen im Roman als gefügig machendes Werkzeug eingesetzt werden, um den Kampf um Loyalitäten zu beeinflussen, zeigt die enge Verquickung der angelegten Themen.

Auf die durchaus auch kritischen Fragen der Zuhörer antwortet Trudi Canavan souverän. Gleich mehrere Besucher teilten die Missbilligung der ständig kichernden Magier, von denen in der ersten Trilogie zu lesen ist. Nach einer anfänglichen Konfusion konnte die Autorin durch eine Lach-und-Kicher-Vorführung deutlich machen, welche Art von Lachen das englische Originalverb „to chuckle“ tatsächlich meint: „no giggling!“. Das Publikum hatte also eine Fehlübersetzung enttarnt; ein Umstand, der auch erklärt, weshalb ab einem gewissen Punkt in den Romanen abrupt nicht mehr gekichert, sondern eher leise gelacht wird: auch der Übersetzerin schien irgendwann das Gekichere eines Magiers nicht mehr würdig zu sein.

Canavan verschenkt ihr Exemplar von "The Rogue" © Juliana Socher.

Die Lesung der ausgewählten Kapitel bestritten die sympathische Autorin und Hans-Werner Meyer mit Humor und einer lebendigen, abwechslungsreichen Lesart. Spannende und humorvolle Szenen wechselten sich gekonnt ab, sodass die Zeit bis zur der am Anfang angekündigten Überraschung (zu) schnell vorüberging. Nachdem der letzte Satz gelesen wurde, verschenkte Trudi Canavan – nunmehr am Ende ihrer Lesereise angelangt – unter tosendem Applaus ihr Sonea-Exemplar, welches sie auf ihrer ganzen Reise begleitet hat und gespickt ist mit Notizen, Anmerkungen und Zeichnungen der begabten Grafikerin. Eine Leserin aus Wuppertal, die den weitesten Weg zurückgelegt hatte, um der Autorin zu begegnen, konnte freudestrahlend diesen bibliophilen Schatz in die Arme schließen, und nicht wenige Besucher verfluchten ihren allzu kurzen Anreiseweg – mich eingeschlossen.

Trudi Canavan
Der Signiermarathon beginnt © Juliana Socher.

Der rundum gelungene Leseabend endete mit der Signierstunde der Autorin; und so mancher Fan wird in der langen Schlange einige Mühe damit gehabt haben, alle neun Romane und noch weitere fünf Exemplare für diverse Freunde hinauf zum Podium zu bugsieren und mit der verinnerlichten Geduld einer 9-fachen Romanautorin signierte Canavan vermutlich noch bis Mitternacht. Ich jedoch hatte schon längst meinen (viel zu kurzen) Heimweg angetreten.

Auf die Frage, welche Magien die mächtigsten seien, antworte Trudi Canavan übrigens mit „sex and humour!“. Kicher.

Reaktionen Zettelkasten

Mit Dragon Kiss und den Nachfolgebänden Dragon Dream, Dragon Touch und Dragon Fire hat die Autorin G.A. Aiken (“… verbringt die meiste Zeit mit Schreiben und dem Versuch, ihren Hund daran zu hindern, sich von der Leine loszureißen.”), nicht nur die Qualitäten des Drachenliebhabers für uns erschlossen, sondern auch aufgezeigt, welche literarischen Dimensionen sich durch den phantastischen Einschlag in einer nur scheinbar simplen Liebesgeschichte eröffnen. Aus der Inhaltsangabe:

Eigentlich ist die Kriegerin Annwyl zäh und widerspenstig. Bis sie dem Drachen Fearghus über den Weg läuft und zu Wachs in seinen Klauen wird. Denn er ist groß, gut aussehend – und absolut tödlich. Und er hat bisher noch nie Widerworte bekommen …

Wir freuen uns, eine renommierte Expertenrunde begrüßen zu dürfen, die Aikens Werk für uns unter die Lupe nimmt: Mag.erl, Dr. gastropodicus Fremdling, MU (Master of the Universe), MWA (Master of Wobbling Antennae), Frau Dr. phil. brüll. Colophonius Stilblüt-Schnatterheimer, Dr. botanicus Bohn, Magistra des losen Mundwerks, Dr. Ulfilas Sans-Merci und als Gastgeberin Dr. rer. sterc. Scarabäus, Hohebibliothekarin des literarischen Misthaufens.

