Category: Reaktionen

Bloggerin Sady Doyle hat sich A Song of Ice and Fire vorgenommen und kommt unter Genderaspekten zu einer vernichtenden Kritik. Entschiedene Reaktionen darauf bleiben natürlich nicht aus, so etwa von E.D. Kain oder von Alyssa Rosenberg.

Doyles Kritik ist in der Tat in mancherlei Hinsicht überspitzt und büßt ihre Legitimation vor allem durch die Ausweitung auf ein ganzes Genre ein:

I could talk about how the impulse to revisit an airbrushed, dragon-infested Medieval Europe strikes me as fundamentally conservative — a yearning for a time when (white) men brandished swords for their King, (white) women stayed in the castle and made babies, marriage was a beautiful sacrament between a consenting adult and whichever fourteen-year-old girl he could manage to buy off her Dad, and poor people and people of color were mostly invisible — or how racism and sexism have been built into the genre ever since Tolkien.

Auf Tolkien wird noch unter einem anderen Gesichtspunkt zurückzukommen sein, aber zunächst bleibt festzuhalten, dass ein solcher Rundumschlag natürlich wenig zielführend ist.

Rosenbergs kritische Anmerkung zu Doyles Vorgehensweise ist somit mehr als nachvollziehbar:

It is much, much easier to dismiss an entire genre or way of engaging with culture than to sort through it, to learn about the way people read it and take meaning from it, to identify, for example, the reasons that fantasy literature can be both profoundly meaningful to women and a fulfillment of male fantasies. But declaring something unsalvageable just means that you’re lazy, not that you’re correct.

Problematisch wird ihre Argumentation hingegen dort, wo sie auf Doyles Kritik am nicht unbedingt progressiven Geschlechterrollenverständnis in Martins Welt und an der wiederkehrenden Schilderung von häufig sexuell konnotierter Gewalt gegen Frauengestalten eingeht:

A world where women are perfectly safe, perfectly competent, and society is perfectly engineered to produce those conditions strikes me as one where we can’t tell any very interesting stories about women’s struggles and women’s liberation. If we tell ourselves stories in order to live, it doesn’t strike me that we do ourselves any favors as active feminists by leaching depictions of sexual violence, women making bad decisions, and institutionalized sexism from our fiction, or by dismissing entire swaths of consumers or modes of consuming fiction.

In eine ähnliche Richtung argumentiert auch Kain:

Sady thinks that because there are dragons and zombies, Martin should be able to stretch the truth and make women equal to men, free from domestic abuse and rape and the other horrors women have always faced.
Would this be a service to women, a victory for feminism?
I don’t think so. Ignoring sexual abuse and pretending violence toward women doesn’t exist does not serve women at all. Quite the contrary. One of the greatest flaws in a lot of fantasy is that women are portrayed as basically sexy warriors. Feudal systems with men and women with equal rights, where all women are just as tough as men and never face any sort of sexism or unwanted sexual advances really is a fantasy, but not one that accurately reflects the world as it is. And that’s what fantasy, for all its dragons and werewolves, is meant to do. Good fantasy creates a world that reflects our own, warts and all.

Der alte Hinweis Damals war das halt so, der immer gern zur Erklärung herangezogen wird, wenn es um problematische Darstellungen von Geschlechterrollen in Fantasywelten geht, erhält damit quasi den argumentativen Ritterschlag: Eine Abweichung von in der realen Welt historisch verbürgten Verhältnissen erweise den Frauen und dem Feminismus einen Bärendienst. Aber trifft das zu?

Mitnichten.

So verdienstvoll die literarische Aufarbeitung eines Ankämpfens gegen restriktive Geschlechterrollen im Einzelfall sein mag, sie leistet immer auch eines: Eine implizite Anerkennung des Status quo als unvermeidlich oder vielleicht gar naturgegeben. Daran ändert auch der von Doyles Kritikern hervorgehobene Umstand nichts, dass George R. R. Martin die Unterdrückung und Misshandlung von Frauen ja nicht als etwas Gutes schildere (wie sehr er umgekehrt eine moralische Verurteilung vornimmt, bleibt offen). Ganz gleich, was die einzelne Gestalt im Endeffekt erreichen mag, ein überkommenes Geschlechterrollenverständnis mit all seinen negativen Begleiterscheinungen wird zunächst einmal  bestätigt und normalisiert.

Dabei könnte es vielleicht hilfreich sein, sich eine andere Normalität zumindest einmal vorzustellen.

Die Erkenntnis, dass gerade auch einer auf den ersten Blick unrealistischen Schilderung durchaus Sprengkraft innewohnen kann, ist nicht neu. So beschreibt etwa J.R.R. Tolkien in seinem bekannten Essay On Fairy Stories ein interessantes Gedankenspiel, das wunderbar die Problematik des Realismusarguments unabhängig vom spezifischen Thema aufzeigt:

Als Beispiel nur eine Kleinigkeit: Wenn man die elektrischen Straßenlaternen, wie sie nach Massenschablonen gefertigt werden, bei gegebenem Anlaß in einer Erzählung nicht erwähnte (oder zumindest kein Aufhebens von ihnen machte), so wäre dies ein Stück “Wirklichkeitsflucht” (…). Vielleicht wurden die Laternen aus der Erzählung einfach deshalb ferngehalten, weil sie als Laternen nichts taugen, und möglicherweise ist ebendies eine der Lehren, die aus der Geschichte zu ziehen sind. Aber schon wird das schwere Geschütz aufgefahren: “Die elektrische Straßenbeleuchtung”, so sagt man, “ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken.” (…)
Der Eskapist ist den Launen der Mode nicht so ergeben wie seine Gegner. Er macht nicht Dinge (die man aus ganz vernünftigen Gründen geringschätzen kann) zu seinen Herren oder Göttern, indem er sie als unverzichtbar oder sogar als “unerbittlich” anbetet. Und seine Gegner, so leicht sie bereit sind, ihn zu verachten, haben doch keine Gewähr, daß er es beim Ignorieren bewenden läßt: Womöglich will er die Menschen aufhetzen, die Straßenlaternen niederzureißen.

