Autor: Williams@Walter Jon

The Crown Jewels von Walter Jon WilliamsDrake Maijstral, adlig, weltgewandt, kriminell, hat sich den Planeten Peleng ausgesucht, um ein paar krumme Dinger abzuziehen. Dort versammelt sich gerade so einiges mit Rang und Namen aus der Galaxis, beste Gelegenheiten also für Drake, die Reichen, Schönen und Wichtigen auf gesellschaftlichen Ereignissen auszuspähen und später auszunehmen. Doch auf Peleng geht es um mehr als nur Bälle, Blitzlichtgewitter und Abhängen im Landhaus: Insgeheim wird dort große Politik gemacht. Und Drake ist drauf und dran, mitten hinein zu schlittern …

– Drake Maijstral walked on soft leather buskins down the center of the Peleng City ballroom and never made a noise. He was light-footed by trade.-
Chapter One

SF und Humor sind eigentlich keine Genres, die sich oft in trauter Zweisamkeit zwischen zwei Buchdeckeln wiederfinden, mit Ausnahme vielleicht von parodistischen One-Night-Stands. Bei Walter Jon Williams’ Drake Maijstral-Trilogie läuft die Sache allerdings so geschmeidig, dass man beinahe an eine längerfristige Beziehung glauben könnte. Aber Williams nutzt auch einige Tricks, um die beiden zu verkuppeln: Die SF-Elemente stammen aus der fantasy-nahen Space Opera. Es gibt eine rückwärtsgewandte, die Galaxis überspannende Gesellschaft mit Bällen, Protokollen und Hierarchien, in der Hochzeiten und Beziehungen eine große Rolle spielen. Und in dieses opulente SF-Setting hat Williams das Motiv vom Gentleman-Dieb verfrachtet, der sich durch die oberen Gesellschaftsschichten bewegt.
Als besonderer Clou ist Drake Maijstral, ein Trickster-Jüngling mit persönlicher Vendetta, nicht einmal im eigentlichen Sinne kriminell, denn das gesellschaftlich anerkannte Konzept des „Allowed Burglar“ bringt einen gewissen Respekt vor meisterhaft abgezogenen Diebstählen mit sich, die in den stets der High Society hinterherspionierenden Medien abgefeiert werden und mit einem gewissen Ruhm einhergehen.

Für Reibung und unendliche Möglichkeiten, die Situation für glorreiche Diebestaten auszunutzen, sorgt ein bewährtes Zwei-Fraktionen-Konzept, in dem ein aggressives galaktisches Alien-Imperium mit sich zur eigenen Autorität gemausert habenden menschlichen Rebellen auf Augenhöhe verhandeln muss. Auf diesem diplomatisch delikaten Terrain bewegt sich die Handlung, auch wenn die epische Breite der Geschichte letztlich im Hintergrund bleibt, da sich The Crown Jewels vorrangig auf dem Planeten Peleng abspielt, auf dem der Tross der oberen Zehntausend wie ehedem das Wanderkönigtum eine Weile Halt macht. Trotzdem behandelt The Crown Jewels die Themen Eroberung, Überfremdung, Imperialismus, Loyalität und Fanatismus, jedoch auf spielerisch-leichte Weise. Wie auch anders, wenn die Eroberer fluffige … Katzenbären sind?
Für den SF-Einschlag sorgen vor allem die omnipräsenten Medien (nicht so weit weg von der heutigen Boulevardpresse) und die ausgeklügelte Technik – beides macht sich Drake bei seinen Beutezügen (und den Winkelzügen, um am Ende ganz smooth auf der legalen Seite und um einiges reicher dazustehen) gekonnt zunutze.

