: Detektive & Kriminalfälle

Das Cover von Alaizabel Cray von Chris WoodingDer junge Thaniel Fox ist Hexenjäger, einer der gefährlichsten und anerkanntesten Berufe in ganz London, das seit einer Bombadierung durch Luftschiffe von sogenannten Hexlingen überannt wird – Kreaturen, die aus Mythen und Märchen zu stammen scheinen. Als Thaniel eines dieser gefährlichen Wesen zur Strecke bringen soll, findet er stattdessen ein junges Mädchen ohne Erinnerung, eine Verrückte vielleicht. Doch als Bruchstücke der Erinnerung von Alaizabel zurückkehren, wird klar, daß sie in eine große Bedrohung für ganz London verwickelt ist. Thaniel versucht dem Geheimnis auf die Spur zu kommen, während sich Alaizabel in ständiger Gefahr befindet: Hexlinge werden von ihr angezogen wie Motten vom Licht.

-Bedrohlich tief kam das Luftschiff daher. Sein langer Bauch schimmerte, vom Licht der Gaslaternen unter ihm getroffen, silbern durch den Nebel.-
1 Verfolgungsjagd/Thaniel erlebt eine böse Überraschung/Erste Eindrücke

Luftschiffe, Hexenjäger und Serienmörder – Alaizabel Cray (The Haunting of Alaizabel Cray) verspricht einen abenteuerlichen Steampunk-Spaß, der sich aber gleich von der ersten Seite an als sprachlicher Rohrkrepierer erweist. Offenbar stand der Roman unter der Prämisse, sich mit hölzernem und effektheischendem Ausdruck an möglichst junge Leser anzubiedern, obwohl er thematisch am ehesten für ältere Jugendliche gedacht ist, die möglicherweise nicht mehr in jedem dritten Satz ein Ausrufezeichen brauchen, um sich gut und spannend unterhalten zu fühlen. Die Holzhammersprache bleibt leider auf der ganzen Länge des Romans erhalten, wirkt in actionreichen oder auch besonders leisen Szenen eher noch unpassender und verdirbt das ansonsten größtenteils doch sehr gelungene Ambiente.

Würden Sprache und Inhalt ein bißchen besser Hand in Hand gehen, so hätte Alaizabel Cray einiges zu bieten: ein nebliges London bei Gaslicht, in dessen Gassen neben Mördern und Wölfen auch mythische Wesen wie Gnome, Werwölfe und Dämonen ihr Unwesen treiben und in dem sich in den Nächten nur die Furchtlosen auf die Straßen wagen – oder diejenigen, die müssen, weil sie bei der industriellen Revolution auf der Verliererseite standen.
Diese düstere Atmosphäre hat Wooding im Prinzip sehr gut eingefangen und  gekonnt mit den phantastischen Elementen verknüpft – besonders gelungen sind ihm beispielsweise die zur Industrialisierungszeit passenden magischen Prozeduren wie die Arbeit mit diversen Reagenzien und magischen Zeichen, aber auch die Namensgebung der auftretenden Figuren zeugt eigentlich von einem guten Gefühl für das Setting.

Bei der Ausarbeitung der Charaktere hatte diese Sorgfalt allerdings auch schon wieder ein Ende – sie bestechen eher durch Coolness als durch Charme und haben eine starke Tendenz zu comicartigen, aufgeblasenen Superhelden, deren Beweggründe und Persönlichkeiten niemals übers Schablonenartige hinauskommen. Schade drum, denn die Geschichte an sich glänzt mit einer guten Balance zwischen Action und Ruhe und Wooding ist kein schlechter Erzähler. Er verbindet geschickt das kriminalistische Miträtseln an einer Verschwörungsgeschichte und einem Serienmord mit der langsamen Aufdeckung des Hauptplots – auch wenn es keine sensationellen Wendungen und Überraschungen gibt und die Bösewichte letzten Endes ziemlich ausgelutschte Nummern sind. Ein wenig Gruseln und Fingernägelkauen wären aber auf jeden Fall drin gewesen, nur schafft es der Autor nicht, den Leser ganz in die Welt zu ziehen oder mit seinen Charakteren mitfiebern zu lassen.
(rezensiert von: mistkaeferl)

Anno Dracula von Kim NewmanEs ist 1888 und Königin Victoria von England hat sich einen neuen Gemahl gewählt: den Grafen Dracula. Täglich wächst die Gemeinde der Vampire, mal mehr, mal weniger freiwillig und so spalten sich bald die Gruppen derer, die den Vampirismus begrüßen, und derer, die sich auf eine Rebellion vorbereiten. In diese sensiblen Situation einer Gesellschaft, die mit der Veränderung noch nicht ganz zurecht kommt, mischt sich nun auch ein Serienkiller ein, der es mit seinem Silbermesser auf Vampirhuren abgesehen hat.

– Last nights delivery was easier than the others. Much easier than last week’s. Perhaps, with practice and patience, everything becomes easier. If never easy. Never … easy. –
In the Fog, Dr Seward’s Diary, S. 11

Mit Anno Dracula entführt uns Autor Kim Newman in eine alternative Realität des 19. Jahrhunderts – drei Jahre nach Bram Stokers Dracula – und stellt die Frage: Was wäre, wenn es Van Helsing seinerzeit nicht gelungen wäre Graf Dracula zu vernichten? Was, wenn der Vampir stattdessen quicklebendig, oder besser gesagt quickuntot, ins britische Königshaus eingezogen und die Queen zu einer seiner Frauen gemacht hätte?
Im vorliegenden Roman ist genau dieses Szenario real geworden. Dracula hat aber nicht nur überlebt, er hat seine Widersacher auch ausgeschaltet und badet in Blut und in seiner neuen Machtposition als britischer Thronhalter. In drei Jahren Herrschaft des Grafen hat sich die Gesellschaft Englands daher stark verändert. Auf der einen Seite ist der Vampirismus gesellschaftsfähig geworden und gehört inzwischen sogar zum guten Ton. Neugeborene Vampire leben hier mit britisch höflicher Erziehung ihr gewohntes Leben nahezu unverändert weiter und stillen ihren Blutdurst an freiwillig spendenden “Warmen”. Auf der anderen Seite wird diese scheinbar friedliche Koexistenz von den mittelalterlichen Vorgehensweisen Draculas und dessen persönlicher karpatischer Leibgarde immer wieder durchbrochen, da sie ein eng gesponnenes Netz aus Angst und Kontrolle über die Stadt gelegt haben. Blutbäder, Menschenjagd, Konzentrationslager, Blut-Prostitution und gewaltsames Blutsaugen sorgen für die Bildung rebellischer Gruppen unter den Warmen. Doch auch unter den Vampiren herrscht keine vollkommene Einigkeit, stellt uns Kim Newman hier doch die Idee verschiedener Blutlinien vor, von denen Dracula keinesfalls die Älteste, ja nicht einmal eine angesehene besitzt. In dieses wackelige Gefüge einer Gesellschaft, die mit der drastischen Veränderung noch nicht ganz zurecht kommt, gesellt sich nun noch die Jagd nach dem grausamen Serienkiller Jack the Ripper dazu, der des nachts durch die von Gaslicht spärlich erhellten Straßen Whitechapels schleicht und untoten Prostituierten mit seinem Silbermesser zum endgültigen Tod verhilft.

Die Handlung von Anno Dracula ist ein aufwendig konzipiertes Intrigenspiel, in dem es um Politik und Serienmord geht, und doch ist es schwer die wahre Stärke des Romans richtig zu beschreiben. Spannungsgeladene Handlungsbögen liefert dieser Roman nicht, denn der Leser lernt den Mörder bereits auf den ersten Seiten kennen. Wovon er nicht sofort etwas ahnt, das sind die Fäden, die im Hintergrund gezogen werden und auf ein gemeinsames Ziel zusteuern. Im Gesamtkonzept präsentiert sich Anno Dracula daher weniger wie ein Roman mit stringenter Queste, vielmehr gewinnt man den Eindruck eines klassischen Spionageromans mit verschiedenen involvierten Parteien und vielen kleinen Einzelgeschichten, die zu einem homogenen Ganzen verbunden werden. Das Spannende besteht letztlich darin zuzusehen, wie Kim Newman das Bekannte mit dem Neuen verbindet, um damit eine wirklich gut ausgearbeitete Atmosphäre und Erzählung zu schaffen, in der der Leser auf viele bekannte Namen und Orte aus Film und Literatur trifft. Sherlock Holmes, Bram Stoker, Jeanne D’Arc, der Diogenes Club, Oscar Wilde, Jack the Ripper, Professor Moriarty, Inspector Lestrade, Dr. Jekyll … die Beispiele sind manigfaltig in die Geschichte verwoben und liefern ein interessantes Crossover quer durch alle Genres, die das viktorianische Zeitalter, real und fiktiv, zu bieten hat.
Anno Dracula ist unterhaltsam, bildgewaltig und beklemmend zugleich. Wer echte Vampire sucht, der findet sie in diesem Roman garantiert.

Was die Sprache angeht, ist Anno Dracula nur denen im Original zu empfehlen, die in der englischen Sprache geübt sind. Zahlreiche eher selten gesehene Vokabeln tummeln sich hier neben weniger verbreiteten Redewendungen oder Zitaten. Wer also nur gelegentlich mal in englischsprachigen Büchern schmökert, der sollte auf die (leider deutlich weniger schöne) deutsche Ausgabe Die Vampire aus dem Heyne Verlag zurückgreifen, welche die drei bisher veröffentlichten Romane des Zyklus in gesammelter Form enthält.

Zusatzmaterial:
Die hier besprochene Neuauflage von Anno Dracula enthält einiges an Zusatzmaterial. Von einer über Jahre hinweg zusammengetragenen Sammlung der verwendeten Namen, Autoren, Filme, Titel usw., über ein alternatives Ende des Romans bis hin zu einer Kurzgeschichte des Autors. Fast 100 Seiten bieten noch mehr Einblick in Newmans blutig neue Welt und verschiedene Hintergründe zu seinem Roman.

Artemis Fowl: Die verlorene Kolonie von Eoin ColferCaptain Holly Short ist alles andere als zufrieden mit ihrer Privatdetektei, die sie mit ihrem ehemaligen Gegner, dem verdauungswütigen Zwerg Mulch Diggums, betreibt. Seit sie die ZUP, die unterirdische Polizei von Erdland, verlassen hat, hat sie nur noch mit kleinen Fischen zu tun. Hollys Hilfe wird jedoch benötigt, als der Zeitstrom, in dem sich die Insel der Dämonen befindet, zusammenzubrechen scheint. Dadurch würden die Dämonen in alle möglichen Welten zerstreut werden. Unangenehm für die Erde, denn die Dämonen meinen, noch eine Rechnung mit der Menschheit offen zu haben, und das Auftauchen von Dämonen an der Erdoberfläche hat bereits begonnen …

-Holly Shorts Karriere als unterirdische Privatdetektivin entwickelte sich nicht wie geplant. Das lag vor allem daran, dass Erdlands beliebteste Fernsehshow in den letzten Monaten gleich zwei Sondersendungen über sie gebracht hatte. Es war nicht einfach, als verdeckte Ermittlerin zu arbeiten, wenn das eigene Gesicht dank der zahllosen Wiederholungen ständig über den Bildschirm flimmerte.-
Kapitel 2 – Doodah Day

Endlich ist er da, der neue Artemis Fowl, und kaum habe ich den fünften Band Die verlorene Kolonie (The Lost Colony) im Buchladen gesehen, habe ich direkt mein restliches Geld auf die Kasse gelegt und das noch recht frische Exemplar gekauft. Nun, direkt das erste Kapitel enttäuschte mich. Zu Anfang fühlt man sich an Kapitel Eins des ersten Fowl-Bandes erinnert: Artemis und sein stets wachsamer Leibwächter Butler halten sich in einer erhitzen, altertümlichen Stadt im Hochsommer auf – diesmal ist Barcelona dran, und zunächst können wir nichts weiter als mit Butler leiden: wir haben keine Ahnung, wovon Artemis spricht. Er “wartet auf etwas”, leider verschweigt er Butler schon die ganze Zeit über, worum es sich dabei handelt, und nach kurzer Zeit nervt dies schon. Es sorgt nicht sonderlich für Spannung, dass es einige Seiten lang so weiter geht. Und dann taucht aus einem Lichtstrahl plötzlich ein verdutzter Dämon auf, verschwindet wieder und reißt Artemis mit in einen Zeitenstrom. Butler kann Artemis nur mit Glück und großem Zufall retten. Zuvor aber reist Artemis mit dem Dämon durch die Zeit und trifft dabei kurz auch noch den berühmten Architekten Gaudí und hinterlässt seine Spuren an der Casa Milà. Das ist nicht witzig, finde ich, und Eoin Colfer hat dieses erste Kapitel wirklich vollkommen verbraten. Vor allem, da diese Zeitreise Artemis mehr als zufriedenstellt, aber Butler immer noch zu großen Teilen im Unklaren lässt.

Ab dem zweiten Kapitel findet Colfer wieder in die alten und geliebten Höhen seiner Fowl-Romane zurück, und das alte Gefühl ist wieder da. Zwischen Mulch und Holly besteht weiterhin eine Art Hassliebe à la Spock & McCoy aus Star Trek, und der folgende Teil des Buches bleibt weiterhin eine angenehme Mischung aus Spannung, High-tech und Sarkasmus, der schön über das Buch gestreut ist. Die alte Stimmung bleibt zum großen Teil erhalten. Doch storymäßig wackelt es stellenweise sehr. Eine Art weibliche Ausgabe von Artemis Fowl, die junge Minerva Paradizo, hat selbst etwas über die Welt der Dämonen herausbekommen und wünscht diese zu vernichten. Zwar ist die Auseinandersetzung zwischen ihr und Artemis spannend und interessant gestaltet, aber dennoch kommt uns all dies bekannt vor: noch ein hochbegabtes Kind, das in das Geschehen der Nichtmenschen eingreift. Es ist, als kämpfte der junge Artemis Fowl gegen sein nicht sehr originell gestricktes Spiegelbild.

Zudem ist wenig von dem alten, unsympathischen, fast abstoßenden Fowl übrig geblieben: diesmal handelt Artemis nur aufgrund seines “Gewissens”, es geht ihm nicht einmal um Geld. Das mag für Holly und ihre Konsorten erstaunlich und moralisch richtig wirken, doch die Figur wird dadurch eher weniger interessant. Artemis Fowl war immer ein Schlitzohr, ein bisschen Verbrecher steckte immer in ihm, selbst wenn er stets auf der Seite des Guten stand. Dieser Zwiespalt machte den gewissen Reiz von Artemis Fowl aus, der leider von Buch zu Buch immer weiter ausgemerzt wurde. Letztendlich scheint aus Artemis doch ein richtiger Held geworden zu sein. Ein Genie und verrückt vielleicht, aber dennoch ein gewissenhafter Held. Den Ganoven in ihm vermisst man hingegen sehr, der Irrsinn der Figur, ihr inneres Feuer, scheint erloschen. Dies war der Grund, warum ich das Geschehen um Holly und Butler viel lieber verfolgt habe als die Geschichte um Artemis und Minerva. Und ab dem dritten Viertel des Buches wird endgültig klar: das ist nicht mehr Artemis Fowl, wie man ihn kennt. Dass weiterhin Spannung herrscht und Eoin Colfers großartiger Humor wie immer zu begeistern weiß, ist nicht zu verleugnen. Aber wie schon gesagt: je näher das Buch auf sein Finale zusteuert, desto mehr geht die Fowl-Atmosphäre verloren.

Ein schlechtes Buch ist Artemis Fowl: Die verlorene Kolonie ganz bestimmt nicht. Aber das missratene Finale bringt ihm weitere Minuspunkte ein. Um dem Leser nicht die Spannung zu rauben, nehme ich keinen direkten Bezug auf den Inhalt. Insgesamt würde ich jedoch sagen: es war zuviel. Weniger wäre in diesem Falle mehr gewesen, Qualität hätte vor Quantität stehen müssen.
Artemis Fowl bleibt dennoch in meinen Augen eine gelungene Buchreihe, und auch den fünften Band habe ich sehr gerne gelesen. Er mag zwar gewisse Ecken und Kanten haben, von denen einige wirklich unsanft auffallen, aber dennoch war es eine Lektüre, die mich entspannt und zurück in eine andere Welt geführt hat, allein schon aufgrund Colfers humorsprühender, sarkastischer Sprache.
Ich hätte nicht mehr erwartet, sondern eher weniger Beliebigkeit, die in diesem Buch vorrangig ist.
Fans der Fowl-Reihe würde ich das Buch dennoch empfehlen, es ist wirklich nicht zu verachten. Doch die ungewohnten Neuheiten in Artemis’ Welt sind nicht einfach aufzunehmen.

The Blade Itself von Joe AbercrombieDer berühmt-berüchtigte Barbar Logen Ninefingers verlässt seine Heimat, weil er sich zu viele Feinde gemacht hat, und gerät an Bayaz, eine Person, die so gar nicht zu ihm passt.
In Adua, der Hauptstadt der mächtigen Union, will der arrogante Adelsspross Jezal dan Luthar seine Karriere beim Militär dadurch befördern, dass er zum Fechtchampion wird, denn zum Kriegsheld taugt er nicht.
Ebenda gerät der ebenso verkrüppelte wie zynische Inquisitor Glokta in den innenpolitischen Machtkampf der niedergehenden Union, während sich an ihren Grenzen die außenpolitischen Bedrohungen häufen.

-They’re everywhere. You really can’t change floors without them. And down is worse than up, that’s the thing people never realise. Going up, you usually don’t fall that far.-
Seite 10

Joe Abercrombie versucht mit der Trilogie The First Law, deren erster Band The Blade Itself (Kriegsklingen) ist, etwas frischen Wind ins Fantasy-Genre zu bringen – dies gelingt ihm jedoch bisher nur teilweise. Das Cover stellt ohne Zweifel eine wirklich hübsche Abwechslung von den generischen Fantasycovern dar – allerdings nur in der englischen Version, die Heyne-Ausgabe ist dafür doppelt beliebig. Der Titel ist ein Teil des Homer-Zitates “The blade itself incites to deeds of violence”, was – gemeinsam mit den Blutspritzern auf dem Coverbild – bereits ankündigt, dass wir uns im Grim-&-Gritty-Genre befinden, so viel gleich vorweg: es ist also mit blutigen Kämpfen, einer düsteren Welt und viel Misanthropie zu rechnen.

Die Story ist den derzeitigen Standards gemäß aus der Sicht verschiedener Personen erzählt, deren Handlungsstränge sich im weiteren Verlauf kreuzen. Das Reich im Niedergang, dessen Rettung aber noch möglich ist, klingt zwar nicht nach großer Innovation, mit seinem Händchen für die Abgründe von Genrestandards und seinem flotten Stil mit mitten-drin-Effekt verhindert Abercrombie aber erfolgreich, dass Langeweile aufkommt, obwohl im ersten Band der Trilogie die Story eher gemächlich voranschreitet.

Die Faszination von The Blade Itself liegt vor allem an den zentralen Figuren, die eingeführt werden. Hier profitiert das Buch eindeutig davon, dass Abercrombie sich mit seinen Protagonisten am klassischen Heldenrepertoire der Fantasy abarbeiten möchte und dabei mit sehr viel Witz zugange gewesen ist. Dabei verkommt der Roman aber nicht zur Parodie, sondern  Abercrombie hat sich bemüht, seine Helden (und seine Heldin) ambivalent zu gestalten und sie mit liebens- und hassenswerten Charakterzügen und/oder Tätigkeitsfeldern auszustatten. Wirklich tiefschürfend sind die Figuren dadurch jedoch nicht, denn das Bemühen, sie in einer Grauzone zwischen Gut und Böse anzusiedeln, resultiert schlussendlich darin, dass sie zwischen ihrer guten und ihrer schlechten Seite hin- und herpendeln, ohne dass dieser Widerspruch irgendwo thematisiert wird. So bleiben die Figuren leider trotz des humoristischen Touchs viel zu sehr ihren klischeehaften Ausgangspunkten verhaftet.

Daher ist es dann doch zumeist der Humor, der einen durch die Handlung trägt, denn der trockene, bissige und oft auch zynische Ton unterstreicht nicht nur das Grim-&-Gritty-Element, sondern liefert in seinen hemdsärmeligen und selbstironischen Momenten auch eine angenehme Abwechslung ebendavon. Wer Grim & Gritty mag und gerne pointierte Gedankengänge vom Leben gezeichneter Charaktere liest, der ist hier bestens aufgehoben.

Blade Runner von Philip K. DickRick Deckard lebt mit seiner Frau auf der vom dritten (atomaren) Weltkrieg verwüsteten Erde, deren Bevölkerung dazu angehalten wird, auf die Kolonien im Sonnensystem auszuwandern. Zumindest jene, deren Erbgut nicht wie das von J.R. Isidore durch den Fallout verändert wurde. Dieser ist ein Mensch zweiter Klasse und liefert elektrische (gesellschaftlich verpönte) Ersatzhaustiere aus, als plötzlich eine geheimnisvolle Frau in seinen Apartmentblock einzieht. Rick Deckard arbeitet als Kopfgeldjäger und befördert illegal von den Kolonien remigrierte Androiden in den Ruhestand. Seine neue Herausforderung besteht darin, auch bei den neuen Nexus-6-Modellen Mensch und Android zu unterscheiden.

– Die automatische Weckvorrichtung der Stimmungsorgel neben seinem Bett weckte Rick Deckard mit einem fröhlichen kleinen Stromstoß. –

Zu Blade Runner liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Blood Rites von Jim ButcherWenn man gerade einer Horde wütender Affendämonen und ihrer fäkalen Wurfgeschosse entkommen ist, gibt es sicher Schöneres, als kurz darauf einem Vampir in die Arme zu laufen. Glück im Unglück, trifft Harry auf einen vergleichsweise harmlose Ausgabe, als Thomas vom Weißen Hof Harry bittet, einen Auftrag zu übernehmen. Der Regisseur eines kleinen Filmstudios glaubt sich verflucht, da seine weiblichen Darstellerinnen der Reihe nach auf merkwürdige Weise sterben. Harry übernimmt den Fall nur als Gefallen für Thomas, dessen Succubi-Clan er nicht mehr schätzt als fliegende Affenkacke. Dabei stolpert er jedoch über Geheimnisse, die ihm die Schuhe ausziehen.

– The building was on fire, and it wasn’t my fault. –
Chapter One

Wenn bei der Rettung von Hundewelpen mit Kot werfende Affendämonen zu einem gigantischen geflügelten King Kong in lila Farbe verschmelzen, dann führt das unweigerlich zu bizarrem Kopfkino. Doch genauso startet Blood Rites (Bluthunger) in das sechste Abenteuer von Harry Dresden, und es wird noch besser. Als »Mädchen für alles« (das darf man nun nicht falsch verstehen) landet Harry am Set eines Erotikfilms, wo tatsächlich ein Fluch die Darstellerinnen umbringt. Wer dahinter steckt, bleibt lange unklar, sicher ist nur, dass es einen Hexenzirkel geben muss, der sich seine Opfer gezielt aussucht. Doch was könnte der Grund sein? Steckt eine der zahlreichen Ex-Frauen des Regisseurs dahinter? Oder vielleicht ein konkurrierendes Filmstudio, das sich von den innovativen Ansätzen des neuen Mitbewerbers bedroht sieht? Oder ist es vielleicht auch etwas ganz anderes? Harry unternimmt selbstverständlich alles, um die Damen in Nöten vor der unsichtbaren Gefahr zu schützen, tritt dabei aber nicht selten in Stolperfallen, die ihn selbst zum Hauptverdächtigen machen. Richtig spannend wird es, als er am Set einen Vampir des Weißen Hofs entdeckt, der so schön wie gefährlich ist und sich als Schwester von Thomas entpuppt. Damit werden Verwicklungen aufgedeckt, die sich bis in Harrys dubiose Vergangenheit erstrecken. Erfreulich hierbei insgesamt ist, dass einmal nicht jedes Kapitel mit Harrys potentiellem Nahtod endet, sondern mit Neugier weckenden Mini-Cliffhangern zum Handlungsstrang.

Blood Rites liefert viele Einblicke in die Charaktere, allen voran in die von Harry und Thomas. Die Beschaffenheit des Weißen Hofs der Vampire wird näher beleuchtet, ebenso die Bürde, die er für manche Zugehörige bedeutet. Bisher ist diese Vampirfamilie nur als eine Art weniger gefährlicher und weniger ernst zu nehmender Sex-Vampire in Erscheinung getreten. Nun aber erfährt man mehr darüber, wie diese Familie sich ernährt, funktioniert und lebt. Die Dinge sind dabei nicht so schwarzweiß, wie es bisher den Anschein hatte.
Trotz des zunächst eindeutigen thematischen Schwerpunktes wird die Lektüre nie platt oder besonders erotisch (weniger sogar noch als in Death Masks), sondern die entsprechenden Elemente werden eher funktional beleuchtet – sicherlich bleibt da dennoch genug Platz für den ein oder anderen kessen Spruch.
Die Entdeckungen, die Harry macht, reichen von abstoßend bis unerwartet zu ganz klassisch überraschend oder erfreulich. Im sechsten Band lernt der Leser im Wesentlichen größere Charakterhintergründe kennen, die immer mal wieder zum Teil in den vorigen Bänden angedeutet wurden, und das sorgt für Spannung.

Wie schon in Death Masks (Silberlinge) wirkt Harry mit vorlauter Arroganz auch in Blood Rites insgesamt etwas spröder und muss deswegen ein paar Sympathiepunkte abgeben. Trotzdem ist dieser Band wieder sehr stark, deckt er doch vieles aus Harrys verschleierter Vergangenheit auf und verleiht seinem Charakter mehr Substanz. Ebenso kommt der Humor wieder stärker heraus, doch das ist angesichts der Entwicklungen fast schon zu vernachlässigen. Blood Rites wird von Seite zu Seite besser, da man hier neugierig verfolgen kann, welches Geheimnis sich als nächstes lüften wird. Am Ende ist nicht nur Harry verblüfft, wohl aber treffen ihn die Veränderungen am deutlichsten.

Cover des Buches "Die Blutgräfin" von Wolfgang HohlbeinEuropa im 16. Jahrhundert: In einem abseits gelegenen, tief verschneiten Wald stoßen Andrej und Abu Dun auf brutal ermordete Menschen und werden gegen ihren Willen in gefährliche Ereignisse verwickelt. Der Bauer Ulric macht die  Blutgräfin  für die grausamen Morde und für das Verschwinden von mehreren jungen Frauen verantwortlich. Auf der Suche nach dem Täter begegnen sie dem dämonischen Leibwächter der Gräfin. Ihm gelingt das nahezu Unmögliche: Er besiegt Andrej und Abu Dun und bringt sie tatsächlich in Lebensgefahr. Anscheinend unverwundbar und unbezwingbar ist der Unbekannte doch kein Unsterblicher wie sie. Aber wer oder was ist er dann? Und wer verbirgt sich hinter der rätselhaften Blutgräfin?

-Es war die bei weitem größte Eule, die Andrej jemals gesehen hatte. In aufrechter Haltung würde sie ihm mühelos bis zum Oberschenkel reichen, und ihre Spannweite übertraf vermutlich die eines Adlers. (…) Ihr Schnabel, von dem zähflüssig rotes Blut tropfte, machte den Eindruck, als könne sie damit mühelos einem erwachsenen Mann die Hand zermalmen.-

Obwohl Hohlbein eine recht solide Fortsetzung geschrieben hat, hat mich das Buch nicht so wirklich überzeugt. Die Handlung setzt ein paar Wochen nach der Begegnung mit Frederic ein, die Unsterblichen sind wieder mal in einer abgelegenen Gegend mit misstrauischen Bewohnern. Erneut stoßen die beiden Unsterblichen auf ein Gemetzel, finstere Gestalten und dämonische Feinde. Ein altbewährtes Rezept, das auch hier zu einer recht spannenden Geschichte verarbeitet wird, jedoch gibt es einige kleine Schwächen.

Andrej wirkt im ganzen Buch unbeholfen, obwohl er doch eigentlich der erfahrerene Unsterbliche des Duos ist. Er stürzt von einem Gefühlschaos ins nächste, während er selbst kaum an der Handlung teilnimmt und eher von den Ereignissen mitgerissen wird. Ohne zuviel zu verraten, war mir von Anfang an klar, wer die Blutgräfin ist, jedoch gibt es überraschende Wendungen, die den Roman teilweise unvorhersehbar machen.
Pluspunkte verdient der Roman auch durch Andrejs Gegner: mit Blanche hat Hohlbein eine interessante Figur geschaffen, die nicht nur geheimnisvoll, sondern auch glaubwürdig ist, und einen Großteil zur Spannung beiträgt. Die Geschichte an sich ist im Nachhinein ganz gut gelungen, obwohl es hier und da einige Längen gibt.

Das Ende ist ebenso überraschend wie abgeschlossen. Offene Fragen vom fünften und sechsten Band werden überwiegend beantwortet und bilden einen runden Abschluss. Wie Hohlbein die Chronik der Unsterblichen weitererzählen will, bleibt abzuwarten. Der sechste Band jedenfalls ist lesenswert, wenn man ein Fan von Hohlbein ist. Es ist aber nicht der beste Teil der Chronik.

Bluthunger von Jim ButcherWenn man gerade einer Horde wütender Affendämonen und ihrer fäkalen Wurfgeschosse entkommen ist, gibt es sicher Schöneres, als kurz darauf einem Vampir in die Arme zu laufen. Glück im Unglück, trifft Harry auf einen vergleichsweise harmlose Ausgabe, als Thomas vom Weißen Hof Harry bittet, einen Auftrag zu übernehmen. Der Regisseur eines kleinen Filmstudios glaubt sich verflucht, da seine weiblichen Darstellerinnen der Reihe nach auf merkwürdige Weise sterben. Harry übernimmt den Fall nur als Gefallen für Thomas, dessen Succubi-Clan er nicht mehr schätzt als fliegende Affenkacke. Dabei stolpert er jedoch über Geheimnisse, die ihm die Schuhe ausziehen.

Zu Bluthunger liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover des Buches "Im Brunnen der Manuskripte" von Jasper FfordeUm vor ihren Widersachern geschützt zu sein, zieht sich die schwangere Thursday Next in einen im Brunnen der Manuskripte lagernden Kriminalroman mit dem Titel Caversham Heights zurück, der so schlecht ist, dass er wahrscheinlich nie veröffentlicht werden wird. Aber lange kann sie ihren Aufenthalt dort nicht ungestört genießen. Ein Mörder geht um, der einen Jurisfiktion-Agenten nach dem anderen ins Jenseits befördert, Aornis manipuliert immer noch Thursdays Erinnerungsvermögen und ein weiteres Mal versucht ein Großkonzern die Welt der Bücher unter seine Kontrolle zu bringen.

-In einem unveröffentlichten Roman zu wohnen hatte durchaus seine Vorteile. Die ganzen Alltagsgeschäfte, die uns im sogenannten wirklichen Leben auf Trab halten, wären für eine Erzählung in der Regel zu langweilig und werden deshalb meist ausgeblendet. Der Wagen brauchte nie aufgetankt zu werden, ich wählte nie die falsche Nummer, es gab immer ausreichend heißes Wasser, und die Beutel für den Staubsauger paßten auch immer.
1. Die Abwesenheit des Frühstücks

Der dritte Thursday-Next-Roman ist nicht ganz so temporeich und überdreht wie seine Vorgänger, trotzdem steht er ihnen an Skurrilität, Humor und Spannung in nichts nach. Die zahlreichen Anspielungen auf die Weltliteratur sind an Witz kaum zu überbieten. Miss Havisham führt in Emily Brontes Wuthering Heights mit sämtlichen Protagonisten eine Jurisfiktion-Wutberatungs-Therapiesitzung durch, zwei russische Klatschbasen tratschen im Fußnotofon bis zum bitteren Ende über die Ehe der Karenins und vor Thursday Nexts Tür stehen die drei Hexen aus Macbeth und ergehen sich wie gewöhnlich in undurchsichtigen bedrohlichen Prophezeiungen. Endlich erfährt der Leser, warum es sinnlos ist weiter auf Godot zu warten und was hinter dem scheinbaren Idyll in Enid Blytons Geschichten lauert. Und dank Jasper Fforde wissen die Deutschen nun, was mit ihrer schönen Sprache geschehen ist: sie wurde vom NeuSchreib-Vyrus befallen.