Zugegeben, Tolkien weist im weiteren Verlauf seines Essays auch auf die möglichen Gefahren einer solchen Konstellation hin, doch seine zentrale Beobachtung bewahrt ihre Gültigkeit: Scheinbarer oder tatsächlicher Eskapismus kann durchaus eine Wirkung auf die Realität entfalten und mithin in manchen Fällen konstruktiv sein.

Gerade unter diesem Aspekt wäre es durchaus wünschenswert, wenn die Leserschaft nicht immer wieder ausgerechnet im heiklen Bereich der Genderproblematik einer ständigen Selbstbeschränkung der Fantasy auf einen vermeintlich löblichen „Realismus“ das Wort reden würde.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Barbara Hambly, die heute 60 Jahre alt wird. Schon mit ihrer ersten Veröffentlichung – der aus den The Walls of the Air von Barbara HamblyRomanen The Time of the Dark (1982), The Walls of Air (1983) und The Armies of Daylight (1983) bestehenden Darwath Trilogy (dt. als Sammelband Gefährtin des Lichts (1986)) – hat sich die am 28. August 1951 in San Diego, Kalifornien, geborene Barbara Hambly als beachtenswerte neue Stimme erwiesen, die es versteht, mit altbekannten Mustern zu spielen, sie zu variieren und ihnen dadurch neues Leben einzuhauchen. Das lässt sich beispielsweise daran erkennen, dass die beiden von unserer Welt stammenden Menschen – die Historikerin Gil Patterson und der Biker Rudy Solis –, die der Magier Ingold Inglorion mit auf seine von Monstren bedrohte Heimaltwelt nimmt, dort nicht die erwarteten, sondern ihrem hiesigen Leben diametral entgegengesetzte Rollen annehmen: Gil wird zur Kriegerin, Rudy zum Magier im Kampf gegen die Dunklen, die ein bisschen so wirken, als wären sie der Phantasie eines H.P. Lovecraft entsprungen.
Die mit The Ladies of Mandrygin (1984) begonnene und mit The Witches of Wenshar (1987) und The Dark Hand of Magic (1990) fortgesetzte Trilogie um den Söldnerführer Sun Wolf ist etwas konventioneller, wartet aber ebenfalls mit den für Hamblys Oeuvre typischen starken weiblichen Hauptfiguren auf und bedient sich im zweiten Band eines in der Fantasy seltenen Krimi-Plots.
Noch wesentlich ungewöhnlichere Wege beschritt sie mit dem zunächst als Einzelband konzipierten RDer schwarze Drache von Barbara Hamblyoman Dragonsbane (1986, dt. Der schwarze Drache (1987)), denn die Geschichte um den nicht mehr ganz jungen, eine Brille tragenden Drachentöter John Aversin, seine aus bestimmten Gründen von ihm getrennt lebende Lebensgefährtin, die Hexe Jenny Waynest, und den (vermeintlich) letzten Drachen Morkeleb stellt in mehrfacher Hinsicht klassische Fantasytropen auf den Kopf. Dies gilt auch für die etliche Jahre später erschienene, aus den Romanen Dragonshadow (1999), Knight of the Demon Queen (2000) und Dragonstar (2002) bestehende Fortsetzung, die bei Lesern und Leserinnen allerdings nicht unumstritten ist, was nicht zuletzt an der von Hambly gewählten Protagonistin liegen dürfte, denn hier steht nun vor allem Jenny – eine nicht sonderlich starke Hexe mittleren Alters und Mutter von zwei Kindern – im Mittelpunkt der Handlung.
Ihren wohl bisher größten Erfolg feierte Barbara Hambly mit dem Vampirroman Those Who Hunt the Night (1988, dt. Jagd der Vampire (1990)), in dem der Ex-Spion und Oxford-Professor James Asher zusammen mit seiner Frau Lydia einen Serienmörder zur Strecke bringen muss, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts in London reihenweise Vampire umbringt. In den nicht mehr ganz die Klasse des ersten Bandes erreichenden Fortsetzungen Travelling With the Dead (1995) und Blood Maidens (2010) verschlägt es Asher und den Londoner Obervampir Don Ysidro u.a. nach Istanbul und Sankt Petersburg.
Neben Romanen und Erzählungen zu den beiden wohl größten Franchise-Universen (Star Wars und Star Trek) hat Barbara Hambly noch weitere Fantasywerke wie The Windrose Chronicles (drei Bände, 1986-93), zwei Fortsetzungen zur Darwath Trilogy (Mother of Winter (1996) und Icefalcon’s Quest (1998)), die beiden Zweiteiler Sun-Cross (1991/92) und Raven Sisters (2002 und 2005) und ein paar Einzelromane geschrieben, sich aber seit Anfang des neuen Jahrtausends verstärkt dem historischen Kriminalroman zugewandt. Was nicht zuletzt damit zu tun haben dürfte, dass ihr der ganz große Durchbruch in der Fantasy immer verwehrt geblieben ist – eine Tatsache, die nur auf den ersten Blick überraschend ist. Bedauerlich ist sie sehr wohl, denn die ungewöhnlichen Ansätze, die Barbara Hambly in ihren vordergründig konventionellen, in einem gemeinsamen Multiversum angesiedelten Fantasyromanen verfolgt hat, haben dem Genre durchaus gut getan.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sind ihre Fantasyromane fast alle auch auf Deutsch erschienen und teilweise mehrfach neu aufgelegt worden, mittlerweile aber alle vergriffen.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Jack Vance, der heute 95 Jahre alt wird und damit der älteste noch lebende SF- und Fantasyautor sein dürfte. Man kann den am 28. August 1916 in San Francisco, Kalifornien, geborenen Jack (eigentlich John Holbrook) Vance wohl mit Fug und Recht als einen Giganten der SF bezeichnen, dessen Romane und Erzählungen weltweit eine begeisterte Leserschaft gefunden haben, und der eine Sonderstellung im Genre einnimmt. Kein anderer Autor ist so überzeugend darin, fremdartige Kulturen zu entwerfen und sie detailreich auszumalen (und sich dabei nicht nur auf Gesellschaftssysteme zu beschränken, sondern auch deren Überbau aus Literatur, Kunst und Musik mit einzubeziehen) – ein Aspekt, der zumindest Teile von Vances (nie technokratischer) SF auch für Fantasyleser und -leserinnen interessant machen sollte, von seinen richtigen Fantasyromanen und -erzählungen ganz zu schweigen.

