Wie bereits im ersten Teil angekündigt, werde ich hier in unregelmäßigen Abständen über unser kleines Play-By-(E)Mail-Experiment berichten.
Ein erstes Fazit nach 4 Wochen Testspiel kann ich schon verkünden. Das Spiel per Mail ist definitiv anders als am Tisch in gemütlicher Runde.
Was ich selber erst mal nicht vermutet hatte: Auch hier spielt der Faktor Zeit eine große Rolle. Wenn ein Spieler, sei es bedingt durch Beruf, Familie oder andere Dinge nicht antwortet, hängt das Spiel auch hier. Wobei hier parallel ablaufende Handlungen noch stärker eine Rolle spielen, als dies am Tisch der Fall ist. Wenn Spieler 1 sich dazu entschließt, den Nachmittag in der Herberge zu bleiben, Spieler 2 aber los zieht und die Stadt erkundet, hängt nun die gesamte zeitlich Folge von Spieler 2 ab. Kommen von diesem keine Aktionen, bremst dies Spieler 1 gnadenlos aus.
Auf der anderen Seite hat diese Spielweise den Vorteil, dass solche Bremsen lange nicht so ins Gewicht fallen, wie dies bei herkömmlicher Spielweise der Fall ist. Wenn jemand am Spieltisch zum Zuhören/Warten verbannt ist, tritt oft schnell eine Langweile ein, mitunter gar ein gewisser “Quengel-Effekt”. (Was nicht böse gemeint sein soll, immerhin hat man sich getroffen um aktiv zu spielen, und nicht einer Geschichte zu zuhören.)
Und noch eines hat mich überrascht: Die zu investierende Zeit/Arbeit erscheint mir größer als beim herkömmlichen Spielen. Szenen, die man in wenigen Minuten vorgelesen und erzählt hat, muss man nun in mühevoller Arbeit in die Tastatur klimpern. Dieses dauert oftmals länger, als man selber glaubt. (Und nein, ich habe leider nie das 10-Finger-System gelernt, obwohl ich schon recht schnell tippen kann.)
Nun aber genug gejammert und weg von den negativen, hin zu den positiven Dingen:
Wie schon im ersten Teil angerissen, hat man bei dieser Spielweise einfach mehr Zeit, auf die Aktionen der Spieler zu antworten und so die Aktionen und Reaktionen länger zu überdenken, bzw. besser an die Spieler und ihre Figuren anzupassen. Ebenso kann man Aktionen mit den Spielern machen, die nur für sie bestimmt sind, ohne Leute aus dem Raum zu schicken oder selber mit der einen Person mal den Raum zu verlassen.
Ein großer Vorteil ist auch, dass man musikalische oder visuelle Untermalung auch mal eben aus dem Ärmel schütteln kann. Am Spieltisch in der Runde dürfte ein “Moment – ich google/bing/suche mal eben ein Bild dazu.” eher störend wirken. Beim Spiel per Mail bekommen die Mitspieler davon ja nichts mit.
Ebenso ist es viel einfacher, die einzelnen Szenen genauer an die Mitspieler anzupassen. In unserer ersten großen Kampfszene konnte ich genau diesen Kampf viel plastischer beschreiben, als mir dies normalerweise möglich ist. Ich musste ja selber die Kämpfe auswürfeln und kannte dementsprechend denn Verlauf schon komplett im Vorhinein. Das hat natürlich den Vorteil, dass man das Hin und Her, Angreifen und Verteidigen, Treffen und Getroffenwerden deutlich intensiver und weitaus farbiger schildern kann.
Mein nächstes Experiment wird sein, “hängende” Handlungen von Mitspielern aktiver zu gestalten. Dabei werde ich darum bitten, mir nur den groben Handlungsrahmen der Figur vom Spieler vorgeben zu lassen und die Spiel-Sitzung aus Meistersicht weiter zu beschreiben und voran zu treiben. Ob dies nun eine gute oder schlechte Idee ist, weiß ich noch nicht. Aber dafür ist so ein Experiment ja schließlich da.