Den Mispeling Vyrus hatte Konrad Duden nahezu gänzlich unter Kontrolle gebracht aber in letzter Zeit hat eine Clique von größenwahnsinnigen Qmiehs einen NeuSchreib-Vyrus in Umlauf gebracht, der gegen jede Vernunft resistent ist und auch schon einige literarische Werke zerstört haben soll. Die Deutschen können einem schon leid tun. Neulich stand ein ganzes Rudel am Tor und hat nach verloren gegangenen Adverbien gesucht. Ich hab’ sie natürlich nicht reingelassen. Man konnte gleich sehen, dass sie schwere Regelwut hatten.

Danke Jasper Fforde, dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Carniepunk von Rachel Caine, Delilah S. Dawson, Jennifer Estep, Kelly Gay, Kevin Hearne, Mark Henry, Hillary Jacques, Jackie Kessler, Seanen McGuire, Kelly Meding, Allison Pang, Nicole D. Peeler, Rob Thurman, Jaye WellsVierzehn Kurzgeschichten ziehen in dieser Anthologie LeserInnen in die oft schaurige, pervertierte oder einfach nur surreale Welt des Zirkus.
Vierzehn Geschichten, vierzehn AutorInnen – und alle betreten den Zirkus auf ganz unterschiedliche Weise. Was alle gemein haben, ist die Verbindung zum Grauen oder zu Dämonen, die auf der Jagd nach Seelen sind …
Kommt zahlreich, mutige Abenteurer, die Manege ruft!

– It took me two days to die. On the first night, I met Madame Laida, and on the second night, I met the Cold Girl.
And this is how it happened. –
The Cold Girl, Rachel Caine, S. 153

Kurzgeschichten haben es in der Verlagswelt schwer, wahrgenommen zu werden, dabei bieten sie eine hervorragende Möglichkeit, Leser auf neue Autoren oder Serien aufmerksam zu machen, die ihrem Radar bisher womöglich entgangen sind. In Carniepunk haben sich vierzehn verschiedene Autoren zusammengefunden und unter dem Oberthema “Zirkus” ihre Geschichten beigesteuert. Manche stehen für sich alleine, andere ergänzen bestehende Buchreihen der einzelnen AutorInnen.
Die meisten dieser Geschichten sind nichts für junge Leser. Mal abgesehen von fließendem Blut und dem leise mitschwingenden Horror, der alle Geschichten vereint, finden hier teils sehr deutliche sexuelle Handlungen statt, die von Nekrophilie über die Erinnerungen eines Vergewaltigers bis zu den detaillierten Aktivitäten eines Sukkubus reichen. Meistens schaffen es die AutorInnen dabei, nicht ins Fremdschämen abzudriften – Ausnahmen bestätigen die Regel.

Die Qualität der Geschichten schwankt. Manche AutorInnen beherrschen ihr Handwerk besser als andere oder haben vielleicht auch einfach nur ein mal besseres, mal schlechteres Händchen für die Kunst, eine Kurzgeschichte zu schreiben. Manches lässt einen als LeserIn einfach nur verwirrt zurück, anderes wirkt, als habe der/die AutorIn sich schwer getan, seine Ideen in Zaum zu halten, und macht viele Sprünge, um all die Ansätze irgendwie in Kurzform zu bringen.

Hier eine Übersicht und ggf. Eindrücke der einzelnen Geschichten:

Painted Love – Rob Thurman
Der Weltreisende Doodle schließt sich für eine Weile dem Zirkusangestellten Bartholemew an und beobachtet dessen Alltag. Bartholemew ist ein waschechter Psychopath und hat sich gerade sein nächstes Opfer ausgesucht, was Doodle in eine schwierige Lage bringt. Einerseits sieht er sich selbst als reinen Beobachter, andererseits empfindet er eine gewisse Zuneigung für das nächste Opfer.
Die Geschichte funktioniert nur bedingt, da Doodles Figur wenig Zugangsmöglichkeiten bietet. Die Idee dahinter ist durchaus nicht schlecht, die Ausführung teils aber zu blass.

The Three Lives of Lydia – Delilah S. Dawson
Diese Geschichte gehört zu einer Buchreihe (Blud Series) und greift das Setting eines im viktorianischen Zeitalter angesiedelten Universums auf. Die Atmosphäre ist düster und steampunkig und die Wendungen überraschend. Lydia erwacht nackt auf einem leeren Feld, das von Zirkuswagen umkreist ist, trifft später auf Vampire und Werwölfe, die im Zirkus angestellt sind und nicht alle gute Absichten für sie hegen.
Eine stimmungsvolle Geschichte mit überraschendem Ende, die auch ohne Kenntnis der eigentlichen Buchreihe gut funktioniert.

The Demon Barker of Wheat Street – Kevin Hearne
Teil der Buchreihe The Iron Druid Chronicles. Die Geschichte findet zeitlich nach dem 4. Band statt (und nach der Kurzgeschichte Two Ravens and One Crow), kann aber gut für sich gelesen werden.
Druide Atticus und Lehrling Granuaile besuchen einen Zirkus und geraten dabei in die Fänge eines Dämons, der seine Attraktion zur Ernte ahnungsloser Seelen benutzt und sie geradewegs auf einen Trip in die Hölle schickt.
Witzig und im wahrsten Sinne höllisch gefährlich.

The Sweeter the Juice – Mark Henry
Post-Apokalyptisches Szenario, in dem Zombies allgegenwärtig und ihre Angriffe an der Tagesordnung sind. Die transsexuelle Jade Reynolds geht einen Handel ein, um sich ihre/seine Geschlechtsumwandlung leisten zu können, und soll für die behandelnde Ärztin eine neu zirkulierende Droge finden.
Diese Geschichte ist mehr im Horrorbereich zuhause, stopft aber so viele (teils eklige) Ausführungen in einen Sack, dass es für mich schwierig war, am Ball zu bleiben, und wurde dementsprechend abgebrochen.

Werewife – Jaye Wells
Nach dem Besuch einer Zirkusvorstellung verwandelt sich die Ehefrau in einen Werwolf, was sich als recht unkomfortabel für den Ehemann erweist. Als der selbe Zirkus nach einem Jahr in die Stadt zurückkehrt, überredet der Gatte seine Frau, erneut dorthin zu gehe,n um den Fluch aufzuheben, doch was sie dort erwartet, ist mehr als eine unschöne Erkenntnis.
Diese Geschichte ist aus Sicht des Ehemanns erzählt und bis auf das etwas überstürzte und nicht ganz überzeugende Ende sehr unterhaltsam.

The Cold Girl – Rachel Caine
Die sechzehnjährige Kiley besucht mit ihrem Freund einen Zirkus und vertauscht dabei versehentlich ihre Telefone. Als sie die Inhalte auf dem Telefon ihres Freundes sieht muss sie erkennen, dass der Junge, den sie liebt, eine schockierende Seite verbirgt, für die sie bisher blind war – obwohl andere die Anzeichen längst bemerkt haben.
Spannend, ergreifend und verstörend, ist dies eine der sehr gut gelungenen Geschichten der Anthologie.

A Duet With Darkness – Allison Pang
Teil der Abby Sinclair Series. Mel kann Noten und Melodien farblich wahrnehmen. Sie ist ein musikalisches Ausnahmetalent und hält sich für die beste in ihrer Band. Sie kann offenbar die Wilde Magie anzapfen, was bei einem geplanten Auftritt der Band die Aufmerksamkeit von jemandem erweckt, dem sie nicht gewachsen ist. Ihr Freund, ein gefallener Engel, versucht sie vor den Folgen ihres Stolzes zu bewahren, doch einer muss den Preis bezahlen.
Liest sich etwas wie ein Jugendbuch, ist nur inhaltlich nicht ganz jugendfrei. Die Welt und die Figuren sind aber gut beschrieben und durchaus interessant.

Recession of the Divine – Hillary Jacques
Die Versicherungsermittlerin Olivia untersucht den Brand in einem Zirkus, und es ist schnell klar, dass hier etwas nicht stimmt. Als die Angestellten merken, dass Olivia in die Erinnerungen anderer eintauchen kann, wird sie entführt und mit einem Bann ihrer eigenen Erinnerung beraubt, um sie angekettet als Wahrsagerin arbeiten zu lassen. Der Leser erfährt früh, dass sie eine Göttin in Menschengestalt ist, ihre Entführer lernen es auf die harte Tour.
Diese Geschichte war verwirrend, da die Autorin zahlreiche Zeitsprünge macht und eine eher weitreichende Handlung in einen so kurzen Text zu pressen versucht. Zeitsprünge erschweren das Ganze ebenso wie die Tatsache, dass nicht immer klar ist, was wessen Erinnerung ist oder was gerade doch real.

Parlor Tricks – Jennifer Estep
Teil der Serie Elemental Assassin Series. Detective Bria Coolidge bittet ihre Schwester, die Assassinin Spider, um Hilfe bei der Suche eines verschwundenen Mädchens, das zuletzt gesehen wurde, als es einen Zirkus besuchte. Als die beiden Frauen die Hintergründe ihres Verschwindens aufdecken, braucht es alles an Elementarmagie, was Spider zu bieten hat.
Die Figur der Spider, aus deren Perspektive erzählt wird, ist nur schwer zugänglich und so springt der Funke bei dieser Geschichte nicht recht auf die Leserschaft über. Ist vielleicht anders, wenn man die Buchreihe dazu kennt.

Freak House – Kelly Meding
Teil der noch im Entstehungsprozess befindlichen Buchreihe Strays Series, die recht viel Potential haben dürfte, wenn man diese Kurzgeschichte als Indikator nehmen darf.
Shiloh ist halb Djinn und hat jüngst erfahren, dass ihr Vater von einem Schwarz-Magier gefangen gehalten und als Zirkusattraktion ausgestellt wird. Zusammen mit zwei unerwarteten Verbündeten, von denen einer ein Werwolf ist, der andere ein pensionierter Soldat, und ausgestattet mit ihrem eigenen magischen Erbe, schleicht sie sich in die geschlossene Veranstaltung ein und findet weitere Gefangene vor. Für Shilo und ein paar andere zeichnet sich ein neues Ziel ab.
Interessantes Konzept, das neugierig auf mehr macht.

The Inside Man – Nicole Peeler
Teil der Jane True Series. Die drei Inhaberinnen der Triptych Agentur bekommen Besuch vom größten Gangsterboss der magischen Szene und werden “gebeten” herauszufinden, weshalb seine Schwester und alle anderen Bewohner ihrer Stadt ihre Erinnerungen und ihre Ambitionen verloren haben. Ihre Ermittlungen führen sie in die Fänge eines dämonischen Clowns, der ganze Städte heimsucht und nichts alle leere menschliche Hüllen zurücklässt.
Spannende Charaktere mit interessanten Hintergründen und ordentlich Frauenpower. Hier wird nicht lange gefackelt und gleich kurzer Prozess mit Dämonen wie menschlichen Bestien gemacht … Da lohnt sich wohl ein Blick in die Buchreihe.

A Chance in Hell – Jackie Kessler
Teil der Buchreihe A Hell on Earth. Die frühere Sukkubi Jezebel ist inzwischen menschlich und auf der Flucht vor dem Höllenfürst, um die Apokalypse zu verhindern. Ihre Mitbewohnerin soll Jez beibringen, was Menschlichkeit bedeutet, und nimmt den unmotivierten Ex-Dämon mit zu einem Zirkus. Der Tag verschlechtert sich deutlich, als Jez dort einem hochrangigen Dämon der Gier begegnet, der nichts lieber täte als Jezebels blitzblanke neue Seele in seine Finger zu kriegen.
Teilweise humorvoll, mit viel Erotik garniert.

Hells’s Menagerie – Kelly Gay
Teil der Buchreihe Charlie Madigan. Die zwölfjährige Emma, Tochter von Charlie Madigan, marschiert in Charbydon (Hölle) ein, um die entführten Welpen und das Weibchen ihres Höllenhundes Brim zu retten. Dabei riskiert sie lebenslangen Hausarrest, den Rauswurf aus der Schule und selbstverständlich ihr eigenes Leben, wie auch das ihres Begleiters, dem Djinn, der im Körper ihres dahingeschiedenen Vaters steckt.
Obwohl die Ansätze gut waren, habe ich diese Geschichte letztlich nur quer gelesen. Die Protagonistin war mir zu jung und die Rettung von Hundewelpen hat meinen Toleranzbereich für Niedlichkeiten gesprengt.

Daughter of the Midway, the Mermaid, and the Open, Lonely Sea – Seanan McGuire
Ada ist im Zirkus der Miller Familie geboren und aufgewachsen. Ihre Mutter ist die Hauptattraktion: eine echte Meerjungfrau, die als junge Frau schwanger Zuflucht im Zirkus gesucht hat. Nach beinahe zwanzig Jahren kommt der Zirkus an den Ort zurück, von dem Adas Mutter einst geflohen ist, und prompt wird das Mädchen von ein paar der Stadtbewohner entführt und gefangen gehalten. Ada entdeckt, dass es ein düsteres Geheimnis im Leben ihrer Mutter gab, die sich freiwillig entschieden hat, alles zu vergessen, indem sie sich dem Wasser hingab und ihre unvermeidliche Verwandlung in eine Meerjungfrau vollzog. Der Zirkus mag die Freakshow haben, doch die Monster leben außerhalb.
Eine Geschichte, die mit etwas mehr Tragik gefüllt ist und leider viele Aspekte der Charaktere nur andeutet, von denen mehr zu wissen spannend gewesen wäre.

Cover von Cave Canem von Akif PirinçciDiesmal ist der samtpfotige Detektiv einem Mörder auf der Spur, der mit kräftigem Gebiß seine Opfer furchtbar übel zurichtet. Seltsam nur, daß die Verletzungen von nur zwei Zähnen zu stammen scheinen … Es sind diesmal auch nicht nur Opfer unter den Katzen zu beklagen, sondern auch unter deren Erzfeinden. Katzen und Hunde beschuldigen sich gegenseitig, und so wird bei einer großen Versammlung der beiden Parteien beschlossen, daß Francis, dessen kriminalistischer Spürsinn auch den Hunden zu Ohren gekommen ist, den Täter aufspüren soll. Doch ihm wird ein “Partner” in Gestalt des alten, vom Leben gezeichneten Schäferhundes Hektor zur Seite gestellt …

-Kommen Sie, folgen Sie mir; ich erzähle Ihnen eine Geschichte über Krieg und liebenswerte Feinde und darüber, warum Feinde für uns so lebensnotwendig sind wie die Luft zum Atmen.-
Erstes Kapitel

Dies ist der dritte Roman von Akif Pirinçcis Felidae-Romanreihe, die ich eigentlich eher in die Kriminal-Ecke einordnen würde, obwohl kein menschlicher “Sherlock Holmes” die Handlung trägt. Akif Pirinçci versteht es, Szenarien aufzubauen, die nach und nach immer bedrohlicher, schrecklicher und perfider werden, bis sie schließlich in der Perversion enden. Diese Perversion ist jedoch immer bei den Menschen und ihren Zielen zu suchen, und die Handlungsweise der Tiere geht direkt aus den Aktionen des Menschen hervor. Pirinçci hält uns mit seiner Felidae-Reihe einen Spiegel vor, der die Abgründe des menschlichen Denkens und Handelns ziemlich schonungslos zur Sprache bringt, doch weil er Grundprobleme der Menschheit über den Umweg des Tierreiches behandelt und nicht direkt anspricht, wirkt das Ganze ein wenig surreal – der Blickwinkel der Tiere, um menschliche Grausamkeit aufzudecken bzw. anzuprangern, lässt eine merkwürdig verzerrte Perspektive entstehen, mit der nicht jeder zurecht kommt.

In dem Roman Cave Canem beleuchtet der Autor die Auswirkungen von Kriegen auf Seele und Psyche. Es ist mithin kein Buch für schwache Nerven. Man bekommt einiges serviert, an dem man zu kauen hat, und der Inhalt ist nicht unbedingt leicht zu verarbeiten, darüber kann auch der lockere Sprachstil von Akif Pirinçci nicht hinwegtäuschen. Er hat dem Kater Francis wieder herrlichen Zynismus und Spitzen auf die menschliche Rasse (vor allem auf seinen “Dosenöffner” Gustav) zwischen die nadelspitzen Fangzähne gelegt, dass man sich oftmals das Lachen (über sich selbst) nicht verbeißen kann. Dennoch bleibt der Tenor des Romans ernst und vor diesem Hintergrund wirken Francis’ Äußerungen oftmals sarkastisch.

Der Handlungsverlauf ist straff gespannt: kaum hat man sich von dem Schrecken nach dem ersten Mord erholt, findet sich schon ein neues Opfer. Im Hintergrund lauert das namenlose Grauen, die Ungewissheit und die Angst machen die Katzen und Hunde des Viertels zu aggressiven Amokläufern. Jeder verdächtigt jeden und Francis, der eine offene Auseinandersetzung unbedingt verhindern will, gerät bald in Zeitnot …
In Cave Canem, wie auch in den anderen Büchern der Felidae-Reihe, werden Problematiken aufgearbeitet, die für einen Roman, der eigentlich der Unterhaltung dienen soll, zu “gewichtig” sind … (Tierversuche, Krieg, Gentechnik usw.) doch nun, bei diesem dritten Band der Reihe, kommt der Autor langsam zu einem Punkt, an dem alles irgendwie “an den Haaren herbeigezogen” wirkt, vor allem, wenn Francis sich an den Computer begibt und in die Tiefen des Internets vordringt. Hinzu kommt, dass Dimensionen und Lösung des Kriminalfalls dem Leser bald klar sind.

The Crown Conspiracy von Martin J. SullivanAls die Meisterdiebe Royce Melborn und Hadrian Blackwater den Auftrag erhalten, ein magisches Schwert aus der Königsburg zu stehlen, ahnen sie nicht, dass sie nur als Sündenböcke für ein weit schlimmeres Verbrechen missbraucht werden sollen. Der König wird erdolcht, und die am Tatort aufgegriffenen Einbrecher finden sich rasch als vermeintliche Mörder im Kerker wieder. Ein qualvolle Hinrichtung scheint unausweichlich, doch da macht Arista, die Tochter des Ermordeten, den beiden ein unerwartetes Angebot: Sie will ihnen zur Flucht verhelfen, wenn sie im Gegenzug ihren Bruder, den auf seine neue Aufgabe nur schlecht vorbereiteten Thronfolger Alric, entführen …

– By architectural standards, or any other measures, Ballentyne Castle was unremarkable and ordinary in every respect. No great king or hero ever called the castle home. Nor was it the site of any legend, ghost story, or battle. Instead, it was the perfect example of mediocrity and the mundane. –
Chapter 1 – Stolen Letters

Es ist beim besten Willen keine hohe Literatur, was Michael J. Sullivan in The Crown Conspiracy bietet, sondern recht simple Abenteuerfantasy, die bewährten Schemata verhaftet ist und in der man gesunden Menschenverstand bei den Figuren, Realismus oder konsequente Logik oft vergeblich sucht. Dementsprechend wenig überraschend entwickelt sich auch der Plot um das nolens volens in die Machtkämpfe eines kleinen Königreichs hineingezogene Gaunerduo, das in seiner Gegensätzlichkeit ebenso dem Klischee entspricht wie die meisten anderen Charaktere. Unreife Kronprinzen, exzentrische Zauberer, weltfremde Mönche, korrupte Priester, opportunistische bis ritterliche Adlige und Huren mit goldenem Herzen gehören nun einmal zum Standardinventar einer bestimmten Form von Fantasy und werden hier nicht etwa ironisiert, sondern mit der fast naiven Ernsthaftigkeit zum Einsatz gebracht, die dem Genre in den letzten Jahren eigentlich verloren gegangen ist. Der Einfachheit des Inhalts entspricht die fast durchgehend schnörkellose Sprache, die auch Lesern, die sich nur selten an englische Originaltexte wagen, keine großen Schwierigkeiten bereiten dürfte.

Auch der Weltenbau enthält viel Althergebrachtes: Die Helden bewegen sich durch eine wenig originelle Topographie aus Städten, Burgen und Landgebieten mit dem ein oder anderen architektonischen Überbleibsel einer glorreicheren Vergangenheit, die zur Handlungszeit natürlich bereits einem klassischen Pseudomittelalter gewichen ist, in dem eine vage an das Christentum angelehnte, gespaltene Kirche und unterschiedliche politische Parteiungen teilweise auch länderübergreifend um Einfluss ringen. Neben Menschen sind Elfen und Zwerge zu finden, und auch die Magie folgt gewohnten Mustern.

Am Rande sind in dieser erst sehr derivativ anmutenden Kulisse allerdings durchaus interessante Ideen versteckt: So gestaltet sich etwa die Kommunikation mit einem seit Jahrhunderten in einem magischen Gefängnis schmachtenden Zauberer schon aus dem Grunde schwierig, dass er selbst nach Lehrstunden in moderner Sprache immer noch ungefähr so klingt, als würde Yoda sich auf Mittelenglisch zu äußern versuchen, und sich nur zähneknirschend bereiterklärt, an seiner Ausdrucksweise zu arbeiten.

Während dies sich noch vor allem amüsant liest, werden unversehens auch ernstere Themen präsentiert: Die Elfen sind nach langer Unterdrückung und Versklavung durch die Menschen zu einer marginalisierten Randgruppe heruntergekommen, deren besondere Fähigkeiten zwischen Armut und Alkoholmissbrauch kaum noch zur Entfaltung gelangen. Wenn Sullivan an ihrem Beispiel alltäglichen Rassismus schildert, beweist er eine Feinfühligkeit, mit der man zwischen all den munteren Abenteuern und flotten Sprüchen nicht rechnet, die aber auch in manchen anderen Szenen plötzlich aufscheint (etwa im schwierigen Abschied eines schon im Kindesalter ins Kloster gesteckten Mannes von dieser einzigen ihm vertrauten Heimat).

Solche Momente und die spürbare Sympathie des Autors für seine in all ihrer Gewöhnlichkeit doch irgendwie ziemlich liebenswerten Helden ziehen einen fast wider Willen in die Geschichte und sorgen dafür, dass nach dem Ende der Lektüre mehr hängen bleibt, als man es diesem Roman eigentlich zutraut. Abseits hoher Ansprüche und neuer Trends im Genre entfaltet The Crown Conspiracy einen gewissen nostalgischen Charme, der einen über die unleugbaren Schwächen hinwegtröstet und den Roman zur guilty pleasure macht, wobei man guilty vielleicht groß schreiben sollte – doch das hätte ein Buch, das so erkennbar gut gemeint ist, nun auch wieder nicht verdient.

The Crown Jewels von Walter Jon WilliamsDrake Maijstral, adlig, weltgewandt, kriminell, hat sich den Planeten Peleng ausgesucht, um ein paar krumme Dinger abzuziehen. Dort versammelt sich gerade so einiges mit Rang und Namen aus der Galaxis, beste Gelegenheiten also für Drake, die Reichen, Schönen und Wichtigen auf gesellschaftlichen Ereignissen auszuspähen und später auszunehmen. Doch auf Peleng geht es um mehr als nur Bälle, Blitzlichtgewitter und Abhängen im Landhaus: Insgeheim wird dort große Politik gemacht. Und Drake ist drauf und dran, mitten hinein zu schlittern …

– Drake Maijstral walked on soft leather buskins down the center of the Peleng City ballroom and never made a noise. He was light-footed by trade.-
Chapter One

SF und Humor sind eigentlich keine Genres, die sich oft in trauter Zweisamkeit zwischen zwei Buchdeckeln wiederfinden, mit Ausnahme vielleicht von parodistischen One-Night-Stands. Bei Walter Jon Williams’ Drake Maijstral-Trilogie läuft die Sache allerdings so geschmeidig, dass man beinahe an eine längerfristige Beziehung glauben könnte. Aber Williams nutzt auch einige Tricks, um die beiden zu verkuppeln: Die SF-Elemente stammen aus der fantasy-nahen Space Opera. Es gibt eine rückwärtsgewandte, die Galaxis überspannende Gesellschaft mit Bällen, Protokollen und Hierarchien, in der Hochzeiten und Beziehungen eine große Rolle spielen. Und in dieses opulente SF-Setting hat Williams das Motiv vom Gentleman-Dieb verfrachtet, der sich durch die oberen Gesellschaftsschichten bewegt.
Als besonderer Clou ist Drake Maijstral, ein Trickster-Jüngling mit persönlicher Vendetta, nicht einmal im eigentlichen Sinne kriminell, denn das gesellschaftlich anerkannte Konzept des „Allowed Burglar“ bringt einen gewissen Respekt vor meisterhaft abgezogenen Diebstählen mit sich, die in den stets der High Society hinterherspionierenden Medien abgefeiert werden und mit einem gewissen Ruhm einhergehen.

Für Reibung und unendliche Möglichkeiten, die Situation für glorreiche Diebestaten auszunutzen, sorgt ein bewährtes Zwei-Fraktionen-Konzept, in dem ein aggressives galaktisches Alien-Imperium mit sich zur eigenen Autorität gemausert habenden menschlichen Rebellen auf Augenhöhe verhandeln muss. Auf diesem diplomatisch delikaten Terrain bewegt sich die Handlung, auch wenn die epische Breite der Geschichte letztlich im Hintergrund bleibt, da sich The Crown Jewels vorrangig auf dem Planeten Peleng abspielt, auf dem der Tross der oberen Zehntausend wie ehedem das Wanderkönigtum eine Weile Halt macht. Trotzdem behandelt The Crown Jewels die Themen Eroberung, Überfremdung, Imperialismus, Loyalität und Fanatismus, jedoch auf spielerisch-leichte Weise. Wie auch anders, wenn die Eroberer fluffige … Katzenbären sind?
Für den SF-Einschlag sorgen vor allem die omnipräsenten Medien (nicht so weit weg von der heutigen Boulevardpresse) und die ausgeklügelte Technik – beides macht sich Drake bei seinen Beutezügen (und den Winkelzügen, um am Ende ganz smooth auf der legalen Seite und um einiges reicher dazustehen) gekonnt zunutze.

So viel also zu den Hintergründen, das eigentlich Spannende an The Crown Jewels ist die Umsetzung: In kurzen Abschnitten lässt Williams die Geschichte in einem extrem flotten Rhythmus über die Bühne tänzeln, manchmal sogar staccato: Es gibt tatsächlich Kapitel, die die Geschichte in nur einem Wort nach vorne katapultieren und das Konzept des Prosa-Erzählens ziemlich ausreizen. Ein Kunststück, das man eigentlich gelesen haben muss, um zu glauben, was da erzählerisch abgeht, sind die elaborierten Tanzszenen (es geht um Hoftänze mit wechselnden Partnern), die an den Höhe- und Wendepunkten der Geschichte zum Einsatz kommen.
Gelungener Slapstick-Humor ist eine feste Größe bei The Crown Jewels, genauso wie Wortspiele (man beachte den Titel, höhö) und ein generell spielerischer Umgang mit Sprache und Sprachebenen, der auch dazu dient, die liebenswerte Figurenriege zu charakterisieren, die bis in die kleinsten Nebenrollen Spaß macht, begünstigt durch die vielen Szenen- und Perspektiv-Wechsel, bei denen man Einblick in die schrulligen, edlen, verruchten oder überambitionierten Protagonisten bekommt, Menschen wie Aliens, vom Ex-Militär bis zum dumpfen Schläger.

Mit irrsinnigen Verfolgungsjagden, Keilereien mit viel Kollateralschaden an Keramik, spritzigen Dialogen und absurden Manövern des kriminellen Genies Drake mäandert The Crown Jewels zwischen Screwball-Komödie und Gesellschaftsstück und wirkt beinahe etwas sperrig, wenn es dann wirklich (aber nur kurz!) ernst wird.
The Crown Jewels hat keinen großen Tiefgang – allein schon um der vielen Geheimpläne willen muss es sich auch bei den Figuren eher am Äußeren als am Inneren entlanghangeln –, es ist eine Spaßlektüre, die die eingegliederten Genres auf die Spitze treibt und ein bisschen auf den Arm nimmt, ein tänzelnd leichtes Vergnügen, doch als solches durchaus meisterhaft choreografiert.

Death Masks von Jim ButcherDas Grabtuch von Turin wurde aus dem Vatikan gestohlen, und Harry soll es finden. Was anfangs nach einer einfachen Aufgabe klingt, wird schnell brenzlig, als Harry es mit Auftragskillern, gefallenen Engeln, einer kopflosen Leiche mit zahllosen Krankheiten und dem Champion des Roten Hofes der Vampire zu tun bekommt. Als wären das noch nicht ausreichend Herausforderungen, taucht auch Susan plötzlich vor Harrys Türe auf und hat einen anderen Mann dabei.

– Some things just aren’t meant to go together. Things like oil and water. Orange juice and toothpaste.
Wizards and television. –
Kapitel 1, S. 1

Ein Vampir, ein Priester und ein Magier gehen in eine Talkshow …
Klingt wie der Anfang eines Witzes? Ist es aber nicht. Zumindest nicht für Harry Dresden, denn wie der geneigte Leser inzwischen gelernt haben dürfte, ist Harry ein Magnet für schwergewichtige Probleme, und davon am besten gleich mehrere an verschiedenen Fronten. In Death Masks (Silberlinge) treffen wir daher auf zwei große Handlungsstränge. Einmal wird der Krieg zwischen den Vampiren und den Magiern wieder aufgegriffen: Harry wird vom Champion der Vampire des Roten Hofs zu einem Duell herausgefordert, dessen Ausgang über den gesamten Krieg entscheiden soll. Um es für Harry auch ganz persönlich schwierig werden zu lassen, taucht Susan plötzlich vor seiner Türe auf, noch immer mit dem Vampirgift infiziert und in Begleitung eines anderen Mannes. Damit ist der Tag für Harry freilich bereits gelaufen, doch Harry wäre nicht Harry, wenn ein solcher Tag nicht noch wesentlich schlechter werden könnte. Damit sind wir auch schon beim zweiten großen Handlungsstrang, der buchstäblich biblische Ausmaße annimmt. Gefallene Engel haben es nicht nur auf das Turiner Grabtuch abgesehen, sondern auch auf Harry selbst. Ein Glück für den Magier, dass Michael und zwei weitere Kreuzritter zur Stelle sind, um ihm den Allerwertesten zu retten.

Die Qualität der Dresden-Bücher schwankt leider immer wieder von “einfach genial” zu “so lala” und diesmal sind wir näher an lala als an genial. Nach dem sehr starken vierten Band Summer Knight (Feenzorn) war zu erwarten, dass Death Masks einen schwierigen Stand haben würde. Schade, denn die Ideen sind durchaus gut, doch es gibt verschiedene Altlasten, die allmählich lästig werden. So wird die Geschichte nunmehr zum fünften Mal damit eingeleitet zu erklären, wer Harry ist und was er macht, wie er lebt, wer Bob und Mister etc. sind … Danke, Herr Butcher, doch nach fünf Bänden weiß die Leserschaft, was sie hier zu lesen gedenkt, und muss es nicht immer wieder gesagt bekommen. Ähnlich ist es mit Harrys altmodischem chevaleresken Gebaren in Gegenwart von Frauen, seien sie gerade auch noch so unfreundlich. Wo bleibt da bloß der gesunde Menschenverstand? Eine Frau mit Waffe muss wahrlich nicht beschützt werden, schon gar nicht, wenn sie damit auf einen zielt. Wirklich störend fällt es vermutlich nur deswegen auf, weil so oft wörtlich betont wird, dass Harry altmodisch und galant ist. Vielleicht fürchtet Butcher, seine Leser hätten die Aufmerksamkeitsspanne einer Eintagsfliege, dass er bestimmte Dinge bis zum Erbrechen wiederholen muss, statt einfach Harrys Taten für sich sprechen zu lassen.
Erschwerend kommt hinzu, dass Harry in Death Masks extrem schlecht gelaunt wirkt und der Humor nur schwer durchklingt. Das schwächt den Unterhaltungsfaktor merklich ab und lässt einen verschärft den Blick auf Schwachstellen werfen, wie etwa die etwas seltsame sexuelle Begegnung zwischen Harry und Susan, die eher Bondage-Freunde begeistern dürfte, die eingangs genannten Wiederholungen und auch mal die ein oder andere dumme Entscheidung.