Dr. rer. sterc. Scarabäus: Der Drache als Objekt der Begierde ist ein Gesichtspunkt, der bei der bisherigen Abhandlung der Konstellation Drache-Jungfrau stets vernachlässigt worden ist. Inspiriert von allerhand glitzernden, haarig-mondsüchtigen und sonstigen paranormalen Liebhabern wird der subtilen Symbolik des Drachen nun dieser innovative Ansatz abgewonnen und eine Leerstelle behoben, die uns allen schon immer sauer aufstieß, oder nicht?

Mag.erl, Dr. gastr. Fremdling, MU, MWA: Es geht einem ja oft so, dass einem manche Dinge erst fehlen, nachdem man sie einmal gehabt hat. Nachdem ich also nun in den Genuss dieser Perspektive gekommen bin, kann ich sagen: Dieses Buch hat mir Momente verschafft, die ich wohl nie wieder vergessen (können) werde.

Dragon Kiss von G.A. AikenDr. rer. sterc. Scarabäus: Widmen wir uns zunächst dem geschickt gewählten Beginn in medias res (s. Leseprobe). Gleich mit einer Situation auf Messers Schneide einzusteigen, alle Achtung. Der sich entrollende Schwanz schon im zweiten Absatz kündigt Großes an – und dann: zerreißende Organe, strömendes Blut, lächelnde Soldaten. Spannung und Action pur, mit diesem gewissen poetischen Etwas. Lesen Sie selbst: Der Stahl sirrte durch die Luft, hieb durch den Mann hindurch und trennte ihm den Kopf vom Hals. (S. 11). Ist das nicht der Inbegriff einer gelungenen Kampfszene?

Frau Dr. phil. brüll. Colophonius Stilblüt-Schnatterheimer: Ich finde es äußerst bemerkenswert, wie das geschildert wird. Dieses kurze Innehalten, Augenschließen, kurz bevor man (eh nicht) getötet wird, kennt das nicht jeder von uns? Und dann dieser ungemein findige Trick, zuzuschlagen, wenn der Gegner seine Deckung preisgibt. Dass es dazu noch Tipps von Papa braucht, ist irgendwie bedauerlich …

Dr. bot. Bohn: Es ist aber nicht die kriegerische Finesse unserer Heldin, die den Kampf entscheidet, sondern das unerwartete Eingreifen von Fearghus, dem gelangweilten Drachen von nebenan. Was sagen Sie zur Charakterisierung dieses Drachen?

Dr. rer. sterc. Scarabäus: Die eloquente Vorstellung des Drachen mit den Worten “Aye. […] Mein Name ist Fearghus.” (S. 16) lässt auf einen gemeinen Highlander-Drachen schließen. Schuppen sind der neue Kilt.

Frau Dr. phil. brüll. Colophonius Stilblüt-Schnatterheimer: Wenn es ein schottischer Highlander-Drache ist, was trägt er dann unter den Schuppen?!

Dr. bot. Bohn: Wie die ausgesprochen subtilen Andeutungen in Sachen drachischer Schwanzlänge nahelegen, kann er unter den Schuppen eigentlich nur eines verbergen: Seine herausragenden inneren Werte!

Mag.erl, Dr. gastr. Fremdling, MU, MWA: Darf ich die Aufmerksamkeit in diesem Zusammenhang auf dieses Satzfragment lenken: “Wie seine Stimme, wenn er sprach.” (S. 18) Wie hört sich seine Stimme an, wenn er nicht spricht? Hören sich unser aller Stimmen vielleicht besser an, wenn wir nicht sprechen? Können wir das von diesem Drachen lernen?

Dr. rer. sterc. Scarabäus: Was die Betonung innerer Werte angeht, sollten wir definitiv von den Drachen lernen, denn sie kennen nicht nur die Wirkung der inneren Stimme: In Dragon Touch

“Dagmar ist eine kleine Frau mit praktischer Kleidung und stahlgrauen Augen hinter einer strengen Brille. Ein Eisklotz in Menschengestalt, der sich ob der Reize von Gwenvael dem Schönen völlig unbeeindruckt zeigt. Doch Gwenvael setzt ihrer Zurückhaltung sein ganz eigenes Feuer entgegen.” – aus der Inhaltsangabe

kommt es ganz offensichtlich auf innere Werte an, die mit “praktischer Kleidung” (kein Cape!) und “strenger Brille” geschickt in Szene gesetzt werden. Was ist vom weiblichen Klotz als Gegenpart des geschmeidigen Schöndrachen zu halten?

