Titelkatalog: c

Caine Black Knife von Matthew StoverDas Abenteuer, das Hari Michaelson in seiner Rolle Caine einst zum Star machte, ist eine Legende: Im Ödland von Boedecken hat er im Alleingang den gefürchteten Ogrilloi-Stamm der Black Knives so gut wie ausgelöscht.
Nun ist er gezwungen, sich an seine damaligen Taten zu erinnern – denn abermals brodelt es im Ödland, und Caines Adoptivbruder Orbek, einer der letzten der Black Knives, gerät in dem nun von den Rittern des Khryl beherrschten Landstrich in Nöte. Caine bricht auf und bekommt Ärger, kaum dass er angekommen ist: Seine Vergangenheit droht ihn auf vielfältige Weise einzuholen.

-»When you fuck with the bad guy –« Your true grin unfolds like a butterly knife »– the bad guy fucks you back.«-
then: Bad guy

In Blade of Tyshalle hat Caine eigentlich alles getan, was ein (Anti-)Held tun kann, seine Geschichte war zu Ende erzählt. Es war also an der Zeit, dass er seine eigene “origin story” erhält. Doch Matthew Stover wäre nicht Matthew Stover, wenn er es sich so einfach machen würde. Zwar ist Caine Black Knife – übrigens die erste Hälfte des Act of Atonement und damit der erste nicht in sich geschlossene Caine-Roman – in vielerlei Hinsicht kompakter als der ausufernde Vorgänger, aber auf seine Art nicht weniger komplex:
Statt nur das legendäre Abenteuer Retreat From the Boedecken zu erzählen, von dem man in den bisherigen Romanen schon so viele Andeutungen, aber niemals Genaues erfahren hat, verknüpft Stover die als Mitschnitte der damaligen Ereignisse präsentierte Reise in die Vergangenheit mit einer Gegenwartshandlung, die das Damals aufgrund der dreißig vergangenen Jahre, die sich nicht nur in Form von äußerlichen Narben auf Caines Schultern niedergelassen haben, kontrastieren und gleichzeitig neu verarbeiten.

Was Stover hier an Charaktertiefe liefert, ist ein wahres Fest: Der junge Caine ist ein astreines Arschloch, ein Soziopath, der bereits eine Geschichte der Gewalt hinter sich hat, während den älteren Caine die Summe seiner Erfahrungen zu dem macht, was er ist, einem gesetzten Antihelden, der vor allem in Ruhe gelassen werden will. Die Diskrepanz zwischen dem Jetzt und dem Damals, der Blick in den charakterlichen Abgrund, den man mit den Kapiteln aus der Vergangenheit erhält, wird durch viel Unausgesprochenes dazwischen unterstrichen, wie überhaupt in Caine Black Knife die Arbeit mit dem Ungesagten ein großes Spannungsmoment ist, obwohl man von Beginn an weiß, wie Retreat from the Boedecken enden wird. Patrick Rothfuss’ Kingkiller Chronicles, die ebenso auf eine Figur fokussiert sind und mit einem ähnlichen Stilmittel arbeiten, nehmen sich neben dieser Tour der Extreme nicht nur wie ein harmloser Sonntagsspaziergang aus, sondern wirken auch deutlich weniger stringent.

Doch auch wenn dieser Roman noch mehr als die Vorgänger eine reine “Caine Show” ist, nimmt sich Stover auch Raum für teilweise bitterböse Anspielungen: Er rechnet in einem wahrhaft schrecklich lustigen Kapitel mit gewaltaffinen Online-Gaming-Kids ab, mit den Mächtigen (sei es nun Adel oder Pseudoadel durch wirtschaftliche Vormachtstellung) sowieso, und am interessantesten ist diesbezüglich vielleicht sein Umgang mit den Ogrilloi, der ganz nebenbei den Rassismus von Fantasy-Welten deutlich macht, die auf allzu simple Art mit bösen oder primitiven Völkern umspringen: An den niedergerungenen Ogrilloi werden sowohl sprachlich (durch die Herrscher und auch durch die Beherrschten selbst), als auch durch das jeweilige Verhalten die Strukturen rassistischer Unterdrückung beschrieben. Das Clevere daran ist natürlich Caines Rolle darin, seine vielfache Verwicklung in den Status quo: als Kenner und Leidtragender der irdischen Kastengesellschaft, als Adoptivbruder eines Betroffenen, als Verursacher und auch früheres Opfer der nun Unterdrückten: All diese emotionalen Widersprüche sind perfekt herausgearbeitet, und Caine Black Knife ist fern von einem sterilen Lehrstück, das man mit dem wohlverdienten Label Bildungsroman vielleicht assoziieren könnte.

Steril ist hier ohnehin gar nichts – Stover wird mühelos noch derber als in Heroes Die und Blade of Tyshalle, bringt nebst den üblichen blutigen Tatsachen nun auch öfter eine deutliche Note sexueller Perversion ein. Die zu Beginn eingefügte Altersfreigabe und Warnung des Studios vor dem Abenteuer Retreat From the Boedecken ist kein effektheischendes Gimmick, sondern schlicht die Wahrheit.
Damit hat Stover es geschafft, das Sprachniveau in Caine Black Knife gleichzeitig zu senken und zu heben, denn nebst der Gewaltorgien und der nie um eine Derbheit verlegenen Dialoge pflegt der mit einem breiten Bildungshintergrund ausgestattete Caine auch einen im Vergleich noch einmal stark erweiterten Wortschatz und lässt eine Menge Kulturwissen durchscheinen.
Bevor bei den Gipfeln der Gewalt letztlich nur noch der Ausweg offensteht, sie ins Lächerliche kippen zu lassen, gibt es allerdings immer eine Pause, und überhaupt hat Stover sich ein Stilmittel zu eigen gemacht, das den Aussparungen und der Dynamik der Handlung zugutekommt: Da wir eine Aufzeichnung des alten Abenteuers “sehen”, gibt es auch eine häufig genutzte Vorspultaste.

Nebst Caines Geschichte wird auch die von Overworld in Caine Black Knife weitergeschrieben und bekommt noch mehr Tiefe, immer gut verpackt in irdisches Sagenmaterial. Besonderen Spaß macht dabei die ironische Bezugnahme auf Blade of Tyshalle, die das Spiel mit der Fiktionalität, das die Caine-Romane ohnehin auszeichnet, noch weitertreibt und manches relativiert. Wer also geglaubt hat, die Geburt von Caine schon erlebt zu haben, wird hier herausfinden, dass auch die Genese eines Helden nicht eindeutig und immer eine Frage des Standpunktes ist.
Diese Geburtsstunde findet statt, als die zweigleisige Geschichte von Caine Black Knife längst ihre Sogwirkung entfaltet hat, trotz des Sympathie-Malus, den der junge Caine verbuchen kann. Mit einer hochinteressanten Ausnahme bleibt Caine hier auch die einzige Erzählerfigur, und entsprechend universell fällt die Charakterstudie aus: Einerseits ist Caine das Ausnahmetalent, der bad guy, das Arschloch, andererseits ein Jedermann und Underdog, der dem Leser und der Leserin aufgrund der völligen Auslieferung seiner Gedanken nahe bleibt, ganz gleich, was er anstellt. Daran ist nicht zuletzt schuld, dass nach den ersten Schockern zu Beginn der Erzählung eine leichte Mäßigung eintritt, vor allem bei Caines älterer Version, die gewaltmüde ist, bei Bedarf aber immer auf die Arschloch-Persona zurückgreifen kann. Und den jungen Caine begreift man irgendwann als Menschen, der zum Rad im Getriebe der Ausbeutungsmaschinerie in zwei Welten wird, um in diesem System nicht unterzugehen. Während sich seine Geschichte immer garstiger entfaltet und zu etwas wahrhaft Bösartigem heranwächst, scheint sich die Gegenwartshandlung vordergründig konträr dazu zu bewegen, und doch rasen beide, auch durch die zwingende Spärlichkeit, mit der Stover diesmal Massen von Entwicklung auf weniger als 400 Seiten unterbringt, ohne je in Seitenstränge zu driften oder Füllmaterial zu präsentieren, mit hoher Geschwindigkeit aufeinander zu. Am Ende, das dürfte jedem klar sein, kann keine Läuterung und erst recht kein Happy End stehen. Aber etwas Besseres.

Caine's Law von Matthew StoverWieder einmal ist Caine ganz unten: In den Händen der Regierung, ohne Zugriff auf Overworld und seine dortigen Kräfte, verkrüppelt, an ein Bett gefesselt – und seine Peiniger haben noch Schlimmeres mit ihm vor, während in seiner Wahlheimat Overworld die Erde ihren Einfluss wieder erhöht und die Dinge zum Schlechten stehen. Caine macht der Erdregierung ein Angebot, das sie leider ohne mit der Wimper zu zucken ablehnt, und ab diesem Zeitpunkt reißen die Merkwürdigkeiten nicht mehr ab …

“Two things I do,” she repeated. She touched her cheek below the brown eye. “Forgiveness.” She moved the hand to the ice-milk side. “Permission.”
The horse-witch: Feral

Drei Bände lang hat Caine gewütet und gemetzelt, hat skrupellose Gegner bekämpft, indem er noch weniger Skrupel hatte als sie, und nun, in Caine’s Law, dem zweiten Teil der mit Act of Atonement untertitelten Sub-Serie, soll er schließlich doch die Konsequenzen zu spüren bekommen und sühnen. Der nur vordergründig einfach gestrickte Haudrauf wird auf den Boden geholt, nicht nur durch die Ereignisse und seine Ermattung, was Kämpfe und Konflikte angeht, sondern vor allem durch die vielen Rückblicke, die wie schon in den vorausgegangenen Bänden erklären, wer er ist, und einen Mann mit vielen Schichten offenbaren. Ein häufig erwähnter Schlüsselsatz fasst sowohl die Figur als auch den ganzen Roman famos zusammen: »It’s complicated.«

Caine’s Law ist eine strukturell herausfordernde Lektüre – sie bietet keine lineare Erzählung, sondern springt zwischen Zeit- und Möglichkeitsebenen hin und her, stellt einen netten Warnhinweis voraus, dass es sich dabei teilweise nur um bald wieder ungeschehen gemachte Varianten der Ereignisse handelt, und man darf sich selbst zusammenpuzzeln, wie die einzelnen Kapitel zu ordnen sind, häufig nur von kleinen Hinweisen unterstützt. Aber erfahrene Caine-LeserInnen kann ohnehin nichts mehr schocken, und mit etwas Zutrauen in die Fähigkeit von Matthew Stover, einen am Ende nicht im Regen stehen zu lassen, stellt sich bald trotzdem eine Art Linearität ein, denn die Kapitel sind, auch wenn es anfangs anders scheinen mag, mitnichten zufällig angeordnet. Kausalitäten lassen sich herstellen, und letztlich gibt es tatsächlich einen sehr befriedigenden und überraschenden Blick auf das ganze Mosaikbild, das man sich beim Lesen erarbeitet hat, auch wenn es unterwegs ein ausgesprochen wilder Ritt mit wohlplatzierten Stolpersteinen aus dem Zeitreiseparadoxon-Baukasten war. Das Spiel mit der Fiktionalität, das stets ein hintergründiger Bestandteil der Caine-Reihe war, wird dadurch auf eine andere Ebene gehievt, auch wenn Caine nun schon lange nicht mehr »Entertainer Michaelson« ist.
Manch ein Kapitel wird man in diesem raffinierten Puzzle vielleicht zweimal lesen wollen, denn fast in jedem Abschnitt kommt es zu einer bahnbrechenden Erkenntnis, die das Vorausgegangene infrage stellt, und man erlebt einige erschütternde Überraschungen, in denen aus Grandiosität und Glanz plötzlich das Elend dahinter auf erschreckende Weise hervorbricht.

Mit überraschenden Erzählerfiguren, Bezugnahme auf alle drei Vorgänger, auf die menschliche Geistesgeschichte und die Mythen führt Stover Konzepte und Figuren aus 15 Jahren Caine zu einem kohärenten Ganzen zusammen, und das in einem ranken und schlanken Stil, der im Verlauf dieser Jahre noch um einiges präziser und fokussierter geworden ist: So schillernd und wild flatternd Caine’s Law auf den ersten Blick auch wirkt, hier gibt es keine Schlenker, jeder Satz sitzt und leistet seinen Beitrag zu einer Geschichte, die Figur und Mythos verwebt und es tatsächlich schafft, ein Sühne-Epos zu erzählen, das sich von den meist christlich konnotierten Begriffen lösen kann.
Caines Suche nach Erlösung ist eng verwoben mit einer faszinierenden Frauenfigur, die die Vorzüge, die bereits Stovers frühere weibliche Charaktere auszeichneten, zur vollen Entfaltung bringen kann und Stärke, leisen Humor, Tragik und einen wunderbaren Ruhepol in die Geschichte einbringt. Stover kann sein Talent für die realistische Beschreibung von Beziehungen vorführen und stellt einem der ambivalentesten Protagonisten der Science Fiction und Fantasy damit eine der coolsten Frauenfiguren zur Seite, an der alle Klischees auf eine Art und Weise abperlen, dass es eine wahre Freude ist.