Gut gelungen dagegen sind wie immer der Weltenbau und die Entwicklung der Charaktere, von denen wir auf zahlreiche alte, aber auch etliche neue treffen. Der Leser erhält neue Einblicke in das Leben von Susan, Harry selbst und auch von Michael mit seinen Kreuzrittern. Vor allem mit dem neuen Charakter Archive alias Ivy und dem Auftragskiller Kincaid präsentiert Butcher ein ungleiches Paar, das für all den sonst zu kurz kommenden Humor und die schlechte Laune des Protagonisten entschädigt. Auch werden bereits vorhandene Handlungsstränge aus den vorigen Bänden konsequent fortgesetzt, so dass man auch hier neue Erkenntnisse erlangt. Bloß auf Hausgeist Bob und Ermittlerin Murphy muss man diesmal nahezu verzichten.
Death Masks weist einmal mehr darauf hin, dass es dunkle Geheimnisse in Harrys Familie gibt und er aus einem noch unbekannten Grund deswegen besonders reizvoll für die Denarier – die gefallenen Engel – und deren Anführer Nicodemus ist. Genaues erfährt der Leser leider nicht, die Dinge bleiben rätselhaft und sorgen für genug Neugierde, um auch den Folgeband zur Hand nehmen zu wollen.

Obwohl Death Masks wieder deutlich spröder und weniger unterhaltsam daherkommt als Summer Knight, lohnt es sich, am Ball zu bleiben. Vielleicht ist es auch nur eine Frage des thematischen Fokus. Während sich Summer Knight in der keltischen Sagenwelt bewegte, konzentriert sich Death Masks auf die christliche Mythologie. Doch egal, welche Themenrichtung einem nun mehr zusagt, die Handlungsstränge werden gewohnt temporeich erzählt, und wenn man es mit der Glaubhaftigkeit nicht allzu genau nimmt, dann kann man nach einem Augenrollen auch diesen fünften Roman in der Reihe noch gut genießen.

The Death of the Necromancer von Martha WellsNicholas Valiarde ist ein Edelmann mit einem Doppelleben als größter Dieb der Stadt Vienne – und seine Verbrechen dienen nur einem Ziel: Er will den Grafen Montesq ausschalten, der einst seinen Mentor wegen Nekromantie zum Tode verurteilen ließ. Nicholas ist näher als je zuvor an seinem Ziel, als ihm ein ungelegener Zwischenfall in die Quere kommt: Ein zwielichtiger Spiritualist, der angeblich mit Verstorbenen kommunizieren kann, geht in den Adelshäusern der Stadt ein und aus und benutzt eine der Erfindungen von Nicholas’ verstorbenem Mentor. Als ob das nicht genug wäre, sieht sich Nicholas bei seinen Nachforschungen plötzlich echter Nekromantie gegenüber. Er geht der Sache nach – weitaus besser als die inkompetente Präfektur der Stadt …

-The most nerve-racking commissions, Madeline thought, where the ones that required going in through the front door.-
1

Auf den ersten Blick besticht Martha Wells’ Roman durch das Ambiente: Gaslicht, Magie, rauschende Feste, erbärmliche Elendsviertel, und der letzte Schrei in der opulenten Großstadt ist die neu eröffnete Eisenbahn – Ile-Rien ist ein atmosphärisches Steampunk-Setting, wie es schöner nicht sein könnte, und die Ähnlichkeit zum Frankreich der Vormoderne geht auch ein klein wenig über die frankophilen Namen hinaus. Noch dazu spielt die Geschichte im illustren Halbwelt-Milieu: ein gerissener Gentleman-Dieb samt seiner Bande (einer Schauspielerin, einem abgehalfterten Kavalleristen, einem opiumsüchtigen Zauberer und etlichen ordinären Langfingern) will sich an einem der Mächtigen der Stadt Vienne rächen, der seinen Ziehvater mit einem Komplott der Nekromantie bezichtigt hat und ihn damit einen Kopf kürzer machte. Das ist der Stoff, aus dem Mantel-und-Degen-Abenteuer gestrickt sind, und auch in den Figurenkonstellationen finden sich solche Anklänge.

Damit wären wir beim zweiten großen Pluspunkt von The Death of the Necromancer, den Charakteren. Es ist eine einprägsame Ansammlung von skurrilen, liebenswerten und interessanten Figuren, die hier auf kriminellen Pfaden zu ihrem Recht zu kommen sucht. Abgebrüht genug, um große Nummern in der Verbrecherwelt zu sein, aber mit dem kleinen Rest Gewissen, so daß man sie allesamt noch gern haben kann. Martha Wells versteht es, die Hintergründe ihrer Figuren ganz natürlich nach und nach aufzudecken, so daß sie am Ende alle nachvollziehbar sind und die Charakterentwicklung immer dynamisch bleibt.
Als die gutherzigen Schlitzohren durch ihren geplanten Racheakt in ein viel größeres Geschehen gezogen werden, hängt man schon an ihnen – der lebendige Stil, der nahe an den Personen bleibt, trägt das Seine dazu bei. Einige Charakterentwicklungen zeichnen sich schon im Voraus ab, wie etwa die Beziehung zwischen Nicholas und seinem Feind Inspektor Ronsarde, dem Ermittler, der ihm auf der Spur ist – sie sind aber nicht minder lesenswert.

Die vielen kleinen, spannenden Coups, die sich die Verbrecherbande leistet, sorgen für großartige Dynamik – die Geschichte hat keinerlei Längen und das Tempo ist durchgehend hoch, ohne daß der rote Faden verloren geht. Trotzdem bleibt Zeit für einige bewegende Szenen, und auch Humor ist bei den gerissenen Schurken zu Hauf vorhanden – was die teilweise düstere Stimmung, die sich schon aus dem Grundthema “Nekromantie” ergibt, größtenteils aufhebt.
Der locker-leichte Stil der Geschichte wird auch dadurch unterstrichen, daß der Tod in diesem Roman erstaunlicherweise keine große Ernte einfährt. Da sich zeitgenössische Fantasy oft auch in den Darstellungen von Grausamkeiten überbietet, außergewöhnlich – denn angeboten hätten sich so manche entsetzlichen Szenen, aber diese werden in der Regel elegant umschifft. Um so schöner ist, daß die geringe Sterberate der Spannung gar keinen Abbruch tut und man dennoch gehörig um die Protagonisten zittern kann.

Magie, ihre Verknüpfung mit Technik, aber auch ihre altertümliche Form mit Fabelwesen, Feen und anderen Erscheinungen ist stimmig in die Handlung eingebunden und wird zwar spärlich, aber immer eindrucksvoll eingesetzt.
So läßt allein die Auflösung der Haupthandlung ein klein wenig zu wünschen übrig – auch hier kommen zwar wie im gesamten Roman überraschende und interessante Kniffe zum Tragen, aber ingesamt geht es doch ein wenig schnell über die Bühne. Dafür gibt es aber für alle Beteiligten ein schönes, rundes Ende – ingesamt also eine Lektüre, die sehr viel Vergnügen bereitet und ganz in sich geschlossen ist – obwohl man Ile-Rien in weiteren Romanen von Martha Wells noch ausführlicher erkunden kann.

The Demon and the City von Liz WilliamsDer Dämon Zhu Irzh, der sich vorerst aus der Hölle abgesetzt hat und im Polizeidezernat von Singapur Drei arbeitet, muss in einem Mordfall ermitteln. Bald weisen alle Spuren auf den Mega-Konzern Paugeng, wo sich die Ermittlungen schwierig gestalten, zumal Zhu Irzh nicht gerade die volle Unterstützung seiner menschlichen Kollegen und Vorgesetzten hat.
Paugeng führt in aller Heimlichkeit Experimente an Dämonen durch, und die geheimnisvolle Firmenerbin Jhai Tserai hat Pläne, die weit über diese Welt hinausreichen. Da prophezeit das Testsubjekt Mhara, das sich in der Betreuung der von Schuldgefühlen geplagten Robin befindet, das Ende der Stadt.

-The Chinese inhabitants of Singapore Three say that August is an unlucky month. They say that it is called the month of the dead, for it is always during the endless burning days that the dead return, looking for the living, drawn by blood and breath.-
Prologue

Nach dem fulminanten Serien-Auftakt Snake Agent ist es vielleicht ein wenig ernüchternd, festzustellen, dass der zweite Fall von Detective Inspector Chen eigentlich ein Fall des Dämons Zhu Irzh ist, der sich als irdischer Polizist und temporärer Bürger von Singapur Drei zwar nicht viel daraus macht, auf Erden schlecht gelitten zu sein (so er denn überhaupt bemerkt und nicht übersehen wird), aber außerhalb seiner angestammten Höllenheimat schwer unter Langeweile leidet. Die delikate Interaktion zwischen Chen und Zhu Irzh, die den ersten Band zu einem buchgewordenen Buddy-Movie macht, fehlt damit auf weiten Strecken von The Demon and the City – Chen ist im Urlaub auf Hawaii. Auch auf das Höllendekor und die aberwitzige Bürokratie der chinesischen Hölle muss verzichtet werden, da dieser Fall sich auf der Erde, im Nachthafen und im Himmel abspielt.

Dass dadurch einige der charmantesten Elemente des ersten Bandes verloren gehen, tut weh, auch wenn die Entscheidung letzten Endes nachvollziehbar ist: Da auch The Demon and the City mit himmlisch-höllischen Verschwörungen arbeitet, die am besten durch willige irdische Helferlein vollzogen werden, und wiederum übernatürliche Mächte eingreifen und eine Spur der Verwüstung hinterlassen, wäre die Gefahr einer Wiederholung groß gewesen, hätte Liz Williams nicht an ein paar Parametern geschraubt.
Zhu Irzh, bisher schon heimlicher Star der Serie, sollte sich als Hauptfigur eigentlich prächtig machen: Er gibt wieder den dämonischen Dandy, der dann am charmantesten ist, wenn er sich ganz undämonenhaft benimmt, doch leider langweilt sein “ich böser, böser Bube”-Gehabe schnell. Schon gut, Zhu Irzh, wir wissen, dass du dir ein Gewissen eingefangen hast und dich hauptsächlich in die blendende Ästhetik des Bösen kleidest!
Zur Entschädigung für das ein oder andere Gähnen gibt es immerhin eine Szene mit Chens hinreißendem bärbeißigen Teekessel, der Zhu Irzh’ Attitüde bricht und für den Lacher des Buches sorgt.

Im Laufe von Zhu Irzh’ Ermittlungen wird eine ganze neue Figurenriege eingeführt, die auch für weitere Bände erhalten bleibt (was allerdings heißt, dass die Geschichten der Figuren aus Snake Agent vorerst nicht weitergeführt werden), daraus sticht vor allem die konfliktbeladene Robin hervor, die zwischen dem, was ihr Gewissen sagt, und den Notwendigkeiten des täglichen Überlebens pendelt, wenn sie jeden Tag zur Arbeit mit ihrem lebenden Versuchsobjekt beim Konzern Paugeng antanzt, weiterexperimentiert und daran leidet, nicht die Wahl zu haben. Liz Williams’ Darstellung der Interaktion zwischen dem Göttlichen (oder Dämonischen) und den Menschen ist ohnehin hervorragend gelungen – einerseits wird die Allmacht der Götter deutlich, und ihre relative Gleichgültigkeit, andererseits gibt es (wohl auch für Götter) ein teils verblüffendes, teils auch hausgemachtes Karma, das für einen gewissen Ausgleich sorgt.

Der Hauptplot ist in The Demon and the City weniger ein eleganter roter Faden als ein Mosaik, das man sich aus verschiedenen Kapiteln und Perspektiven zusammensetzt, und das Bild, das dabei herauskommt, bleibt immer eine Interpretationssache. Beweggründe der einzelnen Beteiligten an der komplexen Verschwörung bleiben schwammig, was zu einem merkwürdigen Hybriden aus verwickelten Einzelheiten und allzu simplen Hintergründen führt.
Es scheint, als würde Liz Williams etwas zu atemlos durch ihre ultrakurzen Kapitelchen hetzen, ohne sich mit Erklärungen oder einem fundierten Aufbau der Handlung zu befassen. Auch in der dürftigen Reaktion der Figuren auf die gigantischen Ereignisse macht sich diese Schieflage bemerkbar.
Williams’ Stärke liegt eindeutig eher bei Einzelszenen, bei der wunderbaren Atmosphäre, die sie in ihrem einzigartigen Setting schaffen kann: in einem Augenblick fremdartig-übersinnlich und im nächsten geerdet, sei es nun im Nachthafen, dem Übergangsort der Seelen, oder in Singapur Drei, das Williams perfekt als globalisierte urbane Metropole präsentiert, in der die Party auch weitergeht, wenn ein Gott gerade einen Wolkenkratzer zertrampelt hat.

Weniger feine Untertöne und weniger Witz als Snake Agent machen aus The Demon and the City einen noch immer gut lesbaren, aber nicht mehr so brillanten Roman wie den Vorgänger. Bei Freunden des maliziösen Schönlings macht Zhu Irzh wohl alles wett, andere müssen abwarten, ob der dritte Band wieder zu alten Stärken zurückfindet.

Cover des Buches "Disappearing Nightly" von Laura ResnickEsther Diamond hat kein Glück. Sie ist Schauspielerin in New York, doch ihr großer Durchbruch lässt auf sich warten. Als sie endlich eine Rolle in einem kleinen Off-Broadway-Stück namens Sorcerer! bekommt, hofft sie zumindest auf gute Kritiken. Doch während die Show gerade beginnt, einigermaßen Erfolg zu haben, verschwindet Golly Gee, die weibliche Hauptrolle, während des Stückes spurlos. Esther, die Zweitbesetzung, erhält endlich ihre Chance auf den erwarteten Durchbruch. Doch was ist mit Golly Gee wirklich passiert? Esther erhält mysteriöse Warnungen, dass ihr das gleiche Schicksal bevorsteht, wenn sie die Hauptrolle übernimmt. Und nicht nur das, denn plötzlich verschwinden noch mehr Menschen während der Auftritte spurlos …

-»I could feel the forces of chaos encroaching on my cosmic destiny,« he said in a shaken voice.
»New York cabs take some people that way.”-
Chapter 3

Nachdem ich die Sirkara-Chroniken von Laura Resnick gelesen habe, habe ich die Autorin zu meinen Favoritinnen hinzugefügt und auf neue Bücher von ihr gewartet. Endlich habe ich es nun auch geschafft, das neueste Werk zu lesen; enttäuscht wurde ich nicht.

Wie bereits in der Sirkara-Reihe setzt die Autorin hauptsächlich auf die Charaktere. Ein bunt zusammengewürfelter Haufen begegnet uns darin: Esther, die erfolglose Schauspielerin, ist wunderbar spitzfindig und nie um eine Antwort verlegen, was der größte Pluspunkt für dieses Romans ist. Die Dialoge sind herrlich erfrischend und teilweise echt witzig, so dass ich mehr als nur einmal lachen musste. Auch die anderen Charaktere – von “Magiern” über den Cowboy bis zur Drag Queen – sind lebendig und einfach sympathisch. Am Ende jedoch werden es einfach zu viele Charaktere auf zu wenig Seiten, als dass es noch irgendwelche tiefgründigen Beschreibungen geben könnte, einzige Ausnahme ist natürlich die Protagonistin.

Die Story beginnt spannend und innovativ, ebbt aber nach den ersten 100 Seiten ein wenig ab, das Ende ist leider nach Schema F. Trotz allem sorgt besonders der Anfang für ein unterhaltsames Lesevergnügen, so dass sich der Kauf allemal gelohnt hat. Alles im Allem hat sich Frau Resnick durch den Roman in meiner Riege der Favoritinnen bestätigen können und ich freue mich auf die nächsten Bücher.

Cover von Do Androids Dream of Electric Sheep? von Philip K. DickRick Deckard lebt mit seiner Frau auf der vom dritten (atomaren) Weltkrieg verwüsteten Erde, deren Bevölkerung dazu angehalten wird, auf die Kolonien im Sonnensystem auszuwandern. Zumindest jene, deren Erbgut nicht wie das von J.R. Isidore durch den Fallout verändert wurde. Dieser ist ein Mensch zweiter Klasse und liefert elektrische (gesellschaftlich verpönte) Ersatzhaustiere aus, als plötzlich eine geheimnisvolle Frau in seinen Apartmentblock einzieht. Rick Deckard arbeitet als Kopfgeldjäger und befördert illegal von den Kolonien remigrierte Androiden in den Ruhestand. Seine neue Herausforderung besteht darin, auch bei den neuen Nexus-6-Modellen Mensch und Android zu unterscheiden.

– ‘Dial 888,’ Rick said as the set warmed. ‘The desire to watch TV, no matter what’s on it.’ –
S. 4

Do Androids Dream of Electric Sheep? ist ein Klassiker der SF-Literatur, vielen ist sicherlich auch die Verfilmung des Stoffes durch Ridley Scott unter dem Titel Blade Runner ein Begriff. Wer den einen schon kennt, kann ruhigen Gewissens zum anderen greifen, denn der Handlungsverlauf unterscheidet sich doch deutlich, sodass sich niemand vor Spoilern fürchten braucht. Klassiker zu rezensieren ist nicht einfach, schließlich ist die Bewertung ja schon längst vorhanden. Aber warum könnte der Roman diesen Status erlangt haben?

Das könnte einerseits an der spannenden Story liegen oder andererseits an den Themen, die im Verlauf der Handlung angesprochen werden, wahrscheinlich liegt es aber daran, dass diese beiden Elemente so wunderbar miteinander verflochten sind. Die tiefgreifenden Fragen, die Dick in diesem Zusammenhang über das Verhältnis von Mensch-Maschine, organischem und mechanischem Leben aufwirft, sind wunderbar in den Handlungsverlauf, die Figurenentwicklung und die Facetten der dystopischen Welt eingeflochten, die dem Leser/der Leserin nach und nach präsentiert werden. Die Frage, was organisches Leben von mechanischem unterscheidet, wird im Zuge des Romans immer wieder neu gestellt, und gerade weil handlungsimmanent Empathie als hochoffizielles und durch einen standardisierten Testapparat überprüfbares Kriterium für das Menschsein gilt, eröffnet sich ein breiter Interpretationsspielraum, der den Roman so denkwürdig macht.

Gleichzeitig wird man vor allem vom Handlungsstrang um Rick Deckards Jagd auf die illegalen Androiden, der mit einigen interessanten Wendungen aufzuwarten weiß, durch den dünnen, aber sehr dichten Roman gezogen. Herauszufinden, welche der auftretenden Figuren als Android klassifiziert werden und welche nicht, wird ebenfalls schnell zur Triebfeder für das Geschehen. J.R. Isidores Anteil an der Story ist demgegenüber deutlich begrenzter, aber deswegen nicht unwichtig, eröffnet er doch immer wieder neue Perspektiven auf gewisse Aspekte der Handlung und liefert für die erste Hälfte des Romans eine sympathische Alternative zum unterkühlt-rationalen Kopfgeldjäger. Deckard gewinnt aber zunehmend an charakterlicher Tiefe und entwickelt sich zu einem interessant-tragischen Protagonisten, wenn auch vielleicht nicht zu einem Sympathieträger.

Do Androids Dream of Electric Sheep? beeindruckt also besonders durch die enge Verzahnung von spannender, wendungsreicher Handlung, gelungener Charakterzeichnung und techno-philosophischen Fragestellungen, die auch heute noch aktuell sind. Auf Deutsch ist der Roman unter dem Titel Träumen Androiden von elektrischen Schafen? bzw. Blade Runner erschienen.

Cover von Der Drachentöter von Martin ScottPrivatdetektiv Thraxas erhält von der Königstochter den Auftrag, Liebesbriefe zurückzuholen, die sie unvorsichtigerweise einem ausländischen Diplomaten geschrieben hat. Kaum hat Thraxas den Auftrag angenommen, wird er auch schon wegen Mordes verhaftet. Außerdem gerät er in Verdacht das wertvolle Rote Elfentuch gestohlen zu haben. Und das sind nicht die einzigen Schwierigkeiten, die Thraxas meistern muß, um seinen ersten Fall zu lösen.

-Turai ist eine magische Stadt. Von den Hafenanlagen im Stadtteil ZwölfSeen bis zum Park der Mondfinsternis, von den stinkenden Elendsvierteln bis zu den duftenden Gärten des Kaiserlichen Palastes, findet ein Besucher alle Arten erstaunlicher Personen, erstaunlicher Dinge und erstaunlicher Dienstleistungen.-
1. Kapitel

“Ich bin dreiundvierzig, übergewichtig, bar jeden Ehrgeizes, und habe einen fatalen Hang zu ausgedehnten Sauftouren.” Falls Sie jetzt auf eine ausführliche Lebensbeichte des Rezensenten hoffen, muß ich Sie enttäuschen. Dieser Anfall von Selbsterkenntnis stammt von Thraxas, dem Helden des Romans Der Drachentöter (Thraxas). Er ist außerdem geschieden, chronisch pleite und von Beruf Detektiv und Zauberer – ein ziemlich schlechter Zauberer. Der Fall liegt klar: Thraxas ist der typische Verlierer und das macht ihn so sympathisch.
Martin Scott verbindet in seinem Roman ein historisches Ambiente mit sehr gegenwärtigen Problemen. Die Stadt Turai, in der Thraxas ermittelt, ist an das antike Rom angelehnt. In ihr wohnen Menschen, Orgks und Elfen. Zwei Verbrecherorganisationen kämpfen um die Vorherrschaft. Der Handel mit Boah, einer mit Kokain oder Heroin vergleichbaren Droge, blüht. Wer nicht Boah konsumiert, berauscht sich mit Thazis. Die Oberschicht, bestehend aus Königshaus, Adel und Priesterschaft ist korrupt. In den Abwasserkanälen hausen Alligatoren und Frauen haben in Turai ziemlich wenig zu melden. Damit sind wir bei der zweiten sympathischen Figur, die Scott geschaffen hat: Makri. Makri ist ehemalige Gladiatorin und bedient in Thraxas’ Stammkneipe, der Rächenden Axt, in einem kaum vorhandenen Kettenhemd, die Kundschaft. Feministinnen dürfen das Buch dennoch zur Hand nehmen, Makri verdient sich in der Kneipe nämlich nur das Geld für ihre Kurse an der Innungshochschule. Die Universität ist zu Makris äußerstem Mißfallen, ausschließlich Männern vorbehalten. Deshalb unterstützt sie die Vereinigung der Frauenzimmer, die sich für die Rechte der Frauen einsetzt. Außerdem hilft sie Thraxas schlagkräftig bei der Lösung dieses Falles.

Scott zeichnet originelle Charaktere; Turai ist glücklicherweise nicht die siebenhundertsechsundreißigste Version einer mittelalterlichen Stadt; mit der Schlacht im Feenhain schildert Scott eine der schönsten und niedlichsten (!) Kampfszenen im Fantasy-Bereich; und außerdem verfügt der Autor über Sprachwitz. Das merkt der Leser aber erst, wenn er beschlossen hat, über die Mängel des Buches großzügig hinwegzusehen: Die Namensgebung im Roman zeugt von Holzhammer-Humor oder von dem übermäßigen Konsum von Asterix-Heften. Der Fischhändler heißt Iglox, die Prostituierte Nitribix, der Mafiaboß Corleonaxas, die Prinzessin Du-Lackai und wer weiß, ob das Schlagerduo Cindy und Bert glücklich damit ist, daß ihm der Übersetzer mit den fahrenden Sängern Cimdy und Bertax ein Denkmal gesetzt hat. Überhaupt scheint die Übersetzung manchmal auf wackeligen Füßen zu stehen, so ist z.B. die Anspielung auf den “Superbowl” im Deutschen völlig daneben gegangen. Das Cover ist eine Geschmacklosigkeit sondergleichen und veranlaßt den Rezensenten, die Redaktion zu bitten, eine Seite mit einer Bastelanleitung für Buchumschläge aus marmoriertem Papier einzurichten. Auch bei der Wahl des Titels sind die Wege des Verlages wieder einmal unergründlich. Im Original lautet der Titel des Buches aus gutem Grund einfach nur “Thraxas”.

Cover von Das Experiment von Arkadi & Boris StrugatzkiAndrej kommt aus der UdSSR des Jahres 1951, dort war er Astrophysiker, jetzt im Experiment ist er Müllfahrer, gemeinsam mit dem Texaner Donald aus dem Jahre 1967, der mal Professor der Soziologie gewesen ist, bevor er beim Experiment mitmachte. Andrejs Bekanntenkreis ist ein bunter Haufen, schließlich umfasst er u.a. die Schwedin Selma, den intelligenten und tiefsinnigen Juden Isja Katzman, den stoischen Chinesen Wang oder den faschistischen Wehrmachtsoffizier Fritz Geiger. Sie und hunderte, tausende, vielleicht sogar Millionen Menschen bewohnen eine Welt: das Experiment.

“Die Affen waren schon in der Stadt. Sie liefen auf Häusersimsen, hingen wie Trauben an Laternenpfählen, tanzten in pelzigen Horden auf Kreuzungen, klebten an Fenstern, warfen mit Pflastersteinen, jagten verwirrte Menschen, die in Unterwäsche auf die Straße gerannt waren.”
– Erster Teil, Müllfahrer

Es ist schwer Das Experiment (auch veröffentlich als Stadt der Verdammten und Verdammte Stadt) zu rezensieren, ohne zu viel zu verraten, denn ein Gutteil der Faszination des Romans rührt daher, wie Andrej und seine Leidensgenossen immer neue Aspekte des Experiments kennen lernen, viel rätseln, aber nie ein vollständiges Bild erhalten. Genau diese offenen Fragen sind es, die einen als Leserin oder Leser zum Mit- und Nachdenken anregen.
Der Protagonist Andrej ist dabei das gerade zu Anfang höchst willkommene Stückchen „Normalität“ in dem wilden Mix aus Wohlbekanntem (etwa die unfähige Bürokratie) und Abstrusem (plötzlich auftauchende Pavianhorden), der das Experiment auszeichnet. Im weiteren Verlauf des Romans und mit der Rochade durch die verschiedenen Berufsfelder, die die Figuren aufgrund des „Rechts auf abwechslungsreiche Arbeit“ vollziehen müssen, lernt man diese jedoch näher kennen und entdeckt nachdenklich stimmende Ambivalenzen, was die ohnehin schon spannende Figurenriege noch interessanter macht. Frauenfiguren sind jedoch nicht die Stärke der Strugatzkis, sodass man sich hauptsächlich mit einem männlichen Repertoire begnügen muss, aber auch durch sein Frauenbild lernt man den Helden Andrej näher kennen …
Dabei hat Das Experiment noch so viel mehr zu bieten als Absurditäten und den geneigten Leser/die geneigte Leserin erwarten unter anderem mysteriöse Kriminalfälle, abenteuerliche Expeditionen und seltsame Lebensformen, aber genauso politische, ideologische und gesellschaftsphilosophische Diskussionen und Fragen. Mit dem faszinierenden Setting des mysteriösen Experiments haben die Strugatzkis eine tiefgründige, facettenreiche Parabel geschaffen, gespickt mit seltsamen Abenteuern, ambivalenten Figuren und Entwicklungen, die einen unweigerlich zum Nachdenken bringt und gleichzeitig an die Seiten fesselt.

Dieser Roman ist nach der ungekürzten und unzensierten Originalausgabe im zweiten Band der Gesammelten Werke (ISBN: 978-3-453-52631-0) kürzlich neu aufgelegt worden, ergänzt durch einen Kommentar von Boris Strugatzki sowie einen erklärenden Index für Textstellen, in denen auf andere literarische oder filmische Werke oder historische Personen, Ereignisse, etc. verwiesen wird.

Cover von Der Fall Jane Eyre von Jasper FfordeEngland, 1985: Der Krimkrieg zwischen England und dem zaristischen Rußland dauert schon über 130 Jahre. Wales ist eine Volksrepublik. Weite Strecken legt man mit dem Luftschiff zurück und manchmal gerät die Zeit aus den Fugen. Literatur besitzt einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft. Da lohnt es sich für gewissenlose Subjekte, Verbrechen an der Literatur zu begehen. Thursday Next ist LiteraturAgentin in den Diensten des Special Operations Network und arbeitet an der Aufklärung solcher Verbrechen. Meistens geht es dabei um Fälschungen oder Raubdrucke. Doch eines Tages stiehlt der skrupellose Acheron Hades Dickens Originalmanuskript des Martin Chuzzlewit und bald stellt sich heraus, daß diese Aktion nur als Generalprobe gedient hat: Für den Fall Jane Eyre.

-Mein Vater hat ein Gesicht, das eine Uhr stoppen kann.-

Sie kennen sich in der englischen Literatur aus? Und gleichzeitig besitzen Sie eine Vorliebe für Agentenkomödien? Sehr gut! Damit erfüllen Sie die Voraussetzung, um diesen Roman von Jasper Fforde voll und ganz genießen zu können.

Die Welt, in der Thursday Next lebt, wird – abgesehen vom Krimkrieg – vor allen Dingen von der Literatur bestimmt. Die Hälfte der Bevölkerung hat ihren Namen in “John Milton” umgeändert, aus Verehrung für den großen Dichter. Baconier gehen wie die Zeugen Jehovas von Tür zu Tür, um die Menschen davon zu überzeugen, daß Francis Bacon die Werke Shakespeares verfaßt hat. Die Frage, wer Hamlet, Macbeth, Romeo und Julia etc. verfaßt hat, wird äußerst heftig diskutiert. Allen Literaturfreunden kann ich verraten, daß dieses Rätsel schließlich definitiv gelöst wird. Aber das ist nur ein Nebenprodukt der Geschichte. Kenntnisse der englischen Literatur benötigt man nicht nur, um Spaß an dieser bizarren Welt zu haben, sondern auch, um die vielen Anspielungen und Zitate zu verstehen. Und wer seine Jane Eyre nicht gut genug kennt, wird die Spur nicht bemerken, die Fforde für den Leser legt.

Diese Hommage an die Literatur verbindet Jasper Fforde mühelos mit einer James-Bond-Parodie. Die Agentin Thursday Next macht sich auf, den Superschurken Acheron Hades zur Strecke zu bringen. Der bedroht zwar nicht die ganze Welt, aber er begeht ein Verbrechen an der Literatur, das zumindest die Welt der Fans des Romans Jane Eyre zusammenbrechen läßt. Wie bei James Bond gibt es auch einen Erfinder: Thursdays Onkel Mycroft. Onkel Mycroft hat bei einem seiner letzten Experimente seinen Assistenten in ein Baiser verwandelt, seitdem hilft Tante Polly ihrem Mann bei den Versuchen, die durchaus nicht alle tödlich enden. Mycroft ist es gelungen, Pizza per Fax zu versenden, er hat einen Bleistift mit eingebauter Rechtschreibprüfung erfunden und in seiner Garage steht ein Rolls Royce, der die Farbe wechseln kann. Außerdem hat er einen Weg gefunden, wie man in Bücher einsteigen kann und wenn man Glück hat, auch wieder heraus kommt. Falls Sie jetzt vermuten, daß dies ein zentraler Punkt der Handlung ist, dann liegen Sie richtig. Außerdem mischt Thursdays Vater von Zeit zu Zeit in der Geschichte mit und die “Goliath Corporation”, eine Organisation, die wie Orwells Big Brother nicht nur ihre Augen überall hat, sondern auch noch ihre schmutzigen Finger.