Dragon Actually von G. A. AikenFrau Dr. phil. brüll. Colophonius Stilblüt-Schnatterheimer: Zu diesem Thema empfehle ich mein Buch Klotz im Wandel der Zeiten. Neben Dagmar sind auch weitere Klötze berühmt geworden, unter ihnen besonders Räuber Hotzenklotz sowie Klotz der Quadratische, der Vorbild für die Legosteine wurde. Doch die Kälte der Eisklötzin Dagmar sucht ihresgleichen. Nicht einmal der Eisklotz, der die Titanic zum Sinken brachte, war kälter als sie.
Aber ich schweife ab …

Dr. Ulfilas Sans-Merci: Apropos “Klotz”: Klotzt die Autorin in ihren Romanen nicht mit pseudo-emanzipierten Frauenfiguren, die all ihre Unabhängigkeit und Stärke verlieren, sobald heißer Drachenatem über sie hinwegfegt?

Mag.erl, Dr. gastr. Fremdling, MU, MWA: Ich habe mich gefragt, ob wir es hier nicht mit einer der subversivsten Dekonstruktionen von Geschlechterrollen zu tun haben! Die toughe Kriegerin, die unbewusst nur auf den geeigneten Mann zum Sich-Hingeben wartet, greift viel zu kurz. Betrachten wir unsere Protagonisten einmal genauer:
Wir haben einen männlichen Drachen, der jedoch in seiner häuslichen Rolle keineswegs einen Übermann darstellt, sondern vielmehr eine subtile Anspielung auf das Klischee des “Hausdrachen”, also der ebenso eifer- wie keifsüchtigen Ehefrau. Ersteres drückt sich im Verjagen der männlichen Krieger aus, letzteres durch seine Fähigkeit des Feuerspuckens. Fearghus ist außerdem eine nur von Eingeweihten zu entschlüsselnde Anspielung auf Xanthippe, dem Archetyp des “Hausdrachen”.
Annwyl wiederum ist, obwohl eigentlich eine Frau, so überaus männlich konnotiert, dass sie sofort die stereotype Rolle im Höhlenhaushalt einnimmt – herumliegen und sich bedienen lassen. Zuvor hat sie im Kampf ihre männlichen Qualitäten unter Beweis gestellt, indem sie angesichts “zerrissener Organe” nicht herumgejammert hat – vgl. den sprichwörtlichen Indianer. Unter ihrem maskulinen Blick verwandelt sich der Hausdrache in ein übersexualisiertes Lustobjekt, dessen Objektstatus besonders durch die Betonung bestimmter Attribute – Hörner, überlanger Schwanz – deutlich wird.
Um es nochmal kurz zusammenzufassen: Der männliche Drache ist eigentlich eine Frau, weshalb sich die weibliche Annwyl, die eigentlich ein Mann ist und damit nach modernen Klischeevorstellungen ständig bereit zu blitzdrachenmäßigen Entladungen, auch so an ihm erregen kann – sie ist damit eigentlich keine “läufige Hündin” (lt. Amazon S. 243), sondern eher ein räudiger Köter – und der subversive Bruch besteht nun darin, dass er (also sie) ihr (also ihm) “sein Zeichen ins Fleisch zu brennen” (lt. Amazon S. 245) vermag, weil das mit den konstruierten Geschlechterstereotypenkonstellationen bricht! Alles klar?

