Bibliotheka Phantastika Posts

In unserer Übersetzer-Rubrik gibt es heute als Gastbeitrag eine Empfehlung für einen ganzen Zyklus. Die Übersetzerin Susanne Gerold ist in unserem Forum als Timpimpiri unterwegs.

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Der Dämonenkönig von Cinda Williams ChimaMit Büchern ist es manchmal so wie im echten Leben: es gibt manche, die haben hervorragende Startchancen, und andere, die haben es einfach schwerer.
Der von mir übersetzte Zyklus “Der Dämonenkönig” von Cinda Williams Chima fällt leider in diese Kategorie. Die deutsche Version der Geschichte, die – das gleich vorweg – durchgängig sehr schön ist und ein wunderbares Ende hat, leidet bedauerlicherweise ein bisschen unter verlagsinternen Entscheidungen hinsichtlich der “Übersetzungsphilosophie”. Weil das den Lesegenuss allerdings nicht wirklich schmälern muss, vor allem, wenn man etwas über die Hintergründe erfährt, möchte ich den Zyklus unbedingt all jenen ans Herz legen, die gern ein schönes Jugendbuch lesen oder verschenken möchten.

Aber von Anfang an: Das Problem begann eigentlich damit, dass man sich entschied, dem ersten Band der ursprünglich von Goldmann eingekauften Trilogie einen Hardcovervorlauf bei cbj zu verschaffen und ihn erst danach als Taschenbuch bei Goldmann zu veröffentlichen. Da das Buch jetzt bei einem reinen Jugendbuchverlag angesiedelt war, lautete die nächste Entscheidung, auch die Sprache entsprechend anzupassen. Jugendliche, so hieß es, wollten Begriffe lieber auf Englisch lesen, und die Sprache sollte auch flapsiger sein. Ich erfuhr davon, nachdem ich bereits eine Menge Zeit und Arbeit investiert und es mit freundlicher Unterstützung der Autorin geschafft hatte, geeignete deutsche Begriffe für die vier wesentlichen Bevölkerungsgruppen der Welt des “Dämonenkönigs” zu finden, in deren Umfeld sich die Geschichte um die jugendlichen Hauptcharaktere abspielt: die Diebes- und Straßenwelt der Stadt Fellsmarch, in der Han Alister aufgewachsen ist; die indianisch geprägte Welt der Spirit-Clans von Raisa ‘ana Marianna, der Thronerbin der Fells, mit der sie väterlicherseits verwandt ist; die städtische und höfische Welt von Fellsmarch, mit der Raisa mütterlicherseits verbunden ist; und schließlich die Welt der Hohemagier, die versuchen, wieder an die Macht zu kommen, nachdem sie tausend Jahre lang unterdrückt worden waren.
Das Exil der Königin von Cinda Williams ChimaAufgrund der Verlagsentscheidung spielt sich die Geschichte nun zwischen Gangs und Streetlords, Clans und Figuren mit Namen wie Hunts Alone und Nightbird ab, während gleichzeitig Örtlichkeiten als Westmauer oder Brückenstraße daherkommen und die Bewohner der Spirit-Mountains bezogen auf ihre Clan-Zugehörigkeit Highlander genannt werden, aber aus Sicht der Talbewohner der Fells im Hochland leben … und als würde das alles noch nicht reichen, gibt es noch die Flatlander, wie die Bewohner der Reiche außerhalb der gebirgigen Fells genannt werden (und die erst miteinander im Krieg liegen und dann die Fells zu erorbern versuchen).
Eine sehr gewöhnungsbedürftige Mischung, wie ich zugeben muss, auch wenn tatsächlich ein System dahintersteckt. Aber war es eine gute Entscheidung? Das ist schwer zu sagen. Fakt ist jedenfalls, dass das Buch bei cbj floppte und der Hardcovervorlauf daraufhin eingestellt wurde. Was bedeutete, dass das Buch zurück an Goldmann ging. Dort hätte die Eindeutschung der Begriffe nun kein Problem gemacht, ganz im Gegenteil. Da der erste Band jedoch bereits veröffentlicht war, konnte man an dieser Schraube nicht mehr drehen. Auch der flapsigere Sprachduktus war inzwischen gesetzt (veränderte sich allerdings im weiteren Verlauf des Zyklus ein bisschen im gleichen Maß, in dem die Geschichte von Band zu Band ernster wurde).
Dem Buch und seinen Folgebänden tat das alles nicht besonders gut. Normalen Fantasy-Lesern sind englische Begriffe in einer nicht englischsprachigen Welt ein Gräuel, und genau das schleppte diese eigentlich wunderbare Geschichte nun dauerhaft mit sich herum. Manche Dinge behält man eben von Beginn seines Lebens bei, sie sind nicht zu ändern. Es lohnt sich allerdings manchmal, den Blick und die Wahrnehmung dadurch nicht allzusehr beeinflussen zu lassen, denn wenn man einmal davon absieht, sich gar daran gewöhnt – und das kann man durchaus – erhält man eine Geschichte, die schön erzählt ist, die interessante Charaktere hat, tolle jugendliche Helden, eine sehr schöne, von Beginn an nachvollziehbare und überzeugende Liebesgeschichte sowie einen Konflikt, der die gegenwärtige Handlungsebene geschickt mit tragischen, anfangs völlig im Dunkeln liegenden Geschehnissen der Vergangenheit verbindet.