Die Schuld-und-Sühne-Frage wird in Caine’s Law auf vielen Ebenen gestellt, es werden mannigfaltige Verhältnisse beleuchtet, in denen sie aufkommt – gesellschaftliche, familiäre, religiöse und ganz persönliche – doch der Fokus bewegt sich trotz wechselnder Perspektiven nie weit weg von Caine, dem Über- und Unmenschen, der menschlicher wird, je mehr er sich in die Angelegenheiten der Götter verstrickt. Die Figur, die in Caine Black Knife noch filetiert wurde, wird hier zu einem neuen Ganzen zusammengesetzt, und am Ende hat Caine das getan, was Antihelden seit jeher besser können als ihre strahlenden Gegenparts: uns etwas über das Menschsein beigebracht.
Auch wenn Caine’s Law die ausufernde Breite von Blade of Tyshalle fehlt, ist es doch ein mindestens ebenso philosophischer Roman, der sich mit der Ordnung der Welt, Macht, Göttlichkeit und Menschlichkeit, letzten Dingen und dem guten Leben (und den Gründen, weshalb es meist ein frommer Wunsch bleiben muss) befasst. Dass das Ganze nicht ohne Blutvergießen geliefert wird, weiß vermutlich jeder, der bis hierher durchgehalten hat. Der neue Caine ist vielleicht etwas zurückgenommener, dafür sind die Gewaltspitzen nur umso verstörender, und es entspricht der Philosophie hinter Caine’s Law (und eigentlich allen Caine-Geschichten), dass es keine Option ist, wegzuschauen, auszublenden oder trotzdem gut zu finden, sondern man die Gewalt im Kern der Handlung mit offenen Augen wahrnehmen und akzeptieren muss.

Nach diesem Entwurf, der größer ist als alles, was auf Overworld und der Erde bisher da war, ist das Ende – wieder einmal – ziemlich definitiv, bringt alles (aufgrund der besonderen Struktur des Romans sogar augenzwinkernd) zusammen und liefert Erklärungen für die wilderen Konzepte der Handlung, auch wenn die Schlüsse, die man daraus ziehen kann, immer den LeserInnen überlassen bleiben.
Da bisher jeder Roman außer Caine Black Knife der letzte Caine-Roman war, muss das nicht viel heißen. Allerdings war die Reihe nie ein großer Erfolg, und Caine’s Law ist bestimmt nicht dazu angetan, diesen Erfolg herbeizuführen, daher kann man sich im Augenblick nur schwer vorstellen, dass der vom Autor angedachte darauffolgende Act of Faith je das Licht einer Buchhandlung erblickt. Andererseits: Ist es nicht genauso schwer, sich vorzustellen, dass Caine nach allem, was wir erlebt haben, wirklich erlöst sein soll?

The Spiderwick Chronicles: Care and Feeding of Sprites von Tony DiTerlizzi & Holly BlackSimon Grace wendet sich in einem persönlichen Brief an die beiden Chronisten der Spiderwick Chronicles. Darin schildert er seinen Beitritt in eine Organisation namens International Sprite League, die sich mit der artgerechten Aufzucht und Pflege von Elfen befasst. Auf seine Bitte, ein Handbuch für die Mitglieder dieser Organisation zu erstellen, legen die beiden Autoren DiTerlizzi und Black nun ebenjenes vor.

– A sprite is a constant reminder of all that is magical. Magnificent creatures with vast variation in color and form, these tiny faeris, some smaller than a toothpick, may make flowers bloom yet can deliver surprisingly fierce bites when threatend. –
The Magnificent Sprite, S. 1

Wer Arthur Spiderwick’s Field Guide to the Fantastical World Around You (Arthur Spiderwicks Handbuch für die fantastische Welt um dich herum) bereits gelesen hat, dem wird nicht entgangen sein, dass darin Waldgeister erwähnt werden, auf die das große Handbuch jedoch nicht allzu genau eingeht. Care and Feeding of Sprites (Über Haltung und Pflege von Elfen) schließt diese Lücke und widmet den kleinen Geschöpfen einen eigenen, liebevoll aufgemachten Leitfaden für den interessierten Laien. Hierin erfährt er alles über Verhalten, Krankheiten, Eigenschaften und nicht zuletzt auch Anatomie von Elfen.

Das Handbuch nimmt die Funktion eines Ratgebers ein, aufgebaut wie gängige Fachliteratur zur Tierhaltung, zeigt die erste Seite zunächst eine erklärende Schautafel. Anhand eines Beispiels werden die verwendeten Symbole und Angaben vorgestellt. Neben einer ganzseitigen, naturgetreuen Illustration der jeweiligen Elfe in ihrer wahren Form werden charakteristische Merkmale ihres Körpers offenbart, eine scheinbar lateinische Fachbezeichnung ihres Namens genannt, sowie ihre Größe in Millimeterangaben. Auch Abweichungen zwischen den Geschlechtsformen werden, wo nötig, durch vergleichende Detailskizzen – etwa von Fühlern oder auch Krallen etc. – aufgeführt. Anhand charmant entwickelter Symbole wird auf den Schautafeln außerdem auch Auskunft über den bevorzugten Lebensraum, Fähigkeit oder Fortbewegungsart der besprochenen Elfe gegeben. Hier finden sich Eigenschaften wie: schelmisch, kann singen, glaubt singen zu können, erziehbar oder: bringt Blumen zum Blühen.
Zu den einzelnen Schautafeln gehört auch jeweils ein Begleittext und ein in Rot gerahmter Warnhinweis (mit einem eigenen amüsanten Symbol) zu verschiedenen Themen.

Als besonderes Schmankerl dieser speziellen Ausgabe lässt sich der Einband zu einem ca. A2 großen Poster im Querformat ausbreiten, welches die Zeichnungen und Namen der im Buch vorgestellten Elfen zeigt. Löscht man dann am Abend das Licht entdeckt man eine weitere Überraschung: Teile der Elfen leuchten im Dunkeln!

Für Freunde detailreicher Illustrationen oder Elfen im Allgemeinen ist dieses kleine Büchlein trotz seiner überschaubaren Seitenanzahl zu empfehlen. Auch Fans von Brian Froud werden bei Care and Feeding of Sprites auf ihre Kosten kommen. Vor allem die realistisch wirkende Aufmachung des Buches und der durchdachte Aufbau lassen es zu einer zauberhaften und überzeugenden Lektüre für jedes Alter werden. Mehrfaches Schmökern garantiert!

Carniepunk von Rachel Caine, Delilah S. Dawson, Jennifer Estep, Kelly Gay, Kevin Hearne, Mark Henry, Hillary Jacques, Jackie Kessler, Seanen McGuire, Kelly Meding, Allison Pang, Nicole D. Peeler, Rob Thurman, Jaye WellsVierzehn Kurzgeschichten ziehen in dieser Anthologie LeserInnen in die oft schaurige, pervertierte oder einfach nur surreale Welt des Zirkus.
Vierzehn Geschichten, vierzehn AutorInnen – und alle betreten den Zirkus auf ganz unterschiedliche Weise. Was alle gemein haben, ist die Verbindung zum Grauen oder zu Dämonen, die auf der Jagd nach Seelen sind …
Kommt zahlreich, mutige Abenteurer, die Manege ruft!

– It took me two days to die. On the first night, I met Madame Laida, and on the second night, I met the Cold Girl.
And this is how it happened. –
The Cold Girl, Rachel Caine, S. 153

Kurzgeschichten haben es in der Verlagswelt schwer, wahrgenommen zu werden, dabei bieten sie eine hervorragende Möglichkeit, Leser auf neue Autoren oder Serien aufmerksam zu machen, die ihrem Radar bisher womöglich entgangen sind. In Carniepunk haben sich vierzehn verschiedene Autoren zusammengefunden und unter dem Oberthema “Zirkus” ihre Geschichten beigesteuert. Manche stehen für sich alleine, andere ergänzen bestehende Buchreihen der einzelnen AutorInnen.
Die meisten dieser Geschichten sind nichts für junge Leser. Mal abgesehen von fließendem Blut und dem leise mitschwingenden Horror, der alle Geschichten vereint, finden hier teils sehr deutliche sexuelle Handlungen statt, die von Nekrophilie über die Erinnerungen eines Vergewaltigers bis zu den detaillierten Aktivitäten eines Sukkubus reichen. Meistens schaffen es die AutorInnen dabei, nicht ins Fremdschämen abzudriften – Ausnahmen bestätigen die Regel.

Die Qualität der Geschichten schwankt. Manche AutorInnen beherrschen ihr Handwerk besser als andere oder haben vielleicht auch einfach nur ein mal besseres, mal schlechteres Händchen für die Kunst, eine Kurzgeschichte zu schreiben. Manches lässt einen als LeserIn einfach nur verwirrt zurück, anderes wirkt, als habe der/die AutorIn sich schwer getan, seine Ideen in Zaum zu halten, und macht viele Sprünge, um all die Ansätze irgendwie in Kurzform zu bringen.

Hier eine Übersicht und ggf. Eindrücke der einzelnen Geschichten:

Painted Love – Rob Thurman
Der Weltreisende Doodle schließt sich für eine Weile dem Zirkusangestellten Bartholemew an und beobachtet dessen Alltag. Bartholemew ist ein waschechter Psychopath und hat sich gerade sein nächstes Opfer ausgesucht, was Doodle in eine schwierige Lage bringt. Einerseits sieht er sich selbst als reinen Beobachter, andererseits empfindet er eine gewisse Zuneigung für das nächste Opfer.
Die Geschichte funktioniert nur bedingt, da Doodles Figur wenig Zugangsmöglichkeiten bietet. Die Idee dahinter ist durchaus nicht schlecht, die Ausführung teils aber zu blass.

The Three Lives of Lydia – Delilah S. Dawson
Diese Geschichte gehört zu einer Buchreihe (Blud Series) und greift das Setting eines im viktorianischen Zeitalter angesiedelten Universums auf. Die Atmosphäre ist düster und steampunkig und die Wendungen überraschend. Lydia erwacht nackt auf einem leeren Feld, das von Zirkuswagen umkreist ist, trifft später auf Vampire und Werwölfe, die im Zirkus angestellt sind und nicht alle gute Absichten für sie hegen.
Eine stimmungsvolle Geschichte mit überraschendem Ende, die auch ohne Kenntnis der eigentlichen Buchreihe gut funktioniert.

The Demon Barker of Wheat Street – Kevin Hearne
Teil der Buchreihe The Iron Druid Chronicles. Die Geschichte findet zeitlich nach dem 4. Band statt (und nach der Kurzgeschichte Two Ravens and One Crow), kann aber gut für sich gelesen werden.
Druide Atticus und Lehrling Granuaile besuchen einen Zirkus und geraten dabei in die Fänge eines Dämons, der seine Attraktion zur Ernte ahnungsloser Seelen benutzt und sie geradewegs auf einen Trip in die Hölle schickt.
Witzig und im wahrsten Sinne höllisch gefährlich.

The Sweeter the Juice – Mark Henry
Post-Apokalyptisches Szenario, in dem Zombies allgegenwärtig und ihre Angriffe an der Tagesordnung sind. Die transsexuelle Jade Reynolds geht einen Handel ein, um sich ihre/seine Geschlechtsumwandlung leisten zu können, und soll für die behandelnde Ärztin eine neu zirkulierende Droge finden.
Diese Geschichte ist mehr im Horrorbereich zuhause, stopft aber so viele (teils eklige) Ausführungen in einen Sack, dass es für mich schwierig war, am Ball zu bleiben, und wurde dementsprechend abgebrochen.

Werewife – Jaye Wells
Nach dem Besuch einer Zirkusvorstellung verwandelt sich die Ehefrau in einen Werwolf, was sich als recht unkomfortabel für den Ehemann erweist. Als der selbe Zirkus nach einem Jahr in die Stadt zurückkehrt, überredet der Gatte seine Frau, erneut dorthin zu gehe,n um den Fluch aufzuheben, doch was sie dort erwartet, ist mehr als eine unschöne Erkenntnis.
Diese Geschichte ist aus Sicht des Ehemanns erzählt und bis auf das etwas überstürzte und nicht ganz überzeugende Ende sehr unterhaltsam.

The Cold Girl – Rachel Caine
Die sechzehnjährige Kiley besucht mit ihrem Freund einen Zirkus und vertauscht dabei versehentlich ihre Telefone. Als sie die Inhalte auf dem Telefon ihres Freundes sieht muss sie erkennen, dass der Junge, den sie liebt, eine schockierende Seite verbirgt, für die sie bisher blind war – obwohl andere die Anzeichen längst bemerkt haben.
Spannend, ergreifend und verstörend, ist dies eine der sehr gut gelungenen Geschichten der Anthologie.

A Duet With Darkness – Allison Pang
Teil der Abby Sinclair Series. Mel kann Noten und Melodien farblich wahrnehmen. Sie ist ein musikalisches Ausnahmetalent und hält sich für die beste in ihrer Band. Sie kann offenbar die Wilde Magie anzapfen, was bei einem geplanten Auftritt der Band die Aufmerksamkeit von jemandem erweckt, dem sie nicht gewachsen ist. Ihr Freund, ein gefallener Engel, versucht sie vor den Folgen ihres Stolzes zu bewahren, doch einer muss den Preis bezahlen.
Liest sich etwas wie ein Jugendbuch, ist nur inhaltlich nicht ganz jugendfrei. Die Welt und die Figuren sind aber gut beschrieben und durchaus interessant.

Recession of the Divine – Hillary Jacques
Die Versicherungsermittlerin Olivia untersucht den Brand in einem Zirkus, und es ist schnell klar, dass hier etwas nicht stimmt. Als die Angestellten merken, dass Olivia in die Erinnerungen anderer eintauchen kann, wird sie entführt und mit einem Bann ihrer eigenen Erinnerung beraubt, um sie angekettet als Wahrsagerin arbeiten zu lassen. Der Leser erfährt früh, dass sie eine Göttin in Menschengestalt ist, ihre Entführer lernen es auf die harte Tour.
Diese Geschichte war verwirrend, da die Autorin zahlreiche Zeitsprünge macht und eine eher weitreichende Handlung in einen so kurzen Text zu pressen versucht. Zeitsprünge erschweren das Ganze ebenso wie die Tatsache, dass nicht immer klar ist, was wessen Erinnerung ist oder was gerade doch real.