Feenzorn von Jim ButcherIn Harrys neuem Abenteuer trifft der Leser auf einen ausgebrannten und niedergeschlagenen Mann ohne Hoffnung. Die Körperhygiene des Detektivs hat merklich gelitten, seine Wohnung ist ein heruntergekommener Saustall, er hat seine Arbeit vernachlässigt, die unbezahlbaren Rechnungen stapeln sich. Doch am schlimmsten steht es um Harrys seelischen Zustand. Am Tiefpunkt seines Daseins angekommen tun sich nun nicht etwa Silberstreifen am Horizont auf, im Gegenteil. Es beginnt Kröten zu regnen, und um die Probleme noch zu verdoppeln, wollen nicht nur die Vampire des Roten Hofs Harry weiterhin tot sehen, sondern auch seine eigenen Leute vom Weißen Rat. Doch es kommt noch härter, in seinem Büro wartet jemand auf ihn, der tödlicher ist als jeder Vampir: die Winterkönigin der Sidhe.

– An dem Tag, als der weiße Rat in die Stadt kam, regnete es Kröten. –
Kapitel 1

Zu Feenzorn liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Fool Moon von Jim ButcherHarry Dresden, Magier und Privatermittler in Chicago, bekommt es mal wieder mit übernatürlichen Morden zu tun – noch bevor die Nachwirkungen seines letzten Falls gänzlich verklingen konnten. Nach Monaten ohne jeden Kontakt meldet sich Lieutenant Karin Murphy bei dem Magier und hält eine bizarre Mordserie bereit: jeden Monat zur Vollmondszeit sterben Menschen auf bestialisch entstellte Weise und die Spuren deuten auf eines ganz besonders hin: Werwölfe

– I looked up through the window at the rounded silver shape of the almost-full moon.
»Oh, hell,« I breathed. »Oh, hell.« –
Kapitel 2, S. 18

Fool Moon (Wolfsjagd) ist nicht nur ein herrliches Wortspiel, sondern auch ein Titel, der dem zweiten Band der Dresden Files alle Ehre macht. Autor Jim Butcher beweist hiermit in gewohnt sarkastisch-humorvoller Weise, dass sein Debütroman Storm Front (Sturmnacht) kein einmaliges Kunststück war. Im Gegenteil, Fool Moon übertrifft seinen Vorgänger in vielen kleinen Aspekten von der Charakterzeichnung, über die interessantere Story bis zu der Anzahl an Lachern und Spannungsmomenten. Wer außerdem denkt alles über Werwölfe zu wissen, wird feststellen, dass es da noch mehr gibt als Silberkugeln und Vollmondrausch.

Zu Beginn wirkt die zweite Story um den altmodischen Detektiv Harry Dresden noch recht wenig beeindruckend und braucht eine Weile bis sie an Fahrt gewinnt. Dann entpuppt sich Fool Moon aber doch als wahrer Pageturner. Das ist zum Einen den wieder einmal wunderbar gezeichneten Charakteren zu verdanken, die in diesem Roman noch stärker auf ihre Kosten kommen und deutlich lebendiger wirken. Zum Anderen strotzt dieser Roman nur so vor Witz und spannenden Entwicklungen. Es gibt auch in der ausweglosesten Situation noch sarkastische Sprüche von Harry oder Murphy und eine ganze Reihe von Kapiteln, die mit einer Nahtod-Situation enden. Letzteres verhindert erfolgreich, dass man als Leser pünktlich ins Bett kommt, denn an einer derart spannenden Stelle muss man mindestens noch eine Seite mehr lesen als geplant. Ehe man sich versieht, ist man schon wieder am Ende des nächsten Kapitels und hat die nächste spannungsgeladene Situation vor Augen – und wieder denkt man “nur noch diese eine Seite…”.
Zugegeben, bei dem dritten Kapitel in Folge, das mit einem Cliffhanger und so-gut-wie-Tod Status endet, fragt man sich schon, ob das jetzt nicht langsam albern wird. Doch der Erfolg dieser Taktik lässt sich nicht leugnen und so verschlingt man das letzte Drittel des Buches praktisch ohne Pause und verflucht jeden Umstand, der einen zu einer Unterbrechung der Lektüre zwingt.

Kurzum: Fool Moon setzt die Reihe wunderbar fort, greift alle guten Eigenschaften seines Vorgängers auf und macht alles richtig, was man sich von einem Folgeband erhoffen kann. Hut ab, für solch einen spannenden wie witzigen Lesegenuss, der – das ist besonders erfreulich – ein erwachsenes Publikum zum Ziel hat.

Cover von Die Frau im Nebel von Elizabeth Ann ScarboroughUm das Jahr 1800: Der Schriftsteller Walter Scott hat gerade das Amt des Sheriffs von Edinburgh übernommen, da findet man die Überreste einer weiblichen Leiche im See Loch Nor’. Bald darauf verschwinden die jungen Kesselflickerinnen Bella und Leezie. Als auch noch Midge Margret und Geordie, zwei alte Bekannte Scotts, bei einem Überfall schwer verletzt werden, kommt der junge Sheriff einem grausigen Geheimnis auf die Spur.

-Die Mutter der Toten trug Schwarz, als sie zu den klagenden Klängen des Dudelsacks durch das Zimmer tanzte, im Kreise sich drehend.-
Kapitel 1

Die Geschichte beginnt im Jahre 1789, doch um die Atmosphäre dieser Epoche widerzuspiegeln, ist Elizabeth Ann Scarboroughs Sprache eindeutig zu modern. Es ist schwer vorstellbar, daß der achtzehnjährige Walter Scott zu einem Kesselflicker gesagt haben sollte, er möge ihm ein paar Lieder langsam vorsingen “…damit ich die Worte oder etwaige Textabweichungen von anderen Versionen des Lieds niederschreiben kann,…”. Aber auch Scarboroughs Kesselflicker befleißigen sich oft eines erstaunlich gepflegten Sprachstils. Diese anachronistische Sprache und der an vielen Stellen aufblitzende, manchmal auch unfreiwillige Humor, lassen zunächst keine Spannung aufkommen. Das ändert sich ungefähr in der Mitte des Buches. Dann dämmert dem Leser langsam, daß es nicht nur um die Aufklärung mehrerer Morde geht, sondern auch darum, weitere Verbrechen zu verhindern. Gleichzeitig beginnt man zu ahnen, wer der Täter sein könnte. Der Leser möchte erfahren, ob sich seine Vermutungen bestätigen und mit der Neugier steigt auch die Spannung, aber nur dann, wenn man nicht den Fehler begangen hat, die Inhaltsangabe auf der Rückseite und im Inneren des Buches zu lesen. Da findet sich nämlich die Auflösung des Rätsels. Es wird mir ewig verborgen bleiben, warum Verlage in ihren Klappentexten die Pointe einer Geschichte verraten, wenn der Autor sich über mehr als 250 Seiten alle Mühe gibt, das Ende des Romans kunstvoll zu verschleiern.
Über weite Strecken liest sich Die Frau im Nebel (The Lady in the Loch) wie ein historischer Roman. Abgesehen von einer kurzen Episode am Anfang, finden sich die phantastischen Elemente erst im letzten Drittel der Geschichte. Dann aber kann sich der Leser über einen Mangel an übernatürlichen Phänomenen nicht mehr beklagen.
Liest man Die Frau im Nebel in der Erwartung, einen atemberaubenden, gruseligen Thriller vor sich zu haben, wird man enttäuscht sein. Betrachtet man das Buch aber als eine humorvolle Anspielung auf die Schauerromane des neunzehnten Jahrhunderts (auch wenn die Autorin es anders gemeint haben mag), dann bietet die Lektüre des Romans gute Unterhaltung.

Cover von Der Funke des Chronos von Thomas FinnDer Medizinstudent Tobias bekommt die Möglichkeit, mit einer Zeitmaschine in die Vergangenheit Hamburgs zu reisen und gelangt ins Jahr 1842. Eine unheimliche Mordserie erschüttert gerade die alte Hansestadt, und Tobias stört durch sein plötzliches Auftauchen den Mörder bei der Beseitigung eines Opfers. Die Ereignisse überschlagen sich und Tobias muss die Zeitmaschine zurücklassen. Am nächsten Tag ist sie verschwunden. Auf der Suche danach gerät er ins Visier des Mörders und stößt bei seinen weiteren Nachforschungen auf den Dichter Heinrich Heine. Die beiden werden zu unfreiwilligen Verbündeten und jagen (jeder aus eigenen Motiven) den Mörder.

-Die Knochen splitterten wie brüchiges Glas, als die Droschke über den Katzenkadaver rollte. Soeben läutete das Uhrwerk der Michaeliskirche zur zwölften Nachtstunde. Mit dem zweiten Glockenschlag wurde der ausgedörrte Tierleib emporgewirbelt und landete auf dem schmalen Trottoir der Admiralitätsstraße, die bis hinunter zum Schaarthor mit Abfällen übersät war.-
(Menetekel, Hamburg 1842, Nacht des 2. Mai, 4 Minuten nach Mitternacht)

Thomas Finn arbeitet mit einem Handlungsstrang, der sich mit hohem Tempo vor dem Leser entrollt, und in zwei Zeitebenen unterteilt ist: Die Geschichte beginnt zunächst im Jahr 1842, danach wird Leser in den nächsten drei Kapiteln in die Gegenwart (in das Jahr 2006) versetzt, um dann mit der Feststellung Tempus fugit wieder ins Jahr 1842 zurückzukehren.
Finn ist es – vor allem auf Grund der gründlichen Recherchen in den Archiven und Bibliotheken seiner Wahlheimat Hamburg – sehr gut gelungen, ein stimmiges Bild der Hansestadt zur Biedermeierzeit zu zeichnen. Die Geschichte entführt den Leser in die Tage kurz vor und nach dem Ausbruch des Großen Brandes in der Nacht zum 5. Mai 1842. Dass die Ursache des Brandes bis heute nicht geklärt ist, nutzt der Autor geschickt, um seine Erklärung dafür zu finden und sie hier erzählen …

Das historische Hamburg mit seinen windschiefen Holz- und Fachwerkhäusern, seinen winkligen Gassen und verruchten Ecken ist äußerst lebendig gestaltet und die Menschen, die diese Straßen, Gassen und Marktplätze bevölkern, sind mit wenigen gut gewählten Worten treffend geschildert. Gerade an den Nebenfiguren merkt man, wie viel Liebe in der Gestaltung des Romans steckt: Der Autor gibt seiner Geschichte nämlich noch zusätzlich Authentizität, indem er vor allem in der wörtlichen Rede Dialekte benutzt, und da die Handlung in Hamburg und Umgebung angesiedelt ist, wird häufig das Hamburger Platt verwendet. Dadurch wirken die sozialen Milieus deutlich näher, als durch eine durchgängige Verwendung der hochdeutschen Schriftsprache.

Es kommen noch andere Dialekte vor und Leser, die mit ihnen nicht vertraut sind, könnten mit diesen Textpassagen evtl. Schwierigkeiten haben, aber geschriebenes “Platt” (oder die anderen Dialekte) lassen sich auch ohne “Sprachkenntnis” ganz gut entziffern und wenn Wörter wirklich für Außenstehende nicht mehr zu verstehen sind, werden sie vom Autor in einer kleinen Fußnote erklärt.

Thomas Finn scheint seine Wahlheimat wirklich zu lieben – denn dieses Buch ist eine einzige Liebeserklärung an die alte Kaufmannsstadt, aber auch eine Hommage an den britischen Schriftsteller H. G. Wells: Die Beschreibung der Zeitmaschine zu Beginn der Geschichte kommt jedem sofort bekannt vor, der den Film Die Zeitmaschine aus dem Jahr 1960 gesehen, oder vielleicht sogar Wells 1904 erstmals auf deutsch erschienenes Buch gelesen hat.

Ghosts in the Snow von Tamara Siler JonesDubric Byerly ist der 68jährige Kastellan der Burg Faldorrah, und als solchem obliegt ihm die Aufgabe, mit seinen Pagen und Knappen für Recht und Ordnung auf der Burg zu sorgen. Allerdings gibt es ein Geheimnis, um das niemand weiß: Dubric sieht die Geister ermordeter Menschen, bis er den Mörder zur Strecke gebracht hat.
Eines Morgens erscheint ihm die Gestalt eines grausam zugerichteten Milchmädchens, und sie bleibt nicht die einzige. Ein Frauenmörder scheint in Faldorrah eingefallen zu sein, der seine Opfer wahllos und brutal niedermetzelt. Während Dubric und seine Gehilfen verzweifelt nach Spuren suchen, macht sich vor allem in der Dienerschaft der Burg Angst breit, und die Gemeinschaft droht zu zerbrechen.

-Dubric Byerly, Castellan of Faldorrah, sat alone at a small table in the castle kitchen, his mangled breakfast congealing before him.-
Chapter I

Tamara Siler Jones hat ihre Geschichte vor allem um die Hauptfigur gewoben, den alten Burg-Kastellan Dubric, der gar nicht glücklich mit seinem Fluch und den daraus resultierenden Aufgaben ist. Diese an sich interessante Figur – in einem moderneren Setting wäre er der weltwunde und mit allen Wassern gewaschene Cop eines Polizeiromans – agiert in einer ungewöhnliche Mischung aus Psychothriller und Romantik-Kitsch: Auf einer Burg in einer klassisch-mittelalterlichen Fantasy-Welt soll eine Mordserie aufgeklärt werden, die grausam zugerichteten Leichen weisen Richtung Das Schweigen der Lämmer und sind garantiert nichts für zartbesaitete Seelen.
Der Kastellan bedient sich zur Lösung des Falls seiner Logik und den Möglichkeiten der in den Kinderschuhen steckenden Gerichtsmedizin, aber im Verlauf der Handlung auch der Magie. Letztere ist zwar in Faldorrah und Umgebung verboten, aber dennoch vorhanden; vor allem in Gestalt von magischen Artefakten ist sie recht atmosphärisch in die mittelalteriche Lebenswelt eingebunden.

Ghosts in the Snow setzt vor allem auf  Spannung, was auch gut gelingt, wenn jede Nacht ein Mord geschieht und Dubric vor einem Rätsel steht. In wechselnden Perspektiven blickt man neben den Hauptfiguren (Dubric und die Näherin Nella, die aufgrund ihres Geschlechtes und ihres Status bestens ins Beuteschema des Mörders passt) auch immer wieder Opfern und sogar dem Täter über die Schulter. Vor allem die eiskalten, winterlichen Szenen, in denen gekonnt mit Ängsten gespielt wird, wissen zu beeindrucken.
Ob als Gegenpol zu den Grausamkeiten oder zur vielleicht originellen, aber nicht ganz harmonischen Verschmelzung zweier Genres, die sich nicht unbedingt nahestehen, ist der Fantasy-Thriller mit einer zuckersüßen Liebesgeschichte angereichert: Risley, der verliebte, auf Faldorrah neu angereiste Lord, präsentiert sich nicht nur als Verdächtiger auf dem Silbertablett, sondern auch als ziemlich unglaubwürdiger Super-Mann – ein Muster an Galanterie, Heldenmut und Aufrichtigkeit. Zu schön, um wahr zu sein? Der Leser darf auf jeden Fall bis fast zur letzten Seite miträtseln.
Leider sind es etliche Seiten, die der pathetischen Liebesbeziehung zwischen Risley und Nella gewidmet werden. Ganz unwichtig für die Handlung sind sie nicht, aber die Szenen triefen zum Teil dermaßen vor Kitsch, dass man sich fragen muss, ob die Autorin das ernst meint, oder ob das Ganze noch ein erklärendes Nachspiel hat (was wir im Dienste der Spannung an dieser Stelle verschweigen …).

Auch bleiben leider die ebenfalls im Plot verbratenen Herrschaftsverhältnisse und Hintergründe der Welt etwas unklar, hier wären ein paar klärende Sätze oder eine Karte eine große Hilfe gewesen.
Dennoch kann Ghosts in the Snow solide unterhalten, neben nervenzerreißender Spannung bietet es einige schöne Figuren, deren Hintergründe sich erst im Laufe der Zeit eröffnen und die bis zum Ende des Romans an Tiefe gewinnen, und kann mit der Darstellung des Burglebens punkten – auch wenn es vermutlich nie so romantisch war …

Cover von The Golem's Eye von Jonathan StroudNach den Ereignissen um das Amulett von Samarkand sind zwei Jahre vergangen, zwei Jahre, in denen aus Nathaniel immer mehr John Mandrake, ein ehrgeiziger, gewissenloser Zauberer wurde. Er ist nun mit der Aufgabe betraut worden, die Resistance zu zerschlagen, aber Anhaltspunkte hat er wenige: Er war vor zwei Jahren Kitty, Stan und Fred begegnet. Dann aber richtet etwas Mächtiges großen Schaden in London an – die Verantwortlichen entscheiden, daß es in Mandrakes Ressort fällt, dieses aufzuklären. Aber auch die Resistance um Kitty steht vor einem großen Problem, denn die gegenwärtige Strategie ist ausgereizt. Da teilt ihr Anführer mit, er habe einen Plan, nach dessen Erfolg London in den Grundfesten erschüttert werden könnte…

-At dusk, the enemy lit their campfires one by one, in greater profusion than on any night before.-
Prologue. Prague, 1868

Das Geschehen in the Golem’s Eye (Das Auge des Golem) findet hauptsächlich in London statt, aber es gibt auch kurze Ausflüge nach Prag. Die Herrschaft des von einer Clique machtgieriger, arroganter und hartgesottener Zauberer kontrollierten Britischen Empire zeigt erste Risse: Die Yankees der nordamerikanischen Küste streben nach Unabhängigkeit, das vor 150 Jahren zerschmettere Tschechische Kaiserreich beginnt sich wieder zu rühren und daheim in London agiert die Resistance gegen das Diktat der Zauberer.

In vielen Punkten scheint es die Moderne zu sein: Die Zauberer fahren in dunklen Limousinen, lassen Fotokopien machen und fliegen mit Flugzeugen. Doch dann gibt es eigenartige Rückständigkeiten: Die Schiffahrt wird mit Windkraft betrieben, Soldaten tragen bunte, klimpernde Uniformen und benutzen keine vollautomatischen Waffen. Die Geschichte spielt zwar ausschließlich in Städten, aber ein Gefühl der Urbanität wird nicht vermittelt. Die magischen Elemente dominieren die Geschichte. Da sind die Zauberer, die von ihnen kontrollierten Dämonen, beide sprechen Zaubersprüche und die Mitglieder der Resistance, die alle eine gewisse Resistenz gegenüber Magie besitzen, haben häufig noch eine weitere magische Fähigkeit. Echte nicht-magische Leute und Gegenstände treten nur sehr am Rande auf und haben fast keine Bedeutung. Insgesamt bleibt unklar, welche Zaubersprüche nur Dämonen sprechen können und welche auch von Zauberern genutzt werden können. Dann ist nicht klar, was sich mit Zaubersprüchen alles anfangen läßt oder welche Dämonen über welche Fähigkeiten verfügen: Irgendein kleiner Foliot kann sich unsichtbar machen und Bartimaeus nicht – warum? An diesem Kritikpunkt hat sich also seit dem ersten Band nichts verändert.

Figuren treten zwar nur drei zentrale auf, doch daneben gibt es eine ganze Anzahl weiterer: Kittys Eltern, die anderen Mitglieder der Resistance, ein alter Freund, dann zahllose Zauberer aus den unterschiedlichen Ministerien und “Dämonen”. Einige haben allerdings so kurze Auftritte, daß man sich fragt, warum die überhaupt einen Namen erhalten haben. Vielfach neigen die Figuren leider dazu, sehr ähnliche Charaktere zu haben: Alle Zauberer sind machtgierig und gewissenlos, die meisten “Dämonen” neigen zu einer fatalistischen Sklavenhaltung. Interessant und gelungen dagegen sind die Gewöhnlichen (inklusive der Resistance), hier finden sich Kollaborateure, zögerliche Regimegegner und aktive Widerständische mit vielen unterschiedlichen Motivationen. Die drei zentralen Figuren sind Kitty, Nathaniel und Bartimaeus. Kitty ist seit drei Jahren ein Mitglied der Resistance. Zunächst will das Mädchen einfach nur Rache, aber langsam entsteht ein Einsehen, daß diese Haltung zu nicht viel führen wird. Nathaniel, der sich John Mandrake nennt um seinen wahren Namen zu schützen, ist der Assistent von Mr. Tallow, dem Vorsitzenden der Internen Angelegenheiten. Nathaniel will einerseits Rache für die Demütigung, die er vor zwei Jahren von der Resistance erlitten hatte, und andererseits mehr Macht. Auch wenn er mehr und mehr John Mandrake wird, ist da noch ein Rest vom idealistischen Nathaniel. Bartimaeus schließlich ist ein uralter Djinn, der mehr oder minder widerwillig die Befehle seines Meisters – Nathaniel – ausführt. Mit einem sarkastischen Kommentar ist er allerdings schnell bei der Hand.
Die Geschichte besteht aus zwei Plotsträngen, die nach und nach zusammengeführt werden – allerdings nicht so, wie man meinen könnte. In einem Strang geht Nathaniel den sonderbaren Geschehen in London nach und muß sich immer wieder Gedanken über die Resistance  machen. Dieser Strang erinnert an eine hardboiled Detektiv-Geschichte – nur nicht so “hard”. Nathaniel und Bartimaeus ziehen umher, sammeln Hinweise und geraten in gefährliche Situationen. Hinzu kommt noch ein bißchen Intrigengerangel und viel Korruption. Der andere Strang ist auf Kittys Entwicklung fokussiert – quasi eine Entwicklungsgeschichte. Hier werden ihre wichtigsten Erfahrungen geschildert – warum sie schlecht auf Zauberer zu sprechen ist, wie sie zur Resistance kam und wie sie bemerkte, daß es so nicht weitergeht, bis hin zum großen Coup – und was daraus wird. Hätte es nicht eine so starke Anbindung an die Politik und die Moderne, dann wäre diese Abenteuerhandlung klassischer Sword & Sorcery mit dem vielen Verstecken, Schleichen, Stehlen, Kämpfen und Flüchten sehr ähnlich.

Die Geschichte hat Schwächen am Anfang: Einiges wirkt zu gewollt; Bartimaeus kann man bei seinem schnellen Einknicken seine Wut kaum abnehmen, ausgerechnet Nathaniel soll die Resistance zur Strecke bringen, etc. Auch kommt die Geschichte nur langsam in Fahrt, erst nach knapp hundert Seiten geht es im Hauptplot voran, Kittys Vorgeschichte zieht sich sogar noch etwas länger hin. Dann aber wird es spannend und spannender, es gibt einige echte Überraschungen und ein Ende, das auf die Fortsetzung gespannt macht.
Die Geschichte ist der zweite Teil der Bartimaeus-Trilogie. Zwar ist sie im Großen und Ganzen abgeschlossen, doch es gibt auch einige Fäden, die aus dem ersten Teil stammen und einige Fäden, die noch am Ende offen bleiben.
Es werden drei Erzählperspektiven genutzt. Kittys und Nathaniels Kapitel werden jeweils aus der personalen Perspektive erzählt, Bartimaeus tritt dagegen als Ich-Erzähler auf. In Bartimaeus’ Kapiteln wird häufig von Fußnoten Gebrauch gemacht, um die unterschiedlichen Ebenen seines Denkens zu symbolisieren. Leider tendiert der Autor dazu Action-Szenen durch Fußnoten massiv an Geschwindigkeit – und damit an Spannung zu nehmen. Während seine Kapitel vor Ironie und Sarkasmus sprühen, sind die der beiden Anderen deutlich ernster. Die Sätze sind einigermaßen unauffällig und die Wortwahl ist immer treffend.

Grabesruh von Jim ButcherIm dritten Fall von Privatdetektiv Harry Dresden spukt es heftig. In ganz Chicago tauchen randalierende Geister auf, die das Leben der Menschen bedrohen. Harry Dresden und sein befreundeter Kollege Michael machen sich daran, die Ursache für die plötzlich aggressiven Verhaltensmuster der Geister herauszufinden. Die Antwort führt sie allerdings weit weg von der Welt der Geister und treibt sie unweigerlich in die Arme nach Rache dürstender Vampire.

– Irgendwo sang jemand. Eine Frauenstimme, sanft und lieblich.
»Schlaf, Kindchen, schlaf! Dein Vater hüt’ die Schaf!«
Ein letzter Blick über die Schulter zu Michael, dann huschte ich durch die Tür. Sehen konnte ich nichts mehr, aber ich bin nicht umsonst ein Magier.-
Kapitel 2

Zu Grabesruh liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Grau von Jasper Fforde„Ich muss mich in Demut üben“: nach einem kleinen Scherz muss Eddie Russett diesen Anstecker tragen und in einem Dorf nahe der Gesindel-Grenze ebendieses tun, indem er eine Stuhlzählung durchführt – dabei hat er als Mensch mit einer exzellenten Rotwahrnehmung Zuhause beste Aussichten auf eine Prestige- und Farbtonreiche Heirat. Doch als in einer Filiale der NationalColor-Gesellschaft, die für die synthetische Colorierung der wohlhabenden Teile der Welt zuständig ist, ein Bürger unter mysteriösen Umständen stirbt, nehmen Ereignisse ihren Lauf, die Eddie nicht ignorieren kann. Und dann ist da auch noch Jane, die stupsnasige Schönheit, die versucht, ihn umzubringen…

2.4.16.55.021: Männer haben sich auf Interkollektivreisen nach Kleiderordnung Nr. 6 zu richten. Hüte werden ausdrücklich empfohlen, sind aber nicht vorgeschrieben. –
Ein Morgen in Zinnober, S. 5

Eddie Russett sieht rot. Was bei unsereins nur in Ausnahmefällen passiert – vielleicht wenn unser Lieblingsbuch out-of-print geht oder der 42. Band von Die Zwerge zum Bestseller wird –, ist für den jungen Protagonisten des neuen Romans von Japser Fforde ein Urteil von einer Tragweite, die der Leser erst nach und nach begreift. Ist die Bestimmung der Farbwahrnehmung eines Menschen einmal vollzogen, gleicht das Leben einem wohlbekannten Buch: man weiß genau, was passiert. Dieser Initiationsritus, Ishihara genannt, macht aus Kindern Erwachsene, was in Grau jedoch keinen großen Unterschied macht.

Jasper Fforde schafft mit seinem Roman eine Zukunftsvision, die trotz aller Farbenprächtigkeit und der Bemühungen von NationalColor düster erscheint. Ungefähr 500 Jahre in der Zukunft regelt eine Zentrale alle Bereiche des Lebens, immer ausgehend davon, welche Farbe ein Mensch wahrnehmen kann. Die handelnden Figuren bleiben dabei zum größten Teil so monochrom wie ihr Sehvermögen, wobei jeder durch ausgesuchte Boshaftigkeit immer aufs Neue zu überraschen weiß. Diskriminierungsgründe glaubt der Mensch viele zu kennen, und keiner ist so bequem und schnell bei der Hand wie die Farbe. In der Welt des Eddie Russett, wo Vorurteile sich als Regeln tarnen, wird nichts so ausführlich zelebriert wie die Unterwürfigkeit auf der einen und unverrückbare Dominanz auf der anderen Seite. Das daraus resultierende Gefühl der Stagnation zieht sich wie ein Faden durchs Buch, der aufgrund seiner Farbe scheinbar von niemandem außer dem Leser wahrgenommen werden kann. Doch Eddie ist nicht umsonst ein Roter, und so begeht er eine Ungeheuerlichkeit: er beginnt, Fragen zu stellen.

Denn alle Regeln werden grundsätzlich befolgt, ohne hinterfragt zu werden. Soziale Beziehungen werden ausschließlich aufgrund von Kosten-Nutzen-Rechnungen gepflegt; Freundschaften sind limitiert und werden ganz im Stile unserer sozialen Netzwerke angeboten: Die Frage „Freundschaft?“ kann formal abgelehnt oder angenommen werden; dabei spielt weniger Sympathie, sondern Berechnung eine Rolle und treibt die Tendenz zur Sinnentleerung des Begriffes auf die Spitze.
Sinnentleert sind übrigens viele Regeln, die Munsell, eine Art Prophet, einst formulierte und nach deren Wortlaut die Gesellschaft handelt und funktioniert. Zahlreiche Tabus beengen jeglichen Handlungs- und Gefühlsspielraum, und der Leser kann nicht anders, als die mit Postleitzahl und Barcode klassifizierten Bürger als Gefangene ihres eigenen Systems zu begreifen.

Fforde führt den Leser behutsam an seinen Weltentwurf heran und lässt den Einstieg farbenfroh erscheinen. Als Leser erfreut man sich zunächst an den skurrilen Rückbezügen zu unserer heutigen Zeit und an den faszinierenden (Hierarchie-)Strukturen einer chromatischen Diktatur. Gemeinsam mit Eddie Russett begreift man schließlich mehr und mehr Facetten von Grau, bis einem das Lachen ab und an im Halse stecken bleibt. Denn so witzig die Absurditäten einer bis ins kleinste Detail von Regeln durchflochtenen Gesellschaft sind, so weiß man auch: man selbst möchte um keinen Preis in der Haut einer Fford’schen Romanfigur stecken. Die Unbeschwertheit seiner Zukunftsvision verliert sich im Laufe der Kapitel zwangsläufig mit Eddies schrittweiser Erkenntnis – zurück bleibt der gewohnte Fford’sche Humor und eine ordentliche Portion Unbehagen. Während Eddie Farbschicht um Farbschicht abträgt, um der Wahrheit unter all der Fassade näherzukommen, bekommt er es mit Nachtangst, Apokryphen und einer Menge Gesindel innerhalb der eigenen Dorfgrenzen zu tun. Und mit Jane.

Ja, Grau ist auch eine Liebesgeschichte, die zwangsläufig ohne rosaroten Kitschglanz auskommen muss. Denn Jane ist eine Graue, gehört also der niedrigsten gesellschaftlichen Schicht an und ist zudem das, was man als militante Freidenkerin bezeichnen könnte. Ihre Ideale sind losgelöst von jeder Farbwahrnehmung und bar jedes pazifistischen Gedankens. Das “Greater Good” verlangt Opfer, zu denen auch Eddie von Zeit zu Zeit zählt. Wenn dieser nicht gerade umgebracht werden soll, entwickelt er sich vom ahnungslosen, aber ungefährlichen Naivling zum Feind Eurer Farbenprächtigkeit. Dass die farbenprächtigsten Bewohner des Dorfes nicht imstande sind, menschliche Facetten abseits ihres schwarz-weißen Barcodes wahrzunehmen, ist bezeichnend für Ffordes Gespür für Ironie. Und nicht zuletzt beweisen die letzten Kapitel, die einer Erkenntnisexplosion gleichkommen, wie erschreckend gut der Autor seine Welt durchdacht hat. Radikaler als Thursday Next und mit hochaktuellen Themen, ist Grau nicht nur ein witziges Absurditätenkabinett, sondern eine rasante Dystopie, von der man mit Sicherheit eines sagen kann: von Schwarz-Weiß-Malerei ist sie weit entfernt.

Grave Peril von Jim ButcherIm dritten Fall von Privatdetektiv Harry Dresden spukt es heftig. In ganz Chicago tauchen randalierende Geister auf, die das Leben der Menschen bedrohen. Harry Dresden und sein befreundeter Kollege Michael machen sich daran, die Ursache für die plötzlich aggressiven Verhaltensmuster der Geister herauszufinden. Die Antwort führt sie allerdings weit weg von der Welt der Geister und treibt sie unweigerlich in die Arme nach Rache dürstender Vampire.