Der Wolfsthron von Cinda Williams ChimaÄußerlich beginnt der Konflikt, als der Straßendieb Han Alister in Notwehr Micah Bayar, dem Sohn des mächtigsten Magiers, ein Amulett wegnimmt, das dieser wiederum seinem Vater entwendet hatte. Lord Bayar versucht daraufhin mit allen Mitteln, das Amulett zurückzubekommen, schreckt auch vor Mord nicht zurück, während er gleichzeitig seinen Plan verfolgt, die seit langer Zeit verbotene Verbindung von Königinnengeschlecht und Magiern wieder aufleben zu lassen, selbst an die Macht zu kommen und die Hohe Magie endlich von der Knute der Spirit Clans zu befreien, unter der sie durch die Fuegung vor eintausend Jahren stehen.
Die Fuegung – eine Abmachung, die den Spirit-Clans mit ihrer niederen Magie die Kontrolle über die Hohe Magie zuspricht – war eine Reaktion auf das Unheil, das die Magier vor tausend Jahren in einem Krieg angerichtet hatten, der die Welt fast zerstört hätte. Da dieses Wissen überall präsent ist, ruft Lord Bayars allzu offensichtliches Betreiben, die Magier wieder in eine Machtposition zu bringen und sich der verhassten Spirit-Clans zu entledigen, natürlich diese auf den Plan, und es beginnt ein unheilvoller Tanz, in dessen Mittelpunkt die Erbprinzessin der Fells steht, heiß begehrt sowohl von Bayars Sohn wie einem angesehenen Mitglied der Spirit-Clans und schließlich auch von Han Alister, während sich zugleich die Vergangenheit zu regen beginnt …
Wenn man das liest, könnte man meinen, “Der Dämonenkönig” sei eigentlich eine Liebesgeschichte. Und irgendwie ist er das auch; Liebe, Freundschaft und Vertrauen sind tatsächlich zentrale Motive dieses Zyklus. Aber es geht dabei nicht nur um die gegenwärtige Liebesgeschichte oder darum, wer nun die Erbprinzessin bekommt, es geht auch um eine ganz andere Liebesgeschichte, die tausend Jahre zuvor der Grund dafür war, dass die Welt beinahe im Chaos versunken wäre, und die jetzt auf ihre Weise wieder zum Leben erwacht und sozusagen aus dem Hintergrund tatkräftig dazu beiträgt, dass im Reich der Fells die notwendigen Veränderungen eingeleitet werden.

Wenn ich zusammenfassen sollte, was mir beim Übersetzen besonders gefallen hat, dann die Fähigkeit der Autorin, äußerst lebendige, sympathische jugendliche Charaktere zu entwerfen, bei denen ich mich als Erwachsene nicht gelangweilt fühlte. Ihre nicht minder beeindruckende Fähigkeit, den vielen Fallen auszuweichen, die sich in jeder Geschichte auftun und die in diesem Fall vor allem die weibliche Hauptfigur ziemlich geschwächt hätten und den Gang der Geschichte leicht hätten trivial werden lassen können. An Abzweigungen in Richtung Klischees, in Richtung unnatürlichen oder idiotischen Verhaltens, die häufig dazu dienen, künstlich Spannung zu erzeugen oder die Geschichte voranzutreiben, wird einfach vorbeigegangen, obwohl man ahnt, dass sie in einer schlechteren Geschichte genutzt worden wären. Das hat Cinda Williams Chima nicht nötig; zwar ist sie auch nicht immer perfekt in der Inszenierung ihrer jugendlichen Helden und Heldinnen, aber wenn man ihr eines attestieren muss, dann die Fähigkeit, denkende, starke Personen mit tiefen Gefühlen entworfen zu haben, die man vielleicht gern selbst als Role Model gehabt hätte, als man jung war.
Die Purpurkrone von Cinda Williams ChimaDie Einschätzung, ob ein Buch ein gutes Buch – oder ein Zyklus ein guter Zyklus – ist, wird immer dadurch mitbestimmt, wie sein Ende ausfällt. Und das Ende dieser Geschichte ist einfach nur schön. In mehrfacher Hinsicht. Zum einen auf der profanen Ebene der Verlagsentscheidungen, denn Goldmann hat sich nach langem Überlegen schließlich doch noch entschieden, den (auch im Original ursprünglich nicht vorgesehenen – aber auch hier galt wohl, wie so oft: the tale grew in the telling) vierten Band ebenfalls einzukaufen und herauszubringen, auch wenn es lange Zeit nicht danach aussah und man es vor allem der deutschsprachigen Leserschaft zuliebe getan hat – kann es einen schöneren Grund geben? Aber auch das inhaltliche Ende ist – oder besser: beide inhaltlichen Enden sind – sehr gelungen. Wer allerdings die Angewohnheit hat, das Ende zuerst zu lesen, beraubt sich dadurch einer sehr schönen Leseerfahrung.

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Band 1: Der Dämonenkönig (ISBN: 978-3442469741)
Band 2: Das Exil der Königin (ISBN: 978-3442469758)
Band 3: Der Wolfsthron (ISBN: 978-3442469765)
Band 4: Die Purpurkrone (ISBN: 978-3442481538)

Zettelkasten

Die Melodie der Masken von Ralf LehmannNach dem Tod des Alten Niemand haben sich die drei Gefährten Bolgan, Hatib und Fernd getrennt, um ihren Kampf gegen den Schwarzen Prinzen fortzusetzen und den Erft zu finden, einen sagenumwobenen, in mehrere Stücke zerteilten magischen Stein, der ihnen gegen den übermächtigen Feind helfen soll. Während Bolgan als Sklave des Schwarzen Prinzen auf eine Gelegenheit lauert, ihm seinen Teil des Edelsteins zu stehlen, und dabei in eine Gefahr gerät, die er niemals hätte voraussehen können, organisiert Hatib den militärischen Widerstand. Er findet neue Freunde und Verbündete, muss aber bald erkennen, dass kämpferische Tugenden allein nicht zum Sieg führen werden …

Zur ganzen Rezension bitte hier entlang.