The Dying Earth von Jack VanceSchon mit seinem ersten größeren Beitrag zur Fantasy – dem aus locker miteinander verbundenen Geschichten bestehenden Sammelband The Dying Earth (1950) – schuf Vance das gleichnamige Subgenre: Fantasy, die in einer fernen Zukunft auf einer alt und müde gewordenen Erde spielt, an deren Himmel die Sonne zu verlöschen droht und Magie die Technik längst abgelöst hat (ein Setting, das Clark Ashton Smiths Zothique Einiges verdankt). Hinzu kommen stilistische Elemente wie ein ironischer Erzählduktus und zwielichtige, häufig reinweg amoralische Protagonisten, die sich bevorzugt in gestelzt wirkenden Dialogen miteinander austauschen – Elemente, die in fast allen Werken von Vance auftauchen und zu einem Markenzeichen werden sollten.
Nachdem Vance sich einige Jahre lang der SF und dem Krimi zugewandt hatte, kehrte er mit dem Episodenroman The Eyes of the Overworld (1966), in dem die Abenteuer von Cugel the Clever – einem charismatischen, aber wiederum moralisch höchst fragwürdigen Trickster – geschildert wurden, zum ersten Mal ins Dying-Earth-Setting zurück. Auch danach sollten wieder etliche Jahre vergehen, in denen Vance vor allem SF schrieb (auch wenn einzelne Dying-Earth-Erzählungen beispielsweise im Magazine of Fantasy and Science Fiction oder Lin Carters Flashing-Swords-Anthologien erschienen, zu denen Vance als SAGA-Mitglied Beiträge beisteuerte), bis mit Cugel’s Saga (fixup 1983) und Rhialto the Marvelous (1984, wiederum ein Sammelband aus locker miteinander verknüpften, bereits zuvor veröffentlichten Stories) die bis dato letzten Geschichten vor dem Hintergrund der “sterbenden Erde” – zumindest aus seiner Feder – auf den Markt kamen. (Mit A Quest for Simbilis hatte der Autor Michael Shea bereits 1974 eine von Vance genehmigte Fortsetzung des ersten Cugel-Romans geschrieben, die den Ton des großen Vorbilds stilistisch und erzählerisch erstaunlich gut trifft. Und in der von George R.R. Martin und Gardner Dozois 2009 herausgegebenen Anthologie Songs of the Dying Earth erwiesen Stars des Genres von Neil Gaiman über Martin selbst bis hin zu Dan Simmons Vance ihre schriftstellerische Reverenz – mit teilweise beeindruckendem Ergebnis.)

In den 80ern erschien aber außerdem auch die Lyonesse Trilogy (Suldrun’s Garden (1983), The Green Pearl (1985) und Madouc (1989)), die fraglos zu den Meisterwerken der modernen Fantasy gezählt werden kann und Vance auf Suldrun's Garden von Jack Vancedem Höhepunkt seines Schaffens zeigt. Die Geschichte, die etwa zwei Generationen vor der Zeit von König Artus in den zehn Königreichen der westlich von Frankreich gelegenen – und mittlerweile längst im Atlantik versunkenen – “Älteren Inseln” spielt, wartet dabei mit allem auf, was man von Vance mittlerweile gewohnt war: politischen Intrigen, merkwürdigen Sitten und Gebräuchen, amoralischen “Helden”, bizarrer Magie, einem Wechselbalg, zweideutigen Prophezeiungen und Besuchen in von allerlei mehr oder weniger netten – oder bösartigen – Geschöpfen bewohnten Anderswelten. Wenn man diesem Panoptikum origineller Ideen und Motive eines vorwerfen könnte, dann vielleicht, dass die Geschichte ein bisschen episodenhaft wirkt, dass der große Rahmen, dem sich vor allem die epische Fantasy seit den frühen 80ern verpflichtet fühlt, von geringerer Bedeutung ist, als die einzelnen Episoden es sind. Doch dafür entschädigt die Qualität etlicher dieser Episoden wie beispielsweise die um die traurige Prinzessin Suldrun und ihren dem ersten Band seinen Titel verleihenden Garten.

Vances Sonderstellung im Genre dürfte unumstritten sein, seine Bedeutung für die SF und die Fantasy schon eher. Immerhin haben seine Dying-Earth-Geschichten über die o.e. Bücher hinaus auch Autoren wie Gene Wolfe (in seinem Book of the New Sun) oder Matthew Hughes (sein Archonate Universe) beeinflusst – und abgesehen von Letzterem ist bis heute kein Autor, der wirklich in seine Fußstapfen treten könnte, in Sicht.
Was Veröffentlichungen in deutscher Sprache angeht, dürfte Jack Vance zu den meist- und am vollständigsten übersetzten SF- und Fantasyautoren überhaupt gehören; selbst seine Autobiographie This is me, Jack Vance! (2009) hat es (wenn auch bisher nur in einer kleinauflagigen Liebhaberausgabe) nach Deutschland geschafft. Als Schlusswort in diesem Geburtstagsgruß für den großen alten Mann der SF & Fantasy eignet sich vielleicht am besten, was Hanns Kneifel – seinerseits ein erfolgreicher Autor von SF-, Fantasy- und historischen Romanen – einst in einem Interview über seinen berühmten Kollegen gesagt hat: “Ich bin ein leidenschaftlicher Jack-Vance-Fan. Seine Protagonisten sind mir zwar manchmal ein wenig zu indifferent – obwohl sie alles können und am Schluss auch überleben, wie es sich gehört –, aber der Mann hat wahrlich Phantasie und vor allem eine hervorragende Disziplin, mit ihr umzugehen. Er zeichnet kühne, in sich stimmige Bilder, er verweilt selten länger darin, und er ist auf jeder zweiten Seite für eine Überraschung gut – und wer kann das sonst?”