Parlor Tricks – Jennifer Estep
Teil der Serie Elemental Assassin Series. Detective Bria Coolidge bittet ihre Schwester, die Assassinin Spider, um Hilfe bei der Suche eines verschwundenen Mädchens, das zuletzt gesehen wurde, als es einen Zirkus besuchte. Als die beiden Frauen die Hintergründe ihres Verschwindens aufdecken, braucht es alles an Elementarmagie, was Spider zu bieten hat.
Die Figur der Spider, aus deren Perspektive erzählt wird, ist nur schwer zugänglich und so springt der Funke bei dieser Geschichte nicht recht auf die Leserschaft über. Ist vielleicht anders, wenn man die Buchreihe dazu kennt.

Freak House – Kelly Meding
Teil der noch im Entstehungsprozess befindlichen Buchreihe Strays Series, die recht viel Potential haben dürfte, wenn man diese Kurzgeschichte als Indikator nehmen darf.
Shiloh ist halb Djinn und hat jüngst erfahren, dass ihr Vater von einem Schwarz-Magier gefangen gehalten und als Zirkusattraktion ausgestellt wird. Zusammen mit zwei unerwarteten Verbündeten, von denen einer ein Werwolf ist, der andere ein pensionierter Soldat, und ausgestattet mit ihrem eigenen magischen Erbe, schleicht sie sich in die geschlossene Veranstaltung ein und findet weitere Gefangene vor. Für Shilo und ein paar andere zeichnet sich ein neues Ziel ab.
Interessantes Konzept, das neugierig auf mehr macht.

The Inside Man – Nicole Peeler
Teil der Jane True Series. Die drei Inhaberinnen der Triptych Agentur bekommen Besuch vom größten Gangsterboss der magischen Szene und werden “gebeten” herauszufinden, weshalb seine Schwester und alle anderen Bewohner ihrer Stadt ihre Erinnerungen und ihre Ambitionen verloren haben. Ihre Ermittlungen führen sie in die Fänge eines dämonischen Clowns, der ganze Städte heimsucht und nichts alle leere menschliche Hüllen zurücklässt.
Spannende Charaktere mit interessanten Hintergründen und ordentlich Frauenpower. Hier wird nicht lange gefackelt und gleich kurzer Prozess mit Dämonen wie menschlichen Bestien gemacht … Da lohnt sich wohl ein Blick in die Buchreihe.

A Chance in Hell – Jackie Kessler
Teil der Buchreihe A Hell on Earth. Die frühere Sukkubi Jezebel ist inzwischen menschlich und auf der Flucht vor dem Höllenfürst, um die Apokalypse zu verhindern. Ihre Mitbewohnerin soll Jez beibringen, was Menschlichkeit bedeutet, und nimmt den unmotivierten Ex-Dämon mit zu einem Zirkus. Der Tag verschlechtert sich deutlich, als Jez dort einem hochrangigen Dämon der Gier begegnet, der nichts lieber täte als Jezebels blitzblanke neue Seele in seine Finger zu kriegen.
Teilweise humorvoll, mit viel Erotik garniert.

Hells’s Menagerie – Kelly Gay
Teil der Buchreihe Charlie Madigan. Die zwölfjährige Emma, Tochter von Charlie Madigan, marschiert in Charbydon (Hölle) ein, um die entführten Welpen und das Weibchen ihres Höllenhundes Brim zu retten. Dabei riskiert sie lebenslangen Hausarrest, den Rauswurf aus der Schule und selbstverständlich ihr eigenes Leben, wie auch das ihres Begleiters, dem Djinn, der im Körper ihres dahingeschiedenen Vaters steckt.
Obwohl die Ansätze gut waren, habe ich diese Geschichte letztlich nur quer gelesen. Die Protagonistin war mir zu jung und die Rettung von Hundewelpen hat meinen Toleranzbereich für Niedlichkeiten gesprengt.

Daughter of the Midway, the Mermaid, and the Open, Lonely Sea – Seanan McGuire
Ada ist im Zirkus der Miller Familie geboren und aufgewachsen. Ihre Mutter ist die Hauptattraktion: eine echte Meerjungfrau, die als junge Frau schwanger Zuflucht im Zirkus gesucht hat. Nach beinahe zwanzig Jahren kommt der Zirkus an den Ort zurück, von dem Adas Mutter einst geflohen ist, und prompt wird das Mädchen von ein paar der Stadtbewohner entführt und gefangen gehalten. Ada entdeckt, dass es ein düsteres Geheimnis im Leben ihrer Mutter gab, die sich freiwillig entschieden hat, alles zu vergessen, indem sie sich dem Wasser hingab und ihre unvermeidliche Verwandlung in eine Meerjungfrau vollzog. Der Zirkus mag die Freakshow haben, doch die Monster leben außerhalb.
Eine Geschichte, die mit etwas mehr Tragik gefüllt ist und leider viele Aspekte der Charaktere nur andeutet, von denen mehr zu wissen spannend gewesen wäre.

Castle in the Air von Diana Wynne JonesAbdullah, ein gewöhnlicher Teppichhändler und Waise mit Verwandten, die nicht wirklich viel von ihm halten, gibt sich oft und gerne seinen Tagträumen hin, wo er als Prinz eine wunderschöne Prinzessin trifft. Die Träume werden allzu real, als Abdullah einen Teppich erwirbt, der angeblich fliegen kann. Zunächst scheint der Kauf ein Reinfall zu sein, doch als Abdullah darauf einschläft, wacht er wenig später im Garten des Sultans auf und trifft dort dessen Tochter, Flower-in-the-Night, in die er sich prompt verliebt. Schlecht für ihn, dass gerade ein Djinn auf Streifzug ist und Scharen von Prinzessinen, inklusive Flower-in-the-Night, entführt. Zusammen mit seinem Teppich und einem eigenwilligen Flaschengeist macht sich Abdullah daran, seine Geliebte zu befreien.

– In his daydreams, he was really the long-lost son of a great prince, which meant, of course, that his father was not really his father. It was a complete castle in the air, and Abdullah knew it was. –

Castle in the Air (Ziemlich viele Prinzessinnen) ist die indirekte Fortsetzung zu Howl’s Moving Castle (Sophie im Schloss des Zauberers). Hierin wird es allerdings märchenhaft wie in einer Geschichte aus Tausendundeinernacht und der geneigte Leser muss sich recht lange gedulden, ehe die bekannten Protagonisten aus dem ersten Buch dieser locker verknüpften Reihe wieder in Erscheinung treten. Castle in the Air sollte man daher auch als einen eigenständigen Roman betrachten – in dem nur zufällig ein paar bekannte Charaktere wieder auftauchen – und keine richtige Fortsetzung zu Howl’s Moving Castle erwarten.

Ganz so brillant wie sein Vorgänger ist Castle in the Air nicht, dennoch ist es wieder eine sehr phantasievolle und lebendige Geschichte, die Diana Wynne Jones hier erschafft und mit gewohntem Humor garniert. Letzterer kommt diesmal besonders bei Namensgebung und Wortwahl zum Tragen, denn die Autorin spielt wieder gerne mit Klischees und bedient sich hier bei den Vorstellungen vom Orient, wo Namen nicht nur Namen sind, sondern Bedeutungen haben. Dabei darf natürlich auch nicht die blumige Ausdrucksweise fehlen, die die Autorin jedoch in unseren Sprachgebrauch überträgt, was für viel Schmunzeln sorgt. So kommt es, dass eine Prinzessin den Namen Blume-in-der-Nacht/Flower-in-the-Night trägt oder Teppichhändler geradezu lyrische Verkaufsgespräche führen.
Darauf lässt die Autorin es freilich nicht beruhen und schickt zusätzlich wieder herrlich überzogene, schrullige, spießige oder hochnäsige Charaktere ins Rennen, die alle ein bisschen mehr sind, als man glaubt über sie zu wissen. So überzeugend sympathisch und lebendig wie Howl und Sophie in Howl’s Moving Castle werden Abdullah und Flower-in-the-Night aber leider nicht, und auch die beiden erstgenannten kommen in Castle in the Air nicht so richtig zu ihrem alten Glanz.

Kleinere Abzüge muss man ebenfalls bei der erzählerischen Dynamik machen, die sich mit Einschüben, die nicht zwingend nötig gewesen wären, leider immer mal wieder als etwas langatmig erweist. Es ist daher dringend ratsam, eine längere Pause zwischen Howl’s Moving Castle und Castle in the Air verstreichen zu lassen und die beiden Bücher nicht gleich nacheinander zu lesen. Auch sollte man davon absehen, die Bücher als normale Buchreihe zu betrachten, denn im direkten Vergleich haben sie wenig miteinander zu tun und gerade Castle in the Air wirkt dabei doch ein wenig enttäuschend. Für sich betrachtet und davon ausgehend, dass die wiederkehrenden Charaktere ein zusätzlicher Bonus, aber kein tragendes Element dieses Romans sind, ist Castle in the Air durchaus unterhaltsam und amüsant. Man muss sich lediglich klar machen, dass dies die Geschichte von Abdullah und Flower-in-the-Night ist und nicht die von Sophie und Howl.

Cover von Cave Canem von Akif PirinçciDiesmal ist der samtpfotige Detektiv einem Mörder auf der Spur, der mit kräftigem Gebiß seine Opfer furchtbar übel zurichtet. Seltsam nur, daß die Verletzungen von nur zwei Zähnen zu stammen scheinen … Es sind diesmal auch nicht nur Opfer unter den Katzen zu beklagen, sondern auch unter deren Erzfeinden. Katzen und Hunde beschuldigen sich gegenseitig, und so wird bei einer großen Versammlung der beiden Parteien beschlossen, daß Francis, dessen kriminalistischer Spürsinn auch den Hunden zu Ohren gekommen ist, den Täter aufspüren soll. Doch ihm wird ein “Partner” in Gestalt des alten, vom Leben gezeichneten Schäferhundes Hektor zur Seite gestellt …

-Kommen Sie, folgen Sie mir; ich erzähle Ihnen eine Geschichte über Krieg und liebenswerte Feinde und darüber, warum Feinde für uns so lebensnotwendig sind wie die Luft zum Atmen.-
Erstes Kapitel

Dies ist der dritte Roman von Akif Pirinçcis Felidae-Romanreihe, die ich eigentlich eher in die Kriminal-Ecke einordnen würde, obwohl kein menschlicher “Sherlock Holmes” die Handlung trägt. Akif Pirinçci versteht es, Szenarien aufzubauen, die nach und nach immer bedrohlicher, schrecklicher und perfider werden, bis sie schließlich in der Perversion enden. Diese Perversion ist jedoch immer bei den Menschen und ihren Zielen zu suchen, und die Handlungsweise der Tiere geht direkt aus den Aktionen des Menschen hervor. Pirinçci hält uns mit seiner Felidae-Reihe einen Spiegel vor, der die Abgründe des menschlichen Denkens und Handelns ziemlich schonungslos zur Sprache bringt, doch weil er Grundprobleme der Menschheit über den Umweg des Tierreiches behandelt und nicht direkt anspricht, wirkt das Ganze ein wenig surreal – der Blickwinkel der Tiere, um menschliche Grausamkeit aufzudecken bzw. anzuprangern, lässt eine merkwürdig verzerrte Perspektive entstehen, mit der nicht jeder zurecht kommt.

In dem Roman Cave Canem beleuchtet der Autor die Auswirkungen von Kriegen auf Seele und Psyche. Es ist mithin kein Buch für schwache Nerven. Man bekommt einiges serviert, an dem man zu kauen hat, und der Inhalt ist nicht unbedingt leicht zu verarbeiten, darüber kann auch der lockere Sprachstil von Akif Pirinçci nicht hinwegtäuschen. Er hat dem Kater Francis wieder herrlichen Zynismus und Spitzen auf die menschliche Rasse (vor allem auf seinen “Dosenöffner” Gustav) zwischen die nadelspitzen Fangzähne gelegt, dass man sich oftmals das Lachen (über sich selbst) nicht verbeißen kann. Dennoch bleibt der Tenor des Romans ernst und vor diesem Hintergrund wirken Francis’ Äußerungen oftmals sarkastisch.

Der Handlungsverlauf ist straff gespannt: kaum hat man sich von dem Schrecken nach dem ersten Mord erholt, findet sich schon ein neues Opfer. Im Hintergrund lauert das namenlose Grauen, die Ungewissheit und die Angst machen die Katzen und Hunde des Viertels zu aggressiven Amokläufern. Jeder verdächtigt jeden und Francis, der eine offene Auseinandersetzung unbedingt verhindern will, gerät bald in Zeitnot …
In Cave Canem, wie auch in den anderen Büchern der Felidae-Reihe, werden Problematiken aufgearbeitet, die für einen Roman, der eigentlich der Unterhaltung dienen soll, zu “gewichtig” sind … (Tierversuche, Krieg, Gentechnik usw.) doch nun, bei diesem dritten Band der Reihe, kommt der Autor langsam zu einem Punkt, an dem alles irgendwie “an den Haaren herbeigezogen” wirkt, vor allem, wenn Francis sich an den Computer begibt und in die Tiefen des Internets vordringt. Hinzu kommt, dass Dimensionen und Lösung des Kriminalfalls dem Leser bald klar sind.