Dr. Ulfilas Sans-Merci: Nein! Denn diese auf die Paarbeziehung verengte Sichtweise lässt den historischen Kontext völlig außer Acht. Angesichts der Tatsache, dass der als Bruder der Heldin erwähnte Lorcan anscheinend schon 1225 heiliggesprochen wurde, sehe ich das Ganze mittlerweile eher als ins Gewand einer Liebesgeschichte gehüllte Metapher auf das Ringen von christlicher und paganer Ethik im mittelalterlichen Irland. Fearghus ist ein Repräsentant der alten heidnischen Ethik, in der der “heroische” Einzelkampf zweier Anführer genügt, um einen Krieg zu beenden.
Dementsprechend haben für ihn auch Beinamen wie “der Zerstörer”, “der Schlächter” oder “die Blutrünstige” eher einen ehrenden Charakter, während Annwyl, unterbewusst beeinflusst durch ihren eindeutig christlichen Bruder, schon eine Umwertung vorgenommen hat und deshalb auch das Ritual des Bades im Blut des erschlagenen Gegners (in Sagen gut belegt, siehe etwa Siegfrieds Bad in Drachenblut) ablehnen muss. Beeinflusst von missionarischer Propaganda verdächtigt sie ihren heidnisch-andersweltlichen Gastgeber, seine Gäste verzehren zu wollen, und ist sich der geheiligten Bedeutung der Gastfreundschaft für tribale Kulturen nicht bewusst – einer Gastfreundschaft, die freilich immer eine Beziehung ist, die auf Gegenleistungen beruht, wie Fearghus durch die Andeutung, dass er einen Gefallen einfordern wird, subtil deutlich macht.
In Bezug auf den anscheinend irisch konnotierten Handlungsort kommt darüber hinaus dem mehrfachen Verweis auf abgeschlagene Köpfe eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu (Thema keltischer Kopfkult): Ein Rückgriff auf alte Traditionen, mithin ein Abschlagen des Kopfes des besiegten Gegners, könnte, wie Fearghus klar erkennt, der pagan-keltischen Lebensweise noch einmal zum Durchbruch verhelfen. Die Tatsache, dass auch Annwyl trotz ihrer Bedenken gegen heroisch-lobende Beinamen instinktiv im Kampf zum altbewährten Mittel der Enthauptung greift, deutet darauf hin, dass sie zwischen den Kulturen hin- und hergerissen ist (wie auch ihre Unsicherheit, was mit ihrer Seele nach dem Tode geschehen wird – ganz offensichtlich ist sie mit mehreren Jenseitsvorstellungen vertraut).
Die den gesamten Text durchziehende Sinnlichkeit ist angesichts all dessen nicht Selbstzweck, sondern vielmehr Ausdruck heidnisch-dionysischer Lebenswirklichkeit, während Bischof Lorcans Versuch, seine Schwester durch männliche Krieger töten zu lassen, als Symbol der asketisch-christlichen Ausmerzung insbesondere weiblicher Körperlichkeit zu werten ist (siehe auch die Vorstellung der Militia Christiana).

Dr. rer. sterc. Scarabäus: Wir danken für Ihre erhellenden Analysen, meine Damen und Herren! Lesen Sie demnächst, wie sich unser literarisches Quintett der  Interpretation des “Nacktkriegers” annimmt.

Zettelkasten

Je mehr Publikationen in unterschiedlichen Medien ein bestimmtes Franchise erhält, desto heftiger ist zumeist die Auseinandersetzung der Fans, welche davon nun dem offiziellen Kanon entsprechen und welche nicht.
Würde man zehn Star Trek oder Star Wars Fans zu dem Thema befragen, dürfte man wahrscheinlich elf unterschiedliche Ansichten dazu erhalten. Für die einen sind es nur die Filme (TV- und/oder Kino), für andere nur bestimmte Romane, für den nächsten auch bestimmte Comics, Teile des Rollenspiels und so weiter und so fort.

Der Lizenznehmer sollte sich dabei natürlich eng an den Kanon halten und seine Geschichten und Settings eng abstimmen. Genau aus diesem Grunde gibt es ja dieses Modell überhaupt. Der Lizenzgeber gestattet den Transport des Franchise/des Universums in ein bestimmtes Medium, die umsetzende Partei stellt aber dabei nicht plötzlich die Geschichte/die Welt/das Universum auf den Kopf, sondern beide Seiten achten auf eine gewisse Stringenz der Erzählungen.

