Drachenfels

Drachenfels von Jack YeovilVorhang auf für unser Buch des Monats im März! Die Requisiten von Drachenfels erkennt man sofort: Die gemischte Abenteurergruppe um den Helden Prinz Oswald, den bösen Zauberer Constant Drachenfels, der mit seinen schwarzen Künsten den Landstrich tyrannisiert, und die finstere Burg, die schwer erreichbar in den einsamen Graubergen liegt. Die Kulisse ist die Rollenspielwelt Warhammer, und beauftragt, den epischen Kampf zwischen den Gefährten und dem Schurken zu inszenieren, wurde Jack Yeovil (ein Pseudonym von Kim Newman, zuletzt mit Die Vampire auf dem deutschen Markt präsent), der aus dem Rollenspielstoff, der mit dem finalen Kampf gegen Drachenfels beginnt, einen ganz anderen Bühnenzauber extrahiert hat:

25 Jahre nach dem Sieg über Drachenfels sitzt Detlef Sierck, der berühmte Dramatiker, nach einer Pechsträhne im Schuldturm, und scheint das große Los gezogen zu haben, als ihn der gefeierte Held und angehende Kurfürst Oswald freikauft. Er heuert Sierck an, um das beeindruckendste Schauspiel aller Zeiten zu schreiben und zu inszenieren: Den Sturz von Drachenfels. Mit einer ausgesuchten Truppe, der sich zur Unterstützung auch die überlebenden Helden des Abenteuers anschließen, wird die Uraufführung vor dem Adel des Reiches in originaler Kulisse – den Ruinen von Burg Drachenfels – vorbereitet. Doch die Inszenierung scheint vom Unglück verfolgt, denn bald häufen sich die Unfälle und mysteriösen Vorkommnisse. Zwischen den früheren Helden, die mit Ausnahme von Oswald und der schönen Vampirin Genevieve Dieudonné im Laufe der Zeit einige Blessuren erlitten haben, und den Theaterleuten entwickelt sich eine angespannte Atmosphäre, während der Termin der Uraufführung näherrückt und sich das Unheil merklich zusammenbraut.

Yeovil erzählt die Geschichte, die gekonnt auf einem schmalen Grat balanciert, mit herrlich ulkiger Situationskomik, rührenden Charaktermomenten und durchaus auch brutalem Gemetzel (Warhammer bleibt Warhammer, auch bei einer Theateraufführung 😉 ). Genüßlich garniert der Autor seinen Roman mit Einsprengseln aus Film- und Theaterkultur – heute würde man so eine tour de force vielleicht als “König Lear und Graf Dracula” verkaufen. Drachenfels ist allerdings trotzdem keine Komödie, sondern nutzt den ironischen Humor, um die vielen düsteren Szenen auszugleichen. Vor allem die Schicksale der ehemaligen Helden, die oft mehr schlecht als recht von ihrem gestrigen Ruhm zehren, lassen einen immer wieder schwer schlucken.
Am ehesten vergleichbar in Stimmung und der Balance zwischen Humor und Ernst, aber auch in der düsteren und trotzdem prall-bunten Welt ist Drachenfels vielleicht mit den Geralt-Romanen von Andrzej Sapkowski.

Wer neugierig auf die deutsche Ausgabe von Drachenfels (ISBN 3-453-10950-3) geworden ist, muß sich an das Antiquariat seines Vertrauens wenden, denn der Roman ist seit einiger Zeit nicht mehr lieferbar. Die englische Ausgabe gibt es entweder als Reprint des Einzel-Romans (ISBN 978-0-743-41170-7) oder im Sammelband The Vampire Genevieve (ISBN 978-1-844-16244-4), der gleich sämtliche Warhammer-Abenteuer von Yeovil bietet.

3 Kommentare zu Drachenfels

  1. Marengo sagt:

    Sehr schöne Wahl! 😉

  2. TeichDragon sagt:

    Extrem gute Wahl!
    Jack Yeovil aka “Kim Newman” rockt wirklich.

    Mir fallen nur 2-3 gute Autoren ein, die wirklich tolle Romane in Franchise-Universen abgeliefert haben.
    Der Mann steht dabei an erster Stelle.

  3. Wurling sagt:

    Ja, das war ein wirklich gutes Buch. Damals aus einer Grappelkiste gezogen, ohne zu wissen was auf mich zukommt. Ich war extrem positiv überrascht.