 

Neue Inhalte

Bibliotheka Phantastika gratuliert Trudi Canavan, die heute ihren 45. Geburtstag feiern kann. Als eine der erfolgreichsten australischen Fantasy-Autorinnen hatte die am 23. Oktober 1969 in Kew, Melbourne, Victoria geborene Trudi Canavan mit ihrer Black Magicians-Trilogie am All-Ages-Boom teil. Nach dem Erfolg der 2001 mit The Magicians’ Guild begonnenen Geschichte über den Werdegang von Sonea, einem zur Magierin ausersehenen Straßenmädchen, setzte Trudi Canavan ihre schriftstellerische Karriere mit Geschichten fort, die auf Soneas Welt und auch neuen Schöpfungen spielen und durch viel Magie und junge Helden und Heldinnen bestechen, die die Macht haben, am Gefüge der Welt zu rütteln.
Anlässlich ihres Geburtstages haben wir Trudi Canavans Portrait aktualisiert, das für tiefergreifende Informationen bereitsteht.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Suzy McKee Charnas, die heute 75 Jahre alt wird. Auf den allerersten Blick könnte man Walk to the End of the World (1974), den Erstling der am 22. Oktober 1939 in New York City geborenen Suzy McKee Charnas, für einen dieser typischen Post-Doomsday-Romane halten, die es vor allem Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre recht häufig gegeben hat – aber schon bei ein bisschen genauerem Hinsehen entpuppt er sich als eine bedrückende feministische Dystopie, die sich eines postapokalyptischen Settings bedient und das Bild einer neo-barbarischen Gesellschaft auf die Spitze treibt. Denn in Holdfast, einem der Orte, an dem mehrere Generationen nach einem weltweiten Atomkrieg noch Menschen leben, haben ausschließlich Männer etwas zu sagen (auch wenn sie The Slave and the Free von Suzy McKee Charnassich einer rigiden hierarchischen Struktur unterwerfen müssen). Die Frauen hingegen, denen man die Schuld an der weltweiten Katastrophe gibt, werden geringschätzig als “Fems” bezeichnet und sind praktisch Sklaven, die man zum Arbeiten und (leider) zur Fortpflanzung braucht. Auch wenn das wie ein Gestalt gewordener feministischer Alptraum klingt (und letztlich auch ist), nutzt Suzy McKee Charnas dieses Szenario nicht für eine plakative Darstellung der Leiden der Fems oder der Grausamkeit der Männer; ihr Interesse gilt vielmehr einer Gesellschaft, die so vollkommen aus dem Gleichgewicht geraten ist, dass auch die Herrschenden in ihr alles andere als glücklich sind (was nicht bedeutet, dass sie auf die Idee kommen, das System zu hinterfragen).
In der Fortsetzung Motherlines (1978) stößt Alldera, eine der Fems, der die Flucht aus Holdfast gelungen ist, zunächst auf ein Volk von Amazonen, die frei und ungehindert auf dem Rücken ihrer Pferde durch das Grasland streifen, und trifft später auf die (deutlich mehr organisierten) Free Fems. Erst 1994 setzte Suzy McKee Charnas die mittlerweile als solche betitelten Holdfast Chronicles mit The Furies (und einem Angriff auf Holdfast durch die Free Fems) fort und brachte den Zyklus – dessen erste beide Bände gleichzeitig als Sammelband (The Slave and the Free) neu aufgelegt wurden – schließlich mit The Conqueror’s Child (1999) zum Abschluss. Die gesamte Sequenz gilt trotz des bitterbösen Auftaktbands als eines der grundlegenden sich der Genderthematik und -problematik widmenden Werke des Genres – und Band eins und zwei haben es als Tochter der Apokalypse (1983) und Alldera und die Amazonen (1984) erstaunlicherweise auch nach Deutschland geschafft.
Während vor allem Walk to the End of the World allerhand Aufsehen erregte und überaus kontrovers diskutiert wurde (und Suzy McKee Charnas in der SF-Szene nicht unbedingt viele Freunde verschafft hat – so musste sie z.B. knapp ein Jahr lang nach einem Verlag für den zweiten Band suchen), war The Vampire Tapestry bei Kritikern und Leserinnen gleichermaßen ein großer Erfolg. Im Mittelpunkt dieses aus fünf längeren Erzählungen – von denen “The Unicorn Tapestry” gesondert veröffentlicht und 1981 mit dem Nebula Award ausgezeichnet wurde – bestehenden Episodenromans steht der Anthropologe Dr. Edward Lewis Weyland, der außerdem ein Vampir ist. Allerdings ein etwas anderer Vampir, denn er fürchtet weder Knoblauch, noch schläft er in einem Sarg oder verwandelt sich in eine Fledermaus, und er hat auch nicht die typischen Fangzähne; seine Methode, seinen Opfern das Blut auszusaugen, ist unauffälliger. Mit diesem auf Deutsch als Der Vampir-Baldachin (1984) erschienenen Roman (oder Sammelband) hat Suzy McKee Charnas dem Vampir-Mythos eine originelle, zu Unrecht inzwischen leider ziemlich vergessene Facette hinzugefügt.
Verglichen mit den Holdfast Chronicles oder The Vampire Tapestry sind Charnas’ weitere Werke – wie z.B. die aus den Bänden The Bronze King (1985), The Silver Glove (1988) und The Golden Thread (1989) bestehende Fantasy-Jugendbuch-Trilogie Sorcery Hall (in der ein paar Jugendliche unsere Welt vor einer bösartigen Anderswelt schützen müssen) oder Dorothea Dreams (1986; ein Geisterroman) – relativ unbedeutend. Eine Erwähnung wert wäre aber vielleicht noch ihre mit dem Hugo Award ausgezeichnete Story “Boobs” (1989; dt. als “Möpse” in Isaac Asimov’s Science Fiction Magazin 35 (1990)), eine feministische Werwolf-Story, in der sich ein Mädchen an den Männern dafür rächt, wie sie mit ihr während ihrer Pubertät umgegangen sind.

