Bibliotheka Phantastika Posts

Gestern Nacht haben wir unser Forum umgezogen, das ihr jetzt unter der neuen URL forumos.bibliotheka-phantastika.de finden könnt. Wenn ihr regelmäßig vorbeischaut, ändert bitte eure Bookmarks.

Außerdem vom Umzug betroffen war das Malazan-Forum, dessen Besucher bitte künftig www.malazanempires.de anpeilen.

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Forumosen wissen mehr – in diesem Fall, dass sie sich auf eine weitere Geschichte von Maike Claußnitzer (aka Wulfila) freuen können, und zwar gleich einen ganzen Roman: Tricontium.

Tricontium von Maike ClaußnitzerWas geht vor im gleichnamigen Landstrich in einem (mit Geistern, Kobolden und Trollen aufpolierten) frühmittelalterlichen Deutschland, in dem die Präsenz der Römer noch nachwirkt, der nächste Überfall von Reiterhorden aus dem Osten nie fern ist und nichts dagegen spricht, im Ernstfall Mars und den heiligen Nikolaus anzubeten und zudem noch einen Zauberer zurate zu ziehen?

Gerechtigkeit ist oft nicht mehr als ein frommer Wunsch – das weiß Herrad, die Richterin, die mit ihrer Versetzung in das abgelegene Tricontium hadert, ebenso gut wie Ardeija, der drachenzähmende Hauptmann ihrer Krieger, oder Wulfila, der Dieb, der Jahre nach seiner Verurteilung unerwartet wieder in ihr Leben tritt. Doch als sich in den Grenzlanden Geisterspuk und gewaltsame Übergriffe zu häufen beginnen, wollen die drei nicht tatenlos zusehen, auch wenn bald keine Menge Tee mehr ausreicht, um gelassen zu bleiben. Denn die Hintergründe der rätselhaften Vorgänge scheinen in einer Zeit zu liegen, die alle gern vergessen würden: Den düsteren Tagen des Bürgerkriegs …

Als ich Tricontium gelesen habe, zu einer Zeit, wo von Buchprojekten noch gar nicht die Rede war, habe ich mich bereits darauf gefreut, eines Tages in gedruckter Form ein Wiedersehen mit den Figuren feiern zu dürfen, und die besten Szenen noch einmal zu erleben, die viel zu schade für nur eine Lektüre sind. Und Illutration zum Roman Tricontium von Maike Claußnitzerjetzt ist es so weit!
Mit Tricontium kann man in eine bunte, detailreiche Welt abtauchen, die zwar nicht gänzlich unvertraut ist, aber dennoch eine Fülle von Entdeckungen bietet, und eine kleine, feine Geschichte erleben, die ganz von den wunderbaren und einprägsamen Charakteren getragen wird, die zwar mitunter herumsitzen und Tee trinken, es aber eigentlich faustdick hinter den Ohren haben. Und wer nach Tricontium reist, wird nicht nur mit diesen Figuren mitfiebern und staunen, sondern vor allem oft schmunzeln und herzlich lachen, wenn Drachen durch die Szenerie wuseln und das ein oder andere Diebesgut seine Tücken offenbart …

Tricontium ist ab sofort in der 666 Seiten starken und von moyashi aufwendig gestalteten Printausgabe bei Amazon zu bestellen, außerdem gibt es eine DRM-freie eBook-Ausgabe (Leseprobe: hier).