So viel also zu den Hintergründen, das eigentlich Spannende an The Crown Jewels ist die Umsetzung: In kurzen Abschnitten lässt Williams die Geschichte in einem extrem flotten Rhythmus über die Bühne tänzeln, manchmal sogar staccato: Es gibt tatsächlich Kapitel, die die Geschichte in nur einem Wort nach vorne katapultieren und das Konzept des Prosa-Erzählens ziemlich ausreizen. Ein Kunststück, das man eigentlich gelesen haben muss, um zu glauben, was da erzählerisch abgeht, sind die elaborierten Tanzszenen (es geht um Hoftänze mit wechselnden Partnern), die an den Höhe- und Wendepunkten der Geschichte zum Einsatz kommen.
Gelungener Slapstick-Humor ist eine feste Größe bei The Crown Jewels, genauso wie Wortspiele (man beachte den Titel, höhö) und ein generell spielerischer Umgang mit Sprache und Sprachebenen, der auch dazu dient, die liebenswerte Figurenriege zu charakterisieren, die bis in die kleinsten Nebenrollen Spaß macht, begünstigt durch die vielen Szenen- und Perspektiv-Wechsel, bei denen man Einblick in die schrulligen, edlen, verruchten oder überambitionierten Protagonisten bekommt, Menschen wie Aliens, vom Ex-Militär bis zum dumpfen Schläger.

Mit irrsinnigen Verfolgungsjagden, Keilereien mit viel Kollateralschaden an Keramik, spritzigen Dialogen und absurden Manövern des kriminellen Genies Drake mäandert The Crown Jewels zwischen Screwball-Komödie und Gesellschaftsstück und wirkt beinahe etwas sperrig, wenn es dann wirklich (aber nur kurz!) ernst wird.
The Crown Jewels hat keinen großen Tiefgang – allein schon um der vielen Geheimpläne willen muss es sich auch bei den Figuren eher am Äußeren als am Inneren entlanghangeln –, es ist eine Spaßlektüre, die die eingegliederten Genres auf die Spitze treibt und ein bisschen auf den Arm nimmt, ein tänzelnd leichtes Vergnügen, doch als solches durchaus meisterhaft choreografiert.

Implied Spaces von Walter Jon WilliamsDer Schwertkämpfer Aristide zieht mit seiner Katze (Haus-, nicht Reit- 😉 ) durch die Wüste, doch an einer Oase begegnet er einer unter Belagerung festsitzenden Karawane. Er lässt sich als Wächter anheuern und ersinnt einen Plan, wie er die Belagerung durchbrechen kann. Allerdings entdeckt er Mysteriöses: Die Angreifer folgen einem unbekannten Kult, der Leute mit Haut und Haar verschwinden lässt …

-With long strides the swordsman walked across the desert. Gravel crunched beneath his sturdy leather boots. His eyes were dark, his nose a blade.-
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Am Beginn von Implied Spaces, vollmundig als Mischung aus “nano-technology, quantum theory, fantasy and space opera” angepriesen, kann man sich noch in der trügerischen Sicherheit eines schönen Sword & Sorcery-Settings wiegen: Man begleitet den sympathischen und geistreichen gelehrten Abenteurer Aristide – Marke Errol Flynn – und seine trockene Kommentare beisteuernde, sprechende Katze Bitsy durch eine stereotype Wüstenwelt. Während Aristide sein Schwert (einen Sturmbringer-Verschnitt) schwingt, ahnt man jedoch schnell: irgendetwas ist im Busch, denn Aristide weiß mehr über Welt und Sein, als so ein Wüstensohn wissen sollte.
Und ehe man es sich versieht, treibt man mitten in einem wilden Strudel aus verschiedensten Settings, Stilen und immer wieder neuen Ideen, in dem eine Überraschung die nächste jagt.

Während Aristide einer groß angelegten Verschwörung auf die Spur kommt, verfolgt Walter Jon Williams etliche Themen und Konzepte: Das gewöhnlichste darunter dürfte noch die Frage sein, wie viel Menschlichkeit dem Menschen der fernen Zukunft geblieben ist. Interessanterweise geht er dieser Frage nicht in einem dystopischen Umfeld nach, sondern hat – ein Markenzeichen vor allem auch von Williams’ Kurzgeschichten – eine positive Entwicklung zugrundegelegt, die ihre eigenen Probleme mit sich bringt. Ein weiteres Thema, das unter vielen  Aspekten beleuchtet wird, ist die Frage nach dem freien Willen, darunter auch, inwiefern Persönlichkeiten unter veränderten Umständen (oder durch Manipulation) eine völlig konträre Entwicklung nehmen können.
Thematisches Zentrum sind allerdings die “Implied Spaces” aus dem Titel, denen Aristide nachforscht. Man kann sie tatsächlich wörtlich nehmen – anfangs ein witziges Konzept, das einem nicht mehr so schnell aus dem Kopf geht, später nehmen sie Dimensionen an, die mindestens nachdenklich machen und am Ende des Romans eine philosophisch-theologische Betrachtungsweise eröffnen, die es in sich hat.