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Ursula K. Le Guin wurde heute vor 85 Jahren in Kalifornien geboren und kann auf ein schriftstellerisch derart bewegtes Leben zurückblicken, dass die bp-Chronisten im Vorfeld um die Freizeit der nächsten 2 Jahre bangen mussten. Le Guin veröffentlichte Romane, Kurzgeschichten, Gedichte und Sachbücher, gewann vom Hugo über Nebula bis zum Locus Award alle bedeutenden Preise und wird bisweilen sogar im, Schauder, Feuilleton besprochen.
Ihr Erdsee-Zyklus hat es in die Kinos geschafft, und wer sich, von ihrem Schaffen inspiriert, selbst an der Schreibfeder versuchen möchte, kann als Starthilfe ihren Kleinen Autoren-Workshop nachlesen – Es gibt wenig große Themen, die die Autorin mit ihrem Schaffen nicht berührt hat.
„Fantasy is hardly an escape from reality. It’s a way of understanding it.“ – Der Ausspruch von Lloyd Alexander trifft auf wenige so zu wie auf die Werke von Le Guin, die in ihrem Oeuvre sozio-kulturelle Studien, psychologische Analysen, Genderstudies und Utopievorstellungen vereint. Doch neben den akademischen Lesarten bieten die Romane von Le Guin auch beste Unterhaltung: Es ist die einzigartige Kunst der Le Guin, den Bogen vom politischen Traktat zur good ol’ Actionszene mit Blutverlust in einem Buch zu schlagen; dies gelingt nicht immer in gleichbleibender Qualität, aber nach der Lektüre eines Meisterwerkes wie Winterplanet steigen die Leseransprüche zugegebenermaßen beinah unfair an.

Le Guin selbst hat sich immer gegen Genreschubladen oder Botschaftspropheterei gewehrt: „Es gibt keine Botschaften in diesen Geschichten. Es sind keine Glückskekse, es sind Geschichten“ schreibt sie im Vorwort ihres Kurzgeschichtenbandes Ein Fischer des Binnenmeeres, und tatsächlich lassen sich auch in thematisch sehr fokussierten Werken wie Das Wort für Welt ist Wald, dessen Plädoyer für Umweltschutz und -bewusstsein leidenschaftlichst ausfällt, die Botschaften nie eindeutig oder einfach formulieren. Denn bei Le Guin ist die Suche der Protagonisten nach Antworten immer eine Einladung an die Leser, sich nicht im Lesesessel zurückzulehnen, sondern gemeinsam aufzubrechen in die Wildnis von Athshe, in die Umlaufbahn von Hain oder die Weiten der Erdsee.

Wer sich immer noch nicht sicher ist, ob er oder sie dieses Lese-Abenteuer angehen möchten, dem geben wir – ausnahmsweise – dann doch einen Glückskeksrat ganz im Sinne des Geburtstagskindes mit auf den Weg:

Glueckskeks

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Katherine Kurtz, die heute 70 Jahre alt wird. Es wird wohl niemand ernsthaft bestreiten wollen, dass eine langjährige erfolgreiche Autorenkarriere ohne Talent, Fleiß und Ausdauer kaum möglich ist; dennoch reichen diese Eigenschaften längst nicht immer aus, so dass häufig auch noch eine Portion Glück vonnöten ist. Und für die am 18. Oktober 1944 in Coral Gables, Florida, geborene Katherine Irene Kurtz war die Tatsache, dass ihr Erstling Deryni Rising (1970; rev. 2004) im Rahmen der Ballantine Adult Fantasy – der Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre prestigeträchtigsten Fantasy-Taschenbuchreihe – veröffentlicht wurde, ganz gewiss ein Glücksfall. Noch dazu, da es der erste bislang unveröffentlichte Roman war, der in die bis dahin ausschließlich aus Klassiker-Nachdrucken bestehende Reihe aufgenommen wurde.
Deryni Rising von Katherine KurtzKatherine Kurtz hatte also einen guten Start – und den hat sie genutzt, denn Deryni Rising entpuppte sich als der Auftakt einer mit Deryni Checkmate und High Deryni (beide 1973; rev. 2005 bzw. 2007) fortgesetzten Trilogie mit dem Titel Chronicles of the Deryni, die ihrerseits die Eröffnungssequenz eines mittlerweile aus fünf Trilogien, einem Einzelroman, einer Kurzgeschichtensammlung und mehreren Bänden mit Zusatzmaterial bestehenden Zyklus darstellt, die in ihrer Gesamtheit das Deryni Universe zu einem der umfangreichsten Fantasywerke überhaupt machen.
In Deryni Rising lernen wir das Königreich Gwynedd kennen, eines der Elf Königreiche in einer Art mittelalterlichem Parallelwelt-Britannien (etwa im 10. bis 12. Jahrhundert), dessen gerade mal vierzehn Jahre alter frisch gekrönter König Kelson Haldane es nicht nur mit den Vertretern einer mächtigen (an die katholische Kirche angelehnten) Kirche zu tun bekommt, sondern sich auch mit einem Usurpator aus dem Volk der Deryni auseinandersetzen muss. Besagte Deryni sind ein Menschenvolk, das über besondere psychische und magische Fähigkeiten verfügt; dies und die Tatsache, dass die Deryni früher einmal jahrzehntelang wichtige politische und kirchliche Machtpositionen in Gwynedd innehatten, macht sie bei der normalen Bevölkerung zumindest unbeliebt, wenn nicht gar verhasst, wohingegen Kelson selbst sehr rasch klar wird, dass nicht alle Deryni seine Feinde sind. Und das ist nicht die einzige Erkenntnis, die er im Verlauf des Romans und der Folgebände gewinnt. In dieser auf Deutsch unter dem Titel Die Deryni-Chroniken bzw. Später Deryni-Zyklus (Einzeltitel: Das Geschlecht der Magier, Die Zauberfürsten und Ein Deryni-König (alle 1978)) erschienenen Trilogie ist bereits alles enthalten, was die Romane und Geschichten aus dem Deryni Universe ausmacht: einerseits mangelt es ihnen nicht an politischen, kirchlichen und militärischen Konflikten, andererseits ist man sehr dicht an den Figuren und ihren großen und kleinen persönlichen Problemen dran und lernt sie recht gut kennen. Und bereits in diesen Bänden wird ebenfalls deutlich, dass Katherine Kurtz keine schlichte Schwarzweiß-Malerei betreibt, denn sowohl Menschen wie Deryni erweisen sich als komplexe Charaktere mit einer nachvollziehbaren Motivation für ihr Handeln.
Camber of Culdi von Katherine KurtzMit der nächsten Trilogie The Legends of Camber of Culdi gelang Katherine Kurtz ein kluger Schachzug, denn bei ihr handelt es sich keineswegs um eine Fortsetzung, sondern um ein Prequel, in dessen Mittelpunkt mit dem titelgebenden Camber of Culdi eine Figur steht, die in der Geschichte Gwynedds eine wichtige Rolle spielt und von der man bisher nur als historische Person gehört hatte. Die aus den Bänden Camber of Culdi (1976; dt. Camber von Culdi (1979)), Saint Camber (1978; dt. Sankt Camber (1980)) und Camber the Heretic (1981; dt. Camber der Ketzer (1983)) bestehende, auf Deutsch als Camber-Trilogie oder Früher Deryni-Zyklus gelaufene Trilogie stellt einen der ersten Höhepunkte innerhalb des Deryni Universe dar, auch wenn in ihr bereits Kurtz’ Hang zu überaus detailreichen Schilderungen deutlich wird.
Auch bei den nachfolgenden Trilogien hat Katherine Kurtz das Schema der alternierenden Zeitebenen beibehalten: Die dritte mit dem Titel The Histories of King Kelson (Einzeltitel: The Bishop’s Heir (1984), The King’s Justice (1985) und The Quest for Saint Camber (1986)) spielt wieder im 12. Jahrhundert zur Zeit König Kelsons, die vierte mit dem Titel The Heirs of Saint Camber (Einzeltitel: The Harrowing of Gwynedd (1989), King Javan’s Year (1992) und The Bastard Prince (1994)) dann wieder im 10. Jahrhundert zur Zeit Cambers, wohingegen die fünfte, auch im Original noch unvollständige Trilogie The Childe Morgan (Einzeltitel: In the King’s Service (2003), Childe Morgan (2006) und The King’s Deryni (angekündigt für Dezember 2014)) etwa dreißig Jahre vor Beginn der allerersten Trilogie einsetzt.
Wie bereits am Titel leicht erkennbar, spielt der Einzelroman King Kelson’s Bride (2000) zur Zeit König Kelsons, während die in The Deryni Archives (1986; dt. Die Deryni-Archive (1991)) gesammelten Stories sich über die bisher genannten Zeitebenen verteilen. In den 70er und 80er Jahren waren die Deryni-Romane in den USA und Großbritannien überaus erfolgreich, und die ersten drei Trilogien haben es ebenso wie der o.g. Storyband auch nach Deutschland geschafft, die dritte als Die Geschichte von König Kelson mit den Einzeltiteln Das Erbe des Bischofs, Die Gerechtigkeit des Königs und Die Suche nach Sankt Camber (alle 1989). Von der vierten – Die Erben von Sankt Camber – sind mit Das Martyrium von Gwynedd (2000) und König Javans Jahr (2002) dann nur noch zwei Bände auf Deutsch erschienen, bei Sankt Cambers Schatten, dem dritten Band, ist es bei der Ankündigung geblieben.
Heutzutage mögen viele der Themen, um die sich die Romane des Deryni Universe drehen, allzu bekannt und ausgelutscht wirken. Wenn man sich allerdings das Erscheinungsdatum der ersten Trilogie anschaut – die lange vor den ersten Tolkien-Nachahmern auf den Markt gekommen ist –, muss man Katherine Kurtz zugestehen, dass sie mit ihren Deryni-Romanen so etwas wie die Blaupause eines Fantasy-Subgenres geliefert hat, in dem nicht tolkieneske Questen, sondern dynastische Streitereien in einem mittelalterlich-feudalistischen, häufig mit keltischen Anklängen versehenen Königreich, Grenzstreitigkeiten mit anderen Königreichen und Auseinandersetzungen mit Wesen, die auf irgendeine Weise anders sind, die zentralen Plotelemente bilden. Das macht ihre frühen Deryni-Romane auch und gerade genrehistorisch sehr interessant.