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Orson Scott Card, der heute 60 Jahre alt wird. Der am 24. August 1951 in Richmond, Washington, geborene Card hat zwar hauptsächlich als SF-Autor Furore gemacht (so gelang ihm beispielsweise das bisher einmalige Kunststück, mit Ender’s Game (1985) und der Fortsetzung Speaker for the Dead (1986) in zwei aufeinanderfolgenden Jahren die beiden wichtigsten SF-Preise – den Hugo und den Nebula Award – zu gewinnen), doch auch die Fantasy nimmt in seinem Oeuvre einen nicht unbedeutenden Stellenwert ein. Bereits der 1980 erschienene Roman Songmaster (dt. Meistersänger (1981)) fühlt sich stellenweise wie Fantasy an und verwendet Motive wie etwa das mit einer außerordentlichen Begabung (in diesem Fall für Musik) gesegnete Kind, die Card auch später wieder häufig aufgriff. 1983 folgte dann mit Hart’s Hope (dt. Die Hirschbraut (1985)) ein richtiger Fantasyroman, der vor allem aufgrund seines vordergründig naiven, ein bisschen an – allerdings grausame – Märchen erinnenden Erzählduktus und seiner Hauptfigur (bzw. deren sehr spezieller besonderer Fähigkeit) interessant ist.
Vier Jahre später sollte sich herausstellen, dass das nur eine Fingerübung war, denn 1987 erschien mit Seventh Son der erste Band der Alvin Maker Saga (fortgesetzt mit Red Prophet (1988), Prentice Alvin (1989), Alvin Journeyman (1995), Heartfire (1998) und The Crystal City (2003)), die – wenn Card es denn schaffen sollte, sie eines Tages auf dem Niveau zu beenden, auf dem er sie begonnen hat – zu den faszinierendsten und originellsten Fantasyzyklen gezählt werden müsste. Denn die Geschichte Alvins, des siebten Sohns eines siebten Sohns, der in einem Parallelwelt-Amerika zum großen Gegenspieler des Unmaker werden muss, wenn er sein Land (und letztlich die ganze Welt) retten will, bedient sich zwar einerseits altbekannter Motive (wie eben des bereits erwähnten, besonders begabten, auserwählten Kindes), trumpft jedoch darüber hinaus mit einem Setting auf, das beweist, dass Fantasy keinen europäisch-pseudomittelalterlichen Hintergrund braucht, um zu funktionieren. Besagtes Setting (eine Alternativwelt, in der es nie eine amerikanische Revolution gegeben hat und somit auch die USA nie gegründet wurden, und in der die Indianer – nicht zuletzt dank ihrer Magie – eine ganz andere Rolle spielen als in unserer Realität) und Cards unbestreitbare Fähigkeiten in der Charakterzeichnung von kindlichen Hauptfiguren machen es leichter, darüber hinwegzusehen, dass auch in diesem Zyklus (wie eigentlich in fast allen Werken Cards) bestimmte Aspekte seiner religiösen Überzeugungen durchschimmern bzw. sich als Analogien dazu lesen lassen.
Die ersten drei Bände der Alvin Maker Saga erschienen noch im Jahresabstand, doch dann änderte sich der Erscheinungsrhythmus, die Lücken wurden größer – und auf Master Alvin, den Band, der den Zyklus vermutlich abschließen wird, warten die Leser und Leserinnen bis heute. Es bleibt die große Frage, ob – und wann – Card die Saga tatsächlich zu einem runden Ende bringen wird. In den letzten Jahren hat sein Renommée in der angloamerikanischen SF- und Fantasyszene aufgrund seiner allzu drastisch vorgetragenen politischen und religiös-moralischen Überzeugungen spürbar gelitten, und neuere Fantasyromane wie Enchantment (1999; im Prinzip die Nacherzählung einer russischen Dornröschen-Version) oder Magic Street (2005; Cards erster Ausflug in die Urban Fantasy) kommen an die Klasse der ersten Alvin-Maker-Bände nicht heran.
Cards Frühwerk liegt – sowohl was die SF wie auch die Fantasy angeht – praktisch komplett auf Deutsch vor; das gilt auch für seine Kurzgeschichten und Erzählungen, von denen sich einige ebenfalls der Fantasy zuordnen lassen. Was die Saga um Alvin Maker angeht, sind bisher allerdings nur die ersten vier Bände veröffentlicht worden (Der siebente Sohn (1988), Der rote Prophet (1989), Der magische Pflug (1990) und Der Reisende (1997)), und solange der Zyklus im Original nicht beendet ist, dürfte sich daran auch kaum etwas ändern.

