Zum 70. Geburtstag von Katherine Kurtz

Bibliotheka Phantastika gratuliert Katherine Kurtz, die heute 70 Jahre alt wird. Es wird wohl niemand ernsthaft bestreiten wollen, dass eine langjährige erfolgreiche Autorenkarriere ohne Talent, Fleiß und Ausdauer kaum möglich ist; dennoch reichen diese Eigenschaften längst nicht immer aus, so dass häufig auch noch eine Portion Glück vonnöten ist. Und für die am 18. Oktober 1944 in Coral Gables, Florida, geborene Katherine Irene Kurtz war die Tatsache, dass ihr Erstling Deryni Rising (1970; rev. 2004) im Rahmen der Ballantine Adult Fantasy – der Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre prestigeträchtigsten Fantasy-Taschenbuchreihe – veröffentlicht wurde, ganz gewiss ein Glücksfall. Noch dazu, da es der erste bislang unveröffentlichte Roman war, der in die bis dahin ausschließlich aus Klassiker-Nachdrucken bestehende Reihe aufgenommen wurde.
Deryni Rising von Katherine KurtzKatherine Kurtz hatte also einen guten Start – und den hat sie genutzt, denn Deryni Rising entpuppte sich als der Auftakt einer mit Deryni Checkmate und High Deryni (beide 1973; rev. 2005 bzw. 2007) fortgesetzten Trilogie mit dem Titel Chronicles of the Deryni, die ihrerseits die Eröffnungssequenz eines mittlerweile aus fünf Trilogien, einem Einzelroman, einer Kurzgeschichtensammlung und mehreren Bänden mit Zusatzmaterial bestehenden Zyklus darstellt, die in ihrer Gesamtheit das Deryni Universe zu einem der umfangreichsten Fantasywerke überhaupt machen.
In Deryni Rising lernen wir das Königreich Gwynedd kennen, eines der Elf Königreiche in einer Art mittelalterlichem Parallelwelt-Britannien (etwa im 10. bis 12. Jahrhundert), dessen gerade mal vierzehn Jahre alter frisch gekrönter König Kelson Haldane es nicht nur mit den Vertretern einer mächtigen (an die katholische Kirche angelehnten) Kirche zu tun bekommt, sondern sich auch mit einem Usurpator aus dem Volk der Deryni auseinandersetzen muss. Besagte Deryni sind ein Menschenvolk, das über besondere psychische und magische Fähigkeiten verfügt; dies und die Tatsache, dass die Deryni früher einmal jahrzehntelang wichtige politische und kirchliche Machtpositionen in Gwynedd innehatten, macht sie bei der normalen Bevölkerung zumindest unbeliebt, wenn nicht gar verhasst, wohingegen Kelson selbst sehr rasch klar wird, dass nicht alle Deryni seine Feinde sind. Und das ist nicht die einzige Erkenntnis, die er im Verlauf des Romans und der Folgebände gewinnt. In dieser auf Deutsch unter dem Titel Die Deryni-Chroniken bzw. Später Deryni-Zyklus (Einzeltitel: Das Geschlecht der Magier, Die Zauberfürsten und Ein Deryni-König (alle 1978)) erschienenen Trilogie ist bereits alles enthalten, was die Romane und Geschichten aus dem Deryni Universe ausmacht: einerseits mangelt es ihnen nicht an politischen, kirchlichen und militärischen Konflikten, andererseits ist man sehr dicht an den Figuren und ihren großen und kleinen persönlichen Problemen dran und lernt sie recht gut kennen. Und bereits in diesen Bänden wird ebenfalls deutlich, dass Katherine Kurtz keine schlichte Schwarzweiß-Malerei betreibt, denn sowohl Menschen wie Deryni erweisen sich als komplexe Charaktere mit einer nachvollziehbaren Motivation für ihr Handeln.