Changeless von Gail CarrigerIn Changeless, dem 2. Teil des Parasol Protectorates, findet Lady Alexia Maccon das heimatliche Anwesen unerfreulicherweise ohne Ehemann vor. Während dieser sich ebenso ohne Vorankündigung nach Schottland begeben hat, haust im Vorgarten ein ansehnliches Rudel Werwölfe, das auf Alexias Gartengestaltung wenig Rücksicht nimmt. Als sich eine Art Krankheit, die aus den Übernatürlichen wieder Sterbliche macht,  in Conell Maccons Richtung bewegt, begibt sich Alexia kurzentschlossen selbst auf den Weg nach Schottland. Gewisse Ereignisse verlangen jedoch, dass sie dabei von der Erfinderin Madame Lefou, ihrer Freundin Ivy Hisselpenny und sogar ihrer Schwester begleitet wird – ein chaotisches Gespann mit Lachgarantie.

– Werewolf, was he? Well, Alexia Maccon’s parasol was tipped with silver for a reason. She walloped him again, this time making certain the tip touched his skin. At the same time, she rediscovered her powers of speech.
“How dare you! You impudent” – whack – “arrogant” – whack – “overbearing” – whack – “unobservant dog!” Whack, whack. –
Kapitel 1, S.18

Schon die ersten Seiten von Changeless (Brennende Finsternis) lassen erkennen, hier wird es wieder genauso absurd komisch wie im ersten Teil Soulless (Glühende Dunkelheit). Angereichert mit der gewohnt charmanten Prise Steampunk kommt der spitze Humor in Form britischer Trockenheit wieder frühzeitig in Fahrt und treibt die Mundwinkel in die Höhe. Skandalöse Kleidungsstile sowie der obligatorische  Sonnenschirm, in dem sich ein ganzes Arsenal an tödlichen Waffen verbirgt und der ein bisschen an James Bonds Kollegen Q denken lässt, lassen darüber hinaus keine Wünsche offen.

Während die Handlung dieses Mal etwas löchrig geraten ist, wurden die Figuren deutlich besser ausgearbeitet als im Vorgänger. Sie haben mehr Tiefe, mehr Persönlichkeit und wirken kurzum solide. Diese Nähe zu den Charakteren macht es einem leicht, sich von der Geschichte und ihren urkomischen Wendungen mitreißen zu lassen. Manch nervtötender Persönlichkeit möchte man da trotz ihrer Zierlichkeit gerne auch mal den Damenschuh in das fein zurechtgemachte Hinterteil treten.

Auch sprachlich ist Changeless wieder ein Highlight. Im Gegensatz zur deutschen Ausgabe kommt im Original natürlich auch der schottische Akzent in voller Pracht zum Vorschein und strapaziert gemeinsam mit den hitzigen Wortgefechten die Lachmuskeln zusätzlich. Schon allein deswegen macht das Original noch mal eine ganze Ecke mehr Spaß. Daneben fällt auch immer wieder auf, wie intensiv sich Gail Carriger mit den Details zu ihren Romanen befasst, seien es nun die Verhaltensregeln und Manieren, wissenschaftliche und technische Erfindungen oder die Beschaffenheit viktorianischer Mode. Mit einer sichtbaren Liebe für all diese Details schafft es die Autorin, wieder ein lebendiges Bild ihrer Welt zu zeichnen, ohne sich dabei in ermüdend langen Beschreibungen zu ergehen.

Mit Changeless liefert Gail Carriger erneut eine paranormale romantische Komödie ab, in der Geister, Mumien, zeterndes Weibsvolk und schottische Werwölfe in Kilts ihren großen Auftritt haben.
Besonders fies ist jedoch die letzte Wendung und der damit verbundene Cliffhänger zum Schluss. Da sollte man sich unbedingt den 3. Band, Blameless (Entflammte Nacht), frühzeitig zulegen und bereithalten.

The Charnel Prince von Greg KeyesIn einem Land, in dem mehr und mehr unheimliche Dinge geschehen und Monster wandeln, verfolgen die Protagonisten ihre lose miteinander verknüpften Ziele.
Anna und Austra bemühen sich um ihre Rückkehr nach Eslen und werden aus dem gleichen Grund von Neil gesucht. Aspar, Stephan und Winna sind im Auftrag der Kirche unterwegs, während der Königin mehr und mehr die Kontrolle über das Königreich entgleitet. Ein neuer Handlungsstrang um den naiven Komponisten Leoff zeigt die Ereignisse am Hof aus einer anderen Perspektive und geht wie alle anderen einem fulminanten Ende entgegen.

-Neil MeqVren rode with his queen down a dark street in the city of the dead.-
Chapter 1 – The Night

Mit The Charnel Prince (Die Rückkehr der Königin) setzt Greg Keyes seine Reihe auf gleichbleibend gutem Niveau fort. Die Stärken und Schwächen des Buches entsprechen denen des ersten Bands. Die Geschichte ist mitreißend und spannend geschrieben, aber teilweise belastet die Art der Wechsel im Handlungsstrang den Lesefluss. Inhaltlich zeigt sich, dass tatsächlich bei weitem nicht alles so ist, wie es scheint. Keyes lässt seine Charaktere und Leser oft und lange im Unklaren über die Motivation und Hintergründe anderer Personen, so dass immer wieder interessante Wendungen die Story und den Leser in neue (Gedanken-)Bahnen lenken.
Auch von der Spannung und Atmosphäre her legt dieser Band eher noch ein wenig zu, auch wenn ich von Zeit zu Zeit das Gefühl bekam, dass Keyes ein wenig zu dick aufträgt und die Glaubwürdigkeit der Geschichte strapaziert.

Besonders hervorgehoben sei noch, dass Hintergrundinformationen aus dem ersten Band immer dann geschickt in die Geschichte eingebunden werden, wenn sie zum Verständnis notwendig sind, so dass auch Quereinsteiger oder Leser, die die Bände in großem Abstand lesen, nicht völlig hilflos sind. Wie schon der erste Band bietet auch The Charnel Prince ein relativ abgeschlossenes Ende, so dass man nicht verzweifeln muss, wenn der nächste Band noch nicht zur Hand ist. Einziger echter Negativpunkt ist, dass man teilweise die online verfügbare Karte im Buch sehr vermisst.

The Charwoman's Shadow von Lord DunsanyDer junge Ramon Alonzo wird von seinem Vater, dem verarmten Lord of the Tower and Rocky Forest, zum Haus eines Magiers tief im Wald geschickt, um dort die Kunst des Goldmachens zu erlernen. Dort als Lehrling aufgenommen, erfährt Ramon Alonzo gleich am ersten Abend die Geschichte der alten Scheuermagd: einst gab sie dem schwarzen Magier ihren Schatten im Tausch für ein ewiges Leben, aber seitdem ist sie an dessen Haus gebunden. Ramon Alonzo schwört sich, ihren Schatten zu retten und sie zu erlösen. Doch der Magier verlangt auch von Ramon Alonzo eine Bezahlung für das erteilte Wissen.

-Picture a summer evening sombre and sweet over Spain, the glittering sheen of leaves fading to soberer colours, the sky in the west all soft, and mysterious as low music, and in the east like a frown. Picture the Golden Age past its wonderful zenith, and westering now towards its setting.-
Chapter 1 – The Lord of the Tower Finds a Career for His Son

The Charwoman’s Shadow (Der Schatten der Scheuermagd) ist eine relativ kurze Geschichte, was nicht heißt, dass man sie schnell gelesen hätte. Man muss sich viel Zeit nehmen, um die Sprache nachzuvollziehen und auf sich wirken zu lassen. Das englische Original ist leider nur etwas für wirklich gute Englisch-Leser. Nicht so sehr wegen schwerer Vokabeln, sondern mehr aufgrund komplexer Satzstrukturen, für deren Erfassung man ein wenig Muße benötigt. Anfangs hatte ich beim Einlesen große Probleme, doch wenn man das Buch ganz in Ruhe (und vielleicht ein zweites Mal) angeht, kann das Geschriebene einem den Atem rauben.

Man verliert sich im Spanien am Ende des Goldenen Zeitalters mit seinem Spiel aus Licht und Schatten – dafür sorgt allein schon der erste Satz. Eine konkrete, besonders schöne Textstelle ist zum Beispiel, wenn der Zauberer seinen Schüler in das größte Mysterium seiner Magie einführt: das Lesen. Darüber hinaus beruht diese Magie sehr auf der mittelalterlichen Alchemie mit Lebenselixieren und der Herstellung von Gold. Und ähnlich wie im Mittelalter wird diese Magie mit dem Teufel in Verbindung gebracht; demgegenüber steht die Kirche, die beim einfachen Volk großen Einfluss besitzt, und deren Vertreter das Gute verkörpert.

Angesichts der Sprache und Atmosphäre spielt es dann keine Rolle mehr, ob uns die Geschichte selbst einfach erscheint: der Held tritt gegen den schwarzen Magier an, um ein unschuldiges Opfer zu retten. Viel spannender ist dabei, dass der Held selbst weniger durch Scharfsinn denn Beharrlichkeit und Großmut auffällt, und dass das unschuldige Opfer eine hässliche, alte Scheuermagd ist. Und die eigentlich interessanteste Figur ist Ramon Alonzos wesentlich intelligentere Schwester Mirandola: obwohl sie den reichen, unsympathischen Nachbarn heiraten soll, verfolgt sie unauffällig ihre ganz eigenen Hochzeitspläne.

Cover von Circes Rückkehr von Libba BrayGemma versucht weiterhin ihr Schicksal zu verfolgen und die Magie des magischen Reichs wieder an den Orden zu binden. Sie und ihre Freundinnen sind plötzlich in der Lage, die Magie dieser anderen Welt mit in ihr viktorianisches London zu holen, wo sie die Weihnachtsferien bei ihren Familien verbringen. So gerne Gemma das Chaos der magischen Welt für eine Weile vergessen würde, so akut ist jedoch die Bedrohung durch Circe, und die Mädchen begeben sich auf die Suche nach dem verlorenen Tempel, dem Schlüssel zur Kontrolle der Magie. Unterdessen ist Gemma hin und her gerissen zwischen dem exotischen Rakshana Kartik und dem attraktiven, aber nicht sehr tiefgründigen Lord Denby, der ihr den Hof macht.

– “Verbirg deine Absicht vor ihr. Gewinne ihr Vertrauen.” Und nach einer Pause: “Wenn nötig, mach ihr den Hof.”
Ich dachte an das selbstbewusste, eigensinnige Mädchen, dem ich auf Schritt und Tritt gefolgt war. “Sie lässt sich nicht so leicht den Hof machen.” “Jede Frau lässt sich gerne den Hof machen. Man muss es nur richtig anstellen.” –
Kapitel 1, S. 18

Zu Circes Rückkehr liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

City of Bones von Martha WellsKhat, ein Mann aus einem katzenhaften Wüstenvolk, lebt in den Elendsvierteln von Charisat, einer Stadt inmitten des Ödlandes, das einst die Heimat der fortgeschrittenen Kultur der Alten war. Seinen Lebensunterhalt verdient er halblegal als Relikthändler und –jäger. Normalerweise sind es harmlose Objekte von höchstens archäologischem Interesse, doch nicht so bei seinem jüngsten Auftrag: Er soll sich auf die Suche nach Gegenständen machen, mit denen sich die Magie der Alten wirken lässt. Dummerweise kann er den Auftrag nicht ablehnen, denn er kommt von ganz oben. Er muss sich also den Intrigen der Mächtigen und dem lebensfeindlichen Ödland stellen.

-Somewhere else, in a room shadowed by age and death, a man readies himself to look into the future for what maybe the last time.-
Chapter One

Wenn man Ideen aus Lobgesang auf Leibowitz, Picknick am Wegesrand und einer Reihe von postapokalyptischen Geschichten nimmt und zusammenwirft, könnte das böse ins Auge gehen. Aber 1995, als Martha Wells’ zweiter Roman City of Bones veröffentlicht wurde, war die Postapokalypse noch bunter und vielfältiger als heute, und die Autorin verfolgt mit den unverständlichen Relikten einer selbstzerstörerisch agierenden, aber auch sehr fremdartigen Zivilisation (die Erde, wie wir sie kennen, war auf jeden Fall nicht das Fundament, auf dem Charisat steht) und den von ihrer Tätigkeit geprägten Reliktjägern (und –anwendern) ganz eigene Ziele.
Die Weltschöpfung erstreckt sich dabei nicht nur auf die Wüste mit ihren giftigen Bewohnern und surrealen Stätten einer vergangenen Kultur, sondern vor allem auf das Leben, das sich danach angesiedelt und angepasst hat. In Charisat, einer Handelsmetropole mit verschiedensten Einflüssen, ist vor allem die soziale Komponente fein beobachtet – meist durch die Augen von Khat, der als Mitglied eines Wüstenvolks, das den Ödlanden besser trotzt als der Mensch, keine Chance hat, auch nur ein bisschen in der streng nach ihren Ebenen gegliederten Stadt (oben gibt es noch frisches Wasser) aufzusteigen. Selbst im Elendsviertel wird er teils nur gerade eben geduldet, ohne die Möglichkeit, einen ehrbaren Beruf auszuüben, und so verwundert es nicht, dass aus ihm ein ganz schön harter Kerl geworden ist. Gerade diese unteren Ebenen erfahren eine sehr differenzierte Darstellung – gnadenlos, aber auch herzlich, ein Ort, an dem man den nötigen Überlebenskampf auf unterschiedliche Weisen führen kann.
Erst nach und nach lernt man das ganze Ausmaß des perfiden Systems kennen, das im sozialen Gefüge Charisats jeglichen Aufstieg und jede Veränderung verhindert. Da ist es auch nur logisch, dass die obere Kaste ihre eigenen Spielchen treibt und vor allem an der Wahrung des Status quo und Machtzuwachs interessiert ist, während man unten nur an guten Tagen seinen Durst löschen kann.