Eselsohr

Bibliotheka Phantastika gratuliert Joyce Carol Oates, die heute 75 Jahre alt wird. Wenn man das Oeuvre der am 16. Juni 1938 in Lockport im amerikanischen Bundesstaat New York geborenen Joyce Carol Oates betrachtet, fallen auf Anhieb zwei Dinge auf: einmal ihre unglaubliche Produktivität – die möglicherweise mit ein Grund dafür ist, warum die Grande Dame der us-amerikanischen Literatur zwar immer wieder als Kandidatin für den Gewinn des Literatur-Nobelpreises gehandelt wird, ihn aber bisher nicht gewonnen hat – und zum anderen die Tatsache, dass sie für ihre Romane und Erzählungen nicht nur mit hoch angesehenen literarischen Preisen wie dem O. Henry Award, dem PEN/Malamud Award oder dem National Book Award bedacht wurde, sondern auch mit Genrepreisen wie dem Bram Stoker Award oder dem World Fantasy Award. Was bereits darauf hindeutet, dass sich zwar der größte Teil ihrer über 60 Romane und mehr als 300 Erzählungen im Bereich des literarischen Mainstreams bewegt, es aber unter ihren Werken immer wieder welche gibt, die eindeutig und ganz bewusst als Genreliteratur angelegt sind. Das gilt zum Beispiel für ihre unter dem Pseudonym Rosamond Smith verfassten Thriller, die gelegentlich – etwa in Soul/Mate (1989; dt. Dein Tod, mein Leben (1993)) – die Grenze zum psychologischen Horrorroman zumindest ankratzen. Überschritten hat sie diese Grenze schließlich mit Zombie (1995; dt. Zombie (2000)), einem aus der Sicht eines Serienkillers verfassten Roman, für den sie mit dem o.e. Bram Stoker Award ausgezeichnet wurde.
Bellefleur von Joyce Carol OatesFür an Phantastik interessierte Leser und Leserinnen weitaus interessanter dürften allerdings die fünf als “gothic quintet” bezeichneten Romane sein, die Joyce Carol Oates alle in den 80er Jahren geschrieben hat und die sich ganz bewusst auf die Tradition der gothic novel stützen, sich ihrer Erzählmuster, Figuren und Motive bedienen. Den Anfang machte mit Bellefleur (1980; dt. Bellefleur (1982)) ein Roman, bei dem dieser Rückgriff besonders gut gelungen ist und zu überzeugenden Ergebnissen geführt hat. Im Mittelpunkt von Bellefleur steht die Familie Bellefleur, deren Stammvater am Vorabend der Französischen Revolution aus Frankreich geflohen ist, und die nun seit sieben Generationen in Nordamerika lebt, doch genauso wichtig ist Schloss Bellefleur, der Sitz der Familie, ein monströser Bau mit Erkern und Türmchen, der in Stein gehauene Ausdruck des Größenwahns und der Exzentrik seiner Bewohner. Der nicht in wenigen Sätzen nachzuerzählende Roman wartet mit so ziemlich allem auf, was die angloamerikanische Schauerliteratur zu bieten hat: Flüche und Geister, starke Männer und schöne Frauen, Verrat und Wahnsinn, verzauberte Spiegel, Missgeburten, Zwerge und Gestaltwandler; die Handlung springt dabei wild zwischen den Generationen hin und her, und das Ganze wird in einem hitzigen, überbordenden, aber immer kontrollierten Stil erzählt, der das Lesen ebenso aufregend wie anstrengend macht. Wer schon immer einmal wissen wollte, was sich hinter dem Begriff gothic novel letztlich verbirgt und dabei die Auseinandersetzung mit der Prosa des späten 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts scheut, kann mit Bellefleur zu einem Werk greifen, das wie kaum ein zweites ein modernes Destillat der Schauerliteratur verkörpert.