– I heard singing. A woman’s voice. Gentle. Lovely.
Hush little baby, don’t say a word. Mama’s gonna buy you a mockingbird.
I glanced back at Michael, and then slipped inside the door, into total darkness. –
Kapitel 2, S. 10

Die Handlung von Grave Peril (Grabesruh) beginnt zunächst vielversprechend. Geister erheben sich aus ihren Gräbern, treiben in der Stadt ihr Unwesen, gefährden das Leben der Menschen und keiner kann sich ihr ungewöhnliches Auftauchen und ihr bedrohliches Verhalten erklären. Harry Dresden findet schließlich heraus, dass die Geister wie Marionetten von jemandem kontrolliert werden, und damit beginnt der Abstieg dieses interessanten Auftakts. Denn gerade als man denkt, es wird nun richtig geisterhaft, vielleicht ein bisschen gruselig, aber auf jeden Fall spannend, flaut die Story merklich ab und die Erzählung tropft eine Zeit lang zäh vor sich hin. Die Handlung selbst entwickelt sich außerdem plötzlich in eine gänzlich andere und nicht recht nachvollziehbare Richtung.

Inhaltlich ist es ab und an schwer, den vielen verschiedenen Ansätzen des Autors zu folgen. Er hat sich in Grave Peril viel vorgenommen – zu viel. Besonders Verweise auf vergangene Ereignisse, die für den Leser nicht stattgefunden haben und lediglich im vorliegenden Band als Tatsachen präsentiert werden, lassen einen immer wieder im Lesefluss stolpern. Man fragt sich unweigerlich, ob einem in den beiden Vorgängerbänden etwas entgangen ist oder ob man sich gar vergriffen hat und statt Band drei vielleicht Band vier oder fünf in Händen hält. Vieles, was in Grave Peril als gegeben angesehen wird, kommt für den Leser völlig unvorhersehbar und ohne erklärende Herleitung. Es gibt unzählige verschiedene Handlungsstränge, die in diesem Roman aufgebaut werden und zwar einiges an Material für kommende Bücher liefern und einem den Mund wässrig machen, in ihrem geballten Auftreten aber zu viel für die Möglichkeiten eines einzigen Bandes sind. Bis zur Buchhälfte bleibt dementsprechend vieles sprunghaft; die Fülle an neuen Informationen verhindert eine Entwicklung der Handlung und erschwert es, das Buch genießen zu können.
Die zweite Buchhälfte dagegen nimmt schließlich doch noch Fahrt auf und konzentriert sich etwas mehr auf den eigentlichen Plot von Grave Peril, auch wenn die Story nicht mehr ganz so ansprechend ist, wie sie eingangs zu werden versprach.

Die Charaktere sind solide und gut gezeichnet wie auch in den beiden Vorgängern schon, vermögen aber in der Interaktion gelegentlich ebenfalls zu verwirren. Es werden außerdem verschiedene neue Charaktere eingeführt die bisher unerwähnt geblieben sind und sich nun etwas zu schnell in das bisher bekannte Bild einfügen, während Murphys Charakter in Grave Peril kaum auftaucht und eher zu Randfigur degradiert wird.

Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass Grave Peril im Vergleich zu seinen Vorgängern einige Schwächen aufweist und die Handlung stellenweise stark konstruiert und erzwungen wirkt. Trotzdem macht das Buch unter dem Strich Lust auf weitere Bände, in denen die vielen nebensächlich angedeuteten Handlungsstränge hoffentlich weiter ausgebaut werden und das etwas tragische Ende vielleicht nur der Anfang von etwas Größerem ist.

Cover des Buches "In einem anderen Buch" von Jasper FfordeSeit Thursday Next aus Jane Eyre zurückgekehrt ist, hat ein regelrechter Medienrummel um sie eingesetzt. Ständig muss sie zu Fototerminen oder Zeitungsinterviews geben, jetzt soll sie auch noch in der Adrian-Lush-Show auftreten, darf aber nichts Essentielles sagen, da dies entweder gegen die Dienstordnung von SpecOps verstößt oder gegen die militärische Geheimhaltung oder gegen die Firmengrundsätze der Goliath Corporation, der die Fernsehstudios gehören. Thursday hat die Nase gestrichen voll, sie möchte nichts anderes als ihr Leben mit ihrem Ehemann Landen genießen. Doch gerade als es den Anschein hat, dass glückliche Zeiten für sie anbrechen, wird Landen genichtet. Jemand ist in die Vergangenheit gereist und hat dafür gesorgt, dass Landen im Alter von zwei Jahren stirbt. So soll Thursday dazu gezwungen werden Jack Schitt aus Poes Der Rabe herauszuholen. Und als ob das nicht schon genug Schwierigkeiten wären, trachtet auch noch ein Unbekannter nach Thursdays Leben und außerdem wird am 12. Dezember die Welt untergehen.

-Ich hatte nicht darum gebeten, eine Berühmtheit zu werden. In der Adrian-Lush-Show wollte ich auch nicht auftreten, und solange nicht gerade ein Weltuntergang droht, würde ich so etwas Albernes wie Das Thursday Next Fitness-Video auch nicht machen.-
I. Die Adrian-Lush-Show

Falls der ein oder die andere nicht jedes Wort der Inhaltsangabe verstanden hat, so ist das kein Grund zu Beunruhigung, zeigt es doch nur, dass Thursdays zweiter Fall genauso abgefahren, voll überbordender Phantasie und skurrilem Witz ist wie der erste. Schon die Auflistung der Zuschauerzahlen der Fernsehsender im September 1985 auf der ersten Seite sorgt für Lacher. Eigentlich soll sie dokumentieren, dass die Adrian-Lush-Show die meistgesehene Show in Thursdy Nexts Welt ist, doch schon an der sechsten Stelle folgt die Sendung Gefährliche Irre diskutieren im Fernsehen. Der Rezensent kann keine rationale Erklärung dafür abgeben, warum ihm da sogleich sonntagabendliche Polit-Talkshows eingefallen sind, gibt es doch noch zahlreiche andere im deutschen Fernsehen, die gemeint sein könnten – Talkshows natürlich.
Jasper Fforde liefert nicht nur wieder eine höchst vergnügliche phantastische Agentenparodie, sondern er verteilt auch kräftig Seitenhiebe, z.B. gegen selbstgefällige Talkshow-Moderatoren, deren Gäste viel reden, aber möglichst nichts sagen sollen, es sei denn etwas Werbewirksames über den Sponsor der Show. Und natürlich sind Jasper Fforde auch Weltkonzerne vom Schlag einer Goliath Corporation ein Dorn im Auge, die die Welt beherrschen wollen, indem sie die Medien beherrschen und wirtschaftliche und politische Macht ausüben.

Schräge Agentenparodien gibt es einige, was Ffordes Romane von ihnen unterscheidet und die Thursday-Next-Bücher so lesenswert macht, ist, dass sie unbändige Lust wecken, sich mit der Literatur zu beschäftigen in die Thursday bei ihren Einsätzen hineingerät oder auf die Fforde intelligent anspielt.
Thursday muss sich nicht nur in Poes Raben hineinbegeben, sie findet sich auch plötzlich in einem Prozeß à la Kafka wieder. Miss Havisham aus Dickens Große Erwartungen lehrt sie, wie man in Bücher springt. Thursday landet in Verstand und Gefühl, trifft die Herzkönigin und die Grinsekatze und gerät auch schon einmal in eine Waschanleitung. Unzählige Werke werden nur kurz erwähnt wie Marlowes Edward II.; Romeo und Julia, Julius Caesar, David Copperfield, Ulysses, Die Abenteuer des David Balfours, Barchester Towers, König Salomos Schatzkammer oder Vergessene Welt. Wer da keine Lust bekommt, in seinem Bücherregal zu stöbern, dem ist nicht mehr zu helfen.

Kriegsklingen von Joe AbercrombieDer berühmt-berüchtigte Barbar Logen Ninefingers verlässt seine Heimat, weil er sich zu viele Feinde gemacht hat, und gerät an Bayaz, eine Person, die so gar nicht zu ihm passt.
In Adua, der Hauptstadt der mächtigen Union, will der arrogante Adelsspross Jezal dan Luthar seine Karriere beim Militär dadurch befördern, dass er zum Fechtchampion wird, denn zum Kriegsheld taugt er nicht.
Ebenda gerät der ebenso verkrüppelte wie zynische Inquisitor Glokta in den innenpolitischen Machtkampf der niedergehenden Union, während sich an ihren Grenzen die außenpolitischen Bedrohungen häufen.

– Logen hechtete zwischen den Bäumen hindurch; seine nackten Füße rutschten auf dem nassen Boden, dem Schlamm und den glitschigen Kiefernnadeln immer wieder aus. Pfeifend schoss der Atem aus seinem Mund, und das Blut dröhnte in seinem Kopf. –
Ende, S. 7

Zu Kriegsklingen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover von Der Kuss der Russalka von Nina BlazonRussland, 1706: Johannes ist mit seinem Onkel und seiner Tante ins Reich Zar Peters eingewandert, der europäische Handwerker zu Hunderten an die Newa holt. Als ein geheimnisvolles Mädchen tot aus dem Fluss geborgen wird, bringt man die Leiche in die Werkstatt von Johannes’ Onkel. Johannes bemerkt schnell, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, zumal der geistig behinderte Mitja die Tote als Russalka bezeichnet hat. Als die gut bewachte Mädchenleiche verschwindet, gerät die Familie unter Verdacht. Johannes verfolgt die Spur der Russalka weiter, um den Ruf seiner Familie zu retten. Dabei kommen er und sein neuer Freund Jewgenij einer Verschwörung gegen Zar Peter auf die Spur, die ihre Freundschaft auf eine harte Probe stellen wird …

-Hoch türmten sich die Erdwälle der Peter-Paul-Festung vor dem Boot auf, das nun am Newator anlegte. Die Festung war das eigentliche “Sankt Piter Burch”, ein Bollwerk, das Zar Peter nach seinem Namenspatron benannt hatte, dem heiligen Petrus, und das nun der neuen Stadt ihren Namen gab.-

Zunächst entführt die Autorin den Leser ins historische Russland. Durch die Augen des jungen Johannes berichtet sie von dem gewaltigen Unterfangen, eine Zarenstadt aus sumpfigem Nichts zu errichten. Die Arbeiten an diesem Jahrhundertprojekt werden nicht als munteres Treiben beschrieben, statt dessen treten deutlich die Spannungen zwischen europäischen Handwerkern und Architekten, einheimischen Arbeitern, versklavten Kriegsgefangenen und der Militärmacht zu Tage – historisch glaubhaft und atmosphärisch geschildert. Nicht nur im Aufbau seiner Stadt, sondern auch in der Figur Peters des Großen selbst spiegeln sich Widersprüche: Der mal großherzige und mal barbarisch brutale Zar erfährt einerseits Hochachtung und wird als Weltveränderer verehrt, andererseits aber ist er der orthodoxen Schicht im Lande ein Dorn im Auge.
Dass dann in diesem historischen Roman plötzlich ein wahrhaftiges Fabelwesen – eine Russalka ist ein Meerjungfrauen-ähnliches Wesen, das in Flüssen und Seen lebt und Macht über das Wasser hat – auftritt, wirkt zuerst irritierend. Doch gerade die Mischung der märchenhaften Elemente mit dem realen Hintergrund macht die Geschichte besonders fesselnd. Mit dem wissenschaftlich interessierten und fortschrittlichen Zar Peter und den Hütern der Russalka treffen aufklärerische Züge und Naturglaube aufeinander. Von der “kleinen Meerjungfrau” hebt sich das russische Wasserwesen übrigens wohltuend ab, denn es kombiniert betörende Sinnlichkeit mit erschreckender Tierhaftigkeit. Und auch der “Kuss der Russalka” ist keineswegs das romantische Erlebnis, nach dem es sich anhört …

Die unfreiwilligen Helden der Geschichte, Johannes und Jewgenij, überzeugen vor allem dadurch, dass sich ihre Freundschaft erst einen langen Weg durch Feindseligkeit, Prügel und Nörgeleien hindurch bahnen muss. Ihre unterschiedlichen, manchmal schlicht widersprüchlichen Charaktere ergänzen sich wunderbar. Was den beiden auf ihrer Jagd nach dem Geheimnis der Russalkas widerfährt, hinterlässt seine Spuren in ihren Charakteren, bringt sie mal einander näher und mal beinahe auseinander. Eine schöne Anti-Bilderbuchfreundschaft also, wodurch beide besonders lebendig erscheinen.

Die abwechlungsreiche Geschichte ist historischer Roman, Krimi, Märchen, politischer Thriller und sogar Lovestory in einem, wirkt jedoch nie überladen. Leider muss man gelegentlich etwas angestrengt versuchen dem Verlauf zu folgen, wenn zum Beispiel ein paar kryptische Weissagungen des Gottesnarren Mitja einen komplizierten Zusammenhang erklären. Aber das mindert weder die Spannung noch schadet es der dichten, abenteuerlich-schauerlichen Atmosphäre, die die Geschichte durchzieht. Unbedingt abends bis nachts zu lesen!

Les Lames du Cardinal von Pierre PevelParis 1633. Menschengestaltige Drachen unter Führung der ebenso schönen wie intriganten Vicomtesse de Malicorne streben danach, die Macht in Frankreich an sich zu reißen. Die Lage ist so ernst, dass Kardinal Richelieu sich keinen anderen Rat weiß, als eine vor Jahren aus seinen Diensten entlassene Elitetruppe wieder zusammenzurufen: Die „Klingen des Kardinals“ unter dem erfahrenen Soldaten La Fargue. Doch der Verräter, dessen Untaten einst zur Auflösung der Einheit führten, ist immer noch auf freiem Fuß, und La Fargue ist verwundbarer, als seine Leute ahnen, hat er doch gerade erst erfahren, dass er aus einer lange zurückliegenden Affäre eine Tochter hat, die nun in höchster Gefahr schwebt…

– Haute et longue, la pièce était tapissée de livres dont les élégantes dorures luisaient dans une pénombre roussie à la flamme des bougies. Dehors, derrière les épais rideaux de velours rouge, Paris dormait sous un ciel étoilé et la grande quiétude de ses rues enténébrées parvenait jusqu’ici, où le grattement d’une plume troublait à peine le silence. –
I – L’appel aux armes

Als Fantasysetting tritt das Frankreich des 17. Jahrhunderts gewöhnlich eher selten in Erscheinung, doch als Schauplatz von Mantel-und-Degen-Romanen ist es dafür umso beliebter. An dieses Genre lehnt sich Pierre Pevel mit Les Lames du Cardinal (Drachenklingen) denn auch überdeutlich an, was Atmosphäre, Namensmaterial, Figuren und Handlungsführung betrifft. Wer mit Klassikern dieser Literaturgattung, vor allem mit Alexandre Dumas’ Drei Musketieren, vertraut ist, wird hier bis in den Verlauf einzelner Szenen hinein viel Altbekanntes wiederfinden, zumal in der Charakterisierung Richelieus, die der Schilderung dieser Gestalt bei Dumas weit mehr verpflichtet ist als dem realen historischen Vorbild. Teilweise mag diese Nähe als bewusste Hommage angelegt sein, doch sie bringt zumindest im Kleinen auch eine gewisse Vorhersehbarkeit mit sich.

Die eigentlichen Fantasyelemente treten gegenüber den historischen Details stark in den Hintergrund und bilden eher schmückendes Beiwerk: Zwar kann man in diesem Frankreich auf Lindwürmern reiten und sich Miniaturdrachen als Schoßtier oder Brieftaubenersatz halten, doch das Potential dieser hübschen Ideen wird ebenso wenig ausgeschöpft wie das der aussatzartigen Krankheit, die Menschen bei zu engem Kontakt mit Drachenmagie befallen kann. Die machthungrigen Drachen in Menschengestalt könnten ebenso gut konventionelle Geheimbündler sein, denn dass ihre Intrigen letztendlich auf ein magisches Ritual hinauslaufen, bleibt für den Verlauf der Handlung eher unbedeutend. Auch der Hauch von alternate history, mit dem Pevel arbeitet (so endet z.B. die Belagerung von La Rochelle bei ihm mit einem Sieg der Hugenotten), hat zumindest in diesem ersten Band keine entscheidenden Auswirkungen auf das Gesamtbild.

Wer es als Leser aber vor allem auf Action in einer prallen Kulisse abgesehen hat, wird in diesem Roman durchaus finden, was er sucht. An Cliffhangern, überraschenden Wendungen, Kämpfen, Gefangennahmen und gefahrvollen Missionen herrscht beim besten Willen kein Mangel, und die verschiedenen Milieus, durch die sich die Handlung in rascher Folge bewegt, sind gelungen geschildert, ganz gleich, ob es sich nun um das prunkvolle Leben des Adels, das rauere Dasein der Soldaten und Fechtmeister oder die kriminelle Unterwelt handelt.

Von den Figuren, die auf dieser Bühne eine Fülle von Abenteuern bestehen müssen, sollte man allerdings nicht zu viel erwarten, denn obwohl sie sich überzeugend in ihr Umfeld einfügen, bleiben sie letztlich allesamt recht generische Entlehnungen aus demselben Typenfundus, den schon ein Alexandre Dumas, ein Paul Féval oder ein Théophile Gautier genutzt hat. Wenn man sich an der überwiegend simplen Psychologie der Helden und ihrer Gegner jedoch nicht stört, bieten sie einem durchaus recht ordentliche Unterhaltung.

Das Ende, das den „Klingen“ nicht nur Zuwachs für ihre weiteren Unternehmungen beschert, sondern in den letzten Sätzen auch noch mit einer unglaublichen Enthüllung aufzuwarten weiß, die alle bisherigen Vorgänge in einem anderen Licht erscheinen lässt, macht durchaus Lust auf mehr. Allerdings kann man dabei nur hoffen, dass die Folgebände in sprachlicher Hinsicht etwas liebevoller gestaltet sind, denn Pevels Neigung, in unterschiedlichen Beschreibungen immer wieder auf dieselben Formulierungen zurückzugreifen, trübt das Lesevergnügen nach einer Weile doch beträchtlich.

Mayhem von Sarah PinboroughEs ist 1888 und zerstückelte Frauenkörper pflastern die Straßen in Whitechapel, London. Dr. Bond untersucht die gefundenen Überreste und kommt schon bald zu der Erkenntnis, dass Jack the Ripper nicht der einzige Serienmörder ist. Ein zweiter Killer treibt sich in den Armenvierteln herum und erlegt seine Opfer auf weit grausamere Weise. Was ist seine Motivation? Weshalb finden sich so viele Körperteile in der Themse wieder und andere bleiben verschollen? Bald schon macht Dr. Bond eine dämonische Entdeckung, die sein rationaler Verstand nicht zu begreifen bereit ist.

– »You cannot see it,« he whispered, eventually. »You cannot.« He smiled at her, and she found that she was sobbing. »But I will tell you a secret,« he whispered into her ear. There was a moment’s pause, and in it she held her terrified breath.
»It can see you.« –
Part One

»The Carnival of blood« – so nennen die Zeitungen den Sommer der ersten Morde. Mayhem zeichnet eine alternative Realität der Ripper-Morde und fügt den Fakten ein paar neue, übernatürliche Elemente hinzu, sowie einen weiteren Killer. Das zeitgleiche Agieren der beiden Mörder ist allerdings ein wenig irritierend, da der Roman nicht klar machen kann, weshalb er diese Figuren beide braucht. Zwar gibt es eine früh genannte Erklärung, die Notwendigkeit ist jedoch zweifelhaft, da Jack-the-Ripper stets nur beiläufig genannt wird und keine rechte Funktion erfüllt. Wenn man sich davon nicht zu sehr beeindrucken lässt, ist Mayhem aber ein interessantes und blutiges Leseerlebnis mit unter die Haut kriechendem Horror. Interessant daran ist, dass es nicht die Morde selbst sind, die schocken, sondern vielmehr die langsame Entdeckung des verantwortlichen Dämons und seine … Beschaffenheit.

Aufgebaut ist der Roman in drei Teilen. Im ersten Teil werden die Morde und die Nachwehen beschrieben, die die Bestie hinterlässt. Man startet also mitten im Geschehen, während den jüngsten Mordermittlungen.
Der zweite Teil ist der wirklich unheimliche Teil von Mayhem und wirkt noch besser bei stiller Umgebung und nächtlichen Lesestunden. Hierin lernen die LeserInnen die Bestie kennen, begegnen dem Menschen, von der sie Besitz ergriffen hat, und man verfolgt die schleichende Übernahme, der der Wirt wehrlos ausgeliefert ist.
Im dritten Teil schließlich folgt das Erkennen und Aufspüren der Bestie durch die Ermittler.
Entsprechend wechselt auch die Erzählperspektive. Der Hauptteil wird aus der Sicht von Dr. Bond erzählt, ein anderer Teil aus der Sicht des allwissenden Erzählers und wieder anderes durch Zeitungsschnippsel, die entsprechend optisch aufgemacht wurden. Die Erzählung verläuft nicht in chronologischer Linie, sondern mit Sprüngen in die Vergangenheit, um zur rechten Zeit ein wichtiges Detail zu verraten. Wer Rückblenden in Büchern verwirrend findet, sollte sich Mayhem vielleicht nicht unbedingt zulegen.

Die Charaktere in Mayhem sind ein wenig blass. Dr. Bond, der Arzt mittleren Alters, bietet da noch das beste Profil mit seiner Opiumsucht, seiner Schlaflosigkeit und den Alpträumen. Begleitet wird er von einem verkrüppelten Jesuitenpriester und einem tscheschichen Einwanderer, der von Visionen geplagt wird und dank einer ausgeprägten Furcht vor dem Wasser zum Himmel stinkt. Gemeinsam versuchen sie den Dämon aufzuspüren, scheinen aber immer einen Schritt hinterher zu hinken und müssen noch dazu im Schatten der offiziellen Polizeiermittlungen agieren. Denn wer würde dem seltsamen Trio schon die Geschichte von einem Dämon in Menschengestalt abkaufen? Helfen würde es Dr. Bonds Reputation freilich nicht.

Mayhem ist ein schwierig zu beurteilendes Buch. Einerseits sind die Ideen gut, doch der Ausarbeitung mangelt es zu oft an Herz, so dass alles ein wenig oberflächlich bleibt und es schwerfällt, von der Handlung mitgerissen zu werden. Wer sich aber gerne mit einer alternativen Erzählung der Rippermorde unterhalten möchte und ein wenig Gänsehaut hier und da sucht, findet in Mayhem eine solide Story mit Potential.
Ein weiteres Abenteuer von Dr. Bond ist bereits geplant, Mayhem schließt allerdings mit einem runden Ende ab und kann für sich stehend als Einzelband gelesen werden.

Cover von Eine Milliarde Jahre vor dem Weltuntergang von Arkadi & Boris StrugatzkiIn einer etwas heruntergekommenen Stadt in der Sowjetunion während eines brütend heißen Sommers sitzt der Astrophysiker Maljanow an seiner Arbeit und steht vor einer großen Entdeckung, doch ständig wird er von seinen Berechnungen abgelenkt. Seltsame Dinge passieren, nicht nur ihm, sondern auch seinen Freunden, dann wird sein Nachbar tot aufgefunden und plötzlich steht die Geheimpolizei vor seiner Tür …

-Waingartens Recht auf die Freiheit wissenschaftlicher Neugier. Keine schlechte Ware, Alter, das musst du zugeben! Wenn auch ein Ladenhüter!- S. 366

Eine Milliarde Jahre vor dem Weltuntergang. Eine unter seltsamen Umständen aufgefundene Handschrift (auch bekannt als Milliarden Jahre vor dem Weltuntergang. Eine unter seltsamen Umständen aufgefundene Handschrift) liest sich die ganze erste Hälfte über wie ein spannender Mystery-Thriller, ein Ereignis jagt das nächste, Verschwörungstheorien werden gesponnen und wieder verworfen, doch Maljanow und seine Freunde tappen im Dunkeln und mit ihnen der Leser oder die Leserin.

An diesem Punkt vollzieht der Roman eine gelungene Wendung zum Lebensphilosophischen, weg von Verschwörungstheorien, hin zu der Frage, wie weit der Einzelne zur Verwirklichung seiner Überzeugungen gehen soll und kann, wenn es doch andere leichtere, für ihn und seine Familie sicherere oder sogar (vermeintlich) lohnenswertere Wege gibt, die eben nicht zu diesem Ziel führen. Auch wenn darin der Entstehungskontext des Romans – die Sowjetunion – deutlich erkennbar ist, zeigt sich ebenso, wie zeitlos diese Thematik ist. Arkadi und Boris Strugatzki verstehen es außerdem, das Wackeln mit dem moralischen Zeigefinger zu unterlassen und zugleich den Leser/die Leserin auf den Boden allzu menschlicher Tatsachen herunterzuholen, ohne dabei der Resignation anheimzufallen. Dies gelingt ihnen vor allem durch die sehr gelungen skizzierten Figuren, anhand derer die vielen Ambivalenzen des Themas beleuchtet werden und die einem, trotz der Kürze des Romans, bald ans Herz gewachsen sind. Zumal durch sie immer wieder auch eine feine Prise Humor ihren Weg in die Handlung findet und für angenehme Auflockerung sorgt.

Der Roman ist jüngst in Band 2 der Werkausgabe der Gebrüder Strugatzki (ISBN: 978-3-453-52631-0) neu aufgelegt worden und wird darin durch einen knappen Kommentar von Boris Strugatzki zur Entstehung desselben sowie durch ein Verzeichnis literarischer und filmischer Zitate ergänzt, das wunderbar aufzeigt, mit wie vielen Anspielungen die Strugatzkis gearbeitet haben und das als Startpunkt für weitere Recherchen dienen kann, denn mehr als bibliographische Angaben zum zitierten Werk enthält das Verzeichnis nicht.

Moon Called von Patricia BriggsMercy ist was Besonderes. Es könnte daran liegen, dass sie Mercedes heißt und eine Volkswagenreparaturwerkstätte betreibt, an ihren Tatoos, an ihren seltsamen Freunden (eine Adoptivfamilie von Werwölfen, ein Undercoverpolizist mit einer besonderen Gabe; ein Gremlin, der in Harvard studiert, und noch mehr) oder daran, dass sie eine Art Gestaltwandlerin ist und sich in einen Koyoten verwandeln kann. Wie auch immer. Als Nachbarskind und pupertäre Neunmalkluge Jesse entführt und deren Vater (der ganz nebenbei der Anführer des örtlichen Werwolfrudels ist) beinahe getötet wird, muss sie beweisen, was in ihr steckt. Dabei hat sie mit arroganten Werwölfen, anmaßenden Ex-Freunden und böswilligen Geschöpfen der Nacht zu tun.

-A werewolf tossed me against a giant packing crate while I was trying to rescue a frightened young girl who’d been kidnapped by an evil witch and a drug lord.-

Die größte Stärke von Moon Called (Ruf des Mondes)ist die Protagonistin Mercedes Thompson alias Mercy. Sie ist ein erfrischender weiblicher Charakter mit Ecken und Kanten. Einerseits heben sich ihre soziale Stellung und äußeres Erscheinungsbild stark von der Norm ab (das Coverbild trifft sie perfekt), andererseits bietet sie hohes Identifikationspotential, da sie eine bewundernswerte Persönlichkeit ist. Mercy ist sexy ohne billig zu wirken, ist stark, kann aber Schwäche zulassen, ist unabhängig und doch eine engagierte Freundin. Sie ist stur, weiß aber, wann sie nachgeben muss, hat Humor, obwohl sie es nicht immer leicht hat und vor allem, sie ist eine Frau, kein Mädchen. Kurz, Mercy ist eine “gewachsene” Persönlichkeit, die man auch im realen Leben gerne kennen würde.
Den zweiten Riesen-Pluspunkt können die Nebencharaktere für sich verbuchen. Normalerweise besteht bei einer derart starken Hauptfigur die Gefahr, dass die Nebencharaktere blass wirken oder ins Stereotypenhafte abgleiten – das Gegenteil ist der Fall. Sie wirken unglaublich real und sind selbst starke Sympathieträger. Als # starb, hätte ich am liebsten geheult, obwohl ich ihn erst seit einigen Seiten kannte. Außerdem gehören Briggs Charaktere den verschiedensten ethnischen und sozialen (Rand-)Gruppen an (und damit meine ich nicht das Feenfolk und andere Zauberwesen). Weiß, männlich und protestantisch bildet hier die Ausnahme von der Regel. Und wenn man sieht, wie vielschichtig und ausbaufähig die Haupt- als auch die Nebenfiguren sind, kann man erkennen, dass der Autorin mehr als nur eine Geschichte unter den Nägeln brennt.
Die Geschichte selbst ist gut und spannend geschrieben, selten vorhersehbar und nebenbei ist auch eine Love-Story am köcheln (Kitschfaktor kleiner gleich Null). Für deutsche Leser besonders amüsant sind die eingebauten dt. Heldensagen und deutsche Konversationsfetzen – einfach süß!
Nur gegen Ende gibt es ein, zwei kleinere Wehwehchen, die wahrscheinlich durch überhastetes Schreiben zustande gekommen sind. Einmal weicht Patricia Briggs vom obersten Gebot der Autorenzunft ab (“show, don’t tell”) und lässt zwei Figuren (Mercy und Christiansen) einander die Handlung samt gegenwärtigem Stand der Verschwörungstheorie erklären. Es reißt den Leser aus dem bis dato flotten Tempo heraus und wirkt etwas unbeholfen. Auch vom eigentlichen Gegenspieler, der die Fäden im Hintergrund zieht, hätte ich mir mehr erwartet als die letztendlich etwas lahme Konfrontation. Aber bitte, bitte, lasst euch nicht von meiner etwas pingeligen Kritik davon abhalten, dieses fantastische Buch zu lesen!

Die Nachtwächter von Terry PratchettKommandeur Mumm ist nicht mehr der Jüngste. Als Oberhaupt der Stadtwache ist er hauptsächlich mit Papierkram beschäftigt. Ankh-Morpork ist recht ruhig geworden für den alten Polizisten. Als aber der Serienkiller “Carcer” einen Wächter tötet und auf das Dach der Unsichtbaren Universität flüchtet, kann Mumm nicht widerstehen: Mitten in die Verfolgungsjagd schlägt ein Blitz ein: Als der Kommandeur wieder zu sich kommt, findet er sich 30 Jahre in der Vergangenheit wieder. Ankh-Morpork ist ein Sumpf des Verbrechens, und die Stadtwache ist nicht mehr als ein müder Haufen. In den bürgerkriegsähnlichen Zuständen versucht Mumm verzweifelt, sein jüngeres Ich vor Schaden zu bewahren und Ordnung zu schaffen …

-Sam Mumm seufzte, als er den Schrei hörte, aber er rasierte sich zu Ende, bevor er etwas unternahm.-

Wie der aufmerksame Leser meinem Pseudonym entnimmt, bin ich ein großer Fan und Verehrer des Scheibenwelt-Zyklus. Daher habe ich trotz aller Bewunderung für Pratchett versucht, hier eine möglichst objektive Rezension darzulegen.
Mit Die Nachtwächter (Night Watch) findet die Saga um die Stadtwache zu einem fulminanten Finale. Da es sich quasi dauernd auf Ereignisse in älteren Scheibenwelt-Romanen bezieht, ist dieses Buch nur für Leser geeignet, die sich wirklich gut auf der Scheibenwelt im allgemeinen und in der Stadtwache im speziellen auskennen.
Kein Pratchett-Roman hat mich bis dato so tief berührt wie Die Nachtwächter. Alles, was mich an Pratchetts Romanen so fasziniert, ist auch in diesem Buch wieder reichlich enthalten. Die Sprache, wie das Gemälde eines Impressionisten, kommt mit dem nötigsten aus, transportiert aber die teils sehr unterschiedlichen Stimmungen äußerst eloquent. Pratchetts sarkastischer Humor sorgt stets für einige Lacher und entspannt das Buch. Allerdings fallen hierbei bereits einige neue Ansätze auf. In quasi allen früheren Discworld-Romanen wirkten die handelnden Figuren (etwa Nanny Ogg oder Cohen der Barbar) eher wie überzeichnete Comicfiguren denn wie echte Charaktere. Auf den ersten Blick hat sich daran nicht viel geändert, auf den zweiten jedoch entdeckt man seelische Tiefen, die man nie für möglich gehalten hätte.  So sind die Protagonisten keine blossen Karikaturen mehr, sie sind echt – glaubwürdig.
Dergestalt beschreitet der Autor auch bei der Handlung neue Wege. Die Geschichte ist ein hochbrisanter und durchaus ernstzunehmender Spiegel der Menschheit und ihres ganz normalen Wahnsinns und gab mir das bei Fantasy-Literatur äußerst seltene Gefühl, etwas über die Welt und die Menschen gelernt zu haben.
Dass dann dabei auch noch der Unterhaltungswert stimmt, versteht sich dann fast von selbst, obwohl für “Scheibenwelt-Veteranen” manche Pointen und Witze fast vorhersehbar sind.

