The Demon and the City

The Demon and the City von Liz WilliamsDer Dämon Zhu Irzh, der sich vorerst aus der Hölle abgesetzt hat und im Polizeidezernat von Singapur Drei arbeitet, muss in einem Mordfall ermitteln. Bald weisen alle Spuren auf den Mega-Konzern Paugeng, wo sich die Ermittlungen schwierig gestalten, zumal Zhu Irzh nicht gerade die volle Unterstützung seiner menschlichen Kollegen und Vorgesetzten hat.
Paugeng führt in aller Heimlichkeit Experimente an Dämonen durch, und die geheimnisvolle Firmenerbin Jhai Tserai hat Pläne, die weit über diese Welt hinausreichen. Da prophezeit das Testsubjekt Mhara, das sich in der Betreuung der von Schuldgefühlen geplagten Robin befindet, das Ende der Stadt.

-The Chinese inhabitants of Singapore Three say that August is an unlucky month. They say that it is called the month of the dead, for it is always during the endless burning days that the dead return, looking for the living, drawn by blood and breath.-
Prologue

Nach dem fulminanten Serien-Auftakt Snake Agent ist es vielleicht ein wenig ernüchternd, festzustellen, dass der zweite Fall von Detective Inspector Chen eigentlich ein Fall des Dämons Zhu Irzh ist, der sich als irdischer Polizist und temporärer Bürger von Singapur Drei zwar nicht viel daraus macht, auf Erden schlecht gelitten zu sein (so er denn überhaupt bemerkt und nicht übersehen wird), aber außerhalb seiner angestammten Höllenheimat schwer unter Langeweile leidet. Die delikate Interaktion zwischen Chen und Zhu Irzh, die den ersten Band zu einem buchgewordenen Buddy-Movie macht, fehlt damit auf weiten Strecken von The Demon and the City – Chen ist im Urlaub auf Hawaii. Auch auf das Höllendekor und die aberwitzige Bürokratie der chinesischen Hölle muss verzichtet werden, da dieser Fall sich auf der Erde, im Nachthafen und im Himmel abspielt.

Dass dadurch einige der charmantesten Elemente des ersten Bandes verloren gehen, tut weh, auch wenn die Entscheidung letzten Endes nachvollziehbar ist: Da auch The Demon and the City mit himmlisch-höllischen Verschwörungen arbeitet, die am besten durch willige irdische Helferlein vollzogen werden, und wiederum übernatürliche Mächte eingreifen und eine Spur der Verwüstung hinterlassen, wäre die Gefahr einer Wiederholung groß gewesen, hätte Liz Williams nicht an ein paar Parametern geschraubt.
Zhu Irzh, bisher schon heimlicher Star der Serie, sollte sich als Hauptfigur eigentlich prächtig machen: Er gibt wieder den dämonischen Dandy, der dann am charmantesten ist, wenn er sich ganz undämonenhaft benimmt, doch leider langweilt sein “ich böser, böser Bube”-Gehabe schnell. Schon gut, Zhu Irzh, wir wissen, dass du dir ein Gewissen eingefangen hast und dich hauptsächlich in die blendende Ästhetik des Bösen kleidest!
Zur Entschädigung für das ein oder andere Gähnen gibt es immerhin eine Szene mit Chens hinreißendem bärbeißigen Teekessel, der Zhu Irzh’ Attitüde bricht und für den Lacher des Buches sorgt.

Im Laufe von Zhu Irzh’ Ermittlungen wird eine ganze neue Figurenriege eingeführt, die auch für weitere Bände erhalten bleibt (was allerdings heißt, dass die Geschichten der Figuren aus Snake Agent vorerst nicht weitergeführt werden), daraus sticht vor allem die konfliktbeladene Robin hervor, die zwischen dem, was ihr Gewissen sagt, und den Notwendigkeiten des täglichen Überlebens pendelt, wenn sie jeden Tag zur Arbeit mit ihrem lebenden Versuchsobjekt beim Konzern Paugeng antanzt, weiterexperimentiert und daran leidet, nicht die Wahl zu haben. Liz Williams’ Darstellung der Interaktion zwischen dem Göttlichen (oder Dämonischen) und den Menschen ist ohnehin hervorragend gelungen – einerseits wird die Allmacht der Götter deutlich, und ihre relative Gleichgültigkeit, andererseits gibt es (wohl auch für Götter) ein teils verblüffendes, teils auch hausgemachtes Karma, das für einen gewissen Ausgleich sorgt.

Der Hauptplot ist in The Demon and the City weniger ein eleganter roter Faden als ein Mosaik, das man sich aus verschiedenen Kapiteln und Perspektiven zusammensetzt, und das Bild, das dabei herauskommt, bleibt immer eine Interpretationssache. Beweggründe der einzelnen Beteiligten an der komplexen Verschwörung bleiben schwammig, was zu einem merkwürdigen Hybriden aus verwickelten Einzelheiten und allzu simplen Hintergründen führt.
Es scheint, als würde Liz Williams etwas zu atemlos durch ihre ultrakurzen Kapitelchen hetzen, ohne sich mit Erklärungen oder einem fundierten Aufbau der Handlung zu befassen. Auch in der dürftigen Reaktion der Figuren auf die gigantischen Ereignisse macht sich diese Schieflage bemerkbar.
Williams’ Stärke liegt eindeutig eher bei Einzelszenen, bei der wunderbaren Atmosphäre, die sie in ihrem einzigartigen Setting schaffen kann: in einem Augenblick fremdartig-übersinnlich und im nächsten geerdet, sei es nun im Nachthafen, dem Übergangsort der Seelen, oder in Singapur Drei, das Williams perfekt als globalisierte urbane Metropole präsentiert, in der die Party auch weitergeht, wenn ein Gott gerade einen Wolkenkratzer zertrampelt hat.

Weniger feine Untertöne und weniger Witz als Snake Agent machen aus The Demon and the City einen noch immer gut lesbaren, aber nicht mehr so brillanten Roman wie den Vorgänger. Bei Freunden des maliziösen Schönlings macht Zhu Irzh wohl alles wett, andere müssen abwarten, ob der dritte Band wieder zu alten Stärken zurückfindet.

Stand: 11. September 2012
Erscheinungsjahr: USA 2006
Verlag: Night Shade Books
ISBN: 978-1-59780-047-1
Seitenzahl: 242