Verglichen mit seinem Vorgänger fällt A Bloodsmoor Romance (1982; dt. Die Schwestern von Bloodsmoor (1987)) spürbar ab. Auch in diesem Roman geht es um eine Familie (wie “Familie” generell ein wichtiges Thema für Joyce Carol Oates – auch in ihren Mainstream-Romanen – ist), bzw. vor allem um die fünf Töchter des Erfinders John Quincy Zinn, die sich allesamt im heiratsfähigen Alter befinden, und die man von 1879 bis 1899 auf ihrem in eine Heirat – oder eben nicht – mündenden Lebensweg begleitet. Natürlich gibt es darüberhinaus eine ganze Menge phantastischer Zutaten, angefangen bei einem schwarzen Heißluftballon, mit dem Deirdre, die jüngste Tochter, aus dem heimischen Park entführt wird, über diverse Geistererscheinungen, eine Zeitreise oder eine Geschlechtsumwandlung, bis hin zu der Tatsache, dass Quinn danach strebt, das perfekte Perpetuum mobile zu bauen; hinzu kommen Auftritte von Mark Twain und Madame Blavatsky. Trotzdem kann A Bloodsmoor Romance – vermutlich, weil es wohl vor allem eine ironische Version einer typischen romance des 19. Jahrhunderts sein sollte – nicht ganz so überzeugen wie Bellefleur. Zumindest nicht, wenn man den Roman hinsichtlich seiner Zugehörigkeit zur Schauerliteratur betrachtet.
Mysteries of Winterthur von Joyce Carol OatesBei Mysteries of Winterthurn (1984) hingegen sieht das schon wieder ganz anders aus. Wie der Titel bereits andeutet, hat sich Joyce Carol Oates hier der klassischen mystery novel angenommen, zu der logischerweise auch ein Detektiv gehört, und das ist in diesem Fall Xavier Kilgarvan, der als Teenager, dann als Endzwanziger und schließlich mit knapp vierzig Jahren in seiner Heimatstadt Winterthurn jeweils einen rätselhaften Kriminalfall lösen muss. Mysteries spielt dabei auf beeindruckende Weise mit den Konventionen zweier Genres, denn während die Orte, die Xavier im Rahmen seiner Ermittlungen mal mehr, mal weniger freiwillig aufsuchen muss, häufig typische Schauplätze einer gothic novel sind, verweist die Darstellung der Stadt Winterthurn mit ihren offensichtlichen und weniger offensichtlichen Geheimnissen, ihren gesellschaftlichen Strömungen und Reibungspunkten auf die mystery novel bzw. den Krimi, in dem oft ein gesellschaftskritischer Ansatz zu finden ist. Worum es in Mysteries of Winterthurn eigentlich geht, können im Laufe dieses Jahres auch die interessierten deutschsprachigen Leser und Leserinnen herausfinden, wenn – knapp 30 Jahre nach Erscheinen des Originals – mit Die Geheimnisse von Winterthurn endlich eine Übersetzung dieses unverständlicherweise bisher nie ins Deutsche übertragenen Romans auf den Markt kommen wird.
Die letzten beiden Romane des “gothic quintets” – My Heart Laid Bare (1998) und der ursprünglich als The Crosswicks Horror betitelte The Accursed (2013) – wurden ebenfalls bereits in den 80er Jahren geschrieben, aber bis zu ihrem Erscheinen von Joyce Carol Oates mehrfach überarbeitet. Während My Heart Laid Bare keinerlei phantastische Elemente aufweist, tauchen im gerade erst in den USA veröffentlichten The Accursed anscheinend wieder aus der Schauerliteratur bekannte Motive und Figuren wie Geister, Dämonen und Doppelgänger auf.
Dass das Phantastische immer wieder – und immer noch – einen Platz im Werk von Joyce Carol Oates hat, lässt sich auch anhand ihrer Kurzgeschichten und Erzählungen feststellen. Entsprechende Sammlungen, in denen praktisch ausschließlich phantastische Geschichten enthalten sind, sind beispielsweise Haunted: Tales of the Grotesque (1994; dt. Das Spukhaus. Erzählungen (1996)) und The Collector of Hearts: New Tales of the Grotesque (1998). Darüberhinaus war und ist sie immer wieder in Genre-Anthologien vertreten und hat 2011 für “Fossil-Figures” den World Fantasy Award und – passend zu ihrem Geburtstag – gerade dieses Wochenende für ihre Kurzgeschichtensammlung Black Dahlia & White Rose (2012) den Bram Stoker Award erhalten.