Bei einer solchen Fülle an erwachsenen Stoffen kommt es vor allem auf ihre Verpackung an. Und Walter Jon Williams hat eine Achterbahnfahrt für den Leser in petto, bei der nicht die geringste Gefahr besteht, der Roman würde zu trocken werden.
Zunächst ist es schon Aristides Erzählperspektive, die großes Vergnügen bereitet. Der turbanbestückte bunte Vogel auf dem äußerst treffenden Cover bezeichnet sich als Dichter, Philosoph und Kämpfer, und seine Stimme ist manchmal unaufdringlich, manchmal poetisch, hat aber fast immer einen ironischen Unterton zu bieten. Hinzu kommt, dass beinahe jedes Kapitel mit einem neuen Schauplatz aufwartet – und mit einem neuen Genre: Walter Jon Williams wechselt munter den Stil, erzählt nach der Fantasy-Eröffnung in Form eines Krimis, einer Romanze, eines Schurkenstücks, eines Thrillers, eines Kriegsromans und etlicher anderer Varianten weiter, um am Ende mit einem eindringlichen Gedicht zu schließen. Dass bei einem solchen Konzept das Formale manchmal den Vorrang vor Plotentwicklung und Erzähldynamik hat, versteht sich von selbst (die Chance ist auch groß, dass man eines der Genres nicht mag – z.B. die Kriegshandlung gegen Ende zieht sich dann doch recht unpersönlich-taktisch dahin), doch insgesamt ist dieser Clou bestens gelungen, vor allem dank der cleveren Handlungsführung.
Eine fulminante Enthüllung jagt die nächste, und der Autor hat ein Händchen dafür, die Sache immer dann besonders spannend zu machen, wenn man bestimmte Eigenheiten seiner Welt begriffen zu haben scheint und zu der Ansicht kommt, jetzt könne es nicht mehr spannend werden. Dann zaubert er einen neuen Kniff aus dem Hut und hat den Leser wiederum am Wickel. Der Roman ist randvoll mit Ideen und Konzepten, teils ist es ein regelrechtes Abgrasen zeitgenössischer SF-Stoffe, die mit einem Augenzwinkern in einer Vielzahl von Anspielungen gewürdigt werden (ob es sich nun um Literatur, Film, Musik oder Comics handelt – es gibt sogar Seitenhiebe auf Mediävisten).

Auch wenn der Fantasy-Anteil der Handlung nach und nach in den Hintergrund tritt, wird der Text nie mit Techno-Babble überladen und bleibt einer gewissen Fantasy-Attitüde treu – zu viel soll an dieser Stelle nicht verraten werden, denn neben dem durchgehenden leisen Humor ist das größte Vergnügen an Implied Spaces das Entdecken und Rätselraten, wobei man als Leser sowohl die Welt und ihre Parameter nach und nach begreift, als auch die Verschwörung aufdeckt und dazu manchmal vom Autor Informationen zugespielt bekommt, die den Figuren fehlen.
Die endgültige Auflösung fällt nach den wahrhaft gigantischen Materialschlachten zuvor vielleicht eine Spur zu schmal aus, entfaltet aber die Langzeitwirkung, die den ganzen Roman charakterisiert, wenn man Interesse für kosmologische Sinnfragen und Persönlichkeitsentwicklung mitbringt.

Implied Spaces hat zweifellos seine Mängel, die vor allem im heftigst in alle Richtungen strebenden Plot zutage treten, und ebenso in dem Experiment, jedes Kapitel in einem neuen Stil zu erzählen. Man könnte Walter Jon Williams auch vorwerfen, er kopiere die weit entwickelte Welt und die Gesellschaft mit übermächtigen Individuen aus seinem früheren Roman Aristoi, aber damit täte man Implied Spaces unrecht. Am Ende wird man feststellen, dass Walter Jon Williams seinen grandiosen Entwurf gut im Griff hat und eine Geschichte erzählt, die während des Lesens häufig nicht zulässt, dass man das Buch aus der Hand legt, die einen immer wieder zum Staunen bringt und deren Ideen man mitnimmt und lange mit sich herumträgt.