In einen solchen Machtkampf gerät Khat, der mit seinem gebildeten menschlichen Partner sein kleines Relikt-Unternehmen betreibt – und beiden Seiten ist bei diesem Handel von Anfang an klar, welche Rolle den entbehrlichen und machtlosen Auftragnehmern zugedacht ist. Aufgelockert wird dieses (durch Khats Undurchsichtigkeit ohnehin nicht ganz so) schwarz-weiße Gemälde durch Elen, eine Wärterin, die Khat als Kontaktperson zugeteilt wird und die jung genug ist, sich ein Herz bewahrt zu haben, allerdings auch eine nicht immer gesunde Naivität gegenüber den harten Realitäten ihrer Welt.
Die Figurenzeichnung ist eher subtil, es gibt kaum Extreme: Der harte Knochen Khat wird eigentlich niemals ein überzeugender cooler Draufgänger, sondern offenbart recht rasch seinen verletzlichen Kern, so dass er auch Elen als kompetente, aber eher zurückhaltende Frauenfigur nicht in den Schatten stellt. Manchmal wirken die Emotionen der Figuren ein wenig forciert und übermotiviert, vielleicht gerade weil Khat und Elen eher ruhige und besonnene Personen sind.

Mit seinen Geistern, den Handels- und sonstigen Aufsehern, die dafür sorgen, dass jeder auf seiner Ebene der Stadt bleibt, und den unteren Bereichen mit ihrer Platznot und Kriminalität ist Charisat ein Ort, der wie geschaffen ist für eine Abenteuerhandlung – und das ist die Reliktjagd von City of Bones letztlich, ob nun in ein Herrenhaus eingebrochen oder ein altes Heiligtum in der Wüste geplündert werden muss.
Trotzdem liegt der Fokus ein wenig anders als erwartet, denn die Intrige (die man vermutlich sehr, sehr früh in der Handlung durchschaut), der soziale Zündstoff und die Abenteuer sind vor allem Kulisse für eine Geschichte, bei der Forschung und die Aufdeckung alter Geheimnisse im Mittelpunkt stehen: Nachdem man einmal (mithilfe einer großartigen Gelehrten-Nebenfigur) erkannt hat, wie sehr die Vergangenheit in die Handlung drängt, wird aus der kleinen Geschichte etwas wirklich großes mit einer beeindruckenden Auflösung, das die detaillierten Ideen der Weltschöpfung am Ende zu einem runden Ganzen zusammenführt.
Auf dem Weg dahin mag es die ein oder andere Länge geben, aber bei dieser innovativen Weiterentwicklung macht sich der feine Aufbau der Geschichte bezahlt, und richtig langweilig wird es mit Khats Gratwanderung in Diensten der Obrigkeit, bei der er vor allem anderen seine eigene Haut retten will, eigentlich nie.

City of Bones von Cassandra ClareClary dachte, sie und ihr bester Freund Simon würden einen ganz normalen Abend im Club Pandemonium verbringen. Ein wenig tanzen, feiern und das normale jugendliche Leben genießen. Doch dann sieht sie wie ein Teenager von drei anderen ermordet wird und sich anschließend vor ihren Augen in Rauch auflöst. An diesem Abend ändert sich für Clary alles, denn nun muss sie erkennen, dass neben ihrer bekannten Welt eine ganz andere, düstere Welt voller übernatürlicher Kreaturen existiert, und dass sie irgendwie mit ihr in Verbindung steht. Doch die einzige Person, die Klarheit schaffen könnte, Clarys Mutter, wird entführt, bevor Clary die Chance hat, Antworten zu bekommen.

– »Are there any more with you?«
The blue-haired boy could feel blood welling up under the too-tight metal, making his wrist slippery. »Any other what?«
»Come on now.« The tawny-eyed boy held up his hands, and his dark sleeves slipped down, showing the runes inked all over his wrists, the backs of his hands, his palms. »You know what I am.«
Far back inside his skull, the shackled boy’s second set of teeth began to grind.
»Shadowhunter,« he hissed.
The other boy grinned all over his face. »Got you,« he said. –

City of Bones ist der Auftakt der populären Jugendbuchreihe The Mortal Instruments (Die Chroniken der Unterwelt) und Debütroman der Autorin Cassandra Clare. Um die Problematik dieses Romans (und auch der restlichen Reihe) gleich zu Anfang zu nennen: City of Bones begann als Fanfiction basierend auf J.K. Rowlings Figur Draco Malfoy aus der Harry Potter-Reihe, und so sehr Frau Clare auch versucht hat, die Geschichte zu überarbeiten und ihr ihren eigenen Stempel aufzudrücken, so unübersehbar sind doch gewisse Ähnlichkeiten. Leider ist es dadurch sehr schwierig zu entscheiden, wie viel eigene Kreativität die Autorin in dieses Buch eingebracht hat und ob der Roman nun Spaß macht oder ärgert. Die Magie in Clares urbaner Fantasywelt funktioniert gut und ist stimmungsvoll, man sieht nur immer wieder vertrautes aus Harry Potter, Star Wars, Angel Sanctuary … Da fragt man sich unweigerlich, ob die Autorin sich auch irgendetwas von diesem Roman selbst ausgedacht hat. Die subtile Runenmagie, Vampire, Warlocks, Werwölfe, Halbengel, Menschen, Feen und andere Kreaturen in City of Bones haben es schwer, sich über das offensichtlich Kopierte zu erheben. Somit ist die Frage, wie gut einem das Buch gefallen wird, vor allem eine Frage danach, wie gut man einen Neuaufguss anderer Geschichten findet.

Um aber auch einmal auf das Positive zu sprechen zu kommen, gehen wir doch weiter zu den Charakteren. Hier liefert die Autorin zunächst einmal eine breite Vielfalt an Figuren, was sowohl deren Charakter als auch deren ethnische Herkunft oder sexuelle Orientierung angeht. Es ist von allem etwas dabei, so dass sich wirklich jeder mit wenigstens einer der Figuren identifizieren kann. Entsprechend werden auch bestehende Vorurteile unserer Gesellschaft auf unterschiedliche Weise kritisch thematisiert.
Die Charaktere wirken auch sonst recht solide und sind unterhaltsam, ab und an verleiten sie einen zu einem Schmunzeln, ein anderes Mal möchte man sie herzhaft schütteln vor Unverständnis. Fast alle haben emotionale Narben (manche auch körperliche). Das verschafft ihnen eine glaubhafte Lebendigkeit und hält den Leser bei Laune. Nur der Bösewicht ist flacher als ein Blatt Papier. Einzig ärgerlich ist dabei aber die in Jugendbüchern inzwischen obligatorische Dreiecksbeziehung der Hauptfiguren, die, neben anderen Teilen der Handlung, von Anfang an durchschaubar ist. Was dagegen sicherlich noch nicht viele Jugendbuchautoren gemacht haben, ist, eine derart frustrierende Auflösung an den Schluss des Romans zu setzen, dass man das Buch entweder mehr als schlecht gelaunt in die Ecke wirft (immerhin hat man eigentlich nur wegen der einen Sache solange durchgehalten) oder man zerfließt vor Sehnsucht angesichts der dramatischen und schier hoffnungslosen Ereignisse … Für letzteres muss man vermutlich noch zur jüngeren Lesergruppe zählen oder deutlich weniger Jugendbucherfahrung haben.

Wenn man nichts Innovatives erwartet und sich mit den zahlreichen »Inspirationen« in City of Bones arrangieren kann, ist der Roman flüssiges und schnelles Lesefutter mit einer guten Atmosphäre im modernen New York und sympathischen Charakteren. Überraschungen hat der Roman allerdings keine zu bieten, vielleicht bessert sich das noch im Nachfolger: City of Ashes

Verfilmung:
City of Bones wurde 2013 mit Lilly Collins und Jamie Campbell Bower in den Hauptrollen verfilmt.

The City of Ember von Jeanne DuPrauDie Stadt Ember existiert im dunklen Innern der Erde, erhellt nur durch das elektrisch erzeugte Licht eines einzigen Generators. Doch ausgerechnet der droht nun zu zerfallen und die marode gewordene Stadt in vollkommene und nie enden wollende Dunkelheit zu tauchen.
In dieser Zeit macht die junge Lina Mayfleet eine Entdeckung unter den Erinnerungsstücken ihrer Großmutter – eine Kiste, in der sich die bruchstückhaft erhaltenen Anweisungen der Erbauer Embers befinden. Anweisungen, die die Bewohner retten und in eine neue Stadt führen könnten.

»They must not leave the city for at least two hundred years«, said the chief builder. »Or perhaps two hundred and twenty.«
»Is that long enough?« asked his assistant.
»It should be. We can’t know for sure.«
»And when the time comes«, said the assistant, »how will they know what to do?«
»We’ll provide them with instructions, of course«, the chief builder replied.
– The Instructions, S. 1

Es wird abenteuerlich und schmutzig! Das wird nicht nur schon beim Betrachten des Buches selber klar, wo eine altmodisch gezeichnete Stadtkarte für den nötigen Überblick sorgt und vergilbtes Papier den Hauch von Alter vermittelt.
The City of Ember (Lauf gegen die Dunkelheit) ist das Debüt der Autorin Jeanne DuPrau, die eine Welt unterhalb der Erdoberfläche erschaffen hat, als letzte Hoffnung für das Überleben der Menschheit. Den Emberanern ist die Bedeutung ihrer Heimat dabei nicht bewusst. Für sie ist die Stadt die einzige Form der Existenz, die sie kennen, sozusagen das ganze Universum. So wie man einst glaubte, das Meer fließe am Ende der Welt über den Rand der Erdscheibe hinaus, so glauben die Bewohner Embers, hinter dem Licht der Stadt läge nur ein weites Nichts.

In gigantischen Lagerräumen haben die Erbauer den Emberanern einst Unmengen von allem hinterlassen, was man zum Überleben braucht: Lebensmittelkonserven, Medizin, Vitamin-Präparate, Kleidung, Glühbirnen … doch nach beinahe 250 Jahren ist von diesen einstigen Reichtümern nicht mehr viel geblieben. Der Leser bewegt sich durch eine rostige Welt des Zerfalls, durch eine reine Nutzgesellschaft, die keine Herstellungsprozesse kennt. Embers Bewohner wissen nicht einmal mehr, wie man Elektrizität oder Feuer erzeugt und somit auch nicht, wie man den Generator reparieren, transportable Lichtquellen oder neue Energiequellen schaffen könnte. Sie sind gerade noch in der Lage, die Dinge am Laufen zu halten. Dabei ist es unheimlich spannend zu erleben, wie der eigene Kosmos und das wenige Wissen um unser Universum in Ember zu einer Art Mikrokosmos wird. Für die Emberaner existieren weder Sonne noch Mond, doch elektrisches Licht und Dunkelheit treten hier als stellvertretende Pendants auf. Die Dunkelheit wird zur Weite des Universums, die Erbauer zur Schöpfungskraft … alles, was man als Leser erkennt, entdeckt man gleichzeitig völlig neu, weil es in Ember eine ganz andere Bedeutungsschwere bekommt. Unweigerlich schleicht sich da der Gedanke ein, ob nicht auch unsere Erde eine Art Ember sein könnte. Doch genug der Meta-Ebene und des Philosophierens!

Man schreibt vermutlich das Jahr 241 – “vermutlich” weil das regelmäßige Aufziehen der großen Uhr oder die Einhaltung der Tages- und Nachtzeiten gelegentlich auch mal vergessen wurde –, als die Schüler Lina und Doon ihren Abschluss machen. Wie alle Emberaner beenden auch sie ihre Schulzeit im Alter von zwölf Jahren und treten sofort in das Berufsleben ein. Wer nun denkt, ein Kinderbuch präsentiert zu bekommen, darf gleich wieder aufatmen. Die beiden Helden dieser Geschichte sind für ihr Alter überraschend erwachsen, verantwortungsbewusst und clever, nur in seltenen Momenten erhält man einen Hinweis darauf, dass es tatsächlich noch Kinder sind. Dadurch fällt es auch erwachsenen Lesern nicht schwer sich mit Lina und Doon, den beiden Hauptfiguren, zu identifizieren und ihrem Abenteuer zu folgen.

Doon, ein rebellischer und hitziger Junge, der manchmal mit unbedachtem Eifer nach der rettenden Lösung für Embers Probleme sucht, und Lina, ein Mädchen voller Energie und Tatendrang, kommen durch den Fund eines alten Dokuments der Erbauer möglicherweise zu genau dieser Lösung. Angespornt von ihrem gemeinsamen Ziel, Embers Bewohner zu retten, entziffern Lina und Doon nach und nach die Überreste der Anweisungen.
Mit diesen beiden lebendig gezeichneten Charakteren bewegt sich der Leser nun durch eine klassische Queste mit Hinweisen und Entdeckungen, zwischen tropfenden Rohren, verborgenen Türen, neu entdeckten und gleichzeitig unbekannten Gebrauchsgegenständen, die Lina und Doon zunächst Rätsel aufgeben. Es beginnt ein Reise, die an Jules Vernes Abenteuer erinnert, mit vielen Fragen im Hinterkopf. Wie lange noch kann Ember überleben? Wird das Licht der Stadt eines Tages für immer erlöschen? Gibt es eine Stadt außerhalb Embers und damit eine Hoffnung für das Überleben der Bewohner?

Die Suche nach Antworten wird von einem stimmigen Weltenbau begleitet und vielen sozialkritischen Aspekten, die man in einem Jugendbuch nicht unbedingt erwarten würde. Vertraute Details sorgen außerdem dafür, dass der Roman ein heimeliges Gefühl vermittelt. Da sind z.B. Konserven mit den Etiketten unserer vergangenen Gesellschaft oder Redewendungen, von Generation zu Generation weitergetragen, die in Ember weiter benutzt werden, deren Worte aber oft sinnlos erscheinen. So wird “im selben Boot sitzen” zwar sinngemäß verstanden als “in der selben Situation sein”, doch was ein “Boot” ist und was es bedeutet, das kann niemand mehr sagen. Dieses Zusammenspiel von Alt und Neu, Wissen und Unwissen, Gewohnt und Ungewohnt, macht The City of Ember zu einem nahezu romantischen Lesegenuss für Jung und Alt. Nichts ist so spannend wie die Suche nach unseren Wurzeln, und das findet man in diesem Roman, während man sich mit Lina und Doon auf die Spuren der Erbauer begibt.