Viel deutet darauf hin, dass Pratchett mit den “alten” Discworld-Geschichten abschließt. Schließlich endete bereits in Wahre Helden (The Last Hero) die “Ära Cohen” überaus oppulent. Und mit diesem Roman nun erhält die “Mumm”-Saga einen würdigen Abschluss. Ob es allerdings ein Happy-End gibt, das mag der geneigte Leser selbst herausfinden.

Necromancer von Martha WellsNicholas Valiarde ist ein Edelmann mit einem Doppelleben als größter Dieb der Stadt Vienne – und seine Verbrechen dienen nur einem Ziel: Er will den Grafen Montesq ausschalten, der einst seinen Mentor wegen Nekromantie zum Tode verurteilen ließ. Nicholas ist näher als je zuvor an seinem Ziel, als ihm ein ungelegener Zwischenfall in die Quere kommt: Ein zwielichtiger Spiritualist, der angeblich mit Verstorbenen kommunizieren kann, geht in den Adelshäusern der Stadt ein und aus und benutzt eine der Erfindungen von Nicholas’ verstorbenem Mentor. Als ob das nicht genug wäre, sieht sich Nicholas bei seinen Nachforschungen plötzlich echter Nekromantie gegenüber. Er geht der Sache nach – weitaus besser als die inkompetente Präfektur der Stadt …

– Die nervenaufreibendsten Unternehmungen waren immer die, bei denen man den Vordereingang benutzen musste. –
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Zu Necromancer liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover des Buches "Phönix" von Steven BrustVlad sitzt im Keller eines Holzgebäudes in Süd-Adrilankha und versucht, nicht von drei finsteren Kerlen, die er nicht einmal sehen kann, umgebracht zu werden. In dieser ausweglosen Lage schickt er ein Stoßgebet zu seiner Schutzgöttin Verra – und wird erhört. Diese hat diesen Überfall nur inszeniert, um Vlad einen Auftrag erteilen zu können. Er soll König Haro auf der Insel Grünewehr ermorden. Zwar ist die Insel vor Zauberei geschützt, aber trotzdem ist der Auftrag für einen Berufsmörder nicht besonders schwierig auszuführen. Dumm nur, dass Vlad bei der Auftragserledigung über einen mysteriösen Trommler stolpert und sich nun beide in Gefangenschaft befinden. Ungefähr zur gleichen Zeit wird Vlads Frau Cawti in der Heimat als Rebellin verhaftet.

-Ständig fragen die Leute mich: “Vlad, wie machst du das? Warum bist du so gut darin, Leute umzubringen? Was ist dein Geheimnis?” Ich antworte: “Es gibt kein Geheimnis. Das ist genauso wie alles andere auch. Manche verputzen Wände, andere machen Schuhe, ich lege Leute um. Man muß eben sein Handwerk erlernen und üben, bis man gut genug ist.”-
Prolog

Die Stärke dieses Buches ist der Ich-Erzähler Vlad Taltos, der seine Abenteuer mit trockenem, lakonischem Humor zum Besten gibt, dabei aber nie albern wird oder in Gefahr gerät, im Klamauk zu enden. Für Komik sorgt auch Vlads Helfer Loiosh, ein kleiner Flugdrache, dessen Benehmen Ähnlichkeit mit dem der tierischen kleinen Helfer der Helden in den Disneyfilmen aufweist, die meist von Otto synchronisiert werden.
Außerdem gibt es Vlads Frau Cawti, mit der er sich zwar gerade nicht allzu gut versteht.  Trotzdem möchte er nicht, dass sie im Imperialen Gefängnis eingekerkert bleibt. Cawti allerdings möchte das schon – obwohl sie begnadigt wurde, weigert sie sich strikt das Gefängnis zu verlassen, so lange ihre Freunde nicht ebenfalls freigelassen werden. Sture Ehefrauen können ein richtiges Problem sein, da spielt es dann auch keine größere Rolle mehr, dass jemand ein Kopfgeld auf Vlad ausgesetzt hat und er Gefahr läuft, selbst ermordet zu werden.

Da wir gerade über Familienangehörige sprechen: Großväter stellen ein weiteres Problem dar. Vlads Großvater findet den Beruf seines Enkels überhaupt nicht gut. Seit Vlad das weiß, plagt ihn das schlechte Gewissen, weil er sich bezahlen lässt, um Menschen das Leben zu nehmen und vor dem Mord an Haro bekommt er eine moralische Krise.
Das ist alles überhaupt nicht witzig!
Komisch ist es allerdings schon und so wird glücklicherweise verhindert, dass Vlad Taltos der erste Auftragsmörder der Literatur ist, über dessen Schicksal der Leser vor Mitleid in Tränen ausbricht, was politisch überaus inkorrekt wäre.

Aber Phönix (Phoenix) bietet noch mehr als trockenen Humor, es bietet auch Lebenshilfe.
Haben Sie sich schon einmal klar gemacht, auf wie viele verschiedene Arten Sie sterben können? Vlad erzählt davon: Jedes einzelne ihrer lebenswichtigen Organe kann auf hundert verschiedene Arten versagen, unzählige Krankheiten warten darauf, Ihnen den Garaus zu machen, sie können von Tieren gerissen werden, sie können das Opfer von Naturkatastrophen werden, kleine Missgeschicke, tragische Unfälle lauern bei jedem Schritt, den Sie machen und haben Sie eine Ahnung, wie viele Menschen es darauf abgesehen haben, Sie absichtlich um die Ecke zu bringen…

Wie alt sind Sie? Siebzehn, achtundzwanzig oder sogar schon über vierzig und Sie leben noch???? Wenn Sie diesen Abschnitt des Buches gelesen haben, dann werden Sie nie wieder morgens muffelig im Bett liegen und den Tag verfluchen, weil Sie einer langweiligen Arbeit unter einem miesen Chef nachgehen müssen. Sie werden fröhlich aus dem Bett springen, das Fenster aufreißen, den Tag begrüßen und glücklich sein, dass Sie LEBEN. Was kann man von einem Buch mehr verlangen???

P.S. Spannend ist Phönix natürlich auch. Sie werden nie darauf kommen, welches Geheimnis sich hinter dem Trommler verbirgt.

Cover des Buches "Picknick am Valentinstag" von Joan LindsayAn einem australischen Sommertag, dem Valentinstag des Jahres 1900, veranstalten die Schülerinnen des Appleby Colleges unter Aufsicht ihrer Gouvernante ein Picknick am Fuße des Hanging Rock. Vier Mädchen machen sich auf, um die Felsformation näher zu erkunden. Eine von ihnen kehrt Stunden später völlig in Panik, hysterisch schreiend und mit zerrissenen Kleidern zurück, ohne sich daran erinnern zu können, was geschehen ist. Die anderen Mädchen bleiben vorläufig verschwunden und auch die Gouvernante ist plötzlich nicht mehr auffindbar.

– Ob das “Picknick am Valentinstag” sich tatsächlich so ereignet hat oder nicht, müssen meine Leser selbst entscheiden. Doch da das Picknick im Jahre neunzehnhundert stattgefunden hat und die Charaktere, die in diesem Buch auftreten, schon lange tot sind, erscheint diese Frage unerheblich. –

In diesem Roman gibt es keine Elfen, Feen, Magier oder Drachen; man wird auch kein Grüppchen Aufrechter darin finden, die gegen das Böse kämpfen. Das Faszinierende an Joan Lindsays Roman ist, dass eine friedliche Idylle unerwartet und auf unheimliche Weise zerstört wird.
Die Szenerie ist real. Was könnte harmloser, friedvoller, unbeschwerter und romantischer wirken als ein Grüppchen junger Mädchen, korrekt gekleidet in lange weiße Musselinkleider, mit Handschuhen und Sonnenschirmen? Und wie groß muss das Entsetzen sein, wenn ein Mädchen derart derangiert wieder auftaucht und drei Anderen samt ihrer Gouvernante verschwunden bleiben?
Ein weiteres Mädchen wird eine Woche später aufgefunden, nur leicht verletzt, ebenfalls halb bekleidet, ohne Erinnerung an das Geschehene und das Letzte, was man von der Gouvernante hört, ist, dass sie noch einmal gesehen wurde – nur in Unterwäsche.
Jeder Leser kann sich halbwegs vorstellen, was am Hanging Rock geschehen sein muss und darf diese Vermutung gleich wieder über Bord werfen. Die beiden Mädchen sind immer noch jungfräulich.

Nach diesem Schock scheint das Leben im Appleby College den Umständen entsprechend normal weiter zu gehen und der Leser könnte auf den Gedanken kommen, dass der Roman jetzt so vor sich hinfließt und längere Zeit nichts Spannendes oder Unheimliches passiert. Das ist aber nur vordergründig so. Das Unheimliche und Phantastische tritt nicht mehr so plakativ auf, wie am Anfang der Geschichte, es steckt in Anspielungen und Nebensätzen, und muss zwischen den Zeilen herausgelesen werden.
Dieser Roman braucht Leser, die sich auf leise Untertöne und Bildersprache verstehen. Zum Ende hin gewinnt er wieder an Dramatik, als sich die Tragödien häufen, die alle mit den Geschehnissen am Hanging Rock in Zusammenhang stehen.

Das Ende des Romans bleibt offen, jedenfalls war das über zwanzig Jahre lang so und in englischsprachigen Ausgaben endet das Buch auch heute noch mit dem siebzehnten Kapitel. Joan Lindsay hat aber ein Schlusskapitel geschrieben, in dem sie das Rätsel um den Verbleib der drei Verschwundenen auflöst. Die Autorin hat verfügt, dass dieses Kapitel am dritten Valentinstag nach ihrem Tod veröffentlicht wird. In meiner Ausgabe gibt es dieses erklärende achtzehnte Kapitel und noch ein alternatives Schlusskapitel, das sich der Übersetzer hat einfallen lassen.
Mein Tip ist: Hören Sie nach dem siebzehnten Kapitel auf zu lesen. Die angebotenen Auflösungen sind nicht schlecht und tendieren in die Richtung, die die meisten Leser ohnehin vermuten werden. Aber es besteht die Gefahr, dass für einige Leser der Zauber des Buches zerstört wird und andere werden die angebotenen Auflösungen nicht glauben und ihre eigene Theorie vom Grund des Verschwindens der Mädchen trotz der Vorgabe nicht aufgeben.

Cover von Quantum von Hannu RajaniemiMeisterdieb Jean le Flambeur sitzt in einer Erziehungsanstalt, deren Methoden sich auf (zum Teil) virtuell tödliche Spiele beschränken. Dies soll die Insassen zu besseren Menschen machen. Bevor dies bei le Flambeur tatsächlich eintritt, wird er jedoch glücklicherweise von der Kriegerin Mieli aus dem Cyber-Gefängnis gerettet, damit er etwas für sie von der Oubliette, der Metropole auf dem Mars, stiehlt. Der Auftrag erweist sich jedoch nicht nur als wahre Herausforderung für den Meisterdieb, sondern auch als Reise in seine Vergangenheit. In der Oubliette verdient sich parallel dazu ein junger Detektiv seine Sporen im Dienste des geheimnisvollen „Gentleman“.

-Bevor das Kriegerhirn und ich aufeinander schießen, versuche ich, wie jedes Mal, Konversation zu machen.- S. 6

Mit seinem Debutroman Quantum stürzt der studierte Mathematiker und Physiker Hannu Rajaniemi den Leser/die Leserin unvermittelt in ein facettenreiches Science-Fiction-Universum. Mit Erklärungen hält er sich dabei jedoch nicht lange auf, stattdessen werden einem Fraktionen, neue Gesellschaftssysteme und eine Unzahl von Technologien an den Kopf geworfen; erst ungefähr zur Hälfte des Buches beginnt sich ein Bild abzuzeichnen, vieles bleibt jedoch bis zum Ende des Romans rätselhaft – vielleicht schaffen hier die folgenden Bände Abhilfe.

Rajaniemi schafft es so aber auch ein Gefühl zu wecken, das die Science Fiction für mich schon beinahe verloren hatte: Faszination ob der Technologien und Anwendungsbereiche, die der Autor mithilfe der Quanten aus dem Hut zaubert. Diese, gepaart mit großem Entdeckerdrang, ist es auch, die einen durch die erste Hälfte des Buches trägt, wenn man jedes Informationsschnipselchen in sich aufsaugt, um das Setting besser zu verstehen. Der Roman erweckt stellenweise den Eindruck einer tour de force durch einen Jahrmarkt der Zukunftstechnologie. Die Attraktionen sind teilweise beeindruckend, teilweise erschreckend, immer jedoch faszinierend – man kommt jedoch nicht dazu, sie sich genauer anzuschauen, denn kaum hat man die eine betrachtet, folgt schon die nächste. Mit den Milieus der marsianischen Oubliette erfahren diese Technologien eine faszinierende soziale Einbettung. Bei manchen der auftretenden Gruppierungen werden sogar ihre Ursprünge in heutigen Subkulturen angedeutet und auch sonst verbergen sich in den Namen und Bezeichnungen zahlreiche Anspielungen und Hinweise.

Leider zeigt Rajaniemi bei seinen Figuren nicht dieselbe Kreativität, diese bleiben Stereotype (der sympathische Gentleman-Gauner, die spröde Amazone, etc.), obwohl sie in der zweiten Hälfte des Romans etwas mehr Substanz gewinnen, und auch die Auflösung einiger Beziehungen ist erschreckend vorhersehbar. Sie erfüllen jedoch durchaus ihren Zweck, vermögen Sympathie zu wecken und die Handlung mit Leben zu füllen. Leider nimmt genau dann, als man mehr über die Vergangenheit Jean le Flambeurs erfährt, die Geschichte deutlich mehr an Fahrt auf und läuft dem (etwas überhasteten) Ende entgegen.
Trotzdem ist der Roman eine Empfehlung für all jene, die nicht genug von sympathischen Gentleman-Gaunern kriegen können und Freude am Entdecken haben!

Ruf des Mondes von Patricia BriggsAls Mercy Thompson den jungen Mac als Aushilfe in ihrer Autowerkstätte anheuert, ahnt sie noch nicht, was für einen Ärger sie sich damit aufhalst: Mac, ein junger Werwolf, der offensichtlich sein Rudel verlassen hat, hat gefährliche Feinde. Mercy, selbst nur eine Gestaltwandlerin und weniger stark als ein Werwolf, ist dem Fall bald nicht mehr gewachsen, denn es folgt auch ein Angriff auf das örtliche Werwolfsrudel, wobei die Tochter des charismatischen Anführers entführt wird. Bald sieht Mercy sich gezwungen, alle Register zu ziehen – sie bittet ihren Vampir-Freund um Hilfe und kehrt sogar zu ihren Wurzeln zurück, dem mächtigen Werwolfsrudel, das sie einst aufgenommen hat und an das sie vor allem schmerzliche Erinnerungen binden …

-Mir war nicht sofort klar, dass ich einen Werwolf vor mir hatte.-
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Mercy Thompson, ihres Zeichens Automechanikerin, ist eine Heldin aus einer Legion von Frauen, die in den letzten Jahren vermehrt das Phantastik-Genre aufmischen, die Werwölfe, Vampire oder Dämonen jagen, mit Werwölfen, Vampiren oder Dämonen ins Bett steigen – oder, wie eben Mercy, versuchen, trotz Werwölfen, Vampiren und anderen Gestalten zurechtzukommen und ein ganz normales Leben zu fristen. Keine Frage, daß das nicht klappt, und Mercy Verwicklungen abenteuerlicher und romantischer Natur erleben muß, denn sie behauptet sich in einer Welt, in der einige Feenwesen sich aufgrund des Mediendrucks offenbaren mußten und in Koexistenz mit den Menschen leben, wohingegen die traditionell organisierten Werwölfe und Vampire sich damit noch zurückhalten und weiter im Geheimen agieren. Hier hat Patricia Briggs geschickt einige Elemente des modernen Alltags zu einer lebendigen Parallelwelt zusammengestrickt, um eine nette, wenn auch in Zeiten der Urban-Fantasy-Schwemme nicht sonderlich originelle Kleinstadtkulisse für Mercys Abenteuer zu bieten.

Immerhin sticht die Heldin aus der Masse ihrer Kolleginnen hervor: Umgeben von mächtigen Werwölfen und Vampiren ist sie nur eine kleine Gestaltwandlerin, die ab und an als Kojote durchs Bild huscht, wenn auch durchaus mit besonderen Kräften ausgestattet. Ganz selbstbewußt und unabhängig steht sie ihre Frau (man ist schließlich Automechanikerin!), umgeben von Männern, deren erstes Attribut immer ihre Attraktivität ist, und von den besonders attraktiven sind auch gleich alle bis auf den Quotenschwulen hinter unserer Heldin im Kojotenpelz her und streiten sich mitunter um sie oder leben ihren Beschützerinstinkt aus (Rollenverhalten wird überhaupt gerne mal auf Instinkt geschoben, der im Werwolfumfeld ganz groß geschrieben wird). Urban Fantasy und Rollenklischees sind offenbar einen fast untrennbaren Bund eingegangen, auch wenn man Mercy Thompson zugestehen muß, daß sie sich im Grunde wacker schlägt, ab und an alles mit einem Augenzwinkern abgemildert wird und in diesem Bereich wirklich Schlimmeres existiert.

Mit dem aus Ich-Perspektive erzählenden Hauptcharakter steigt man schnell in eine Handlung ein, in der die örtlichen Werwölfe – nicht eben Mercys beste Freunde – von einer Verschwörung bedroht werden, in die sie mitten hineinschlittert. Witzige Episoden und Charaktere, vom VW-Bus-fahrenden Vampir bis hin zum Werwolf-Anführer, der keiner Katze ein Haar krümmen kann, sorgen für gute, spannende Unterhaltung, die man locker weglesen kann. Allzu viele Gedanken sollte man dem Plot allerdings nicht widmen, sonst fällt er in sich zusammen wie ein Kartenhaus, vor allem beim konstruiert wirkenden und flott abgehandelten Ende wird deutlich, wie dünn die Handlung war. Die letzte Szene schrammt knapp an einem hochromantischen Ausgang vorbei und mündet stattdessen in das vergnügliche Hickhack zwischen den Charakteren, das im gesamten Roman präsent war.

Mercy als lockere Erzählerin tut ein übriges dafür, daß der Humor nicht zu kurz kommt, allerdings wirkt der Ich-Erzähler gerade anfangs stellenweise plump, wenn allzu offensichtlich Dinge erklärt und Informationen eingestreut werden, die, wenn schon auf diese Art, vielleicht immer noch charmanter mit einer direkten Ansprache des Lesers untergebracht worden wären, statt sie ihm in Monologen der Hauptfigur unterzuschieben, die die Handlung bremsen und wie Fremdkörper wirken. Nachdem man die ersten Erklärungen, die gleichsam Einführung in Mercys Welt sind, hinter sich gelassen hat, steht dem Spaß an der Lektüre allerdings nicht mehr viel im Wege, wenn man sie als das nimmt, was sie ist: Seichte Unterhaltung ohne große Hintergründe – jedoch vergnüglich und solide umgesetzt, und somit eine ideale Entspannungslektüre für alle, die nicht gleich in den wirklichen Untiefen der Urban Fantasy und Romantasy nach Lesefutter angeln wollen, sondern eine größtenteils bodenständige Heldin und Geschichte bevorzugen.

Die deutsche Ausgabe von Moon Called wartet allerdings noch mit einem großen Mangel auf: Einer phänomenalen Dichte an Fehlern – vom Tippfehler über verdrehte Namen bis hin zu nicht zu Ende geführten Sätzen, in einer Frequenz, die das Lesevergnügen durchaus beeinträchtigt.

Cover von Salve Roma von Akif PirinçciAls Francis’ Herrchen Gustav nach Rom gerufen wird, um die Ausgrabungen in neu entdeckten Katakomben zu überwachen, denkt Francis gar nicht daran, in der Katzenpension zu bleiben, in welcher Gustav den Kater zurücklassen will. Kurzerhand schmuggelt er sich in den Rucksack seines “Dosenöffners”. Doch als er in der großen Kulturhauptstadt ankommt, muß er feststellen, daß sich seine Reise schnell in eine ganz andere als die ursprünglich von ihm geplante Richtung entwickelt. Eine rätselhafte Mordserie unter den streunenden Katzen verbreitet unter den Samtpfoten Roms Angst und Schrecken. Zusammen mit seinem neu gewonnenen Freund Antonio versucht Francis Licht in den unheimlichen Fall zu bringen.

-Das Leben ist schön – die Menschen sind häßlich.-
Unbekannter Philosoph

Salve Roma ist der fünfte Band aus der Felidae-Reihe und dem Autor gehen sichtlich die Ideen aus. Manches von dem, was in Salve Roma beschrieben und erzählt wird, ist in anderen Büchern der Reihe schon einmal vorgekommen bzw. in anderer Form schon einmal erwähnt worden, und der Aufbau und Ablauf der Handlung ist auch nur eine leicht veränderte Variante der vorherigen Bände. Wieder werden Katzen auf grausame Weise getötet – in diesem Roman wird ihnen ein Ohr mitsamt Gleichgewichtsorgan entfernt – wieder spielt eine geheimnisvolle Sekte eine tragende, aber nicht die entscheidende Rolle – und wieder steckt letztendlich ein größenwahnsinniger Zweibeiner dahinter. Auch bei den Protagonisten ist Akif Pirinçci leider nichts grundlegend neues eingefallen: Es gibt die geheimnisvolle Katzendame, es gibt einen gutmütigen Hund, ein paar Straßenkatzen und die schöne Fremde, in die Francis sich heftig “verliebt”, auch hilft ihm diesmal ein schwarzer, schlanker Kater bei seinen (wieder) unfreiwilligen Ermittlungen: Antonio, der Francis ein guter Freund wird, ihn in den lukullischen Katzenhimmel Italiens entführt und der eine Neigung zum gleichen Geschlecht hat. Diese Homosexualität und anderes aus dem Verhaltensrepertoire der Katzen , welche der Autor ins Spiel bringt, wird in Fußnoten am Ende des Roman ausführlicher beleuchtet und erklärt, und auch dies wurde in den vorhergehenden Bänden so gehandhabt, was für das bessere Verständnis einzelner Situationen durchaus von Nutzen sein kann.
Dennoch hatte ich nach der Lektüre das Gefühl, alles schon einmal gelesen zu haben, und auch das Ende der Geschichte wirkt “an den Haaren herbeigezogen”.
Die Serie ist schlicht ausgebrannt, die Vorgänger, vor allem Felidae und Francis warteten schon mit Superlativen an Lösungen auf, so daß es verständlicherweise schwer ist, wieder einen guten, stimmigen Plot aus dem Hut zu zaubern und damit eine packende Geschichte zu schreiben … Es ist wie bei Filmen, an die man aufgrund des Erfolgs des Ersten eine Fortsetzung dranhängt: Sie wirken wie ein fader Abklatsch des ersten Films. So ist es auch hier: Zumindest die Bände 3 bis 5 der Felidae-Reihe sind mehr oder weniger Plagiate der ersten beiden Bände …
Aus diesem Grund sollte man Francis die letzten Jahre seines Katzenlebens gönnen, ohne spektakuläre Serienmordfälle lösen zu müssen, und ihn in Ruhe in Gustavs miefigen Bett dösen und draußen im Garten einfach die Mäuse fangen lassen, die er in seinem Alter noch erwischt …

Cover des Buches "Das schwarze Einhorn" von Terry BrooksDrei seltsame Träume schicken Ben Holiday, den König des magischen Landes Landover, und seine Freunde auf Reisen. Ben besucht seinen alten Partner Miles in Chicago, Questor, der Hofzauberer, holt die verschollenen Zauberbücher und die Sylphe Weide sucht das schwarze Einhorn, von dem Legenden schlechtes zu berichten wissen. Doch die Träume sind ein Trick von Meeks, dem bösen Hexenmeister. So gelingt es ihm mit dem König zurück nach Landover zu gelangen. Dort verzaubert er sich und Ben, so dass Meeks wie der König erscheint und Ben wie ein Fremder. Wird es Ben rechtzeitig gelingen, den Trick, mittels dessen Meeks ihm seine Macht nahm, durchschauen?

-Das schwarze Einhorn tauchte aus den Morgennebeln, fast als sei es aus ihnen entstanden, und blickte über das Königreich Landover.-
Prolog

Die Welt dieser Geschichte ist dieselbe wie in Ein Königreich zu verkaufen, nur konzentriert sich der Autor in Das schwarze Einhorn (The Black Unicorn) noch stärker auf den Handlungsablauf, so dass kaum Platz für Neues ist und ein paar alte Dinge nur noch erwähnt werden, aber selber keine Rolle mehr spielen, wie die Herren des Grünlandes und die Trolle. Mit Ausnahme von Weide und ihrem Vater dem Flussherren, werden die bekannten Figuren auch nicht weiter entwickelt.
Neu hinzu kommt die Erdmutter, welche die Hüterin des Landes ist; vom Konzept her ähnlich wie Tom Bombadil, nur nicht so gelungen, und Edgewood Dirk. Dirk ist eine Prismenkatze, ein mächtiges und undurchschaubares Elfenwesen, das viele andere nervös werden lässt. Er begleitet Ben auf seiner Suche nach sich selbst mit Ratschlägen, die zwar immer den Kern treffen, aber selten verständlich sind. Dirk ist der wahre Star der Geschichte, selten ist mir ein so sonderbarer Charakter untergekommen. Bis zum Schluss bleibt er unberechenbar.

Die Story ist eigentlich recht einfach: Weide sucht das Einhorn, während Ben Weide und seine verlorene Macht sucht. Dazu werden verschiedene Stationen besucht, z.B. der Flussherr, der Tiefe Schlund, etc. Aber man gewinnt dennoch nicht den Eindruck, dass hier alte Geschichten wieder aufgewärmt werden, denn die Stationen werden gut begründet miteinander verknüpft.
Die Geschichte erinnert von der Form her stark an eine klassische Detektiv-Geschichte: Ein Verbrechen wird begangen (Meeks stiehlt Landover) von einem Schurken mit persönlichem Motiv (Meeks will Macht). Der Detektiv und sein Sidekick (Ben Holiday und Edgewood Dirk) müssen eine Reihe von Indizien sammeln um das Verbrechen aufklären zu können. Es gibt am Ende sogar eine Aufklärungsszene, in der die kompletten Vorgänge noch einmal aufgerollt werden.

War der erste Band aufgrund seiner grotesken Situationen humorvoll, so versucht der Autor hier neben den grotesken Szenen mit Edgewood Dirk zusätzlich mittels gewollter Komik einige Szenen aufzulockern – was meiner Meinung nach nicht besonders gut gelingt, aber auch nicht sonderlich störend wirkt.
Lesen lässt sich der zweite Band unabhängig vom ersten da alle wichtigen Ereignisse kurz rekapituliert werden. Allerdings geht dann ein wichtiger Hinweis leider verloren und die Entwicklungen der Charaktere (Ben, Weide und der Flussherr) fallen weniger stark ins Gewicht.

Mit der Bewertung habe ich mich dieses mal sehr schwer getan; auf der einen Seite enthält die Geschichte einige hervorragende Elemente – sie ist sehr spannend, man fühlt sich zum miträtseln regelrecht gedrängt, Edgewood Dirk ist großartig und die Auflösung halte ich ebenfalls für gelungen. Dass die Charaktere keine besondere Tiefe entwickeln stört mich hier nicht sonderlich, da in Detektiv-Geschichten so etwas nur ablenkt. Aber die Geschichte läuft etwas zu reibungslos ab, einiges ist zu konventionell und sprachlich sind manche Dinge ungelenk (der Sprachstil der Erdmutter). Letztlich meine ich aber, dass die positiven Elemente gerade beim ersten Lesen deutlich überwiegen.

Silberlinge von Jim ButcherDas Grabtuch von Turin wurde aus dem Vatikan gestohlen, und Harry soll es finden. Was anfangs nach einer einfachen Aufgabe klingt, wird schnell brenzlig, als Harry es mit Auftragskillern, gefallenen Engeln, einer kopflosen Leiche mit zahllosen Krankheiten und dem Champion des Roten Hofes der Vampire zu tun bekommt. Als wären das noch nicht ausreichend Herausforderungen, taucht auch Susan plötzlich vor Harrys Türe auf und hat einen anderen Mann dabei.

– Manche Dinge passen einfach nicht zusammen, etwa Öl und Wasser, Orangensaft und Zahnpasta.
Das gilt auch für Magier und das Fernsehen. –
Kapitel 1, S. 1

Zu Silberlinge liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Snake Agent von Liz WilliamsDetective Inspector Chen, Polizist in Singapore Three, erhält eine Vermißtenmeldung: Der Geist von Pearl Tang, der Tochter eines Großindustriellen, ist nach dem Tod des Mädchens nicht im Himmel aufgetaucht. Chen stößt bei seinen Ermittlungen sehr schnell auf Widerstand, findet aber schließlich heraus, daß Pearl widerrechtlich in der Hölle gelandet ist. Während sein primäres Ziel die Überführung des Geistes in den Himmel ist, hat die Hölle ein eigenes Interesse an der Aufklärung der Sache und schickt dazu den Seneschall Zhu Irzh vom Lasterministerium zu Ermittlungen auf die Erde. Dort gerät er Chen in den Weg.

-Detective Inspector Chen brushed aside the chaos on his desk and carefully lit a single stick of scarlet incense.-
One, Singapore Three, Earth, One Week Earlier

Wenn westliche Autoren Krimi-Geschichten aus einem China mit mythischem Einschlag erzählen, liegt die Meßlatte hoch, denn dabei Pfade einzuschlagen, über die Barry Hugharts Meister Li noch nicht mit größerer Kunstfertigkeit von seinem Gehilfen Nummer Zehn der Ochse getragen wurde, ist eine Herausforderung.
Ein erster Schritt in eine andere Richtung ist es, Snake Agent, den ersten Band mit den Fällen von Detective Inspector Chen, nicht im alten China, das es niemals gab, sondern in einer Volksrepublik der nahen Zukunft anzusiedeln, die sich von unserer Gegenwart hauptsächlich in fortgeschrittener Kommunikationstechnologie und darin unterscheidet, daß aus Städten Franchises geworden sind, wobei Chens Singapur der dritte Ableger der Metropole ist. Und im Gegensatz zu seinem in Shanghai tätigen Namensvetter Inspector Chen von Qiu Xiaolong kümmert Chen Wei sich um die übernatürlichen Kriminal- und Problemfälle seiner Stadt, in der Himmel und Hölle und alles dazwischen präsent genug sind, daß jeder vernünftige Bürger sich an die Richtlinien des Feng Shui hält, aber dennoch jemanden wie Chen, der mit diesen Mächten persönlichen Kontakt pflegt, furchtsam beäugt.
In allem anderen – dem feinen Humor, den absurden Situationen zwischen spiritueller und physischer Welt und dem rasanten Plot – marschiert Liz Williams zielsicher und frohgemut in dieselbe Richtung los wie Hughart.