Betrachten wir mal ein Monster-Werk wie Perry Rhodan in dieser Hinsicht.
Grundsätzlich kann man hier sagen, dass zumindest die 2500+ PR-Hefte sowie die ca. 900 Atlan-Hefte als kanonisch anzusehen sind. Gerade in früheren Taschenbüchern haben sich die Autoren oft bei Themen ausgetobt, bei denen man vermutete, dass diese nicht nochmals in der Heft-Serie aufgegriffen werden. Dass dem leider oft nicht so ist und war, wurde schon recht schnell sichtbar, weshalb über die Jahre viele der sog. Planeten-Romane nicht mehr kanonisch sind.
Selbst innerhalb der Heft-Serie, die nun seit beinahe 50 Jahren wöchentlich erscheint, gibt es viele Widersprüche in der fortlaufenden Handlung, die zum Teil mit dem Eingreifen von Superintelligenzen, Erlebnissen in Parallel-Universen, Veränderungen im Raum-Zeit-Kontinuum und ähnlichem erklärt werden mussten. Nicht immer schön, aber verständlich, und es wird ohne Murren von den Lesern hingenommen. Je größer ein Universum wird, desto wahrscheinlich ist es, dass man irgendwelche Korrekturen vornehmen muss.

Zurück zum aktuellen Anlass dieses Beitrages, welches ein Posting im neu eingerichteten “Redaktions-Stübchen” auf den Ulisses-Foren ist, wo folgende Frage aufkam:

Zählen Hintergrundinformationen, die nur in Romanen zu finden sind, zum offiziellen Aventurien? Oder erst dann, wenn sie in einer Spielhilfe oder einem offiziellen Abenteuer verwendet werden?

Reichlich erstaunt war ich über die erste Antwort von Alex Spohr (Einer der beiden neu einberufenen Redakteure) darauf:

Romane sind generell nicht Teil des Rollenspiel-Kanons.
Das ändert sich aber dann, wenn DSA-Rollenspielmaterial auf Inhalt von Romanen oder direkt auf Romane sich bezieht.

Noch erstaunter war ich allerdings über die Aussage des Autors Michael Masberg hierzu:

In der Tat ist das keine neue Infos. DSA-Romane waren immer schon nur bedingt kanonisch, spätestens ab dem Zeitpunkt, als die Spiel-Redaktion mit dem Wechsel der Spiel-Lizenz vor ein paar Jahren keinen Einfluss mehr auf den Inhalt der Romane hatte. Zwar gab es eine Zusammenarbeit bis zu einem gewissen Grad, aber die Verantwortlichkeit der inhaltlichen Stimmigkeit lag meist in der Eigenverantwortung der Schreiberlinge oder interessierter Redakteure. […] Ein gesamteinheitliches Aventurien hat es in dem Sinne nicht mehr gegeben, seit die Lizenz massiv aufgesplittet ist. Jeder Lizenznehmer hat die Deutungshoheit, sein Parallelaventurien aufzumachen. […]

Im selben Thread schreibt Alex Spohr (aka Disaster) nochmals:

Michael liegt da richtig. In vielen Fällen fand eine Anstimmung statt, in vielen Fällen sind die DSA-Romane auch im Kanon drin (es gibt ja nicht gerade wenig Bezüge).
Dennoch gilt die Regeln (und nicht erst seit Ulisses DSA verlegt): Die Romane sind erst einmal nicht kanonisch.

Nachdem ich darüber leicht kopfschüttelnd ins Bett gegangen bin, wurde am nächsten Tag aber auch ziemlich zurück gerudert:

Da die Frage aufgeworfen wurde, was zum Kanon von DSA zählt und was nicht, hier eine kurze Erklärung bzw eine Richtigstellung:
Generell zählt alles zum Kanon, was unter den DSA-Lizenzen publiziert wird. Beispielsweise Computerspiele und Romane.
Es kann jedoch durchaus passieren, dass die Geschehnisse nicht weiter (oder erst sehr viel später) thematisiert werden.

Nun wird sich der geneigte Leser fragen, wie kann so etwas passieren?
Hier sollte man wahrscheinlich zwei Dinge genauer betrachten. Zum ersten hat Alex in seinem ersten Post schon gewisse Dinge (möglicherweise unbewusst) auf den Punkt gebracht:

Romane sind generell nicht Teil des Rollenspiel-Kanons.

Sobald ich ein Universum in ein anderes Medium transportiere, wird es sehr wahrscheinlich nötig sein, an den Regeln dieses Universum gewisse Veränderungen vorzunehmen. Was in einem (Pen & Paper) Rollenspiel gut funktioniert, mag am Computer todlangweilig sein. Gute Action am Computer wird in einem Roman evtl. schnell zu einer Einschlafhilfe. Wenn ich jedoch an den Regeln etwas ändere, verändere ich auch implizit das zugrunde liegende Universum. Dies wird wohl niemals ausbleiben. Unterschiedliche Publikationsformen ergeben unterschiedliche Sichten auf ein und dieselbe Geschichte, deshalb mag die Geschichte auf einmal in einem ganz anderen Licht erscheinen. Hierin sehe ich allerdings erst mal keinen Widerspruch.