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Zum 60. Geburtstag von Greg Bear
The Serpent Mage von Greg BearBibliotheka Phantastika gratuliert Greg Bear, der heute 60 Jahre alt wird. Es mag manche Leser und Leserinnen überraschen, doch der am 20. August 1951 in San Diego, Kalifornien, geborene, in erster Linie mit Hard-SF-Romanen wie Blood Music, Eon oder The Forge of God bekannt gewordene Gregory Dale Bear hat seine Karriere nicht nur mit einem Roman begonnen, der thematisch und strukturell etliche Fantasy-Elemente aufweist und sich erst allmählich als SF entpuppt, sondern außerdem auch zwei waschechte Fantasyromane verfasst. Bears Erstling Hegira (1979, rev. 1987, dt. Die Obelisken von Hegira (1981)) schildert nämlich die Quest einer Gruppe von Figuren, die durchaus einem typischen Fantasysetting entstammen könnten, auf der Suche nach Erkenntnis. Dass die Rätsel um die 1000 Kilometer hohen, mit dem Wissen der Menschheit beschrifteten Obelisken und die Mauer am Ende der Welt letztlich in einem SF-Szenario aufgelöst werden, ändert kaum etwas daran, dass Hegira über weite Strecken auch als Fantasy-Abenteuerroman funktioniert.
Richtige Fantasy – mit einem so nicht oft gesehenen Konzept der keltischen Feenwelt – bietet dann der aus den Bänden The Infinity Concerto (1984, dt. Das Lied der Macht (1987)) und The Serpent Mage (1986, dt. Der Schlangenmagier (1989)) bestehende Zweiteiler Songs of Earth and Power (1992 unter eben diesem Titel auch als revidierte Omnibus-Ausgabe erschienen), in dem ein junger Mann namens Michael Perrin aufgrund gewisser Umstände über eine magische Grenze stolpert – und sich unversehens im Reich der Sidhe wiederfindet. Diese Sidhe sind allerdings keine freundlichen, baumliebenden Elfen, sondern ein sich seit langem im Niedergang befindendes Volk mächtiger und grausamer Wesen, das seit ewigen Zeiten Krieg gegen die Menschheit führt. Wie Michael sich in dieser feindseligen Umwelt behauptet, wie er sich entscheidet, wenn es darum geht, die Menschheit oder die Sidhe vor dem Untergang zu retten – davon (und natürlich vom Lied der Macht und ein paar anderen Dingen) erzählen diese Bücher, nach deren Lektüre man die Feen- und Geisterwelt der keltischen Mythologie möglicherweise mit anderen Augen sehen wird. Und ein wissendes Lächeln aufsetzen kann, wenn es mal wieder um das Monster von Loch Ness geht. So betrachtet, kann man es durchaus bedauerlich finden, dass Greg Bear sich seither nie mehr der Fantasy zugewandt hat.

Zum 50. Geburtstag von James Clemens
Hinterland von James ClemensBibliotheka Phantastika gratuliert James Clemens, der heute 50 Jahre alt wird. Clemens, eigentlich James Paul Czajkowski, geboren am 20.08.1961 in Chicago, feierte seinen größten Erfolg als Fantasy-Autor mit der Reihe The Banned and the Banished, einem High-Fantasy-Zyklus, in dem die junge Hexe Elena mit den blutroten Händen gegen den dunklen Herrscher antritt, der das Land Alasea zu unterwerfen trachtet. In den fünf Bänden Wit’ch Fire (1998), Wit’ch Storm (1999), Wit’ch War (2000), Wit’ch Gate (2001) und Wit’ch Star (2002) bereist Elena zusammen mit ihren Gefährten aus verschiedensten Völkern das ganze Land und stößt auf Monstren, Magie, Abenteuer und unzählige Apostrophen. Die Reihe wurde ohne Serientitel als Das Buch des Feuers/des Sturms/der Rache/der Prophezeiung/der Entscheidung von 1998-2003 auch auf Deutsch veröffentlicht.
Clemens’ zweiter Fantasy-Zyklus, Godslayer (dt. Die Chroniken von Myrillia), der eine ähnlich epische und magiebetonte Geschichte beinhaltet, aber im Weltenbau auch innovativere Elemente wie magiebetriebene U-Boote oder ein auf Körpersäften basierendes Magiesystem zeigt, wurde bis jetzt nach den zwei Bänden Shadowfall (2005) und Hinterland (2006) nicht mehr fortgesetzt. Unter seinem zweiten Pseudonym James Rollins geht Clemens augenblicklich intensiver seiner Reihe erfolgreicher Mystery-Thriller (SIGMA Force) und Abenteuerromane nach.
Sollte Clemens wieder zur Fantasy zurückkehren, erwarten die Leser dieses umtriebigen Autors sicher weitere bunte Welten voller Abenteuer, Magie und Dramatik – der Hang zu Apostrophen ist inzwischen überwunden …

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British Bookshop WienDer ein oder andere wird es schon mitbekommen haben: Der in unserem SYLD gelistete British Bookshop in Wien hat seine Tore im Juli 2011 leider endgültig schließen müssen. Wir bedauern den Verlust einer so schönen und gut sortierten Buchhandlung und hoffen, dass die ehemaligen Mitarbeiter schnell eine neue Anstellung finden.

Wer die Zukunft der freien Buchhandlungen mit unterstützen möchte, macht dies am Einfachsten, indem er seinen Lesestoff in solch kleinen Buchläden einkauft. Auch Buchbestellungen stehen in der Regel schon am nächsten Tag bereit, bei Auslandsbestellungen kann es natürlich auch einmal etwas länger dauern.