Abgesehen vom Deryni Universe, das zweifellos im Zentrum von Katherine Kurtz’ Schaffen steht, hat sie noch eine Handvoll Einzelromane geschrieben und zusammen mit Deborah Turner Harris zwei Zyklen – einen fünfteiligen mit dem Titel The Adept (1991-96) und einen aus zwei Romanen und drei Anthologien bestehenden um die Templar Knights (1995-2002) – verfasst, während die beiden Romane um die Knights of the Blood (1993/94) wohl nur auf ihrem Konzept beruhen und von ihrem Mann Scott MacMillan umgesetzt wurden.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Alan Garner, der heute seinen 80. Geburtstag feiern kann. Der am 17. Oktober 1934 in Congleton in der Grafschaft Cheshire im Nordwesten Englands geborene Alan Garner hat sein ganzes Leben unweit des in der Nähe seines Geburtsorts gelegenen Örtchens Alderley Edge verbracht, das zugleich das Setting fast all seiner Romane ist – auch und gerade seiner Fantasyromane, die sich an Kinder und Jugendliche richten und nicht nur die geografischen Gegebenheiten seiner Heimatregion in die Handlung einbeziehen, sondern auch tief auf die örtlichen Sagen und Legenden zurückgreifen.
Garners literarische Karriere begann 1960 mit der Veröffentlichung von The Weirdstone of Brisingamen (auch als The Weirdstone (1961); dt. Feuerfrost und Kadellin (1963; NÜ als Feuerfrost. Die phantastische Geschichte des Zaubersteins von Brisingamen (1984), auch als Der Zauberstein von Brisingamen (2003)), der Geschichte des Geschwisterpaars Susan und Colin, die einige Zeit bei alten Freunden ihrer Mutter in Alderley Edge und dessen Umgebung verbringen, während ihre Eltern in Übersee sind, und die alsbald in einen Konflikt uralter Mächte geraten. Denn Susan trägt ein Armband, in dem sich ein tränenförmiges Juwel – der titelgebende Weirdstone – befindet, das der verbannte üble Geist Nastrond und dessen Verbündete und Helfershelfer unbedingt in ihren Besitz bringen wollen. Hilfe finden die beiden Geschwister bei dem guten Magier Cadellin Silverbrow sowie Zwergen und Elfen.
The Moon Of Gomrath von Alan GarnerIn der Fortsetzung The Moon of Gomrath (1963; dt. Der Mond von Gomrath. Eine Geschichte um Zauber und alte Magie (1985; auch als Der Mond von Gomrath (2003)) geraten die Geschwister in eine Auseinandersetzung noch viel älterer, magischer und mythischer Mächte, die vor allem von Susan einen hohen Preis fordert.
In Elidor (1965; dt. Elidor (1969; NÜ als Elidor oder Das Lied des Einhorns (1986) bzw. als Elidor (2005)) verschlägt es vier Kinder durch ein in einer Kirche in Manchester gelegenes Portal auf eine magische Parallelwelt, wo sie im Auftrag von König Malebron vier Artefakte suchen müssen, die die Mächte des Bösen gestohlen haben – und die ihnen ihrerseits nach erfolgreicher Suche bis ins zeitgenössische Manchester folgen. In The Owl Service (1967; dt. Eulenzauber (1982; auch als Der Eulenzauber (1996)) verbringen die Stiefgeschwister Alison und Roger zusammen mit ihren frisch verheirateten Eltern ein paar Wochen im Sommer in einem abgelegenen Tal in Wales in einem Haus, das Alisons verstorbener Vater von einem Vetter geerbt hat, der etwa zu der Zeit, als Alison geboren wurde, unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommen ist. Die Merkwürdigkeiten fangen an, als Alison Gwyn, den Sohn der Köchin, auf den Dachboden schickt, weil dort merkwürdige Geräusche zu hören sind, und er ein Service mit einem seltsamen Muster findet.
Mit The Owl Service hatte sich Garner spürbar von konventionellen Erzählmustern entfernt, und mit Red Shift (1973; dt. Rotverschiebung (1980)) ist er noch einen großen Schritt weiter gegangen. Die in drei verschiedenen Epochen – zur Zeit der Römer, zur Zeit des englischen Bürgerkriegs und in der Gegenwart (sprich: den 70er Jahren) – spielende, die Zeitebenen anfangs anscheinend willkürlich wechselnde Handlung, die nur durch die drei jeweiligen, einander nicht ganz unähnlichen Hauptfiguren (und Artefakte wie eine Steinaxt) miteinander verbunden ist, wird fast ausschließlich von (im Original teils im Cheshire-Dialekt verfassten) Dialogen getragen und erschließt sich erst am Ende des Romans.
Mit Red Shift hatte Alan Garner endgültig die Abkehr von der Fantasy im engeren Sinne vollzogen, und gleichzeitig bildet das Buch auch den Abschluss seiner Beschäftigung mit der Phantastik im weiteren Sinn. In den folgenden Jahren verfasste er einige nicht-phantastische Kinderbücher und gab mehrere Sammelbände mit Sagen heraus, ehe er sich mit Strandloper (1996; dt. Der Strandläufer (1997)) der Erwachsenenliteratur zuwandte. In diesem und dem nächsten Roman Thursbitch (2003) ist eine mythische Überhöhung oder Aufladung des eigentlich realistischen Geschehens an die Stelle der phantastischen Elemente seiner Kinder- und Jugendbücher getreten, die sich dem Vernehmen nach auch in Boneland (2012) finden lässt, dem Abschlussband der Saga von Alderley Edge, den er rund fünfzig Jahre nach den ersten beiden Bänden schließlich als Alterswerk vorgelegt hat.
Alan Garners Jugendbücher, die – wie oben ersichtlich – alle auf Deutsch erschienen sind (und in den 80er Jahren eine der Säulen der damaligen Fantasyreihe bei Diederichs waren), gehören nach der Meinung vieler Kritiker mit zum Besten, was die phantastische Kinder- und Jugendliteratur hervorgebracht hat. Am zugänglichsten – weil am konventionellsten erzählt – dürften die ersten beiden Bände um Alderley Edge sein, die vor allem mit ihrer Atmosphäre und dem sense of place punkten können, doch auch die anderen Romane Garners, der für sein literarisches Schaffen nicht nur mit dem Karl Edward Wagner Award (2003) und dem World Fantasy Award for Life Achievement (2012) sondern auch dem Order of the British Empire (OBE) (2001) ausgezeichnet wurde, sind auch heute noch eine mehr als lohnenswerte Lektüre.