Zum zweiten war möglicherweise die Frage im Ulisses-Forum schon deplatziert.
Die Frage, was zum Kanon von Aventurien gehört, kann meines Erachtens Ulisses als Lizenznehmer überhaupt nicht beantworten. Jedenfalls nicht für Produkte jenseits des Pen&Paper-Rollenspiels. Solche Entscheidungen unterliegen meines Erachtens einzig der Significant Fantasy GbR als Lizenzgeber.

Ich persönlich habe überhaupt kein Problem damit, Unterschiede in Romanen, Computerspielen und anderen Medien zum Rollenspiel am Tisch zu haben.
Bei den Romanen kann ich mir dies z.B. immer gut mit einem unzuverlässigen Erzähler erklären. Selbst im letzten Computer-Spiel (Drakensang 2) würde dies wunderbar zu der ganzen Geschichte passen, die ja rückblickend aus der Sicht von Forgrimm geschildert wird.

Und natürlich gehören bestimmte Sachen aus dem Kanon herausgenommen, etwa wenn ein Autor wie Andreas Brandhorst einfach mal sämtliche Vorgaben ignoriert und einfach irgendwas schreibt, oder wenn Raumschiffe und Atomreaktoren aus einem Solo-Abenteuer von anno dazumal wirklich nicht in das heutige Aventurien passen.

Fazit: Bei so signifikant (no pun intended) unterschiedlichen Medien und Stilmitteln bleibt eine gewisse Diskrepanz wohl niemals aus.
Für mich ist der gesamte Kuchen (RPG, Roman, Computer-Spiel…) das Ganze und somit Kanon.
Ob man sich persönlich hier nur bestimmte Stückchen mit seinen besonderen “Rosinen” heraussucht, bleibt wohl jedem selber überlassen.

Und ich kann zur Abstimmung von Lizenzgebern und -nehmern naturgemäß nichts sagen. Allerdings weiß ich, mit welchen Argus-Augen z.B. Lucas Arts über Star Wars wacht. Sollte hier tatsächlich ein gewisses Defizit vorliegen, sollten die Macher des wohl größten Rollenspiel-Franchise Deutschlands dies mal zum Anlass nehmen, ein wenig darüber nachzudenken und ggf. die Situation zu verbessern.
Allerdings gilt auch hier: Dies obliegt wohl nicht Ulisses alleine, sondern allen Beteiligten.

Demnächst in Teil 2: Wüstenwelten, Handtücher und andere Fortsetzungen.

Reaktionen Über den Tellerrand Zettelkasten

Für einige der Portraits, die ich in den letzten Monaten für die  Bibliotheka Phantastika geschrieben habe, musste ich mich mit Autoren und Büchern auseinandersetzen, die mich zu Beginn meiner Fantasyzeit begeistert haben. Das Problem dabei? Selbst bei meinem unglaublich löchrigen Gedächtnis war es verwunderlich, wie wenig Spuren diese Bücher in ihrer Mehrzahl hinterlassen haben.

Selbstverständlich hat sich auch meine Einstellung gegenüber den Autoren und vielen ihrer Werke geändert, seit ich sie gelesen habe – weil sich meine Leseerfahrungen geändert haben und weil ich in Kontakt mit Leuten gekommen bin, die schon viel länger Erfahrungen mit phantastischer Literatur gemacht haben. Deswegen betrachte ich viele meiner früheren Fantasybücher eher mit Scham denn mit Nostalgie, und ich stelle mir die Frage: Was für eine Aufgabe hatten diese “Jugendsünden”? Haben sie mich tatsächlich an die Fantasy herangeführt?

Man sagt ja, frühe Leseerfahrungen prägen auch den späteren Lesegeschmack, und das trifft sicherlich zum Teil auch zu. So zählt etwa die Grundkonstellation der Enwor-Saga (hartschaliger, aber eigentlich guter Krieger, düster-fantastische Welt) durchaus immer noch zu meinen persönlichen guilty-pleasures, und meine Vorliebe für Geralt von Riva spricht in diesem Zusammenhang wohl für sich.