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Bibliotheka Phantastika erinnert an Clark Ashton Smith, dessen Todestag sich heute zum 50. Mal jährt. Der am 13. Januar 1893 in Long Valley, Kalifornien, geborene Smith – ein Dichter, Schriftsteller, Maler und Bildhauer – war nicht nur ein Zeitgenosse von H.P. Lovecraft und Robert E. Howard, sondern mit beiden auch befreundet und mit ihnen zusammen in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein Garant für die goldene Zeit des Pulpmagazins Weird Tales, in dem ein Großteil seines Oeuvres erschienen ist. Dieses praktisch ausschließlich aus kürzeren und längeren Erzählungen sowie Gedichten bestehende Oeuvre weist inhaltlich, vor allem aber stilistisch etliche Besonderheiten auf, die Smith zu so etwas wie einem Solitär der Literaturgeschichte machen – zu einem Autor, der kaum Vorbilder hatte und seinerseits kaum Epigonen fand. Und sie dürften mit dafür gesorgt haben, dass er nie so bekannt und berühmt wurde wie seine Freunde Lovecraft und Howard.
Clark Ashton Smith: The Collected Fantasies 1Im Laufe seiner schriftstellerischen Karriere schrieb Smith mehr als hundert Geschichten; das Spektrum reicht dabei von konventionellen Horror- oder SF-Stories bis hin zu bizarren, kaum noch so etwas wie einen Plot aufweisenden Wortmalereien, doch mit den besten von ihnen schuf er kleine, häufig stilistisch barock-schwülstige und von einem morbiden Grundton oder sarkastischem Humor durchzogene Meisterwerke. Im Gegensatz zu vielen seiner Pulp-Kollegen verwendete Smith keine durchgängig auftretenden Helden, doch knapp die Hälfte seiner Geschichten lassen sich in sechs Zyklen (genauer: in drei Zyklen und drei Mini-Zyklen) gruppieren, die ihr jeweiliges Setting eint – und vier davon für Fantasyleser und -leserinnen besonders interessant macht.
Die elf in Averoigne (der Provinz eines mittelalterlichen Parallelwelt-Frankreich) spielenden Erzählungen kommen dabei aufgrund ihres Instrumentariums aus verwunschenen Wäldern, Hexen, Vampiren und Werwölfen traditionellen Horror- und Fantasygeschichten am nächsten, weisen aber auch bereits die morbiden erotischen Elemente auf, die beinahe Smiths gesamtes Werk durchziehen.
Die zehn Geschichten aus Hyperborea (einem in grauer Vorzeit noch nicht vom ewigen Eis bedeckten Grönland) hingegen sind keine leichte Kost, denn in ihnen lässt Smith seinem Hang zum Malen mit Worten, zu barockem Schwulst freien Lauf. Andererseits sind sie mit Lovecrafts Cthulhu-Mythos verwoben, tauchen das in den Mythos eingegangene Book of Eibon und der krötengesichtige Gott Tsathoggua hier zum ersten Mal auf.
Zothique von Clarke Ashton SmithMit dem in ferner Zukunft im Licht einer allmählich erlöschenden Sonne dahindämmernden Superkontinent Zothique fand Smith schließlich das Setting, das sich als bestens geeignet für seine immer wieder um Themen wie Verlust, Niedergang und Verfall kreisenden Geschichten erwies; mehrere der sechzehn hier angesiedelten Erzählungen zählen zum Besten, was er je geschrieben hat. Darüber hinaus haben die Zothique-Geschichten einen anderen Autor wesentlich beeinflusst, der seinerseits zu den interessantesten des Genres gezählt werden muss: Jack Vance, dessen Dying-Earth-Zyklus ihnen thematisch und stilistisch eine Menge verdankt.
Auch bei den Geschichten aus den drei Mini-Zyklen Poseidonis (bei Smith die letzten Bruchstücke eines bereits größtenteils versunkenen Atlantis), Xiccarph (ein ferner, von bizarren Lebewesen bewohnter Planet, über den Smith eigentlich noch viel mehr schreiben wollte) und Mars (der bei Smith von einem alten Volk namens Aihai bewohnt wird) finden sich noch etliche Juewelen, etwa die Mars-Geschichte “The Vaults of Yoh-Vombis” (dt. als “Die Grabgewölbe von Yoh-Vombis” in Saat aus dem Grabe), die zwar nicht die typischste Smith-Geschichte sein mag, aber viele seiner Stärken und kaum eine seiner Schwächen aufweist.
Nachdem Smith in der zweiten Hälfte der 30er Jahre mehrere Schicksalsschläge hinnehmen musste (1935 starb seine Mutter, 1936 beging Robert E. Howard Selbstmord, 1937 starb erst sein Vater und dann H.P. Lovecraft, mit dem er jahrelang unzählige, zig Seiten lange Briefe gewechselt hatte), schrieb er nur noch wenig, sondern widmete sich bis zu seinem Tod am 14. August 1961 vor allem der Bildhauerei und der Malerei. In den USA hatte er zwar nie den Stellenwert seiner beiden Freunde, doch sind seine Geschichten immer wieder in diversen Sammelbänden erschienen, zuletzt als fünfbändige Collected Fantasies (The End of the Story, The Door to Saturn, A Vintage from Atlantis, The Maze of the Enchanter und The Last Hieroglyph (2007-2011)).
In Deutschland hingegen sieht es ein bisschen schlechter aus, denn die bisher veröffentlichten Sammelbände (Saat aus dem Grabe (1970), Planet der Toten (1971), Poseidonis (1985), Das Haupt der Medusa (1988) und Necropolis (2001)) decken allenfalls die Hälfte seines Oeuvres ab. Hier naht allerdings Abhilfe, denn der erste Band einer Werkausgabe seiner gesammelten Erzählungen soll unter dem Titel Die Stadt der Singenden Flamme noch in diesem Jahr erscheinen.