Camber of Culdi von Katherine KurtzMit der nächsten Trilogie The Legends of Camber of Culdi gelang Katherine Kurtz ein kluger Schachzug, denn bei ihr handelt es sich keineswegs um eine Fortsetzung, sondern um ein Prequel, in dessen Mittelpunkt mit dem titelgebenden Camber of Culdi eine Figur steht, die in der Geschichte Gwynedds eine wichtige Rolle spielt und von der man bisher nur als historische Person gehört hatte. Die aus den Bänden Camber of Culdi (1976; dt. Camber von Culdi (1979)), Saint Camber (1978; dt. Sankt Camber (1980)) und Camber the Heretic (1981; dt. Camber der Ketzer (1983)) bestehende, auf Deutsch als Camber-Trilogie oder Früher Deryni-Zyklus gelaufene Trilogie stellt einen der ersten Höhepunkte innerhalb des Deryni Universe dar, auch wenn in ihr bereits Kurtz’ Hang zu überaus detailreichen Schilderungen deutlich wird.
Auch bei den nachfolgenden Trilogien hat Katherine Kurtz das Schema der alternierenden Zeitebenen beibehalten: Die dritte mit dem Titel The Histories of King Kelson (Einzeltitel: The Bishop’s Heir (1984), The King’s Justice (1985) und The Quest for Saint Camber (1986)) spielt wieder im 12. Jahrhundert zur Zeit König Kelsons, die vierte mit dem Titel The Heirs of Saint Camber (Einzeltitel: The Harrowing of Gwynedd (1989), King Javan’s Year (1992) und The Bastard Prince (1994)) dann wieder im 10. Jahrhundert zur Zeit Cambers, wohingegen die fünfte, auch im Original noch unvollständige Trilogie The Childe Morgan (Einzeltitel: In the King’s Service (2003), Childe Morgan (2006) und The King’s Deryni (angekündigt für Dezember 2014)) etwa dreißig Jahre vor Beginn der allerersten Trilogie einsetzt.
Wie bereits am Titel leicht erkennbar, spielt der Einzelroman King Kelson’s Bride (2000) zur Zeit König Kelsons, während die in The Deryni Archives (1986; dt. Die Deryni-Archive (1991)) gesammelten Stories sich über die bisher genannten Zeitebenen verteilen. In den 70er und 80er Jahren waren die Deryni-Romane in den USA und Großbritannien überaus erfolgreich, und die ersten drei Trilogien haben es ebenso wie der o.g. Storyband auch nach Deutschland geschafft, die dritte als Die Geschichte von König Kelson mit den Einzeltiteln Das Erbe des Bischofs, Die Gerechtigkeit des Königs und Die Suche nach Sankt Camber (alle 1989). Von der vierten – Die Erben von Sankt Camber – sind mit Das Martyrium von Gwynedd (2000) und König Javans Jahr (2002) dann nur noch zwei Bände auf Deutsch erschienen, bei Sankt Cambers Schatten, dem dritten Band, ist es bei der Ankündigung geblieben.
Heutzutage mögen viele der Themen, um die sich die Romane des Deryni Universe drehen, allzu bekannt und ausgelutscht wirken. Wenn man sich allerdings das Erscheinungsdatum der ersten Trilogie anschaut – die lange vor den ersten Tolkien-Nachahmern auf den Markt gekommen ist –, muss man Katherine Kurtz zugestehen, dass sie mit ihren Deryni-Romanen so etwas wie die Blaupause eines Fantasy-Subgenres geliefert hat, in dem nicht tolkieneske Questen, sondern dynastische Streitereien in einem mittelalterlich-feudalistischen, häufig mit keltischen Anklängen versehenen Königreich, Grenzstreitigkeiten mit anderen Königreichen und Auseinandersetzungen mit Wesen, die auf irgendeine Weise anders sind, die zentralen Plotelemente bilden. Das macht ihre frühen Deryni-Romane auch und gerade genrehistorisch sehr interessant.
Abgesehen vom Deryni Universe, das zweifellos im Zentrum von Katherine Kurtz’ Schaffen steht, hat sie noch eine Handvoll Einzelromane geschrieben und zusammen mit Deborah Turner Harris zwei Zyklen – einen fünfteiligen mit dem Titel The Adept (1991-96) und einen aus zwei Romanen und drei Anthologien bestehenden um die Templar Knights (1995-2002) – verfasst, während die beiden Romane um die Knights of the Blood (1993/94) wohl nur auf ihrem Konzept beruhen und von ihrem Mann Scott MacMillan umgesetzt wurden.

Hinterlasse einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst diese HTML Tags und Attribute nutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>