Viele dystopische Romane schildern so ein Szenario auf wenig erfreuliche, schon gar nicht wünschenswerte Weise. Doch Ember ist anders. Trotz ihres inzwischen kläglichen Zustands ist sie voller Leben und erfüllt von dem Geist eines Neuanfangs. Die Stadt wurde erbaut, um die Menschheit zu retten und dieser Plan geht auf. The City of Ember begleitet unsere glückliche Rückkehr in die Welt und bietet ein nostalgisches Leseerlebnis mit einem wehmütigen Blick zurück auf das Verlorene. Die Konstruktion der Stadt wirkt dabei solide durchdacht. Nur selten fragt man sich, ob dieses oder jenes in der Realität wirklich funktionieren kann oder ob es sich die Autorin nicht gerade doch zu einfach macht.

Das halboffene Ende des Romans klärt nicht alle Fragen, es kann aber getrost so stehen gelassen werden und wer auf den Geschmack gekommen ist, darf sich über zwei Fortsetzungen und ein Prequel freuen.
(Sprachlich ist The City of Ember übrigens leicht verständlich gehalten und damit auch für Englisch-Einsteiger im Original zu empfehlen.)

Verfilmung:
Das Buch wurde 2008 stimmungsvoll verfilmt. Neben der aufstrebenden Schauspielerin Saoirse Ronan in der weiblichen Hauptrolle treten u.a. Bill Murray, Tim Robbins, Martin Landau und Marianne Jean-Baptiste auf.
Einen ausführlichen Bericht zum Film gibt es im Blog.

Der Clan der Magier von Roger ZelaznyMysteriöse Dinge geschehen in London. In einer etwas abgelegenen Gegend vor den Toren der Stadt finden sich einige merkwürdige Gestalten ein: der große Doktor zum Beispiel, über dessen Haus stets eine düstere Gewitterwolke hängt, oder der Graf, dessen morbide Schlafstätte sich unter einer alten Ruine befindet. Zusammen mit ihren tierischen Gehilfen spielen diese seltsamen Gesellen ein grausiges Spiel. Wird es gelingen, das Tor zur Hölle zu öffnen?
Der Wachhund Snuff, Gehilfe eines der Spieler, erzählt in seinem Tagebuch von den aufregenden Geschehnissen und Abenteuern, die er während des Monats Oktober in diesem Spiel erlebt, erzählt von Verrat und Intrigen, von Mord und Freundschaft.

– Ich bin ein Wachhund. Mein Name ist Snuff. Mit meinem Herren Jack lebe ich mittlerweile außerhalb von London. Doch ich liebe Soho bei Nacht mit den Nebeln voller Gerüche in seinen dunklen Straßen. Immer ist es still und wir machen lange Spaziergänge. Auf Jack lastet ein uralter Fluch und er muss den größten Teil seiner Arbeit Nachts erledigen, um noch Schlimmeres zu verhindern. Ich passe auf, während er damit beschäftigt ist. Wenn jemand kommt, heule ich. –

Roger Zelazny erzählt in Clan der Magier (A Night in the Lonesome October) eine abenteuerliche, bizarre Geschichte voller Humor und Charme. Durch die erfrischend einfache, freundliche Art des Protagonisten Snuff gelingt es ihm, den Leser stets zu fesseln und zu begeistern. Die bodenständige Erzählweise und unkomplizierte Schreibweise gestatten einen vorzüglichen Textfluss, das Buch liest sich leicht und angenehm.

Auch der Ansatz des Autors, die Geschehnisse aus der Sicht der tierischen Helfer, der eigentlich Handelnden, über den Umweg der Tierfantasy, zu schildern, erweist sich hierbei als äußerst probates Mittel: so rückt die eigentliche Handlung in den Hintergrund, verliert an Schärfe, entwickelt sich zusehends zur Groteske. Die ohnehin comichaft überzeichneten, prototypischen (menschlichen) Charaktere glänzen in ihrer ganzen Absurdität hervor.
Zwar bietet die Geschichte keinen großen “Aha-Effekt”, enthält keine wirklich neuen Erkenntnisse oder Überraschungen, nichtsdestotrotz aber bietet sich Der Clan der Magier (A Night in the Lonesome October) als erfrischend heiteres Werk dar, wie geschaffen dafür, ein sonniges Schmunzeln auf die Gesichter der Leser zu zaubern, in den grauen Tagen des “lonesome October”.

Unbestritten ist Zelazny eine feste Größe auf dem Gebiet der Funtasy und steckt auch mit diesem – wenngleich nicht seinem besten – Buch so manchen seiner Kollegen in die Tasche.

Clan Rathskeller von Kevin HearneOh du fröhliche … Druidenzeit! Während die Bürger von Tempe sich im milden Winter auf das Weihnachtsfest vorbereiten, befinden sich waschechte Geschöpfe der keltischen Mythologie unerkannt unter ihnen. Getarnt als Weihnachtselfen in einer Shopping Mall, trachten die letzten Gnome des Clans Rathskeller einem diebischen Kobold nach dem Leben. Atticus und sein irischer Wolfshund Oberon stolpern unfreiwillig nicht nur in konsumwütige Shopper, sondern auch in eine Verfolgungsjagd, die das Chaos perfekt macht.

Oberon stopped and cocked his head to one side. <You’re telling me those are gnomes pretending to be dwarfs pretending to be elves? Are you trying to play Six Degrees of Bilbo Baggins again?>

Oh, Atticus, es geht doch nichts über eine charmante kleine Geschichte, um daran zu erinnern, warum du so umwerfend (witzig) bist.

Clan Rathskeller ist wie A Test of Mettle eine Kurzgeschichte von Kevin Hearne, die zu der Buchreihe The Iron Druid Chronicles gehört und kostenlos zum Download angeboten wird. Die Geschichte spielt chronologisch betrachtet zehn Monate vor Band 1 (Hounded/Die Hetzjagd) und ist zwar nicht handlungsrelevant für die Reihe, dafür aber ein köstlicher Happen Humor für zwischendurch, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Da die Charaktere hier nicht näher vorgestellt bzw. ausgearbeitet werden, ist es für Neueinsteiger vielleicht trotzdem ganz ratsam, nicht gleich mit Clan Rathskeller in die Iron Druid Chronicles einzusteigen. Es könnten sonst doch einige Dinge Fragen aufwerfen, die erst durch die Bücher erklärt werden und dem Leser das nötige Grundwissen vermitteln.

Wer nun schon die Freude hatte, mindestens Hounded gelesen zu haben, der wird Clan Rathskeller als sehr unterhaltsamen Zusatzstoff empfinden, mit einem typischen Atticus, bei dem es viel zu lachen gibt. Eine etwas andere Weihnachtsgeschichte könnte man es auch nennen, schließlich wird hier ein böser Kobold von Santas Elfen verfolgt. Allein die Vorstellung lässt einen schon albern kichern.
So richtig witzig wird es aber natürlich erst, wenn man tatsächlich die Geschichte selbst liest und sich die teils urkomisch gezeichneten Bilder vor dem geistigen Auge ausmalt. Oberon kann auch im Angesicht einer ernsten Lage nur an mit Schinken umwickelte Steaks denken, Atticus muss mal wieder blank ziehen (ja hier darf gesabbert werden, liebe LeserInnen), eine Emo-Fee macht außerdem Bekanntschaft mit einem Kühlergrill und wer dachte, Gnome und Stöckelschuhe passen nicht so richtig zusammen … der hatte recht.

Kurz gesagt: Clan Rathskeller, ein Titel, der einen leicht auf eine falsche Spur führen kann, ist eine schrecklich amüsante Ergänzung zu den Büchern, mit liebenswert schrulligen Figuren und mindestens einem Beweis mehr, dass Autor Kevin Hearne für jede Lage passende Querverweise zu Musik, Film und Literatur auf Lager hat. Überhaupt ist es erfrischend, wie dieser Autor es schafft, einen alle zwei Minuten lachen oder grinsen zu lassen, ohne dabei platt oder Slap-Stick-artig zu werden. Bitte mehr davon!

The Cloud Roads von Martha WellsIn einer ungezähmten Welt, in der jede Siedlung Gefahr läuft, von Schwärmen der Fell – geflügelter Raubtiere – überfallen zu werden, bemüht sich der junge Mann Moon darum, sich anzupassen und nicht aufzufallen. Er weiß nicht, woher er die Fähigkeit hat, sich in eine geflügelte Kreatur zu verwandeln, und er ist deswegen schon aus vielen Gemeinschaften verjagt worden. Als er eines nachts eine Ruine auf einer schwebenden Felsinsel erkundet, trifft er auf einen anderen, der ist wie er. Aber kann er ihm vertrauen?

-Moon had been thrown out of a lot of groundling settlements and camps, but he hadn’t expected it from the Cordans.-
Chapter 1

Bunt, überraschend und verspielt – das sind drei Eigenschaften, die der Fantasy in Zeiten des grauen Zynismus irgendwie abhanden gekommen sind, und vielleicht sind sie ein Grund, weshalb Martha Wells’ The Cloud Roads so begeistert aufgenommen wurde: Endlich mal wieder ein Buch, das man nicht aus der Hand legen kann, wie früher, so war in vielen Besprechungen zu lesen. Aber kann man dahin überhaupt noch so einfach zurück, ins Reich der Lesenostalgie, oder ist das dann doch zu simple Kost für übersättigte Geschichtengourmands?
An The Cloud Roads ist tatsächlich einiges „wie früher“: Martha Wells siedelt ihre Raksura-Geschichten auf einer relativ unbekümmert zusammenfabulierten Welt an, im allerbesten Sinne. Es gibt kein wahnsinnig exzessives Worldbuilding, aber dafür ganz viel Sense of Wonder, grüne Leute, schuppige Leute, umherwandernde Pflanzen, winzige und riesige phantasievolle Tiere, schwebende Inseln, gelbe Ozeane und auch sonst alles, was das Forscher- und Entdeckerherz begehren könnte.

Und in dieser Kulisse spielt sich ein spannendes Abenteuergarn ab, eine klassische Außenseitergeschichte, die um Freundschaft und Zugehörigkeit (aber nicht unbedingt Coming of Age!) kreist, eine hervorragende Figurenpsychologie und -dynamik bietet und das Ganze mit netten Nebenfiguren und einer Queste würzt. Die Welt wird vielleicht nicht gerettet, aber Moon ist ständig auf Achse und steckt in sich immer wieder neu entwickelnden Schwierigkeiten.
So weit, so nett – aber es stellt sich schnell heraus, dass Martha Wells eben doch nicht alles so macht wie früher.
Ihre Gestaltwandler – die Raksura, eine zivilisierte Raubtierspezies, die man sehr wohl als recht naturalistisch dargestellte Drachen lesen kann – leben in einer rigiden Gesellschaft, die von ihrer Biologie geprägt ist. Wer sich überhaupt fortpflanzen kann und darf, wer welche Rechte und Pflichten ausüben kann und muss, ist vorbestimmt und zeigt sich sogar in körperlichen Merkmalen. Und Moons Rolle in der Geschichte scheint genauso vorbestimmt – der Außenseiter, der endlich seinen Platz findet und sich bewähren kann. Doch ein Leben voller schlechter Erfahrungen hat ihn zu einem einzigen Bündel aus Misstrauen und Zurückhaltung gemacht, und die Art und Weise, wie die von der Natur festgelegten Vorgaben auf persönliche Beziehungen zurückwirken, verkompliziert seine Situation weiter.

Martha Wells nutzt die von ihrer Biologie beherrschten Raksura außerdem für höchst interessante Gender-Konstruktionen: Moon, der versucht hat, sich als Jäger oder Krieger in diversen Gemeinschaften einzugliedern, stellt plötzlich fest, dass bei den Raksura die Männer das kostbare, schützenswerte Geschlecht sind, dass sie umsorgt und umworben werden. Wie schnell man auf diese Weise die Dynamik romantischer Geschichten gehörig durcheinanderwirbeln kann, ist beeindruckend. Und Wells schafft das Kunststück, damit gleichzeitig einen feministischen Kommentar abzugeben und trotzdem niemals vergessen zu lassen, dass ihre Raksura nichts Menschliches an sich haben. An der Oberfläche zeigt sich das auch in den rauschhaften Flugszenen und -kämpfen, die Wells beschreibt.

Die Welt der Raksura ist so alt und skurril wie sie selbst, voller Ruinen untergegangener Zivilisationen, die nur eines vereint: Sie haben wenig mit dem gemein, was man kennt, so dass The Cloud Roads zu einer Fantasy ganz ohne Menschen wird, die hier in keiner ihrer üblichen Erscheinungsformen vertreten sind (man muss sehr selektiv lesen, wenn man irgendwo einen Normalbürger von Fantasyland erspähen möchte). Nostalgisch ist daran vor allem die Bereitschaft, in eine völlig fremdartige Welt einzutauchen und sich auf etwas einzulassen, das einem zunächst wenige Bezugspunkte liefert. Und wenn es sich dann nach Jugendbuch anhört, was Martha Wells über Identität und die Narben erzählt, die ihr Fehlen hinterlässt, über die Akzeptanz von Andersartigkeit und den Umgang mit Schuld, kann man darauf vertrauen, dass die Cloud Roads neuen Wegen folgen und auch einen reiferen Blick auf die Problematik zulassen.