Immerhin haben mich manche Bücher auch tiefer in die Materie geleitet. So haben mich die Romane um den Hexer von Salem etwa auf Lovecraft gebracht – nur um festzustellen, dass der Unterschied krasser nicht sein könnte. 😀
Aber dass mich viele dieser Bücher zum Fantasy-Fan gemacht haben, bezweifle ich im Rückblick doch sehr – zumindest nicht direkt. Denn angewiesen auf das, was die Verkaufstische in den großen Buchhandlungen oder die kleine Stadtbibliothek zu bieten hatten, verließ ich mich doch eher auf das, was ich schon kannte und kaufte damals noch viel mehr nach Autoren als nach Plots, über die ich mich auch kaum informieren konnte, angesichts meines internetlosen Daseins. Anreize boten neben Autorennamen lediglich Versandkataloge, Verfilmungen oder Bestsellerlisten. Ich landete folgerichtig eher bei klassischer (um nicht zu sagen generischer) Fantasy. Diese war zwar durchaus spannend zu lesen, hinterließ aber auch keinen tieferen Eindruck und gab einem auch kaum Argumente an die Hand, um das “Schmuddelgenre” Fantasy zu verteidigen. Nachdem ich die Suche nach dem Gleichen inzwischen ja fehlerfrei beherrschte, bot mir ein heimatlicher Internetanschluss endlich die Möglichkeit mich auch auf andere Weise zu informieren. So führte mich die Suche nach empfehlenswerter neuer und etwas anderer Genreliteratur in die Arme der Bibliotheka und erst diese hat es geschafft, mich an das Genre zu binden, was ohne sie wohl kaum der Fall gewesen wäre.

Allerdings auch mit einem “traumatischen” Erlebnis zu Beginn: Mein Faible für düstere Welten und ambivalente Helden hat mich kurz nach der Entdeckung der Bibliotheka – und man muss dazu sagen, dass meine Leseerfahrung in der Fantasy sich damals mehr oder weniger auf den Herr der Ringe und die drei großen Hs der deutschsprachigen Fantasy (Hohlbein, Hennen, Heitz) sowie Harry Potter beschränkte –  auf der Basis einer 5-Sterne-Rezi (damals gab’s noch Sterne) dazu gebracht, mir Gene Wolfes The Book of the New Sun (ja, im Original) zuzulegen. Was soll ich sagen? Die Reihe habe ich nie fertig gelesen und ich traue mich seitdem nicht mehr, sie nochmal anzufangen. 😉
Warum ich trotzdem dabeigeblieben bin – beim Genre und bei der Bibliotheka – ist für sich genommen weniger einfach zu erklären als in der Wechselbeziehung: Mir wurde die Vielfalt und Fülle an Alternativen, die die Fantasy zu bieten hat, gezeigt, wobei dieses Angebot gleichzeitig  personenbezogen kommentiert war. Es unterschied sich also insofern von der Vielfalt, die man erhält, wenn man bei einem großen Onlinehändler auf die Kategorie “Science Fiction & Fantasy” klickt, dass ich mir die bewertenden Personen bis zu einem gewissen Grad erschließen konnte – ich war beim Stöbern also nicht ganz auf mich allein gestellt. Dadurch bot sie aber auch ganz andere Formen der Empfehlung als sie etwa Bestsellerlisten oder prominente Verkaufsplätze darstellen. Denn wie ich durch meinen ersten Kontakt mit Gene Wolfe erfahren musste, erfordert das persönliche Verwerten einer Rezension auch sehr viel  mehr Selbstreflexion als eine rein quantitative Empfehlung (à la “Kunden denen dieses gefallen hat, haben auch jenes gekauft”) und so konnte ich die Fantasy entlang meiner sich ausbildenden Lesepräferenzen entdecken.

Das soll kein (reiner ;-)) Werbeblogpost für die Bibliotheka sein, aber ich wage zu behaupten, dass ohne Anleitung (und diese kann auf unterschiedlichste Weise erfolgen – vom genre-interessierten Buchhändler bis zur entsprechenden Internetseite) die geneigten LeserInnen dem Genre eher verloren gehen, als dass sie es mit ihren Leseerfahrungen zu fassen bekommen.

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