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The Fall of Arthur von J.R.R. TolkienChristopher Tolkien präsentiert und analysiert ein episches Gedichtfragment seines Vaters und ordnet es nicht nur in dessen Schaffen, sondern auch in die Tradition der Artusepik allgemein ein: Auf einem Feldzug fern der Heimat erfahren König Artus und sein loyaler Ritter Gawain, dass Mordred verräterisch die Macht an sich gerissen und es zudem auf Königin Guinever abgesehen hat. Beim Aufbruch zur Rückeroberung wird deutlich, dass ein wichtiger Gefolgsmann fehlt: Lancelot, der zur Strafe für sein Verhältnis mit der Königin vom Hofe verbannt worden ist und insgeheim auf die Gelegenheit hofft, sich noch einmal zu beweisen …

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Dinotopia. Journey to Chandara von James GurneyBibliotheka Phantastika gratuliert James Gurney, der heute seinen 55. Geburtstag feiert. Der am 14. Juni 1958 in Glendale, Kalifornien, geborene studierte Archäologe ist vor allem als Illustrator bekannt: Cover (u.a. für Alan Dean Foster und Tim Powers), Filmhintergründe (z.B. für Fire and Ice) und vor allem graphische Rekonstruktionen versunkener Städte für Zeitschriften und Museen sind darunter, und die letzteren beiden haben mit Sicherheit die Fundamente für das geschaffen, woran kein Fantasy-Freund mit einem Herz für Dinos vorbeikommt: Dinotopia.
Beginnend mit A Land Apart from Time (1992, dt. Dinotopia (1993)) hat Gurney einen imaginären Kontinent bebildert und immer weiter ausgearbeitet, auf dem Dinosaurier nicht nur überlebt haben, sondern in friedlicher Koexistenz und einer sich gegenseitig beeinflussenden Kultur mit verschiedenen (schiffbrüchigen) Menschen zusammenleben. Inhaltlich konzentrieren sich die bisher insgesamt drei Bildbände (The World Beneath (1995, dt. Die Welt jenseits der Zeit (1996)) und Journey to Chandara (2007)) auf die Abenteuer des viktorianischen Gelehrten Arthur Denison und seines Sohnes Will, die Hauptsache sind dabei aber mit Sicherheit die opulenten Gemälde, die die Dinosaurier und ein ihnen angemessenes gewaltiges Land zum Leben erwecken, und die vielen Details und Ideen, die den dinotopischen Kontinent wie ein erd- und kulturgeschichtliches Wunderland wirken lassen, von dem ein Indiana Jones oder Allan Quatermain nur träumen können.
Dinotopia ist außerdem durch einige (nicht von Gurney geschriebene) Romane und Jugendbücher ergänzt worden, was zusammen mit dem initial großen Erfolg des Projektes schließlich auch in eine (nicht ganz geglückte) Verfilmung fürs Fernsehen mündete.
In jüngster Zeit hat Gurney einige Ratgeber für angehende (Fantasy-)Künstler veröffentlicht, und auch sein Blog Gurney Journey kreist vor allem um Tutorials, verschiedene Künstler und – wie wohl niemanden überraschen wird – Dinosaurier.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Justina Robson, die heute 45 Jahre alt wird. Die am 11. Juni 1968 in Leeds in der damaligen Verwaltungsgrafschaft West Riding of Yorkshire in England geborene Justina Louise Alice Robson debütierte (damals noch mit Mittelinitialen) mit der Kurzgeschichte “Trésor” in der dritten Ausgabe des Magazins The Third Alternative im Sommer 1994, der sporadisch noch einige mehr folgten. So richtig Aufsehen erregte sie dann mit den vier SF-Romanen, die sie im Zwei-Jahres-Abstand von 1999 bis 2005 veröffentlichte; in Silver Screen (1999) und Mappa Mundi (2001) geht es dabei im Rahmen eines Near-Future-Szenarios um KIs und Nanotechnologie, wohingegen Natural History (2003) und Living Next Door to the God of Love (2005) in einer weit ferneren Zukunft angesiedelt sind und sich – sehr vereinfacht ausgedrückt – um das Thema Transhumanismus drehen. Nach diesen, jeweils für wichtige Genrepreise nominierten und von der Kritk hoch gelobten, von erkenntnistheoretischen und gesellschaftskritischen Denkansätzen durchzogenen Romanen mag es für einen Teil ihrer Leserschaft ein kleiner Schock gewesen sein, dass Justina Robson sich danach der Fantasy zugewandt hat.
Keeping it Real von Justina RobsonAllerdings nur ein bisschen oder, anders gesagt durch die Übernahme von fantasytypischen Motiven, Elementen und Figuren in jene Welt, die sie für ihren unter dem Obertitel Quantum Gravity laufenden, bisher fünfteiligen Zyklus um die Geheimagenten Lila Black entworfen hat. In Keeping It Real (2006; dt. Willkommen in Otopia (2007)) wird die Leserschaft nach und nach mit dieser Welt vertraut gemacht – mit Otopia, wie unsere Erde heißt, seit ein schiefgegangenes quantentechnologisches Experiment die Tore zu anderen Sphären bzw. Welten geöffnet hat und die Menschheit sich plötzlich mit Elfen, Dämonen, Geistern und anderen Wesen auseinandersetzen muss. Und damit, dass neben Cybertechnologie plötzlich auch Magie funktioniert. In dieser Welt agiert Lila Black, eine junge Frau, die bei einer Bombenexplosion schwer verletzt wurde und letztlich nur dadurch überlebt hat, dass man sie mit reichlich Cybertechnologie aufgerüstet und somit zum Cyborg gemacht hat. Was unter anderem dazu führt, dass sie sich selbst immer wieder die Frage stellt, inwieweit sie noch ein Mensch ist – oder nur noch eine (allerdings höchst effektive) Kampfmaschine. Letzteres prädestiniert sie natürlich für den Undercover-Auftrag als Leibwächterin des Rockstars Zal, einen Elf und Dissidenten, der sich der tödlichen Intrigen seiner Heimatsphäre erwehren muss. Lila ist über diesen Auftrag aus mehreren Gründen nicht glücklich, und natürlich entwickeln sich die Dinge wie man es erwarten könnte – und dann doch auch wieder nicht. In den Folgebänden Selling Out (2007; dt. Unter Strom (2008)), Going Under (2008; dt. Elfentod (2009)), Chasing the Dragon (2009) und Down to the Bone (2011) wird keineswegs nur das weitere, alles andere als unkomplizierte Verhältnis von Lila und Zal beleuchtet; ganz im Gegenteil nimmt die Erforschung der für den Menschen so fremden anderen Sphären einen immer größeren Raum ein. Was gelegentlich zu überraschenden Erkenntnissen – etwa das Wesen der Magie betreffend – führt …
Vordergründig ist Lila Black (wie die Reihe im Deutschen heißt) eine rasante und zweifellos mehr als ein bisschen trashige Mischung aus SF-, Fantasy- und Liebesroman, gespickt mit Thriller- und Horrorelementen, auf die man sich einlassen muss, wenn man Spaß an ihr haben will. Wenn man allerdings etwas genauer hinschaut, kann man unter der grellbunten, bizarren Oberfläche nicht nur Down to the Bone von Justina Robsonsauber gezeichnete, stimmige Figuren erkennen, sondern wird zudem feststellen, dass Quantum Gravity durchaus universale Fragen und Themen behandelt, denen Justina Robson sich auch schon in ihren hoch gelobten SF-Romanen – sicher intensiver und tiefgründiger – gewidmet hat, wie zum Beispiel: was macht einen Menschen aus – und wie sehr brauche ich den Anderen (oder das Andere), um mich selbst zu erkennen? Mal ganz abgesehen davon, dass der Fantasy toughe Heldinnen wie Lila Black nun wirklich nicht schaden, und dass es recht erfrischend sein kann, Elfen und Dämonen und Feen etc.pp. mal in einem wirklich “anderen” Anderswelt-Setting zu erleben.