A Conspiracy of Kings von Megan Whalen TurnerSophos, der eher gelehrsame als machtbewusste Neffe und Erbe des Königs von Sounis, wird verschleppt und gerät in die Sklaverei. Kaum ist er dieser misslichen Lage mit knapper Not entronnen, sieht er sich mit Schwierigkeiten eines ganz anderen Kalibers konfrontiert: Sein Onkel ist während seiner Abwesenheit ums Leben gekommen, und die Herrschaftsübernahme in dem von inneren Wirren geplagten Land gestaltet sich äußerst problematisch, zumal die allgegenwärtigen Meder natürlich wie gewohnt die Situation zu ihren Gunsten auszunutzen trachten. Aus eigener Kraft kann Sophos sich schwerlich halten, doch die angebotene Hilfe aus dem Ausland hat ihren Preis…

– The king was visible now, sitting upright in the carriage beside the queen. The carriage drew closer. The young man clinging to the street marker took his aim, waited for the right moment, and with a concentrated puff of air, fired the shot. –
Prologue

Es wird dem vierten Teil der Attolia-Reihe bis zu einem gewissen Grade zum Verhängnis, dass er zu einer Serie gehört: Als Einzelroman würde er einen vorbehaltlos begeistern, doch im direkten Vergleich mit seinem furiosen Vorgängerband fällt er ein wenig ab und weist auch mehr typische Jugendbuchzüge auf. In hohem Maße ist dies sicher der Wahl des zeitweise als Ich-Erzähler fungierenden Helden geschuldet, denn der schon aus dem ersten Band bekannte Sophos ist nicht nur für einen klassischen Entwicklungsroman geradezu prädestiniert, sondern von vornherein weitaus konventioneller angelegt als die in den anderen Büchern zentralen Gestalten.

Dennoch ist er ein sympathischer Protagonist, mit dem sich besonders jüngere Leser sicher identifizieren können, und Turner schildert durchaus überzeugend, wie die freundliche Naivität ihres Helden Stück für Stück der Erkenntnis weicht, dass Rücksichtslosigkeit bis hin zur Missachtung völkerrechtlicher Vorschriften und nicht zuletzt ein furchteinflößender Ruf sich als Schlüssel zum Erfolg erweisen können. Manch eine moralisch fragwürdige Tat ist dabei wirkungsvoll in Szene gesetzt – wahrscheinlich ist man selten in so großer Versuchung wie hier, einem dreisten Ignorieren diplomatischer Immunität Beifall zu zollen.

Turner erliegt allerdings nicht der Faszination der Skrupellosigkeit und Gewalt: Anders als in vielen anderen zeitgenössischen Fantasyromanen werden Werte als Richtschnur menschlichen Handelns nicht lächerlich gemacht oder für unbedeutend erklärt. Das Ringen darum, sich auch unter ungünstigen Bedingungen wenigstens ein Mindestmaß an Anstand zu bewahren, spielt auch hier wieder eine Rolle, wie überhaupt die Beziehungen zwischen den einzelnen Figuren fein ausgelotet werden. Trotz aller ernsten oder gar tragischen Aspekte bringt einen dabei wieder manch ein gelungener Dialog zum Schmunzeln.

Die Welt, in der Sophos seine Abenteuer erlebt, ist liebevoll ausgestaltet und wartet mit ungewohnten Perspektiven auf. Hat man bisher vor allem das Leben der Eliten an den verschiedenen Königshöfen verfolgt, steht hier in der Anfangsphase der Alltag der Sklaven auf dem Lande im Vordergrund, der mit seinen Hierarchien, Nöten und kleinen Freuden differenziert geschildert wird. Vielleicht spiegelt sich hier Turners erklärte Vorliebe für Rosemary Sutcliffs Werke wider, in denen das Heranreifen eines ursprünglich aus besseren Verhältnissen stammenden jungen Mannes in der Sklaverei (oder zumindest in einer untergeordneten Dienerrolle) ein wiederkehrendes Motiv ist.

Neben dieser möglichen äußeren Inspiration ist A Conspiracy of Kings aber vor allem ein Roman, in dem viele Rückbezüge auf die bisherigen Bände der Reihe zu entdecken sind. Turner führt hier ihre Technik der nachträglichen Umdeutung auf eine buchübergreifende Ebene: Viele scheinbar nebensächliche Einzelheiten aus The Thief erscheinen einem in der Rückschau wie gezielte Vorausverweise auf Entwicklungen, die sich erst hier vollziehen. Handlungsmäßige Parallelen ergeben sich dagegen vor allem zum zweiten Band. Wer sich noch an die Vorgehensweise der Königin von Attolia bei ihrer Thronbesteigung oder an die Intrigen des Meders Nahuseresh erinnert, wird hier viele altvertraute Plotelemente vorfinden, die zwar mit Verve zum Einsatz gebracht werden, aber den Reiz des Neuen ein wenig verloren haben.

Auch insgesamt wirkt Turner diesmal bestrebt, eher von langer Hand Vorbereitetes auszuarbeiten, als große Überraschungen zu bieten. Eine politische Entwicklung, die seit dem ersten Band zumindest als Möglichkeit im Raume stand, tritt tatsächlich ein, und auch manche Veränderung im Beziehungsgeflecht der Hauptpersonen kommt nicht unerwartet. So scheint mit dem Ende des Bandes ein vorläufiger Schlusspunkt erreicht zu sein; eine Fortsetzung müsste sich ein wenig von den mittlerweile ausgetretenen Pfaden wegbewegen, um interessant zu bleiben.

Dennoch ist A Conspiracy of Kings ein solider Teil einer alles in allem überdurchschnittlichen Buchreihe und wird Fans durchdachter, ohne Effekthascherei erzählter Geschichten sicher nicht enttäuschen.

Corpus Delicti von Juli ZehMia Holl leidet, seit ihr Bruder, der aufgrund eines erschlagenden DNA-Beweises des Mordes überführt wurde, im Gefängnis den Freitod gewählt hat. Sie leidet so sehr, dass sie ihr Sportprogamm und die Überprüfung und Abgabe ihrer Körperdaten vernachlässigt. Dadurch gerät sie in die Mühlen der Bürokratie des Staates, der der “Methode” folgt, einer Regierungsform, in der Gesundheit der höchste und einzige Wert ist. Ihr Fall schlägt hohe Wellen, sie verstrickt sich immer tiefer, und die Kritik ihres Bruders an der “Methode” wirkt in ihr nach.

-Rings um zusammengewachsene Städte bedeckt Wald die Hügelketten.-
Mitten am Tag, in der Mitte des Jahrhunderts

Für junge Leser ist die Dystopie seit einer Weile im Trend, für Erwachsene scheinen die Höhepunkte des Subgenres dagegen schon längst von gestern zu sein. Aber rufen die Tatsache, dass die Klassiker langsam von der Gegenwart eingeholt werden, und das Einzughalten neuer Entwicklungen nicht nach unverbrauchten dystopischen Szenarien?
Schon kurz vor dem Boom der All-Age-Dystopie ist Juli Zeh mit ihrer Vision eines Überwachungs- und Gesundheitsterror-Staates in SF-Gefilde vorgedrungen und hat damit Themen aufgegriffen, die Lust machen, sich auf das “was wäre wenn?”-Spiel einzulassen.
Man könnte nun die x-te Überlegung über Nicht-Genre-Autoren anstellen, die ins Genre drängen (wobei nicht ganz klar ist, ob Zeh das wirklich beabsichtigt hat), doch der Fokus von Corpus Delicti liegt ohnehin nicht auf den SF-Elementen und dem Zukunftsentwurf, sondern auf rechtsphilosophischen Betrachtungen und der Beobachtung menschlicher Reaktionen auf gesellschaftliche Entwicklungen, die nur grob angerissen und mit zu wenigen Mosaiksteinchen konkretisiert werden, als dass man sich auch nur annähernd ein Gesamtbild zusammensetzen könnte. Sogar die Sprache des neuen Regimes, die seit jeher ein Medium für die dahinterstehende Ideologie darstellt, ist lediglich anhand einiger prägnanter Einzelheiten wie dem omnipräsenten Gruß “Santé!” herausgearbeitet.

Corpus Delicti ist ein durchaus spannend und geschickt mit Rückblenden und anderen Kniffen verschachtelter Roman, der nicht davor zurückscheut, nach allen Regeln der unterhaltungsliterarischen Kunst Nebenfiguren in Stellung zu bringen, die dann wie ein Uhrwerk ihre Funktion im Spannungsaufbau erfüllen, besonders in den (jawohl!) Action-Szenen. Letzten Endes erwächst die Spannung aber vor allem daraus, dass die meist passive, von außen bewegte Heldin unvorhersehbar handelt (oder eher das Handeln unterlässt) und so gut wie alles geschehen kann, ohne Konsequenz des Vorausgehenden sein zu müssen.
Kafkaeske Auslieferung an die Staatsmacht nimmt in der Tat auch den Großteil der Handlung des mit “Ein Prozess” untertitelten Romans ein, dem ein gleichnamiges Theaterstück vorausgegangen ist. Das Gewicht liegt dementsprechend auf den mit vielen Hintergründen ausgearbeiteten Gerichtsszenen, von denen Zeh auch sonst stilistisch nicht unbeeinflusst scheint. Die Abschnitte dazwischen haben dagegen etwas Skizzenhaftes, was durch die zunehmend extrem handelnden Figuren der Nachvollziehbarkeit des Geschehens nicht gerade zum Vorteil gereicht – besonders die Figurenbeziehungen bleiben kryptisch und die Charaktere selbst seltsam unlebendig, ihre biographischen Hintergründe, etwa Mia Holls Berufswissen als Biologin, werden zwar bei Bedarf ausgepackt und eingesetzt, färben aber sonst nicht auf das Innenleben ab.

Interessant bleibt vor allem die Ausgangsfrage nach der Natur des “Methode” genannten staatlichen Gesundheitsterrors und vor allem nach dem Menschen darin. Da aber die Methode der “Methode” sich vor allem schöner neuer Überwachungstechnik bedient, ist die Kritik am Überwachungsstaat und seinen in ihrer Komfortzone ungestörten Mitläufern in Corpus Delicti ausgeprägter als die am Gesundheitswahn, und damit hat das Szenario seine Unverbrauchtheit schnell verspielt. Für die rechtsphilosophische Fragestellung muss dann auch ein möglicher (Achtung, Spoiler im Link), aber konstruierter Fall herangezogen werden, die echten Probleme eines solchen Weltentwurfs bleiben Andeutungen oder ganz unausgesprochen – was der Handlung etwas von einem aufgesetzten Diskurs verleiht.
Zu einem guten Teil ist der künstliche Charakter Programm: Eine Welt ohne Krankheit, wie sie in Corpus Delicti ausgemalt wird, hat das Zeug zur (und ist in anderen phantastischen Szenarien eine) Utopie, hier wird sie zur blutleeren, sterilen und naturentfremdeten Welt. Ich bin krank, also bin ich?
Corpus Delicti liefert dazu eine interessante, mitunter spannende Betrachtung, der man jedoch das Konstrukt zu sehr ansieht, als dass sie auf überzeugende Weise Leben simulieren könnte.

The Coyote Road von Terri Windling und Ellen DatlowThe Coyote Road ist eine Anthologie, in der Genre-Autoren verschiedenen Trickster-Figuren nachspüren, überlieferten rund um die Welt wie Anansi, Coyote oder Kitsune, und neuen, die frische Interpretationen der Erzählmuster von Trickstergeschichten zulassen.

-You’ve probably seen those shoes by the side of the road. Just a shoe, lying in the dust just off the roadway. Not two shoes together. One odd shoe.-
One odd Shoe, Pat Murphy

Trickster treten in fast jeder Kultur in der einen oder anderen Form auf und sind faszinierende Figuren, weder gut noch schlecht, sondern einfach außerhalb der moralischen und gesellschaftlichen Kategorien und schon allein aufgrund dieser Position mächtig, aber meist nicht mit klassischen Formen der Macht ausgestattet – sie müssen sich durchmogeln. Mythen-Expertin Terri Windling erklärt im Vorwort der von ihr gemeinsam mit Ellen Datlow herausgegebenen Anthologie die verschiedenen Gestalten und Traditionen der Trickster-Figur, und damit ist man bestens gerüstet für die 22 Geschichten und 4 Gedichte, die darauf folgen.

Von den verschiedenen Zeiten, Stilen und Settings, in denen die Trickster in The Coyote Road auftreten, funktionieren die Geschichten mit modernem Hintergrund oft am besten – der Trickster ist eine Figur, die sehr stark mit dem Milieu arbeitet, und das kann ein Autor wie Charles de Lint beispielsweise bravourös in The Crow Roads heraufbeschwören, wo ein mysteriöser Fremder die Ödnis eines kleinen kanadischen Städtchens aufbricht, oder Pat Murphy mit der Eröffnungsgeschichte, die im amerikanischen Westen augenzwinkernd eine Frage aufklärt, die beinahe so spannend ist wie die nach den Einzelsocken in der Waschmaschine. Ebenfalls sehr stark in ihrem Milieu verwurzelt ist Delia Shermans The Fiddler of Bayou Teche, das die klassische Geschichte vom Pakt mit dem Teufel mit sumpfigem Südstaatenflair (und -slang) und Werwölfen neu belebt.
Die historisch angehauchten Geschichten sind zwar alle solide, aber ihnen fehlt häufig der Pfiff, der die Trickster in den moderneren Settings richtig schillern lässt – in alten Zeiten treten sie eher als Götter auf, unverständlich in ihren Motiven und den Menschen recht fern.