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SSSS Prolog-CoverDie Welt geht nicht mit einem Knall unter, sondern mit verschärften Hygienevorschriften, panischer Flucht in die Einsamkeit und einem langsamen Ausdröseln der Zivilisation, wenn es nach Stand Still. Stay Silent geht, dem postapokalyptischen Webcomic von Minna Sundberg. Doch etwas hat überlebt, auch Generationen nach der Seuche, die weite Teile der Weltbevölkerung ausgelöscht hat, und es will den wenigen Enklaven, die sich die Menschheit erhalten hat, ans Leder. Die neue Hauptstadt der Rest-Welt heißt im Übrigen Reykjavík, und wie die Isländer haben sich auch die übrigen Skandinavier auf ein etwas einfacheres Leben besonnen und versuchen sich in einer feindseligen Umwelt zu behaupten, von der sie mithilfe des Militärs und (meist finnischer) Magier nur ein paar armselige Flecken zurückerobern konnten.

Stand Still. Stay Silent beginnt mit dem heraufziehenden Weltuntergang und springt dann, als man eine vage Ahnung hat, was passiert, 90 Jahre in die Zukunft, wo sich die Nachkommen der Überlebenden durchschlagen – in einer merkwürdig veränderten und entvölkerten Welt, die als sehr stimmiges und atmosphärisches Konzept präsentiert wird. Zusammen mit einer Truppe junger (weil billiger) Abenteuerwilliger erkundet man die “Stille Welt” jenseits der Gräben, Mauern und anderen Abriegelungen, die die letzten Enklaven umgeben. Aber was genau lauert eigentlich dort draußen? Wovor kann man sich nur schützen, indem man sich nicht mehr regt und keinen Mucks mehr von sich gibt?
Die Beantwortung dieser Fragen ist das hauptsächliche Spannungsmoment von Stand Still. Stay Silent, dessen Geschichte sich ansonsten bisher um das Zusammenfinden des schlecht vorbereiteten Teams und den Aufbruch zum ersten Auftrag rankt. Wie bei Webcomics öfter der Fall, sorgt die fehlende Seitenzahlbegrenzung auch hier dafür, dass die Handlung etwas mäandert und nicht mit maximaler Stringenz durchgezogen wird – die Schrulligkeiten der Figuren, ihre Sprachbarriere und ihre Planlosigkeit werden voll ausgekostet, wohingegen klassische actionreichere Plot-Elemente dünn gesät sind.

SSSS BeispielseiteStand Still. Stay Silent ist Minna Sundbergs zweiter Webcomic, und seit A Redtail’s Dream hat sie ihre künstlerischen Fähigkeiten noch einmal erheblich erweitert: SSSS besticht wie schon der Vorgänger durch beeindruckende Zeichnungen – zu den Naturdarstellungen kommen jetzt auch technische Aspekte und die Verschmelzung von Errungenschaften der fast vergessenen Zivilisation mit vorneuzeitlicher Handwerkskunst. Darüber hinaus wird das Ganze mit wunderschöner Konzeptarbeit präsentiert und durch eingestreute Infoseiten ergänzt, die den Status quo der Stillen Welt erläutern.
Die großartige Optik, das interessante und faszinierende Setting, in dem sich postapokalyptische SF auf ziemlich einzigartige Weise mit nordischer Mythologie verbindet, und die liebenswerten Figuren ergeben zusammen einen der schönsten aktuellen Webcomics. Momentan steht die Geschichte noch relativ am Anfang. Viermal pro Woche gibt es Updates, und das Ganze ist auch als Printausgabe geplant. Wer lieber auf Papier liest als im Netz, hat gerade noch eine Woche lang die Chance, sich den ersten Band über Minnas Crowdfunding-Aktion zuzulegen – das Buch ist schon lange finanziert, und man kann ein paar Extras abstauben und ein künstlerisch herausragendes Projekt unterstützen. Oder sich erst einmal einen Abend freinehmen und auf der Webseite in die Stille Welt eintauchen.