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The Name of the Wind von Patrick RothfussBibliotheka Phantastika gratuliert Patrick Rothfuss, der heute seinen 40. Geburtstag feiert. Bekannt geworden ist dieser sarakstisch, humorvolle Autor mit dem durchschlagenden Erfolg seiner noch nicht abgeschlossenen Buchreihe The Kingkiller Chronicle (dt. Die Königsmörder Chronik).
Mit kunstvoller, teils poetischer Sprache und komplex ausgearbeiteten Charakteren fesselt die epische Erzählung die Leserschaft von der ersten Seite an und macht das Warten auf Fortsetzungen schwer. Der Autor verbrachte sieben Jahre damit sein Gesamtkunstwerk zu komplettieren, aber auch beinahe noch einmal soviel Zeit für die finale Überarbeitung der einzelnen Reihentitel. So ist der dritte und abschließende Band zwar bereits geschrieben, die Überarbeitung aber noch im Gange. Ein Erscheinungstermin für The Doors of Stone ist bisher nicht bekannt.
Parallel zu seiner Arbeit an der Kingkiller Chronicle sind außerdem zwei Geschichten in Comicform erschienen. Was hier mit dem Titel The Adventures of the Princess & Mr. Whiffle zunächst wie eine süße Geschichte für Kinder anmutet, wird allerdings schnell zum blutigen Fressen mit überraschender Wendung!

Um Mehr über diesen empfehlenswerten Autor und seine ebenso empfehlenswerten Werke zu erfahren, legen wir euch sein Autorenportrait ans Herz. Patrick Rothfuss sollte in keinem Fantasy Regal fehlen und ist mehr als einen Blick wert.