An sich sind Trickster ein famoser Kurzgeschichtenstoff, weil sie nicht bleiben. Sie ziehen durch, sind Momenterscheinungen – Glück oder Unglück, das je nach Perspektive über die Menschen hereinbricht und ihren Alltag ausschaltet. Dort lösen sie manchmal wie im Mythos Probleme, mit denen die Gesellschaft allein nicht fertig wird: Ein mysteriöser Fuchs hilft in Realer than You von Christopher Barzak einem entfremdeten Jungen beim Einleben in einem neuen Land, die Cat of the World von Michael Cadnum beschäftigt sich schon seit Jahrhunderten damit, das Leben für Katzen (und manchmal auch Menschen) besser zu gestalten.
Andere Trickster sind wie ein Sturm, der über die Menschen herfällt und sie häufig zum Vergnügen, selten mit richtig ernsten Absichten, wie Spielfiguren herumschiebt. Nur ganz selten gibt es eine Geschichte aus der Sicht eines der Trickster: Richard Bowes’ A Tale for the Short Days wirft einen Blick aus den Augen eines vielseitigen Diebesgottes auf die Welt, und im herrlich rätselhaften und bildgewaltigen Black Rock Blues von William Shetterly muss man sich erst einmal erarbeiten, wer warum in so großen Nöten ist und welche Rollen die auftretenden Figuren bekleiden. Häufig begegnen wir auch menschlichen Trickstern, etwa bei Patricia McKillip, oder die Trickster werden ausgetrickst wie bei Holly Blacks groteskem Besuch im Kosmos der Fresswettbewerbe. Ein weiteres prominentes Thema sind Trickster, die sich vergessen haben und sich quälen, bis ihr funkelndes Ich wieder durchbricht.

Neben Shermans, de Lints und Shetterlys Geschichten ist Kelly Links The Constable of Abal ein Highlight der Anthologie, das einen prächtigen Kosmos aus dekadenten, skurrilen Städten ausbreitet, durch den eine mehr als dysfunktionale kleine Familie mit einem nicht ganz fassbaren Geheimnis zieht. Theodora Goss trägt mit How Raven Made His Bride ein fesselndes Erzählgedicht bei, das lose auf nordamerikanischen Mythen aufbaut. Kij Johnson packt das Tricksterthema mit einem beinahe akademischen Ansatz an und seziert mit The Evolution of Trickster Stories Among the Dogs of North Park After the Change nicht nur den Archetypus, dem sich die ganze Anthologie widmet, sondern auch unser Verhältnis zu Tieren. Und auch Jeffrey Ford hat in The Dreaming Wind die Essenz des Tricksters herausgefiltert und lässt ihn völlig körperlos als urtümliche, verändernde Kraft auftreten, als die Kreativität selbst.

Da The Coyote Road eigentlich keine Ausfälle hat und die besten Geschichten die Facetten des Tricksters sehr gründlich einfangen, ohne ihm seine Unerklärlichkeit zu nehmen, kann man die von Charles Vess liebevoll ausgestattete Anthologie uneingeschränkt allen empfehlen, die sich diesen ambivalenten Figurentypus und sein Changieren zwischen erhabenem Mythos und Profanität näher anschauen wollen.

The Crown Conspiracy von Martin J. SullivanAls die Meisterdiebe Royce Melborn und Hadrian Blackwater den Auftrag erhalten, ein magisches Schwert aus der Königsburg zu stehlen, ahnen sie nicht, dass sie nur als Sündenböcke für ein weit schlimmeres Verbrechen missbraucht werden sollen. Der König wird erdolcht, und die am Tatort aufgegriffenen Einbrecher finden sich rasch als vermeintliche Mörder im Kerker wieder. Ein qualvolle Hinrichtung scheint unausweichlich, doch da macht Arista, die Tochter des Ermordeten, den beiden ein unerwartetes Angebot: Sie will ihnen zur Flucht verhelfen, wenn sie im Gegenzug ihren Bruder, den auf seine neue Aufgabe nur schlecht vorbereiteten Thronfolger Alric, entführen …

– By architectural standards, or any other measures, Ballentyne Castle was unremarkable and ordinary in every respect. No great king or hero ever called the castle home. Nor was it the site of any legend, ghost story, or battle. Instead, it was the perfect example of mediocrity and the mundane. –
Chapter 1 – Stolen Letters

Es ist beim besten Willen keine hohe Literatur, was Michael J. Sullivan in The Crown Conspiracy bietet, sondern recht simple Abenteuerfantasy, die bewährten Schemata verhaftet ist und in der man gesunden Menschenverstand bei den Figuren, Realismus oder konsequente Logik oft vergeblich sucht. Dementsprechend wenig überraschend entwickelt sich auch der Plot um das nolens volens in die Machtkämpfe eines kleinen Königreichs hineingezogene Gaunerduo, das in seiner Gegensätzlichkeit ebenso dem Klischee entspricht wie die meisten anderen Charaktere. Unreife Kronprinzen, exzentrische Zauberer, weltfremde Mönche, korrupte Priester, opportunistische bis ritterliche Adlige und Huren mit goldenem Herzen gehören nun einmal zum Standardinventar einer bestimmten Form von Fantasy und werden hier nicht etwa ironisiert, sondern mit der fast naiven Ernsthaftigkeit zum Einsatz gebracht, die dem Genre in den letzten Jahren eigentlich verloren gegangen ist. Der Einfachheit des Inhalts entspricht die fast durchgehend schnörkellose Sprache, die auch Lesern, die sich nur selten an englische Originaltexte wagen, keine großen Schwierigkeiten bereiten dürfte.

Auch der Weltenbau enthält viel Althergebrachtes: Die Helden bewegen sich durch eine wenig originelle Topographie aus Städten, Burgen und Landgebieten mit dem ein oder anderen architektonischen Überbleibsel einer glorreicheren Vergangenheit, die zur Handlungszeit natürlich bereits einem klassischen Pseudomittelalter gewichen ist, in dem eine vage an das Christentum angelehnte, gespaltene Kirche und unterschiedliche politische Parteiungen teilweise auch länderübergreifend um Einfluss ringen. Neben Menschen sind Elfen und Zwerge zu finden, und auch die Magie folgt gewohnten Mustern.

Am Rande sind in dieser erst sehr derivativ anmutenden Kulisse allerdings durchaus interessante Ideen versteckt: So gestaltet sich etwa die Kommunikation mit einem seit Jahrhunderten in einem magischen Gefängnis schmachtenden Zauberer schon aus dem Grunde schwierig, dass er selbst nach Lehrstunden in moderner Sprache immer noch ungefähr so klingt, als würde Yoda sich auf Mittelenglisch zu äußern versuchen, und sich nur zähneknirschend bereiterklärt, an seiner Ausdrucksweise zu arbeiten.

Während dies sich noch vor allem amüsant liest, werden unversehens auch ernstere Themen präsentiert: Die Elfen sind nach langer Unterdrückung und Versklavung durch die Menschen zu einer marginalisierten Randgruppe heruntergekommen, deren besondere Fähigkeiten zwischen Armut und Alkoholmissbrauch kaum noch zur Entfaltung gelangen. Wenn Sullivan an ihrem Beispiel alltäglichen Rassismus schildert, beweist er eine Feinfühligkeit, mit der man zwischen all den munteren Abenteuern und flotten Sprüchen nicht rechnet, die aber auch in manchen anderen Szenen plötzlich aufscheint (etwa im schwierigen Abschied eines schon im Kindesalter ins Kloster gesteckten Mannes von dieser einzigen ihm vertrauten Heimat).

Solche Momente und die spürbare Sympathie des Autors für seine in all ihrer Gewöhnlichkeit doch irgendwie ziemlich liebenswerten Helden ziehen einen fast wider Willen in die Geschichte und sorgen dafür, dass nach dem Ende der Lektüre mehr hängen bleibt, als man es diesem Roman eigentlich zutraut. Abseits hoher Ansprüche und neuer Trends im Genre entfaltet The Crown Conspiracy einen gewissen nostalgischen Charme, der einen über die unleugbaren Schwächen hinwegtröstet und den Roman zur guilty pleasure macht, wobei man guilty vielleicht groß schreiben sollte – doch das hätte ein Buch, das so erkennbar gut gemeint ist, nun auch wieder nicht verdient.

The Crown Jewels von Walter Jon WilliamsDrake Maijstral, adlig, weltgewandt, kriminell, hat sich den Planeten Peleng ausgesucht, um ein paar krumme Dinger abzuziehen. Dort versammelt sich gerade so einiges mit Rang und Namen aus der Galaxis, beste Gelegenheiten also für Drake, die Reichen, Schönen und Wichtigen auf gesellschaftlichen Ereignissen auszuspähen und später auszunehmen. Doch auf Peleng geht es um mehr als nur Bälle, Blitzlichtgewitter und Abhängen im Landhaus: Insgeheim wird dort große Politik gemacht. Und Drake ist drauf und dran, mitten hinein zu schlittern …

– Drake Maijstral walked on soft leather buskins down the center of the Peleng City ballroom and never made a noise. He was light-footed by trade.-
Chapter One

SF und Humor sind eigentlich keine Genres, die sich oft in trauter Zweisamkeit zwischen zwei Buchdeckeln wiederfinden, mit Ausnahme vielleicht von parodistischen One-Night-Stands. Bei Walter Jon Williams’ Drake Maijstral-Trilogie läuft die Sache allerdings so geschmeidig, dass man beinahe an eine längerfristige Beziehung glauben könnte. Aber Williams nutzt auch einige Tricks, um die beiden zu verkuppeln: Die SF-Elemente stammen aus der fantasy-nahen Space Opera. Es gibt eine rückwärtsgewandte, die Galaxis überspannende Gesellschaft mit Bällen, Protokollen und Hierarchien, in der Hochzeiten und Beziehungen eine große Rolle spielen. Und in dieses opulente SF-Setting hat Williams das Motiv vom Gentleman-Dieb verfrachtet, der sich durch die oberen Gesellschaftsschichten bewegt.
Als besonderer Clou ist Drake Maijstral, ein Trickster-Jüngling mit persönlicher Vendetta, nicht einmal im eigentlichen Sinne kriminell, denn das gesellschaftlich anerkannte Konzept des „Allowed Burglar“ bringt einen gewissen Respekt vor meisterhaft abgezogenen Diebstählen mit sich, die in den stets der High Society hinterherspionierenden Medien abgefeiert werden und mit einem gewissen Ruhm einhergehen.

Für Reibung und unendliche Möglichkeiten, die Situation für glorreiche Diebestaten auszunutzen, sorgt ein bewährtes Zwei-Fraktionen-Konzept, in dem ein aggressives galaktisches Alien-Imperium mit sich zur eigenen Autorität gemausert habenden menschlichen Rebellen auf Augenhöhe verhandeln muss. Auf diesem diplomatisch delikaten Terrain bewegt sich die Handlung, auch wenn die epische Breite der Geschichte letztlich im Hintergrund bleibt, da sich The Crown Jewels vorrangig auf dem Planeten Peleng abspielt, auf dem der Tross der oberen Zehntausend wie ehedem das Wanderkönigtum eine Weile Halt macht. Trotzdem behandelt The Crown Jewels die Themen Eroberung, Überfremdung, Imperialismus, Loyalität und Fanatismus, jedoch auf spielerisch-leichte Weise. Wie auch anders, wenn die Eroberer fluffige … Katzenbären sind?
Für den SF-Einschlag sorgen vor allem die omnipräsenten Medien (nicht so weit weg von der heutigen Boulevardpresse) und die ausgeklügelte Technik – beides macht sich Drake bei seinen Beutezügen (und den Winkelzügen, um am Ende ganz smooth auf der legalen Seite und um einiges reicher dazustehen) gekonnt zunutze.

So viel also zu den Hintergründen, das eigentlich Spannende an The Crown Jewels ist die Umsetzung: In kurzen Abschnitten lässt Williams die Geschichte in einem extrem flotten Rhythmus über die Bühne tänzeln, manchmal sogar staccato: Es gibt tatsächlich Kapitel, die die Geschichte in nur einem Wort nach vorne katapultieren und das Konzept des Prosa-Erzählens ziemlich ausreizen. Ein Kunststück, das man eigentlich gelesen haben muss, um zu glauben, was da erzählerisch abgeht, sind die elaborierten Tanzszenen (es geht um Hoftänze mit wechselnden Partnern), die an den Höhe- und Wendepunkten der Geschichte zum Einsatz kommen.
Gelungener Slapstick-Humor ist eine feste Größe bei The Crown Jewels, genauso wie Wortspiele (man beachte den Titel, höhö) und ein generell spielerischer Umgang mit Sprache und Sprachebenen, der auch dazu dient, die liebenswerte Figurenriege zu charakterisieren, die bis in die kleinsten Nebenrollen Spaß macht, begünstigt durch die vielen Szenen- und Perspektiv-Wechsel, bei denen man Einblick in die schrulligen, edlen, verruchten oder überambitionierten Protagonisten bekommt, Menschen wie Aliens, vom Ex-Militär bis zum dumpfen Schläger.

Mit irrsinnigen Verfolgungsjagden, Keilereien mit viel Kollateralschaden an Keramik, spritzigen Dialogen und absurden Manövern des kriminellen Genies Drake mäandert The Crown Jewels zwischen Screwball-Komödie und Gesellschaftsstück und wirkt beinahe etwas sperrig, wenn es dann wirklich (aber nur kurz!) ernst wird.
The Crown Jewels hat keinen großen Tiefgang – allein schon um der vielen Geheimpläne willen muss es sich auch bei den Figuren eher am Äußeren als am Inneren entlanghangeln –, es ist eine Spaßlektüre, die die eingegliederten Genres auf die Spitze treibt und ein bisschen auf den Arm nimmt, ein tänzelnd leichtes Vergnügen, doch als solches durchaus meisterhaft choreografiert.