Der Form nach beginnt Snake Agent wie ein typischer Polizeiroman, der allerdings nicht nur ein wenig übernatürliche Dekoration ins Bild schiebt, sondern durch und durch aus seinem Setting schöpft, und das von der ersten Seite an, wenn klar wird, daß das verschwundene Mädchen, das Chen suchen soll, bereits als Geist durch die Hölle schwebt, wo sie dummerweise fehl am Platz ist. Bürokratie, Korruption und abergläubische Kollegen machen Chen das Leben schwer, während er mit meditativ gestärktem Qi und Rosenkranz bewaffnet und unter den Fittichen einer unzuverlässigen Schutzgöttin seinen ungewöhnlichen Arbeitsalltag bestreitet.

Sein Weg führt ihn nicht nur in Singapurs Reichenviertel, sondern recht schnell auch ins Rotlichtviertel der Hölle, die sich gemäß der chinesischen Mythologie vor allem als bürokratisches Monstrum darstellt, wo an jeder Ecke ein dämonischer Apparatschik lauert. Die Designvorstellungen der Höllenbewohner sind bisweilen eklig, man kennt diese Knochen- und Blutaffinität auch aus westlichen Darstellungen – in Sachen Hölle scheinen sich die Kulturen nicht viel zu schenken. Direkt stattfindende Grausamkeiten spielen dagegen bei Snake Agent so gut wie keine größere Rolle. Das Höllen-Dekor vervollständigt damit vor allem das gezeigte Höllenbild. Die Ironie, die in dieser altmodischen und zugleich erschreckend modernen Unterwelt liegt (in der man zur Organisation des höllischen Wirkens auch Emails einsetzt), ist fast immer ein Treffer, nur ganz selten kommen bei der Kombination von biblisch anmutendem Moralverständnis und einer modernen Bürokratie seltsame Gebilde heraus.
Aus dieser Hölle, einem Ort voller bizarrer Lebewesen und Regeln, kommt Chens dämonischer Gegenpart Zhu Irzh, nie um eine Opiumzigarette oder ein modisches Accessoire verlegen. Kurz bevor es zu viel wird mit der Faszination und Attraktivität des Bösen, zieht Liz Williams meistens die Reißleine. Spätestens wenn der Seneschall sich fragt, ob er sich einen hartnäckigen Fall von Moral eingefangen hat und hofft, daß er dagegen auch krankenversichert ist, hat er die Lacher auf seiner Seite.
Die Interaktion der beiden Hauptcharaktere ist ein Glanzpunkt von Snake Agent – sie ist zwar ein Klassiker, diese forcierte Zusammenarbeit von gegnerischen Parteien unter widrigen Umständen, aber wer möchte bei einer so frischen, charmanten Umsetzung wie hier nicht gleich „Nochmal!“ rufen und sich auf den nächsten der inzwischen fünf Fälle freuen? Während Chen als ruhiger Ankerpunkt und Antrieb der Handlung fungiert (spätestens, nachdem seine Frau involviert ist, der Liz Williams einen bezaubernden Vertrauten aus dem asiatischen Fabelschatz an die Seite gestellt hat), tritt Zhu Irzh als der aufgewühlte und aufwühlende Gegenpol auf. Auch die Nebenrollen sind bis in kleine Details liebevoll besetzt, mit Chens Polizeikollegen, einem streng parteitreuen Dämonenjäger, diversen höllischen Auswüchsen oder dem stets mürrischen Exorzisten Lao.

Die Erinnerungen an Hughart und seine besten Szenen, die Liz Williams mit Chen und Zhu Irzh wachzurufen imstande ist, sprechen für ein Gelingen des Experiments; aber auch Good Omens von Pratchett und Gaiman läßt durch das Protagonistenduo und die Thematik hie und da grüßen. Kleinere Schwächen wie die Vorhersehbarkeit einiger Entwicklungen und eine letztlich recht simple Lösung des komplizierten Falls (wie das eben so ist, wenn Gottheiten und überirdische Mächte involviert sind) verzeiht man gerne, denn vorab ging es ausgesprochen spannend zur Sache, in gut abgestimmten Handlungssträngen und temporeichen Szenen, die immer wieder große Bildgewalt entfalten.
Seinen Höhepunkt – und auch das, was Snake Agent von anderen lockeren Fantasy-Krimis abhebt – findet der Roman in den bitterbösen Seitenhieben auf unsere Gesellschaft, die sich in ihren Verflechtungen mit der Hölle und deren spiegelbildlicher Struktur finden. Surreal und allzu real stehen oft so dicht hintereinander, daß einem manches Lachen ein klein wenig im Hals stecken bleiben will.

Storm Front von Jim ButcherIn einem Hotel in Chicago wird ein Liebespaar ermordet aufgefunden. Im Bett. Noch immer im Akt vereint und mit explodierten Herzen. Eine nach Ansicht der Polizei eher ungewöhnliche und vor allem nicht zu erklärende Todesart. Doch klar ist, es handelt sich um Mord. Einen durch Magie herbeigeführten Mord. Da bleibt den Ermittlern nur eines zu tun: Sie ziehen den einzigen öffentlich praktizierenden Magier der Stadt zu Rate, den Privatdetektiv Harry Dresden, und ehe man sich versieht, steckt man knietief in magischen Formeln und wird von krötenähnlichen Dämonen verfolgt.

– People who know diddly about wizards don’t like to give us their names. They’re convinced that if they give a wizard their name from their own lips it could be used against them. To be fair, they’re right. –
Kapitel 1, S.5

Harry Dresden bedient viele Klischees des abgetakelten Privatdetektivs eines Film Noir. Das kann, je nach Natur des Lesers, entweder ein Plus- oder ein Minuspunkt sein. Für Fans dieses Filmgenres mag das entsprechende Setting in The Dresden Files nicht ganz authentisch wirken oder zu oberflächlich behandelt werden, doch glücklicherweise bietet Storm Front (Sturmnacht) einiges mehr als nur einen weiteren Detektivroman nach Schema F.

Die Hauptmerkmale des Buchs sind schnell erklärt: ein notorisch abgebrannter Magier-Detektiv in einer Welt wie der unseren, mit dem Unterschied, dass Magie real ist und Feen, Trolle, Vampire und andere Gestalten Seite an Seite mit den Menschen leben. Oft gehört, oft versucht, hat mancher Autor ein passables Ergebnis erreicht. Doch Harry Dresden dürfte der Vater aller ermittelnden Magier sein. Der Autor, Jim Butcher, schafft es, aus diesen nicht unbekannten Zutaten ein erstaunlich gut funktionierendes und stimmiges Gefüge zu machen. Zu verdanken ist dies u.a. einer Kombination aus interessanten Charakteren, einem dichten Plot und einem flotten, erfrischend unterhaltsamen Schreibstil. Die übernatürlichen Aspekte des Romans werden zwar mit Liebe zum Detail, aber nicht ausufernd langweilig geschildert. Kurz gesagt: Dieses Buch ist dreckig, blutig, absurd komisch, einfach gestrickt und macht schlichtweg süchtig.

Die Seiten von Storm Front fliegen also nur so dahin, mit viel trockenem Humor, rasanter Action und einem unglaublich sympathischen, fesselnden Hauptcharakter. Harry Dresden möchte eigentlich nur eins: sein Leben leben, seine Rechnungen bezahlen können und seine magischen Kräfte auf legale Weise benutzen. Mit seinen magischen Eskapaden und einer nicht ganz sauberen Vorgeschichte jedoch ist er, trotz seiner gelegentlichen Feigheit, ein Unikat in der Masse der Detektive. Harry ist der altmodische Typ Mann, der die Jungfrau in Nöten vor dem Drachen rettet, der die Unschuldigen vor dem Unheil beschützt, weil er das für seine Pflicht hält, auch wenn er ahnt, dass er dafür keinen angemessenen Dank bekommen wird. Altmodisch sind auch seine Ausrüstungsgegenstände, denn mit der modernen Technik steht er gezwungenermaßen auf Kriegsfuß. Magie und Elektronik, nein, das harmoniert ganz und gar nicht, da brennt auch der beste CD-Player durch.
Was diese Figur so richtig sympathisch macht, ist die Tatsache, dass sie viele gegensätzliche, aber sehr authentische Eigenschaften in sich vereint. Auf der einen Seite ist Harry der absolut selbstbewusste, stolze und gelehrte Magier und auf der anderen Seite ist er in mehrfacher Hinsicht menschlich und fehlbar, ungeschickt, tollpatschig und manchmal einfach nur dumm (und er weiß es in diesen Momenten selbst). Harry Dresden ist als Protagonist komplex genug, um eine ganze Serie an ihm aufzuhängen, mit einem ironischen bis selbstironischen Humor, der dafür sorgt, dass das Buch nicht zu ernsthaft wird. So kommt es auch vor, dass er seine teils durchaus ernsten Konflikte mit köstlichem Galgenhumor kommentiert.
Die Art, wie Dresden seine Welt dabei als Ich-Erzähler beschreibt, erlebt und mit ihr interagiert, ist so selbstverständlich und die Beschreibungen wirken derart gewöhnlich, dass man als Leser keine andere Wahl hat, als ihm zu glauben. Das wirkt trotz der magischen Schwerpunkte echt, lebendig und geradezu natürlich.

Storm Front ist nur der erste Teil einer umfangreichen Serie, das Buch schließt die Haupthandlung aber ohne Beanstandungen ab. Wer nun ein Kribbeln in den Fingern verspürt, sich den ersten Band anzueignen, aber kein Fan von Cliffhangern ist, darf also getrost aufatmen. Storm Front lässt dennoch genügend Geheimnisse offen, um neugierig auf den nächsten Band zu machen. Es mag kein besonders tiefgründiger Roman sein, aber er ist ein großes Lesevergnügen mit Spannung und vielen Lachern.

Sturmnacht von Jim ButcherIn einem Hotel in Chicago wird ein Liebespaar ermordet aufgefunden. Im Bett. Noch immer im Akt vereint und mit explodierten Herzen. Eine nach Ansicht der Polizei eher ungewöhnliche und vor allem nicht zu erklärende Todesart. Doch klar ist, es handelt sich um Mord. Einen durch Magie herbeigeführten Mord. Da bleibt den Ermittlern nur eines zu tun: Sie ziehen den einzigen öffentlich praktizierenden Magier der Stadt zu Rate, den Privatdetektiv Harry Dresden, und ehe man sich versieht, steckt man knietief in magischen Formeln und wird von krötenähnlichen Dämonen verfolgt.

– Meine Überlebenschancen waren auf der Treppe erheblich höher als in der beengten Aufzugkabine.
Paranoid? Wahrscheinlich. Aber das ist noch lange kein Grund zu glauben, es gäbe keine unsichtbaren Dämonen, die einem im nächsten Moment das Gesicht wegfressen. –
Kapitel 1

Zu Sturmnacht liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Summer Knight von Jim ButcherIn Harrys neuem Abenteuer trifft der Leser auf einen ausgebrannten und niedergeschlagenen Mann ohne Hoffnung. Die Körperhygiene des Detektivs hat merklich gelitten, seine Wohnung ist ein heruntergekommener Saustall, er hat seine Arbeit vernachlässigt, die unbezahlbaren Rechnungen stapeln sich. Doch am schlimmsten steht es um Harrys seelischen Zustand. Am Tiefpunkt seines Daseins angekommen tun sich nun nicht etwa Silberstreifen am Horizont auf, im Gegenteil. Es beginnt Kröten zu regnen, und um die Probleme noch zu verdoppeln, wollen nicht nur die Vampire des Roten Hofs Harry weiterhin tot sehen, sondern auch seine eigenen Leute vom Weißen Rat. Doch es kommt noch härter, in seinem Büro wartet jemand auf ihn, der tödlicher ist als jeder Vampir: die Winterkönigin der Sidhe.

– I was working for the queen of wicked faeries – well, Queen of Winter, of the Unseelie faeries, at any rate –
Kapitel 4, S. 38

Summer Knight (Feenzorn) setzt neun Monate nach den Ereignissen aus Grave Peril (Grabesruhe) an und bringt einen neuen Plot mit, der gleichzeitig an einen der vielen losen Fäden aus Harrys Vergangenheit anknüpft. Auch der Krieg zwischen dem Weißem Rat und dem Rotem Hof ist ein Thema, wird als nun übergeordneter Handlungsstrang jedoch eher beiläufig zu einem Stein, der die aktuelle Handlung ins Rollen bringt. Das zentrale Thema aber ist ein bevorstehender Krieg zwischen den Fae-Königinnen von Sommerhof und Winterhof. Mit der Einführung dieses keltisch verwurzelten Sagenlandes kommen viele märchenhafte und phantastische Figuren und Elemente zum Einsatz: Hochelfen, Feen, Oger, Trolle, Wechselbalge, Einhörner, Satyrn und etliche andere Fabelwesen haben ihren Auftritt in einem gelungen Mix aus Sagenwelt und moderner Realität. Man streift durch Faerie oder dunkle Gassen unterhalb Chicagos und findet verborgene Eingänge in fremde Reiche. In einer wunderbar stimmigen Atmosphäre kommt der Fan von Urban Fantasy mit Summer Knight voll auf seine Kosten.

Neben neu eingeführten Charakteren, die sich neben einigen Mitgliedern des Weißen Rats vor allem aus dem Feenreich der Sidhe rekrutieren, treffen wir auch auf alte Bekannte. Billy und seine Werwolfgang, die Alphas,  aus Fool Moon (Wolfsjagd) beteiligen sich aktiv an Harrys Fall. Dafür muss der Leser auf Michael, der in Grave Peril eine prominente Rolle einnahm, gänzlich verzichten. Was unseren Protagonisten Harry Dresden angeht, so erfährt der Leser einiges mehr aus dessen Vergangenheit und lernt sowohl den Weißen Rat als auch Personen aus seiner Zeit als Lehrling kennen.
Insgesamt ist es sehr schön, wie Summer Knight die oft angedeuteten Begebenheiten aus der Vergangenheit des Magiers aufgreift und weiter ausbaut. Hierdurch gewinnt der Charakter ebenso an Substanz wie auch die Geschichte an Überzeugungskraft. Die Handlung wirkt insgesamt deutlich homogener als der Vorgänger, was nicht zuletzt einem souverän konstruierten Plot zu verdanken ist, der sich auf eine Haupthandlung konzentriert.

Auch der Humor des Autors und seiner Protagonisten ist wieder erfreulich stark präsent und sorgt für zusätzliche Leseanreize. Ein bisschen trocken, ein bisschen schwarz und auch reichlich selbstironisch kommt Summer Knight mit flotten Sprüchen daher. Ein paar Figuren neben Harry verstehen durch bloße Anwesenheit zu amüsieren. Hier sei vor allem der kleine Toot Toot, der zum ersten und letzten Mal in Storm Front (Sturmnacht) einen kurzen Auftritt hatte, hervorgehoben. Was beinahe von der ersten Seite an zu herzhaftem Lachen verführt, steigert sich im Laufe des Buches proportional zu Harrys langsam beginnender seelischer Heilung. Während Grave Peril da insgesamt weniger Gefahren bot, sollte man Summer Knight daher möglichst nicht in öffentlichen Verkehrsmitteln lesen. Schiefe Blicke, verursacht durch spontanes Auflachen, sind bei diesem Roman vorprogrammiert.

Bei all dem Lob sei darauf hingewiesen, dass auch Summer Knight gelegentlich noch an der ein oder anderen Kinderkrankheit leidet und stellenweise etwas bemüht wirkt. Doch der Roman hat viel zu bieten, was diese kleinen Mängel unwichtig erscheinen lässt. Magie, keltischer Mythos, ein Harry, der sich von ganz unten langsam wieder hocharbeitet, auch seine oftmals überspitzten Leiden kommen ein wenig realistischer daher – so wie Harry Dresden seinen Fokus in diesem Roman wiederfindet, so scheint sich nun auch Jim Butcher in seine Serie eingefunden und eine stabile Linie angepeilt zu haben. Sofern es in diesem Stil weiter geht, darf man von dem Folgeband, Death Masks, nur Gutes erwarten.

Threads of Malice von Tamara Siler JonesDubric Byerly, der Kastellan von Faldorrah, erhält einen Hilferuf aus dem “Reach”, einer ärmlichen Gegend mit vielen verstreuten Dörfern. Dort verschwinden immer wieder junge Männer. Als eines Tages die gräßlich verstümmelte Leiche eines verlorenen Sohnes angespült wird, eskaltiert die Situation. Als Dubric eintrifft, sieht er sich mehr als zwanzig Geistern gegenüber – vor ihrem Tod mußten die Männer und Jungen Folter und Vergewaltigung über sich ergehen lassen. Dubrics Ermittlungen kommen langsam voran, und die Bevölkerung behindert mitunter seine Arbeit. Da das Gebiet weitläufig ist, trennen sich die  Gesetztesdiener notgedrungen, obwohl seine jungen Pagen genau ins Opferbild des Mörders passen. Langsam muß Dubric vermuten, daß alte Magie hinter den Morden steht.

-Braoin saw strings.
They streamed from somewhere above, dangling before his eyes. Black and shining in reflected firelight, they rustled in the slightest breeze and hung before him, just out of reach.-
Chapter I

Wer gerne Fingernägel kaut, die Augen auch bei expliziten Beschreibungen von Obduktionen und Folterungen offen behalten kann und sich zusammen mit den Gesetzeshütern aus diversen Hinweisen zusammenrätseln möchte, wer der Mörder ist, sollte unbedingt Dubric Byerly kennenlernen, die eigenwillige Fantasy-Variante unter den kriminalistischen Schlauköpfen. Er und seine Mannschaft sind sympathisch, vor Fehlern nicht gefeit, und da dieser Fantasy-Thriller vornehmlich aus den Perspektiven der Wache von Faldorrah – quer durch alle Alterstufen – erzählt wird, wird es mit dem mit seinen mehr als 60 Jahren für mittelalterliche Verhältnisse schon beinahe greisen Dubric auch nie langweilig.
Abgesehen vom Kastellan, seinem Knappen und den beiden jungen Pagen darf man mitunter auch dem Bösewicht selbst und seinen Opfern über die Schulter schauen, in diesem Fall eine eher unangenehme (und nicht ganz klischeefreie) Erfahrung. Zimperlich sollte man nicht sein, um Threads of Malice genießen zu können, denn die Autorin ist es auch nicht und mutet selbst ihren Protagonisten allerhand zu, so daß man unter anderem gespannt sein darf, wie sie deren traumatische Erfahrungen in den nächsten Bänden verarbeitet.

Die gelungenen Charaktere sind dann auch eher Triebfeder des Romans als die Handlung. Es bestätigt sich, was sich bereits im ersten Band gezeigt hat: Tamara Siler Jones schreibt keine einzige überflüssige Szene. Dadurch wird Threads of Malice zwar schön straff, aber man wird zum Meta-Lesen verführt und kann durchaus Elemente der Handlung erraten, weil die Aufmerksamkeit auf ‘unwichtige’, aber dadurch hoch gewichtete Details gelenkt wird. Die Spannung leidet aber nur teilweise darunter, denn da diesmal auch den liebgewonnenen Charakteren ernste Gefahr droht, legt sich das Buch nur schwer aus der Hand und hat viel stärkere Thriller-Anleihen als der erste Band, so daß es nicht nur ums Rätsellösen geht.

Im Prinzip ist der Plot klug konzipiert – die ausgestreuten Puzzlestückchen sind gar nicht so leicht zusammen zu setzen. Viel stärker als im ersten Band kommt Magie zum Einsatz, und leider hat sich die Autorin damit am Ende etwas verzettelt: Wie genau das hinter der Auflösung stehende Phänomen funktioniert, vermag sie dem Leser nicht zur vollen Befriedigung zu erklären, und ihre Beschreibungen sind an dieser Stelle nur schwer vorstellbar. Abgesehen davon findet sich aber alles, was das Ermittler-Herz höher schlagen läßt: Eine Schnitzeljagd nach verketteten Hinweisen, Zeitdruck, um ein noch lebendes Opfer zu befreien, sich ergänzende Beweise, die leider von örtlich getrennten Charakteren gefunden werden, und falsche Spuren.

Der stark romantische Einschlag des Vorgängers wurde auf ein annehmbares Maß reduziert und ist hier als Auflockerung der düsteren Handlung angenehm zu lesen. Leider gibt es auch einige sehr schwache Szenen aus Sicht des Antagonisten, die den vergewaltigenden Bösewicht ganz plakativ als winselndes Muttersöhnchen darstellen.
Für Abwechslung von der Weltrettungs-Fantasy mit einem halben Ausflug ins Thriller-Genre hat sich Tamara Siler Jones hier dennoch ein weiteres Mal bewährt, und die sympathische Burgwache Faldorrahs begleitet man auch in Zukunft gerne auf ihre nervenzerreißenden Abenteuer.

Three Parts Dead von Max GladstoneVierzig Jahre nach dem Krieg zwischen den alten Göttern und den gleichmächtigen Magiern gibt es nur noch wenige Städte, die von einer der alten Gottheiten regiert werden. Kos Everburning ist die Gottheit von Alt Coulumb und gerade dahingeschieden, als der Novize Abelard sein Gebet abhält. Mit dem unerwarteten Ableben des Gottes droht das von Götterkraft angetriebene Alt Coulumb nun beim nächsten Vollmond in sich zusammen zu fallen. Wen ruft man in so einem Fall? Die Thaumaturgen von Kelethres, Albrecht & Ao natürlich – um mit etwas Glück ein Fragment des Gottes wiederauferstehen zu lassen und die Stadt so vor dem sicheren Untergang zu bewahren.

– When the Hidden Schools threw Tara Abernathy out, she fell a thousand feet through wisps of cloud and woke to find herself alive, broken and bleeding, beside the Crack in the World. –
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Willkommen zu Three Parts Dead, der vermutlich besten Neuentdeckung des gesamten Jahres! Selten ist mir ein solch gelungenes Konzept untergekommen wie in diesem Roman von Autor Max Gladstone. Es beginnt mit einem schlüssigen Magiesystem: Menschen beten zu ihrer Gottheit, die Gottheit erhält dadurch Macht, die Gottheit nutzt die Macht, um das Leben der Menschen zu verbessern, indem z.B. für warme Häuser gesorgt wird oder für ein Verteidigungssystem der Stadt. Auf dieser Basis ist eine ganze Wirtschaft entstanden. Nicht-Anbeter können gegen eine Gebühr Verträge mit den Göttern abschließen. Sie gewinnen dadurch temporär etwas Macht von der Gottheit und zahlen sie gewinnbringend zurück. Das Ganze führt zu einem fantastisch ausgearbeiteten Weltenbau mit facettenreichen Charakteren. Als nun Kos Everburning stirbt, ist es die Aufgabe von Miss Kevarian und ihrer Auszubildenden Tara Abernathy, herauszufinden, wie es zum Tod von Kos kommen konnte, dessen Verträge auf den ersten Blick ausgeglichen aussehen – und doch führte irgendetwas zu einem Machtverlust, der schlagartig so groß war, dass es ihn das Leben gekostet hat. Die Basis dieses durchdachten Romans bildet die daraus resultierende Kriminalermittlung.

Der Roman spielt sich irgendwo in einer Parallelwelt ab in der die Menschen gelernt haben sich einer Magie zu bedienen, die den Göttern ebenbürtig ist. Zeitlich oder örtlich lässt sich die Welt nicht eindeutig zuordnen. Es gibt Elemente von Frühindustrie, epischer Fantasy, Gaslichtatmosphäre und ein teils vertrautes Rechtssystem wie vertraute Gottheiten. Das Stadtbild von Alt Coulumb kommt eindrucksvoll, lebendig und voller Gegensätze daher: ein moderner Club, im Aufbau Dantes sieben Stufen der Hölle nachempfunden, wird monolithischen Steinbauten gegenübergesetzt, die an die goldenen 20er Jahre oder Gotham City erinnern, fahrerlose Pferdekutschen fungieren als Taxis und verströmen einen Hauch von 19. Jhrd. und dann ist da noch das vermutlich coolste Polizeisystem seit Erfindung der Fantasy.
Seril, einst Göttin der Gerechtigkeit und Geliebte des Feuergottes Kos, starb vierzig Jahre zuvor im Krieg zwischen Göttern und Magiern. Ihre Macht wurde von einem Thaumaturgen gewandelt und so entstand »Justice« – ein transformiertes und wiederbelebtes Fragment der einstigen Göttin, das nun für Gesetz und Ordnung in Alt Coulumb sorgt. Justice wird von vielen freiwilligen Menschen verkörpert, die für die Dauer ihrer Arbeitsschicht zu sogenannten »Blacksuits« – einem Teil von Justice selbst – werden. In dieser Zeit werden die Blacksuits von dem kollektiven Geist geleitet, die persönlichen Emotionen verstummen, der Verstand wird ausschließlich auf das bestehende Recht ausgerichtet. Die Blacksuits gewinnen übermenschliche Kraft, sind nahezu unverwundbar und ihr äußeres Erscheinungsbild verändert sich zu einer monochromen Maske in der Masse nachtschwarzer Gestalten. Nachteile hat das System für die Blacksuits allerdings auch, denn die Zeit als Teil von Justice wirkt wie eine Droge auf die Freiwilligen und führt bei manchen zu Entzugserscheinungen. Wenn nichts anderes an diesem Roman interessant genug wäre, ihn zu lesen, so würde diese Personifizierung der Gerechtigkeit schon ausreichen, um das Ruder noch herumzureißen. Doch glücklicherweise gibt es mehr!

All das erfährt man als LeserIn schon auf den ersten Seiten, und doch stecken hierin ungleich viele Informationen, die es erst einmal zu verarbeiten gilt. Dies wird im Verlauf der Handlung durchaus nicht viel einfacher. Autor Max Gladstone fackelt in seinem Roman nicht lange mit Vorgeschichte und Aufbau von Hintergrundwissen. Er wirft seine Leserschaft einfach mitten ins Geschehen und lässt sie nach und nach das Puzzle dieser Welt zusammentragen. Für Schnellleser und jene, die einfach nur seichte Unterhaltung möchten, dürfte sich Three Parts Dead daher als Stolperfalle erweisen, denn hier ist ein eingeschaltetes Hirn und aufmerksames Lesen Pflicht, will man den Zusammenhängen folgen können. Das ist jedoch alles andere als negativ zu sehen. Dieses Buch ist tatsächlich erfrischend anders und sein Autor widersetzt sich mit Bravour dem Trend, das Denken für die Leserschaft zu übernehmen.

Auch die Charaktere lassen nichts zu wünschen übrig. Von der kleinsten Nebenfigur bis zur tragenden Hauptrolle böten alle Figuren dieses Romans genug Stoff für eine eigene Geschichte. Da gibt es den kettenrauchenden jungen Novizen Abelard, der gerade eine berechtigte Glaubenskrise durchmacht und dazu verdonnert wird, Tara Abernathy zur Hand zu gehen. Tara ist gerade erst von den Hidden Schools als Magierin graduiert und anschließend unsanft aus den Wolken gestoßen worden. Abelard ist eher der ruhige, etwas sensible und schüchterne Typ, Tara dagegen hat sich bereits ihre Narben verdient und ist sowohl schlagfertig als auch unkompliziert im Umgang mit anderen. Sie scheut sich nicht davor, jemandem das Gesicht zu stehlen, was durchaus blutig und wörtlich zu nehmen ist. Das Besondere an Tara ist außerdem, dass sie sich ihr Leben ausgesucht hat. Gerade bei weiblichen Charakteren ist es oft so, dass sie in ihre Rolle gedrängt wurden, Tara dagegen ist eine starke Persönlichkeit, die eine bestimmte Karriere anstrebt.
Neben diesen beiden Hauptfiguren gesellen sich noch eine ganze Menge weiterer hinzu, die mal prominenter, mal seltener in Erscheinung treten. Shale, der Gargoyle, Cat, die Vampirbiss-Abhängige, Raz, der Vampir-Pirat … Es ist gesellig und lebendig in Three Parts Dead.

Was die Lektüre zusätzlich zu etwas Besonderem macht, ist, dass hier auf ganz außergewöhnlich leichte Art und Weise sämtliche Klischees und Vorurteile umschifft werden. Sei es nun das Thema Rasse oder die allseits (un-)beliebten Genderrollen, in Max Gladstones Welt sind alle gleich. Hautfarben spielen in der Gesellschaft überhaupt keine Rolle und werden nur beiläufig als körperliches Merkmal genannt. Genderprobleme gibt es nicht. Männer denken im maskulinen Wortschatz, Frauen im femininen. Gibt es z.B. einen unbekannten Täter mit unbekanntem Geschlecht, so denkt Tara »die Täterin war vermutlich…« während ein männlicher Kollege mit »der Täter war vermutlich…« beginnt. Wer nun glaubt das müsse verwirrend sein, der täuscht. Es funktioniert völlig unproblematisch und ist wunderbar zu lesen.

Three Parts Dead ist ein absolut gelungener Roman. Er bietet eine große Vielfalt und komplexe Inhalte, die so nahtlos ineinandergreifen, dass der Roman auf eine fiktive Art realistisch wird. Er versucht nicht »historisch korrekt« zu sein, sondern logisch durchdacht, um in einem eindeutig als Alternativwelt erkennbaren Setting überzeugend zu werden.

Es gibt eine Fortsetzung (Two Serpents Rising), die im kommenden August erscheinen soll. Bisher scheint es aber nur eine Geschichte in der selben Welt mit anderen Charakteren zu sein. Ob dort auch bekannte Figuren auftauchen oder Aspekte der Handlung aus Three Parts Dead wieder aufgegriffen werden ist noch nicht bekannt. Three Parts Dead ist daher zunächst einmal als Einzelroman zu betrachten.

Unschöne Dinge von Mark Del FrancoNach einem epochalen Ereignis ist die Welt der Feen mit der unseren verschmolzen und allerlei Fabelwesen mussten in die Gesellschaft der Menschen eingegliedert werden. Auch nach mehreren Jahren herrscht noch immer Argwohn vor und die Zuständigkeiten sind nicht immer so klar wie sie sein sollten. Als ein Elfenstricher ermordet aufgefunden wird, schiebt die Polizei den Fall Connor Grey zu, einem Druidenermittler, der seine Fähigkeiten nach einem missglückten Einsatz fast vollständig verloren hat und sich nun als Detektiv durchschlägt. Bald schon geschehen weitere ähnliche Morde und Connor Grey erkennt nicht nur die Eigenschaften von Ritualmorden, sondern auch einen fatalen Zusammenhang, der eine weltweite Katastrophe auslösen könnte.

– Der nackte Leichnam lag auf dem Rücken und starrte in den leeren Nachthimmel. Es war ein hellhäutiger Elf, nicht besonders gut gebaut, wenngleich sich so etwas nur bedingt beurteilen lässt, wenn jemand tot ist und Blut in alle Richtungen fließt. –
Kapitel 1, S.5

Bei Unschöne Dinge (Unshapely Things) handelt es sich um den 1. Teil einer Reihe paranormaler Detektivromane, in dem die sonst so elegant geschilderten Elfen- und Feenwesen genauso menschlich und verwundbar werden, genauso schmutzig, unschön, verbittert und wenig märchenhaft, wie ein gewöhnlicher, am Leben gescheiterter Mensch. Inhaltlich durchaus solide angelegt, kommt die Handlung zunächst aber nur schleppend in Gang und tut sich schwer damit Atmosphäre zu erzeugen.
So richtig warm wird man daher auch mit den Charakteren nicht. Sie bleiben ein wenig blass und vermögen es nicht, Sympathie oder auch Antipathie zu wecken. Einzig Connor Grey selbst gewinnt gegen Ende ein wenig Substanz und schafft es, die Neugier des Lesers doch noch für einen Moment herauszukitzeln.