Herzlichen Glückwunsch, Herr Rothfuss, und vielen Dank für eine Schar außergewöhnlich packender Figuren!

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Der Geist des Speers von Alan Dean FosterIn der Nähe eines kleinen Küstendorfes werden die Leichen von hellhäutigen Fremden an den Strand gespült. Einer der Männer lebt noch und richtet seinen letzten Wunsch an den Dorfbewohner Etjole Ehomba: Eine Dame muss gerettet werden, eine Seherin, die von einem finsteren Zauberer entführt wurde. Etjole, der mit seiner Frau und seinen Kindern zufrieden als Hirte lebt, hat zwar kein großes Interesse an edlen Damen und abenteuerlichen Questen, doch für ihn ist es Ehrensache, den letzten Wunsch eines Sterbenden zu respektieren, und daher zieht er aus ins Ungewisse.

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Ein heute leider nur noch wenig beachteter Klassiker aus dem Jahre 1926 ist unser Buch des Monats Juni: Hope Mirrlees’ Lud-in-the-Mist (ISBN: 978-1857987676; auf Deutsch als Flucht ins Feenland erschienen).
Im Kleinstaat Dorimare mit seiner HauptstLud-in-the-Mist von Hope Mirrleesadt Lud-in-the-Mist herrscht biedere Wohlanständigkeit. Die durch Handel zu Reichtum gelangten Bewohner ignorieren geflissentlich die Existenz des angrenzenden Feenreichs, in dem nicht nur die Toten, sondern auch der sinnenfrohe abgesetzte Herzog von Dorimare und seine Entourage ihr Unwesen treiben. Schmuggel und Genuss der drogengleichen Feenfrüchte sind ein Tabuthema. Auch Bürgermeister Nathaniel Chanticleer wahrt nach außen hin eine propere Fassade, doch als sich sonderbare Vorfälle häufen und sogar seine eigenen Kinder in Kontakt mit der Feenwelt geraten, muss er sich auf Langverdrängtes besinnen und gegen die eingefahrenen Überzeugungen seiner Landsleute handeln …

Die Inhaltsskizze allein verrät noch nicht, was diesen poetischen Roman ausmacht, der im Grunde jegliche Genregrenzen sprengt und neben dem ausgeprägten Fantasyelement zugleich ein halber Krimi und ein wenig auch Gesellschaftskomödie ist. Auf einem sprachlichen Niveau, das viele jüngere Fantasywerke leider nicht einmal ansatzweise erreichen, beschwört Mirrlees mit viel Humor und Leichtigkeit Wunderbares ebenso wie Unheimliches herauf (wobei sich beides nicht gegenseitig ausschließt). In ihren nostalgischen bis märchenhaften, aber niemals altbacken wirkenden Schauplätzen lässt es sich schwelgen, und die Wendungen, die der Plot einschlägt, wirken durchaus frisch und unerwartet.
Doch einen Gutteil seines Charmes verdankt Lud-in-the-Mist auch dem auf den ersten Blick gänzlich unheldenhaften Nathaniel Chanticleer, der einem im Laufe der Geschichte immer stärker ans Herz wächst und anders als etwa Tolkiens Bilbo Baggins nicht aus seinem beschaulichen Dasein in ein scharf abgegrenztes Abenteuer aufbricht, sondern beide Aspekte seines Lebens vereinen kann und muss.
So ist das wunderschöne Buch zugleich eine Auseinandersetzung mit der im frühen 20. Jahrhundert auch in der nichtphantastischen Literatur (man denke etwa an Thomas Mann!) populären, aber eigentlich zeitlosen Frage, ob und wie die wilden, dunkleren und nicht zuletzt auch künstlerischen Elemente des Menschseins in eine gebändigte Zivilisation zu integrieren sind. Die Antwort, die Mirrlees darauf findet, stimmt hoffnungsvoll.