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Bibliotheka Phantastika erinnert an Hugh Cook, der heute 55 Jahre alt geworden wäre. Wenn man dem am 09.08.1956 in Essex, England, geborenen Hugh Walter Gilbert Cook eines nicht vorwerfen kann, sind das mangelnde Ambitionen. Schließlich war The Wizards and the Warriors (1986) nur der Auftakt zu den auf 20 Bände angelegten Chronicles of an Age of Darkness, auf die die ebenfalls 20-bändigen Chronicles of an Age of Wrath folgen sollten – an die sich wiederum die (Überraschung!) 20-bändigen Chronicles of an Age of Heroes anschließen sollten. Ein in jeder Hinsicht ebenso gigantisches wie ambitioniertes Konzept (vor allem, wenn man bedenkt, dass es Mitte der 80er Jahre entwickelt wurde – also zu einem Zeitpunkt, da vielbändige Epen noch kein Fantasy-Standard waren), das allerdings nach zehn Bänden (mit den Titeln The Wordsmiths and the Warguild (1987), The Women and the Warlords (1987), The Walrus and the Warwolf (1988), The Wicked and the Witless (1989), The Wishstone and the Wonderworkers (1990), The Wazir and the Witch (1990), The Werewolf and the Wormlord (1991), The Worshippers and the Way (1992) und The Witchlord and the Weaponmaster (1992) – faszinierend, oder?) aufgrund sinkender Verkaufszahlen ein rasches und so betrachtet unrühmliches Ende fand.
Was vermutlich damit zu tun hat, dass Cook in den Chronicles sowohl erzählerisch wie konzeptionell neue Wege ging. Denn die einzelnen Bände erzählen keine chronologisch fortlaufende Geschichte, und es The Wishstone and the Wonderworkers von Hugh Cookgibt auch keine durchgängig auftretenden Hauptfiguren. Statt dessen ist jeder Band für sich allein lesbar, Handlungszeiträume und -orte überlappen sich, Hauptfiguren werden zu Nebenfiguren und umgekehrt. Noch ungewöhnlicher ist allerdings, dass die einzelnen Romane sich auch stilistisch deutlich voneinander unterscheiden. So folgt auf den noch recht tolkienesken Band I ein ziemlich derb erzählter Entwicklungsroman mit einem alles andere als kompetenten “Helden”, auf diesen wiederum ein düsterer Roman aus der Sicht einer Erzählerin in einer zutiefst frauenfeindlichen Gesellschaft, Band IV ist dann ein umfangreicher, abenteuerlicher Schelmenroman und in Band V werden schließlich erstmals Handlungsfäden enger verknüpft und gewisse Hintergründe deutlicher.
Man kann mit einer gewissen Berechtigung sagen, dass Cook in seinen Chronicles viele Entwicklungen der modernen Fantasy vorweggenommen hat und vielleicht einfach nur ein bisschen zu früh dran war, um mit seinem Konzept Erfolg zu haben: die nicht rein chronologische Erzählweise verwendet beispielsweise Steven Erikson in seinem Malazan Book of the Fallen, während der Effekt, dass die Handlungen bestimmter Figuren durch die Verwendung eines anderen personalen Erzählers in einem gänzlich anderen Licht erscheinen, von George R.R. Martin in seinem Epos A Song of Ice and Fire gerne und ausgiebig genutzt wird – und das unangenehme Gefühl, das sich bei manchen Lesern und Leserinnen bei der Lektüre von The Women and the Warlords einstellen könnte, dürfte sich nicht allzu sehr von dem unterscheiden, das R. Scott Bakkers The Prince of Nothing bei ihnen hervorrufen mag. Zumindest ist diese Betrachtungsweise angenehmer als die, dass die Chronicles einfach zu experimentell waren und die Fantasy schlicht keinen geeigneten Rahmen für Experimente aller Art bildet.
Auch nach dem (kommerziellen) Scheitern seiner ambitionierten Chronicles hat Cook noch etliche Romane verfasst (die allerdings größtenteils nur noch via lulu.com oder online veröffentlicht wurden), was beweist, dass sein The Werewolf and the Wormlord von Hugh Cookkreativer Wille ungebrochen war. Von daher wäre es zweifellos interessant gewesen, die weitere Entwicklung dieses Autors zu verfolgen – und vielleicht hätten aufgrund der inzwischen deutlich veränderten Marktsituation auch die Chronicles noch einmal eine Chance bekommen. Doch das Schicksal hatte anscheinend andere Pläne mit ihm, denn am 08. November 2008 ist er nach langer Gegenwehr einer im Jahre 2005 ausgebrochenen Krebs-Erkrankung erlegen. Was bleibt, ist ein nur theoretisch unvollendeter Fantasyzyklus, der trotz unbestrittener Qualitätsschwankungen in mehrfacher Hinsicht zu den interessanteren Werken des Genres gezählt werden muss. Oder, um es mit China Miéville zu sagen: “Hugh Cook was one of the most inventive, witty, unflinching, serious, humane and criminally underrated writers in imaginative fiction. Or anywhere.”
Die ersten drei Bände der Chronicles wurden – unter dem Reihentitel Chronik des Dunklen Zeitalters – auch ins Deutsche übersetzt, wobei The Wordsmiths and the Warguild gesplittet wurde (was merkwürdig ist, da ausgerechnet dieser Band der dünnste der drei Originalbände ist). Allerdings wirken die deutschen Titel (Der Todesstein, Held wider Willen, Toguras Rückkehr und Die Traumdeuterin (alle 1998)) verglichen mit denen der Originale reichlich generisch, fad und einfallslos.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Richard L. Tierney, der heute 75 Jahre alt wird. Der am 07.08.1936 in Spencer, Iowa, geborene Tierney machte als Teenager Bekanntschaft mit den Werken H.P. Lovecrafts und Robert E. Howards, und dies erwies sich als prägend für sein gesamtes Schaffen (ein knappes Dutzend Romane und gut zwei Dutzend Erzählungen, sowie etliche Gedichte und Essays), das fast ausschließlich im Dunstkreis des Cthulhu-Mythos oder in den Welten Howards angesiedelt ist. Bereits in seinem ersten Roman The Winds of Zarr (geschrieben 1959, veröffentlicht 1975, dt. Die Winde von Zarr (1978)), der im zweiten vorchristlichen Jahrtausend im alten Ägypten spielt, bekommt es ein aus einer bizarren Zukunft stammender Zeitreisender namens John Taggart mit den Dienern bzw. einer Inkarnation Yog-Sothoths zu tun.