Man merkt diesem Roman deutlich an, dass er das erste Werk des Autors Mark Del Franco ist. Die Erzählung holpert hier und da ein wenig, doch vor allem der viel zu bemühte Versuch, humorvoll zu sein, fällt negativ auf. Obwohl die Ideen zu den Figuren und ihrer Welt oft einen interessanten Ansatz bieten und in der Theorie auch witzig sein könnten, fehlt letztlich die richtige Ausarbeitung, um das Ganze funktionieren zu lassen und dem Roman zu einem harmonischen Gesamtgefüge zu verhelfen. Man hat den Eindruck, der Autor wollte hier mit allem Eifer etwas wirklich Lustiges und Spannendes erschaffen, scheitert dabei aber an seiner mangelnden Erfahrung darin, Geschichten lebendig zu erzählen.

Um es kurz zu sagen, dieses Buch weiß nicht recht was es will und dennoch, so richtig schlecht ist es auch nicht. Wenn man den langatmigen Anfang erst einmal überwunden hat, wird die Rahmenhandlung doch ausreichend spannend, sodass man trotz der Mängel weiterlesen möchte; vor allem aber will man mehr über Connor Greys Vergangenheit erfahren.
Ein Must Have ist Unschöne Dinge daher vielleicht nicht, aber wer Detektivgeschichten zu schätzen weiß und das Bedürfnis nach leichter Lesekost verspürt, für den dürfte dieser Roman genau das Richtige sein.

Eine kleine Warnung sollte zum Schluss noch mit auf den Weg gegeben werden: man muss für diesen Roman bereit sein, sich auf homosexuelle Beziehungen zwischen Männern einzulassen. Wer dafür keine Akzeptanz oder Toleranz aufbringen kann, der sollte wirklich die Finger davon lassen. Denn auch wenn Unschöne Dinge keine expliziten Szenen schildert, so ist die romantische Orientierung des Autors doch auf subtile Art allgegenwärtig und erfordert bei manchen Lesern und Leserinnen unter Umständen ein gedankliches Ausbrechen aus den eigenen, konventionellen Bahnen.

Die Vampire von Kim NewmanDie Vampire ist ein Sammelband der die ersten drei Bücher aus Kim Newmans Reihe Anno Dracula zusammenfasst.
Schauplatz ist eine alternative Realität in der Graf Dracula überlebt hat und Vampire nicht länger im Schatten leben, sondern Teil der Gesellschaft geworden sind.

– Die Entbindung der vergangenen Nacht ging leichter als die anderen. Viel leichter als die der vergangenen Woche. Mit ein wenig mehr Übung und Geduld geht womöglich alles leichter. Wenn auch niemals leicht. Niemals … leicht. –
Im Nebel, Dr. Sewards Tagebuch

1. Buch: Anno Dracula
Es ist 1888 und Königin Victoria von England hat sich einen neuen Gemahl gewählt: den Grafen Dracula. Täglich wächst die Gemeinde der Vampire, mal mehr, mal weniger freiwillig und so spalten sich bald die Gruppen derer, die den Vampirismus begrüßen, und derer, die sich auf eine Rebellion vorbereiten. In diese sensiblen Situation einer Gesellschaft, die mit der Veränderung noch nicht ganz zurecht kommt, mischt sich nun auch ein Serienkiller ein, der es mit seinem Silbermesser auf Vampirhuren abgesehen hat.

Zu Anno Dracula liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

2. Buch: Der Rote Baron
Nach seiner Schreckensherrschaft über Großbrittanien und seiner Vertreibung vom Thron, hat sich Dracula nun mit dem deutschen Kaiser Wilhelm II. verbündet und entfesselt den Ersten Weltkrieg. Eine seiner wichtigsten Waffen dabei ist der untote Manfred Freiherr von Richthofen – der Rote Baron.

3. Buch: Dracula Cha Cha Cha
Es ist 1959 und wir befinden uns in Rom. Gerade ist Graf Dracula dabei seine sechste Frau zu heiraten, die Prinzessin Asa Vajda. Man vermutet hinter der Hochzeit einen erneuten Versuch Draculas sich eine Machtposition als Herrscher über Rumänien anzueignen.
Derweil reist die Journalistin Kate Reed nach Rom um ihren alten Freund Charles Beauregard und dessen Vampir-Partnerin Geneviève Dieudonné zu besuchen. Dabei stößt sie zufällig auf eine blutige Mordreihe an Vampirältesten, denen bereits 17 Vampire zum Opfer gefallen sind. Gemeinsam mit Geneviève, Hamish Bond und dem Paparazzi Marcello macht sie sich daran die Hintergründe aufzudecken.

Wolfsjagd von Jim ButcherHarry Dresden, Magier und Privatermittler in Chicago, bekommt es mal wieder mit übernatürlichen Morden zu tun – noch bevor die Nachwirkungen seines letzten Falls gänzlich verklingen konnten. Nach Monaten ohne jeden Kontakt meldet sich Lieutenant Karin Murphy bei dem Magier und hält eine bizarre Mordserie bereit: jeden Monat zur Vollmondszeit sterben Menschen auf bestialisch entstellte Weise und die Spuren deuten auf eines ganz besonders hin: Werwölfe

– Normalerweise achte ich nicht weiter auf den Wechsel der Mondphasen. Daher wusste ich auch nicht, dass es eine Nacht vor Vollmond war, als sich im McAnally’s eine junge Frau zu mir setzt und mic bat, ihr alles über eine Sache zu erzählen, die sie angeblich umbringen konnte. –
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Zu Wolfsjagd liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Der wundersame Dr. Darwin von Charles SheffieldDr. Erasmus Darwin, der Großvater des Evolutions-Theoretikers, ist ein englischer Landarzt, überall gerühmt für seinen scharfen Verstand. Das ist der Grund, weshalb Leute aus allen Regionen Englands ihn zu besonders kuriosen Fällen hinzuziehen, die Darwin dann auch mit höchstem Vergnügen löst.
Darwins oberstes Credo ist dabei die Wissenschaftsgläubigkeit – von übernatürlichen Schnickschnack, Dämonen und Teufeln will Darwin nämlich nichts hören.
Auf seinen Reisen wird der Doktor von seinem Freund Jacob Pole begleitet, der stets auf der Suche nach einem der Schätze dieser Welt ist …

-Der Frühlingsabend war mild und ruhig, und was an Gesprächen aus dem Fenster des Hauses drang, war auf dem Weg noch in einiger Entfernung zu hören.-
Der Dämon von Malkirk

Wie sein berühmter Enkel ist Dr. Darwin den Naturwissenschaften zugetan, er betätigt sich in der Lunar Society, praktiziert aber vor allem als Landarzt und klärt für sein Leben gerne rätselhafte Phänomene auf, die ihm immer wieder zugetragen werden. Die sechs Einzelabenteuer, die in dieser Sammlung vorliegen, sind in keinster Weise aufeinander aufbauend oder miteinander verbunden  – nur die Hauptpersonen Darwin und Colonel Pole sind jedes Mal mit von der Partie, und ab und an begegnet man auch Darwins geschätzten Freunden von der Lunar Society wieder. Die vorherige Veröffentlichung der Erzählungen als Kurzgeschichten führt dazu, daß die Protagonisten in jedem Abenteuer aufs Neue eingeführt und mit fast identischen Worten beschrieben werden – die Geschichten können gut für sich stehen, ergeben aber am Stück kein größeres zusammenhängendes Bild als vielleicht ein Portrait der Zeit vor dem berühmteren Darwin.

Charles Sheffield hat stimmig die Atmosphäre einer Zeit eingefangen, in der Aberglaube und Wissenschaft konkurrieren und die Menschen noch leichter von übernatürlichen als von natürlichen Erklärungen für schwer fassbare Dinge zu überzeugen sind. In diesem Umfeld ermittelt Darwin in Fällen, die von den Betroffenen meist in peinlich berührter Manier als wissenschaftlich unmöglich eingestuft werden. Er entlarvt falsche Dämonen, Scharlatane, angebliche Vampire und vieles mehr, und entdeckt dabei nicht selten zwar logisch erklärbare, aber dennoch kuriose Begebenheiten, die so außergewöhnlich sind, daß sie fast magisch anmuten. Seine Arbeitsweise – erst analysieren, dann alles in die Wege leiten und schließlich den verblüfften Beteiligten die Lösung und seinen Weg dorthin präsentieren – erinnert an etliche klassische Ermittler-Helden, und beim Gespann Darwin-Pole kommen einem unweigerlich Sherlock Holmes und Watson in den Sinn.

Die Struktur der Geschichten, immer einen einzelnen Fall mit der präzisen, aber erst im Nachhinein logischen Vorgehensweise des Doktors zu schildern, baut dieses Ambiente durchaus mit auf.Etliche historische Persönlichkeiten sind in die Handlung eingeflochten, und alle Geschichten sind von Tatsachen inspiriert. Über die genauen Zusammenhänge wird man in einem lesenswerten Nachwort aufgeklärt, in dem Sheffield – selbst Naturwissenschaftler – das Zeitalter der Aufklärung resümiert.
Aber auch die gut recherchierten Geschichten verraten viel über den Stand der Wissenschaften und der Medizin im 18. Jahrhundert.
Sheffields nüchterner Stil läßt Darwin und Pole erst recht als kauzig-liebenswerte Helden hervorstechen. Nach ihrer Analyse bleibt meist nicht mehr viel Magisches an den rätselhaften Begebenheiten, so daß man es vielmehr mit einer Kuriositätensammlung als Phantatik zu tun hat. Ein wenig schade ist auch, daß die Geschichten im Großen und Ganzen immer ähnlich konstruiert sind und man die Richtung der Lösungen, wenn auch nicht ihr ganzes Ausmaß, oft schon voraussehen kann. Für eine unterhaltsame (und durchaus auch lehrreiche) Lektüre empfiehlt es sich also, das Buch auf mehrere Einzelhäppchen zu verteilen.
Einen Rest von Magie gibt es übrigens auch in der streng wissenschaftlichen Welt des Dr. Darwin: Das Ungeheuer im schottischen Loch pflügt auch nach seinem Besuch ungetrübt weiter durch die Wellen…

Yamada Monogatari von Richard ParksLord Yamada, ein gefallener Adliger, hat sich auf die Lösung von übernatürlichen Problemen spezialisiert – er steht mit Schwert, Witz und buddhistischen Sutras bereit, um sich um Oger, Geister und Dämonen zu kümmern, die die Mitglieder des Hofes von Kyoto belästigen, ihre Ehre beflecken oder ihre Bauern fressen. Zwischen den Missionen braucht er allerdings immer mehr Sake, denn mit einem simplen Töten der übernatürlichen Erscheinungen ist es meist nicht getan.

-I was just outside of Kyoto, close on the trail of a fox spirit, when the ghost appeared.-
Fox Tails

Wenn Japan überhaupt Setting für Fantasy-Geschichten ist, dann sind sie meistens in der Edo-Zeit angesiedelt, um vor dem Hintergrund der großen Samurai-Schicht und der Kämpfe zwischen den Provinzherrschern zu spielen. Dass die friedlichere Heian-Zeit erzählerisch weniger hergibt, könnte man aber nach der Lektüre von Yamada Monogatari nicht mehr behaupten: Hinter der Fassade des hochregulierten höfischen Lebens brodelt es, und für jene Fälle, die ein etwas peinliches übernatürliches Problem beinhalten, lässt sich zum Glück Lord Yamada anheuern, der als ehemaliger Adliger einerseits Umgang mit der feinen Gesellschaft pflegen kann, sich andererseits aus akutem Geldmangel aber auch nicht zu schade ist, sich die Finger schmutzig zu machen.
Er ist ein bisschen wie ein fernöstlicher Hexer Geralt, dieser Yamada no Goji: Ein armer Schlucker, den die Gesellschaft braucht, um die Probleme zu beseitigen, derer sie nicht Herr wird, der sich in dieser prekären Lage jedoch eine edle Gesinnung bewahrt hat und viele brenzlige Situationen mit einem guten Schuss Pragmatismus meistert.

Richard Parks hatte aber vermutlich keinen europäische Märchenstereotype verkloppenden Hexer im Sinn, als er Yamada Monogatari konzipiert hat, sondern eher einen japanischen Hardboiled Detective, komplett mit bittersüßer Liebesgeschichte, zu viel Sake und einem enttäuschten Blick auf die Gesellschaft. Die zehn Fälle, die in diesem Sammelband aufgeklärt werden, geben diesem Blick auch recht und verweisen auf einen zweiten Eckpunkt von Parks’ Geschichten: die Gothic Novel. Auch im mittelalterlichen Japan sind die Fälle nur selten so leicht gelöst, wie sich die Auftraggeber das ausmalen (Kopf ab!); meist liegen gute Gründe für die Heimsuchung vor, und es sind schmutzige, ungute Geheimnisse, die durch die Präsenz von Fuchsgeistern, Oni oder Geistererscheinungen an die Oberfläche gespült werden und für die Lord Yamada eine Lösung finden muss.
Damit erklärt sich auch die meist ruhige Erzählweise der Geschichten trotz des martialischen Themas. Nur kurz blitzt hin und wieder eine Actionszene auf, ansonsten liegen die Stärken von Yamada Monogatari in den Dialogen, dem feinen Humor und den gut recherchierten Beschreibungen. Die Lösung wird selten mit dem Schwert erreicht, es kommt auf Witz, das Nutzen der starren gesellschaftlichen Regeln (und ihr Umgehen an geeigneter Stelle) und Menschenkenntnis an.

Die Geschichten sind mosaikartig angeordnet und ergeben nach und nach ein Muster, als Nebenfiguren immer wieder auftauchen und die politische Gesamtsituation sich im Hintergrund weiterentwickelt. Hängt Lord Yamada zwischen den Missionen zu versoffen durch, kann man sich darauf verlassen, dass der Priester Kenji erscheint und ihn aus dem tiefen Tal führt (indem er ihm den letzten Sake wegtrinkt). Am Ende ist sogar eine Art Hintergrundgeschichte abgeschlossen, und wenn man Gefallen an Yamada und seinen Mitstreitern gefunden hat, kann man sich darauf freuen, dass Richard Parks sie damit für eine geplante Romanreihe in Position gebracht hat.

Das Setting profitiert stark von der Präsenz der übernatürlichen Welt, die sich nicht nur in Form von Problemen manifestiert, sondern auch in Alltagserscheinungen wie Mottengeistern, verwunschenen Wäldern gleich um die Ecke der belebten Hauptstadtstraßen und Ahnengeistern. Die – für die Fantasy – ungewöhnlichen Monster und Gesellschaftsregeln werden durch die Tatsache lebendig, dass in Lord Yamadas Zeit das Göttliche und das Dämonische im Grunde akzeptiert werden, aber auch für eine Welt stehen, die im Schwinden begriffen ist, da der Aufstieg der Samurai kurz bevorsteht, der nicht nur das höfische Leben am kaiserlichen Hof bedroht, sondern auch die übernatürliche Welt verdrängt, ganz als würde damit endgültig bewiesen, was Lord Yamada ohnehin längst begreift: Die allerbesten Monster geben immer noch Menschen ab.

Cover von Das Zaubergift von Martin ScottEigentlich möchte Thraxas Ferien machen. Im Sommer ist es in Turai viel zu heiß, um zu arbeiten. Doch dann stürzt ein junger Mann in Thraxas’ Büro, der beschuldigt wird, einen stadtbekannten Bildhauer umgebracht zu haben und der den Privatdetektiv anfleht, seine Unschuld zu beweisen. Ein Hippiemädchen will Thraxas unbedingt engagieren, damit er ein paar Delphinen hilft und zwei Mönche beauftragen ihn, nach einer Statue zu suchen. Was bleibt unserem Helden übrig? Thraxas wirft seine Ferienpläne über Bord.

– Makri betritt die “Rächende Axt” mit dem Schwert an der Hüfte und einem Bündel Notizen aus ihrem Philosophiekurs in der Hand. Der Schweiß rinnt ihr in Bächen den Hals hinunter.-
1. Kapitel

Die englische Originalausgabe trägt den Titel Thraxas and the Warrior Monks. Dieser Titel entbehrt auch nicht einer gewissen Logik, denn der ganze Fall dreht sich um zwei rivalisierende Mönchsorden, die sich nach Art der Shaolin heftig bekämpfen. Wahrscheinlich haben sich aus diesem Grund die europäischen Verlage dazu entschlossen, diesen Titel in der jeweiligen Landessprache beizubehalten. Ob in Frankreich, den Niederlanden, in Rußland oder Polen, in ganz Europa stehen die kriegerischen Mönche auf der Titelseite. In ganz Europa??? Nein!!! Ein kleines starrsinniges Völkchen im Herzen Europas wehrt sich standhaft gegen einleuchtende Titel und verteidigt stur seine eigenartige Auffassung, daß der Titel und das Cover eines Buches mit dem Inhalt nichts, aber auch rein gar nichts, zu tun haben dürfen. Richtig geraten lieber Leser, das kleine aufrechte Völkchen, das sich so energisch der europäischen Einheit verweigert, ist der Blanvalet bzw. Goldmann-Verlag in Deutschland, der sich in seiner unerforschlichen Weisheit dazu entschlossen hat, als Titel des Romans ausgerechnet Das Zaubergift zu wählen. Kein Mensch in diesem Buch hat irgend etwas mit Zaubergift zu tun. Aber ich will nicht lügen: Sarin, die gnadenlose Mörderin, ist wieder am Werk. Sarin ist auch der Name eines Nervengiftes, das im zweiten Weltkrieg entwickelt, aber dann doch nicht als chemische Waffe eingesetzt wurde. Also wenn man es so sieht…

Für die Umschlaggestaltung ist das Design Team München verantwortlich, für die Umschlagillustration Schlück/Maitz. Es wäre interessant zu erfahren, warum man sich auch für ein Cover entschieden hat, das mit dem Roman nichts zu tun hat. Was haben die Drachen und dieser Jung-Siegfried-Verschnitt auf dem Titelbild zu suchen? Um Thraxas kann es sich nicht handeln, denn der ist fett und trägt sein blondes Haar zu einem Zopf gebunden. Und Drachen kommen in dem Buch genauso oft vor wie Zaubergift, eher seltener.

Die Namensgebung hat sich gegenüber dem ersten Band ebenfalls nicht verbessert. Neu sind der ermordete Bildhauer Rodinaax (ja, man bemüht sich auch das Bildungsbürgertum als Leser zu gewinnen), der des Mordes Verdächtige Gesox, die Jugendbande Kuul-Tiens und besonders geschmacklos ist die einmalige Erwähnung des hohen Bonzen des Gaststättengewerbes namens Juhnkar. Dem Fischhändler Iglox ist sein Name mittlerweile anscheinend so peinlich, daß er sich in Tranox umbenannt hat.
Schade, schade, schade. Wenn man das Glück hat, zehn zusammenhängende Zeilen lesen zu können, ohne daß man auf diese ach so originellen Namen stößt, dann merkt man, daß Martin Scott dem Leser eigentlich eine gelungene Parodie auf die alten Detektivromane der Schwarzen Serie bietet. Diese Reihe könnte dem Leser gute leichte Unterhaltung bieten, wenn der Verlag nicht mit aller Gewalt darauf hinarbeiten würde, das Lesevergnügen zu ruinieren.
Nehmen Sie es dem Autor nicht übel, der kann nichts dafür. Wenn es Ihnen möglich ist, lesen Sie das Original (obwohl die englischen Cover auch eine Qual für das Auge sind) und irgendwie habe ich den diffusen Verdacht, daß Sie mit der französischen, niederländischen, polnischen und russischen Ausgabe auch besser bedient sind als mit der deutschen. Deutsche Leser, bildet Euch weiter: Lernt Fremdsprachen!

Cover des Buches "Das zehnte Königreich" von Kathryn WesleyVirginias Leben ist todsterbenslangweilig ohne jede Aussicht auf Besserung. Zur gleichen Zeit flieht die böse Königin in den neun Königreichen aus dem Schneewittchen-Gedächtnis-Gefängnis, um die Herrschaft an sich zu reißen. Zu diesem Zweck verwandelt sie ihren Stiefsohn, Prinz Wendell, in einen Golden Retriever und lässt den Hund die Gestalt des Prinzen annehmen. Bei einem Fluchtversuch  springt Prinz Wendell durch einen Zauberspiegel und landet direkt im New York der Gegenwart vor Virginias Fahrrad, die gerade auf dem Weg zur Arbeit ist. Sie kümmert sich um den angefahrenen Hund und ahnt nicht, dass sie sich damit in große Gefahr begibt. Die Königin hat ein paar Trollen und einem gefährlichen menschlichen Wolf befohlen, Prinz Wendell zurückzubringen.

-Virginia stützte ihre Ellbogen auf den Fenstersims und beugte sich hinaus in die Brise. Wenn sie die Augen halb geschlossen hielt, erweckten die Bäume vor ihrem Fenster den Eindruck einer ausgedehnten Waldfläche: schattig, grün und angefüllt mit neuen Möglichkeiten und Abenteuern.-
Teil 1 Der Hund, einst bekannt als Prinz Kapitel 1

Das zehnte Königreich (The Tenth Kingdom) ist eine witzige Parodie auf sämtliche Märchen, angefangen bei Schneewittchen über Aschenputtel und Rotkäppchen bis hin zu Rapunzel.

Besonders gut ist das Autorenehepaar jedoch immer dann, wenn es sich über die westliche, insbesondere die amerikanische, Kultur lustig macht: Die Trolle beanspruchen in Kolumbus-Manier New York als das zehnte Königreich und rauben zuerst einmal die Einheimischen aus. Wolf versucht seine tierische Natur zu überwinden, indem er sich durch einen Stapel Lebenshilfe-Bücher liest und Virginia stützt sich als Verteidigerin in einem Prozess auf das juristische Wissen, das sie sich durch Anschauen der Perry-Mason-Serie erworben hat, was dem Angeklagten dann auch prompt die Todesstrafe einbringt.

Allerdings hätte es dem Buch gut getan, wenn die Geschichte etwas gestrafft worden wäre. Manche Szenen sind nur mäßig amüsant und werden auch nicht benötigt, um die Handlung voranzutreiben. Sie scheinen nur geschrieben worden zu sein, um Seiten anzuhäufen oder besser gesagt, um Sendezeit zu füllen. Denn Das zehnte Königreich ist das Buch zum Film, bzw. zur Fernsehserie und wurde, wie die Redaktion durch aufwendige Recherchen herausgefunden hat, offensichtlich erst nach der Serie verfasst.

Zentaurengelichter von Glen CookPrivatdetektiv Garrett soll die Erbin eines beträchtlichen Vermögens ausfindig machen. Das gefällt einigen Herrschaften gar nicht und so pflastern bald Leichen Garretts Weg.

-Bamm!Bamm!Bamm! Es klang, als klopfe jemand mit einem Vorschlaghammer gegen die Tür. Ich rollte zur Seite und schlug ein dickes Auge auf.-
1. Kapitel

Wer Philip Marlowe mag oder sein politisch unkorrekteres Pendant Mike Hammer, der wird auch an Detektiv Garrett Gefallen finden. Garrett ist der typische einsame Wolf, hartgesotten, cool, mit einer lakonisch-zynischen Sprache, der so herrliche Macho-Sprüche vom Stapel läßt wie: “Normalerweise schlag ich Frauen nicht den Schädel ein”, erklärte ich dem winzigen Wesen, als ich die Tür öffnete. “Aber in Ihrem Fall könnte ich mal eine Ausnahme machen.”
Vielleicht fragen Sie sich langsam, was das denn nun bitte mit Fantasy zu tun haben soll. Die Antwort ist einfach. Garrett ermittelt nicht in irgendeiner amerikanischen Großstadt, sondern in TunFaire, der Hauptstadt von Karenta. Diesmal verschlägt es ihn allerdings ins Cantard, das ist ein Kriegsgebiet mit einer Stadt namens Full Harbor. Offensichtlich handelt es sich um eine Anspielung auf Pearl Harbour, die aber nicht weiter ausgeführt wird. Unterstützt bei seiner Suche wird Garrett von Morpheus Ahrm, einem elfischen Killer, drei Grollen, die eine Mischung zwischen Mensch, Troll und dem “Sprechenden Tier” sind und ziemlich schnell die Geduld verlieren und natürlich von dem “Toten Mann”, der tatsächlich so tot ist, wie es nur geht, was ihn aber nicht daran hindert, mit Garrett zu kommunizieren. Seine Gegner sind Einhörner, Vampire und ein Zentaur.

Der Knackpunkt des Romans ist wie so oft die Sprache. Einerseits ist es spaßig, daß Cook genau den Ton seiner Vorbilder trifft, andererseits verhindert dieser lakonisch-zynische Ton, daß Spannung aufkommt. Cook erliegt offensichtlich wie viele andere Fantasy-Autoren dem Irrtum, daß das Hinmetzeln von möglichst vielen Ungeheuern per se spannend ist. Und so witzig ist das Buch nicht, daß die Komik die fehlende Spannung wettmachen würde. Auch die Wahl der Namen könnte bei sensiblen Gemütern zu Zahnschmerzen führen, wenn z.B. ein Riese Lou Latsch genannt wird.

Die Zwerge von Amboss von Thomas PlischkeDer Zwergen-Ermittler Garep Schmied muß zusammen mit seinem Assistenten einen Mordfall aufklären: Ein Komponist wurde ermordet, und alle Indizien deuten darauf hin, daß sein menschlicher Diener den Mord begangen hat. Garep hat jedoch seine Zweifel.
Als allerdings ein weiterer Übergriff von Menschen auf Zwerge stattfindet, kocht die ohnehin geladene Stimmung über: Im Wahljahr der Zwerge haben diese Fälle, die augenscheinlich von den als Flüchtlingen im Zwergenreich lebenden Menschen begangen wurden, auch politische Bedeutung. Nachdem Garep endlich eine Verdächtige an der Hand hat, wird ihm der Fall entzogen.
Derweil laufen im Hintergrund schon längst die Vorbereitungen für einen Krieg…

-Garep Schmied hätte nie erwartet, im Zuge seiner Arbeit einmal eine Silberflöte aus dem Rücken eines Zwergs ragen zu sehen.-
1

Sollte einmal eine Wahl zum unoriginellsten aller Fantasy-Völker stattfinden, so hätten die Zwerge wohl nicht die schlechtesten Chancen darauf, den Titel zu ergattern. Seit einst der erste Zwerg tolkienesker Ausprägung seinen Kopf aus einem Felsenschacht strecken durfte, bevölkern sie als wandelndes Klischee mit Bart, Spitzhacke und einem Hang zur Derbheit diverse Fantasywelten. Individuelle Charakterzüge sind meist eine Fehlanzeige, man begegnet stets Abgüssen des „Urzwergs“.
Auch in Thomas Plischkes Zerrissenen Reichen schimmert dieser klassische Fantasy-Zwerg hin und wieder durch – immer dann, wenn seine umtriebigen Nachfahren auf ihre ferne Vergangenheit blicken. Für Die Zwerge von Amboss wurde der Klassiker aber konsequent und auf sehr authentische Art und Weise weiterentwickelt, in eine industrialisierte, säkularisierte und zutiefst bürgerliche Zwergengesellschaft, so daß man sich als Leser in einer phantastischen Version des wilhelminischen Zeitalters wähnt, in dem Zwerge plötzlich einen Alltag und Familien haben (aber auch Feuerwaffen und Eisenbahn) und beinahe ein wenig beschämt auf ihre vergangenen Tage als Buddler und Krieger zurückblicken.

Schon diese augenzwinkernde Betrachtung liebgewonnener Klischees spricht für eine originelle Bearbeitung des Zwergenstoffs (oder auch Rollenspielstoffs, denn man begegnet noch Halblingen und Elfen, Diebesgilden, höhlenbewohnenden Ungeheuern und weiteren Ingredenzien, die an rollende Würfel denken lassen), doch trotz der Anlehnung ans wilhelminische Kaiserreich stechen vor allem brandaktuelle Themen aus der Romanhandlung hervor: So sind in diesem Szenario etwa die Menschen aufgrund einer Art verschärfter Variante der Reformationskriege Flüchtlinge, und die Zwerge sind wenig angetan von den vielen schmarotzenden Ausländern, die in ihre Städte strömen. Daß einem bei den Debatten, ob und wie diese Menschen besser zu integrieren seien, deutsche Politiker diverser Couleur in den Sinn kommen, ist vielleicht ein nicht ungewollter Nebeneffekt, und dem Roman tun die unverbrauchten Themen und der Gegenwartsbezug gut. Daß solcherlei Konflikte meistens durch die Sichtweise der Zwerge vermittelt werden, macht sie um so interessanter.
Zudem erinnern stets viele liebevoll gestaltete Details daran, es nicht nur mit kleingeratenen Menschen, sondern einer eigenen, wie gewachsen wirkenden Kultur zu tun zu haben: Zwergische Bräuche, Sprachbilder und Eigentümlichkeiten gibt es zu Hauf zu entdecken, alle ideenreich vom Urzwerg abgeleitet und durch den Fleischwolf einer geschichtlichen Entwicklung gedreht. Sprachlich sind diese Dinge gekonnt eingebunden, etwa wenn Körperteile zwergisch benannt werden.
Nebst verschiedenen (tatsächlich sehr individuellen) Zwergen, die Teestuben besuchen, Moden nacheifern oder sich alldem traditionalistisch verweigern und politische Debatten führen, darf man allerdings auch noch Halblingen, die hier eine Art bürokratische Aufseherkaste stellen und sich als ein fremdartiges, eigentümliches Volk entpuppen, und den auf die ein oder andere Weise von ihrer Religion bestimmten Menschen über die Schultern schauen. Sowohl die Charaktere als auch das politische Szenario, das im Laufe der Handlung bedenklich ins Wanken gerät, werden kontinuierlich entwickelt und sorgen dafür, daß es kaum Leerlauf gibt und Spannung groß geschrieben wird.

Einen Großteil der Faszination dieses Auftaktbandes macht dennoch das Entdecken der gut ausgearbeiteten Welt aus, hinzu kommt die spannende Mischung aus Krimi-Elementen, politischer Verschwörung und eines sich anbahnenden Konflikts zwischen Glauben und Vernunft. Nachdem die Handlung mit Garep Schmied anfangs vor allem auf eine Figur setzt, die sich nahe am Hardboiled detective bewegt – ein desillusionierter Ermittler mitsamt verlorener Liebe, halb geheimen Süchten und Schnüfflermentalität – dreht der Plot später eher in die Abenteuer- und Thrillerecke ab, in der die Charaktere nicht ganz so gut auftrumpfen können. Zusammen mit dem Nachlassen der entdeckerischen Aha-Effekte ergibt sich ein für das interessante Szenario doch etwas konventionelles Ende, das leider auch mehr als offen bleibt. Ähnliches geschieht in einem zweiten Handlungsstrang rund um medizinische Experimente an den Insassen einer Heilanstalt, der beeindruckend beginnt und mit einem Traum aufwarten kann, der zu den stärksten Szenen des Romans zählt, dessen Ende aber vorhersehbar ist und den Erwartungen nicht ganz gerecht wird.
Doch selbst wenn die Spannungskurve zum Ende hin etwas abflacht, liegt doch ein Roman vor, der gleichzeitig ein hohes Tempo und einen bisher in Zwergenreichen ungekannten Tiefgang an Themen und Charakteren – und durchaus auch Humor – zu bieten hat. Da sich der Wirkungsradius der Handlung in den finalen Szenen erhöht, darf man gespannt erwarten, was es im nächsten Band zu entdecken geben wird und wie die vielen, teilweise erst ansatzweise eingebrachten Themen fortgeführt werden.
Die Zwerge sind also rehabilitiert!