Rick Deckard lebt mit seiner Frau auf der vom dritten (atomaren) Weltkrieg verwüsteten Erde, deren Bevölkerung dazu angehalten wird, auf die Kolonien im Sonnensystem auszuwandern. Zumindest jene, deren Erbgut nicht wie das von J.R. Isidore durch den Fallout verändert wurde. Dieser ist ein Mensch zweiter Klasse und liefert elektrische (gesellschaftlich verpönte) Ersatzhaustiere aus, als plötzlich eine geheimnisvolle Frau in seinen Apartmentblock einzieht. Rick Deckard arbeitet als Kopfgeldjäger und befördert illegal von den Kolonien remigrierte Androiden in den Ruhestand. Seine neue Herausforderung besteht darin, auch bei den neuen Nexus-6-Modellen Mensch und Android zu unterscheiden.
– ‘Dial 888,’ Rick said as the set warmed. ‘The desire to watch TV, no matter what’s on it.’ –
S. 4
Do Androids Dream of Electric Sheep? ist ein Klassiker der SF-Literatur, vielen ist sicherlich auch die Verfilmung des Stoffes durch Ridley Scott unter dem Titel Blade Runner ein Begriff. Wer den einen schon kennt, kann ruhigen Gewissens zum anderen greifen, denn der Handlungsverlauf unterscheidet sich doch deutlich, sodass sich niemand vor Spoilern fürchten braucht. Klassiker zu rezensieren ist nicht einfach, schließlich ist die Bewertung ja schon längst vorhanden. Aber warum könnte der Roman diesen Status erlangt haben?
Das könnte einerseits an der spannenden Story liegen oder andererseits an den Themen, die im Verlauf der Handlung angesprochen werden, wahrscheinlich liegt es aber daran, dass diese beiden Elemente so wunderbar miteinander verflochten sind. Die tiefgreifenden Fragen, die Dick in diesem Zusammenhang über das Verhältnis von Mensch-Maschine, organischem und mechanischem Leben aufwirft, sind wunderbar in den Handlungsverlauf, die Figurenentwicklung und die Facetten der dystopischen Welt eingeflochten, die dem Leser/der Leserin nach und nach präsentiert werden. Die Frage, was organisches Leben von mechanischem unterscheidet, wird im Zuge des Romans immer wieder neu gestellt, und gerade weil handlungsimmanent Empathie als hochoffizielles und durch einen standardisierten Testapparat überprüfbares Kriterium für das Menschsein gilt, eröffnet sich ein breiter Interpretationsspielraum, der den Roman so denkwürdig macht.
Gleichzeitig wird man vor allem vom Handlungsstrang um Rick Deckards Jagd auf die illegalen Androiden, der mit einigen interessanten Wendungen aufzuwarten weiß, durch den dünnen, aber sehr dichten Roman gezogen. Herauszufinden, welche der auftretenden Figuren als Android klassifiziert werden und welche nicht, wird ebenfalls schnell zur Triebfeder für das Geschehen. J.R. Isidores Anteil an der Story ist demgegenüber deutlich begrenzter, aber deswegen nicht unwichtig, eröffnet er doch immer wieder neue Perspektiven auf gewisse Aspekte der Handlung und liefert für die erste Hälfte des Romans eine sympathische Alternative zum unterkühlt-rationalen Kopfgeldjäger. Deckard gewinnt aber zunehmend an charakterlicher Tiefe und entwickelt sich zu einem interessant-tragischen Protagonisten, wenn auch vielleicht nicht zu einem Sympathieträger.
Do Androids Dream of Electric Sheep? beeindruckt also besonders durch die enge Verzahnung von spannender, wendungsreicher Handlung, gelungener Charakterzeichnung und techno-philosophischen Fragestellungen, die auch heute noch aktuell sind. Auf Deutsch ist der Roman unter dem Titel Träumen Androiden von elektrischen Schafen? bzw. Blade Runner erschienen.