In den 70ern gab Tierney zwei Bände mit Erzählungen Robert E. Howards heraus (Tigers of the Sea (1973) und Hawks of Outremer (1979)) in denen er jeweils auch einige Fragmente ergänzte, und schrieb zusammen mit seinem Autorenkollegen David C. Smith For the Witch of the Mists (1978, dt. Die Nebelhexe (1985)), ein durchaus lesbares Pastiche mit Howards Bran Mak Morn. Die Zusammenarbeit mit Smith setzte sich auch in den 80ern fort; von 1981 bis 1983 erschienen sechs (auch ins Deutsche übersetzte) Romane um Red Sonja, eine von Roy Thomas für die Comicserie Conan the Barbarian erfundene, von den ursprünglich im Mittelalter agierenden Howard-Heroinen Red Sonya of Rogatino und Dark Agnes inspirierte Figur (die nebenbei bemerkt ihre Abenteuer wesentlich sinnvoller bekleidet erlebt, als sie auf den Titelbildern der Romane dargestellt ist).
Interessanter als die zwar routiniert geschriebenen, aber lediglich Auftragsarbeiten darstellenden Red-Sonja-Bände sind Tierneys eigenständige Werke. Dies gilt weniger für den zum Cthulhu-Mythos zählenden, im ländlichen Illinois angesiedelten Roman The House of the Toad (1993, dt. Das Haus der Kröte (2004)), sondern vor allem für die Erzählungen und Romane um den vom Gladiator zum Magier gewordenen Simon of Gitta (für den der häufig als erster Häretiker bezeichnete Simon Magus Pate stand), die in einem historischen Setting spielende, mit Lovecrafts Großen Alten gewürzte pure Sword & Sorcery bieten (und darüber hinaus mit etlichen Verweisen auf Howards Erzählkosmos sowie einem Cameo-Auftritt von Karl Edward Wagners Kane aufwarten können). Die meisten dieser Geschichten wurden in der Anthologienreihe Swords Against Darkness oder Magazinen wie Weirdbook oder Crypt of Cthulhu veröffentlicht und 1997 als The Scroll of Thoth: Simon Magus and the Great Old Ones in einem Band zusammengefasst. 2001 folgte der (mit Glenn Rahman verfasste) Roman The Gardens of Lucullus, und 2008 erschien mit The Drums of Chaos schließlich das (viele Jahre zuvor entstandene) Werk, das man durchaus als Höhepunkt und Schlussstein in Tierneys Oeuvre betrachten kann: ein historischer Alternativweltroman voller ebenso bizarrer wie abstruser Ideen, in dem neben Simon auch Jesus von Nazareth eine wichtige – von manchen Lesern und Leserinnen vielleicht als blasphemisch empfundene – Rolle spielt, genau wie der bereits aus The Winds of Zarr bekannte Zeitreisende John Taggart mitsamt seiner der Technologie der Großen Alten entstammenden Fliegenden Untertasse.
Es ist bedauerlich, dass ausgerechnet die Romane und Erzählungen um Simon of Gitta nie den Weg nach Deutschland gefunden haben, denn sie hätten allen Freunden der Pulps, vor allem aber Howard- und Lovecraft-Fans allerhand zu bieten.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Uschi Zietsch, die heute ihren 50. Geburtstag feiern kann. Am Anfang ihrer Schriftstellerkarriere steht der 1986 erschienene Fantasyroman Sternwolke und Eiszauber (1986) – die Geschichte des jungen Kelric, der für seine Ausbildung zum Magier einen hohen Preis zahlt –, auf den bald weitere Romane folgten: Der Traum der Wintersonne (1988), Hades (1989) und Der Stern der Götter (1989), der ebenso wie ihr Erstling im Träumenden Universum angesiedelt ist, allerdings auf Waldsee, einer anderen Welt spielt. Die letztgenannten Titel erschienen alle in ihrem eigenen Verlag (Fabylon), den Uschi Zietsch 1987 aufgrund der damals kaum vorhandenen Veröffentlichungsmöglichkeiten für Phantastik von deutschen Autoren zusammen mit ihrem Mann gegründet hatte.
Von Anfang der 90er Jahre bis 2007 machte Uschi Zietsch sich für Nicht-Serienleser ziemlich rar, denn von 1993 bis 2003 war sie (als Susan Schwartz) Mitglied des Perry-Rhodan-Teams, so dass in dieser Zeit kaum Nicht-PR-Romane von ihr erschienen sind. Und auch nach ihrem Ausstieg bei Perry Rhodan hat sie noch einige Zeit an Serien wie Bad Earth oder Maddrax mitgeschrieben und eine Roman-Trilogie zum PC-Spiel Spellforce verfasst (2006-2007).
Doch ab 2007 änderte sich alles. Zum Einen brachte der lange ziemlich inaktive Fabylon-Verlag wieder neue Bücher heraus, die allerdings meist von anderen Autoren geschrieben wurden, darunter auch die – von Uschi Zietsch konzipierte – sechsbändige Science-Fantasy-Serie SunQuest (die mittlerweile um einen zweiten, ebenfalls sechsbändigen Zyklus ergänzt wurde). Zum Anderen kehrte sie 2008 – also nach fast 20 Jahren – mit den Chroniken von Waldsee (Dämonenblut, Nachtfeuer, Perlmond) auch wieder ins Träumende Universum und damit zu ihren schriftstellerischen Anfängen zurück und ist diesem Setting seither mit den Romanen Nauraka – Volk der Tiefe (2009) und Fyrgar – Volk des Feuers (2010) weiter treu geblieben.
Uschi Zietschs kommerziell bisher größter Erfolg dürfte die 20-bändige Serie Elfenzeit sein (2008-2010), die sie für den Bertelsmann Club konzipiert und zu der sie selbst neun Romane beigesteuert hat – und die seit Frühjahr 2011 mit einem Spin-Off (Schattenlord) fortgesetzt wird. Bei Elfenzeit handelt es sich im Gegensatz zu den Romanen aus dem Träumenden Universum nicht um klassische Fantasy, sondern um die Urban-Fantasy-Variante, allerdings mit starken Bezügen zur keltischen Sagenwelt.
Die in den vergangenen Jahren erfolgte Wiederbelebung des Fabylon-Verlags, die verstärkte Hinwendung zu eigenen Stoffen – das alles deutet darauf hin, dass Uschi Zietsch auch im 25. Jahr ihrer Schriftstellerkarriere kein bisschen müde ist und noch viel vor hat. In diesem Sinne: Alles Gute, Uschi – und auf viele weitere erfolgreiche Jahre!

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