Buch des Monats

Wer neuem Lesestoff in Form von Webcomics nicht abgeneigt ist, will vielleicht einen Ausflug nach Finnland wagen: Minna Sundbergs A Redtail’s Dream ist eine optisch atemberaubende Abenteuergeschichte in einer surrealen Traumwelt mit Motiven aus der Kalevala.
Ein junger Fuchs bekommt von seiner mythischen Verwandtschaft die Aufsicht über das Nordlicht aufs Auge gedrückt, und prompt geht es fürchterlich schief. Ein ganzes Örtchen verschwindet, die Bewohner sind schon auf halbem Weg nach Tuonela (dem Totenreich der finnischen Mythologie). Das Füchslein möchte sich keine Blöße geben und findet glücklicherweise den jungen Hannu und seinen Hund Ville, die bei dem Malheur gerade nicht zu Hause waren, und es verpflichtet die beiden, den Dorfbewohnern in der seltsamen Zwischenwelt, in der sie sich befinden und die nach völlig eigenen Regeln tickt, einen Weg zurück in ihre Realität zu bahnen. Dazu müssen der enthusiastische Ville (der in der Traumwelt sprechen kann) und der eher unwillige Hannu einige Aufgaben erledigen.

A Redtail's Dream Kapitel IDie (zunehmend komplizierter werdenden, aber niemals wirklich komplexen) Questen sind weniger epischer Natur, sondern leben von den Neckereien zwischen dem jungen Mann und seinem Hund und ihrem unterschiedlichem Wesen, denn der Hund Ville stellt sich als deutlich menschenfreundlicher als der mindestens soziophobe Hannu heraus, dessen Charakter die Heldenrolle absolut widerspricht und der auch immer wieder damit kollidiert. Die einzig tiefgehende Beziehung, die Hannu überhaupt zulässt, ist die zu Ville. Dazu kommen die “profanen” Begegnungen mit den verschiedenen Dorfbewohnern und die mythischen Übertöne, die sich auch direkt in Gestalt von Tiergeistern und anderen Manifestationen äußern.
Große Erklärungen und Hintergründe gibt es eher selten, doch es trägt auch zum Zauber der Traumwelt bei, dass man als LeserIn genauso wie die Figuren erst einmal hinnimmt, was sich ereignet.
Nach einem eigenwilligen Prolog braucht die Geschichte etwa hundert Seiten, bis sie Fahrt aufnimmt. Das eine oder andere Schwelgen in den charakterlichen Eigenheiten der Protagonisten hätte man vielleicht knapper abhandeln können, doch was schon von Anfang an einen regelrechten Bann ausübt, sind die Bilder – Minna Sundbergs Gespür für Natur, Tiere, Landschaften, Witterung und Nachthimmel ist beinahe unheimlich (und wird im Laufe der mittlerweile mehr als 400 Seiten des Comics stetig besser). Mühelos beschwört sie damit zwischen herbstlichen und winterlichen Nadelwäldern, Klippen und Seenlandschaften die zeitlose Traumwelt in manchmal beinahe monochromen Pastelltönen herauf. Ein Blick auf die wunderschön komponierten Seiten des Comics lohnt sich, selbst wenn man nicht der größte Fan charakterbasierter Geschichten ist.

King of the forest, aus A Redtail's Dream Kapitel IV

A Redtail’s Dream ist bis zum sechsten von geplanten acht Kapiteln gediehen und wird momentan sechsmal die Woche um eine Seite erweitert. Minna Sundberg bezeichnet A Redtail’s Dream übrigens als Übungscomic für ihr eigentliches Herzensprojekt, doch über diesen Status dürfte es mit solchen Seiten allemal hinaus sein.
Auch wenn A Redtail’s Dream erzählerisch nicht 100% geschliffen ist (und die Übersetzung aus dem Finnischen ins Englische hie und da schlingert) lohnt es sich für jeden Comicfreund mit einer Schwäche für liebevoll dargestellte Tiere, berauschende Bildwelten, schrullige Ideen und den Bezug auf eine Mythologie, die in der Fantasy längst nicht so häufig Ideengeber war wie etwa keltische oder nordische Mythen. Ob die abschließenden Kapitel Hannu zu einem warmherzigeren Gesellen machen und die sich andeutenden Brüche in den linearen Questen sich ausweiten, muss sich noch erweisen; dass Minna Sundberg eine Comic-Künstlerin ist, die man im Auge behalten sollte, ist dagegen längst keine Frage mehr.
Webseite
Übersicht über die bisherigen Kapitel

bisher bei bp empfohlene Webcomics:
Widdershins
Wormworld-Saga

Eselsohr Über den Tellerrand