Alaizabel Cray

Es gibt begnadete Geschichtenerzähler, so daß man sich als viellesender Mensch manchmal darüber wundert, wie es diesen gelingt, aus nur sechsundzwanzig Buchstaben immer wieder neue faszinierende Geschichten entstehen zu lassen. Wooding gehört nicht zu diesem Kreis, er hat seinen Roman offensichtlich nach dem Baukastenprinzip zusammengesetzt. Zu viele Dinge kommen dem Leser bekannt vor: Die Gilde ist eine finstere Mischung von Freimaurer-Loge und Hexen-Coven. Eine Prostituierte wird mit einem Messer ermordet und später erfährt man, daß der Mörder seinen Opfern mit chirurgischer Genauigkeit die Organe zu entnehmen pflegt. Das ist für den Lauf der Geschichte völlig unwichtig (dafür benötigt man “nur” ermordete Frauen) und wird anschließend auch nie wieder erwähnt. Hauptsache gruselig und vielleicht hat man als Autor ja Glück und die jungen Leser merken nicht, daß die Idee ursprünglich von Jack the Ripper stammt. Da die Jugend von heute sowieso nicht mehr viel liest, kann man auch darauf hoffen, daß ihr nicht auffällt, daß Wooding sich außerdem auch noch fröhlich z.B. aus Lovecrafts Cthulhu-Mythos, Mark Twains Huckleberry Finn und Prinz und Bettelknabe, Charles Dickens Oliver Twist, Mary Shelleys Frankenstein und Neil Gaimans Niemalsland bedient hat.
Außerdem wirken einige Szenen am Ende der Geschichte wie die Beschreibung eines Computerspiels, und ein paar alte Schwarz-Weiß-Filme, sowie der nur noch selten im Fernsehen laufende Horrorfilm The Fog – Nebel des Grauens dürften Wooding ebenfalls inspiriert haben. Wenn ein Schüler seine Hausarbeit aus so leicht identifizierbaren Versatzstücken zusammenbastelt, bekommt er eine Sechs wegen Abschreibens, Wooding bekommt dafür den SMARTIE-AWARD für den besetn Roman des Jahres, so ungerecht ist die Welt.

Das Happy End ist nach den ersten Seiten vorhersehbar und es ist auch klar, daß auf der Seite der Guten nur die sterben, die entbehrlich sind und deren Verlust den Leser nicht schmerzt. Wer in Raumschiff Enterprise gesehen hat, daß mit Captain Kirk, Spock und Pille auch immer ein unbekanntes Mitglied der Besatzung, das der Zuschauer vorher nie zu Gesicht bekommen hat, auf den fremden, gefährlichen Planeten gebeamt wurde, weiß, wovon der Rezensent redet.
Sprachlich ist der Roman ebenfalls keine Glanzleistung. Sobald Wooding wie auch immer geartete zwischenmenschliche Beziehungen beschreibt, gerät er an die Grenze zum Kitsch und streift bedenklich das Groschenromanniveau.
Das Alles wird junge Leser, bzw. Leser mit wenig Leseerfahrung, nicht daran hindern, sich gut unterhalten zu fühlen, tastächlich werden sie aber eher an der Nase herumgeführt.
(rezensiert von: Top Dollar)

Stand: 09. September 2012
Originaltitel: The Haunting of Alaizabel Cray
Erscheinungsjahr: UK 2001, D 2002
Verlag: Arena
Übersetzung: Wolfgang Ferdinand Müller
ISBN: 978-3401050263
Seitenzahl: 349