Bisher bei bp vorgestellte Webcomics:
Widdershins
Die Wormworld-Saga
A Redtail’s Dream
Digger
Nimona

Eselsohr Über den Tellerrand

Deutscher PhantastikpreisAm vergangenen Wochenende war es im Rahmen des BuCon wieder soweit: Der Deutsche Phantastikpreis 2014 wurde verliehen. Die Gewinner sorgen in diesem Jahr stellenweise für Stirnrunzeln, da die Namen kaum bekannt sind. Den besten deutschsprachigen Roman liefert demnach Autorin Ann-Kathrin Karschnick mit Phoenix – Tochter der Asche  das beste deutschsprachige Romandebüt kommt von Gaby Wohlrab mit Eldorin – Das verborgene Land (Vier Raben). Diese und weitere Gewinner findet ihr wie immer auf der Homepage des dpp.

Hier in der Redaktion der Bibliotheka Phantastika möchten wir uns auch wieder ganz herzlich bei all denen bedanken, die für uns in der Kategorie »Beste Internetseite« abgestimmt und mit uns erneut den 2. Platz errungen haben. Wir fühlen uns auf diesem Platz inzwischen schon recht heimisch. 🙂

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Jacqueline Carey, die heute ihren 50. Geburtstag feiert. Ihr Debüt machte die am 9. Oktober 1964 in Highland Park, Illinois, geborene Autorin 2001 mit Kushiel’s Dart (dt. zunächst 2002-3 als Die Geheimnisse des Nachtpalais, In den Händen der Feinde; Neuauflage 2007: Das Zeichen), der die D’Angelines einführt, ein von Engeln abstammendes Volk in einem alternativen Renaissance-Europa, das noch im Zentrum etlicher weiterer Romane stehen sollte. Man könnte die Kushiel-Reihe als Vertreter der damals langsam einsetzenden Romantasy-Welle sehen, wenn man die erotischen, oftmals im höfischen Milieu spielenden Abenteuer der Kurtisanen-Heldin Phèdre betrachtet. Doch neben den Intrigenspielchen um die Krone von Terre d’Ange sind Kushiel’s Dart und seine Folgebände Kushiel’s Chosen (2002, dt. Der Verrat (2008)) und Kushiel’s Avatar (2003, dt. Die Erlösung (2008)) auch waschechte Abenteuer-Fantasy, in der Phèdre mit ihrem treuen Leibwächter Joscelin etliche andere Kulturen kennenlernt, in Konflikte gerät und um ihr Leben kämpfen muss. Außerdem ist die Reihe damit auch als Historienfantasy qualifiziert, denn neben dem als Terre D’Ange verbrämten Frankreich gibt es auch noch alternative britische Inseln, eine Art Venedig und vieles mehr: In den ersten Bänden reist Phèdre durch “Europa”, in den folgenden Trilogien aus Kushiel’s Scion (2006), Kushiel’s Justice (2007) und Kushiel’s Mercy (2008) und Naamah’s Kiss (2009), Naamah’s Curse (2010) und Naamah’s Blessing (2011) sind es ihre Nachfahren, die bis ins alternative Asien und zurück reisen.

Banewreaker von Jaqueline CareyNach der ersten Kushiel-Trilogie machte Carey einen Ausflug in die tolkieneske Fantasy, der für Genreleser und –leserinnen wahrscheinlich ihr bislang interessantestes Werk zur Folge hatte: Die beiden Bände Banewreaker (2004, dt. Der Herr der Dunkelheit (2009)) und Godslayer (2005, dt. Der Fluch der Götter (2009)), die zusammen The Sundering ergeben, sind eine, was den Handlungsverlauf angeht, sehr eng am Original gehaltene Nacherzählung von Tolkiens Werk (vor allem des Silmarillion und Herrn der Ringe), der Trick dabei ist, dass man die Handlung von der Seite des Bösen (oder in diesem Fall eher Unangepassten) aus betrachtet. Carey wird dabei auch dem epischen Erzählton gerecht, was The Sundering zu einer tragischen Saga macht, die, eher am Silmarillion orientiert, die Taten der Mächtigen (und nicht der kleinen Leute) nachzeichnet. Wer mehr darüber erfahren will, ist mit unseren Rezensionen oder dem Text zum Buch des Monats gut beraten.

Nach Kushiel und The Sundering scheint sich Carey von der epischen Fantasy allerdings wegbewegt zu haben und dem allgemeinen Trend zur Urban Fantasy gefolgt zu sein: Zunächst mit Santa Oliva (2009) und dem Nachfolger Saints Astray (2011), die das Schicksal einiger mit Superkräften ausgestatteter Menschen in der Nähe eines ehemaligen Militärstützpunktes verfolgen, und aktuell mit der Reihe Agent of Hel (neuester Band Poison Fruit (2014)), in der Daisy Johansson in einer Stadt, die vom paranormalen Tourismus lebt, an der Schnittstelle zwischen normaler und übernatürlicher Welt vermittelt und ermittelt. Ob es Jacqueline Carey gelungen ist, die vielen Kushiel-Fans in eines ihrer anderen Settings mitzunehmen, ist jedoch fraglich, auch wenn sich manche Themen – wie etwa ein offener Umgang mit Sexualität – universell über ihre Reihen zu erstrecken scheinen.

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