Tag: Jubiläen

Bibliotheka Phantastika gratuliert Elizabeth Bear, die heute 40 Jahre alt wird. Die am 22. September 1971 in Hartford, Connecticut, geborene Sarah Bear Elizabeth Wishnevsky machte seit Anfang dieses Jahrtausends mit einer Reihe von SF- und Fantasykurzgeschichten auf sich aufmerksam und wurde 2005 mit dem John W. Campbell Award als beste neue Autorin ausgezeichnet. Im gleichen Jahr erschien eine SF-Trilogie um die zum Cyborg aufgerüstete Halb-Irokesin Jenny Casey, deren erster Band (Hammered) den Locus Award als bester Romanerstling gewann. Seither hat Bear knapp 20 Romane veröffentlicht, wobei sie munter zwischen SF und Fantasy hin und her springt.
2006 erschien mit Blood and Iron der erste Band eines The Promethean Age betitelten Zyklus, der in meist in sich geschlossenen Bänden die Geschichte des Prometheus ClubsBlood and Iron von Elizabeth Bear nachzeichnet, einer Vereinigung menschlicher Magier, die einen jahrhundertelangen Kampf gegen die Königin des Feenreichs führt und dabei auch maßgeblich auf die Weltgeschichte einwirkt. Von den angedachten  dreizehn Bänden sind bisher vier erschienen: Blood and Iron und Whiskey and Water (2007) verbinden nahtlos modernes Großstadtleben mit einer archaischen Märchen- und Mythenwelt; die direkt zusammenhängenden Bände Ink and Steel und Hell and Earth (beide 2008) sind dagegen im elisabethanischen Zeitalter angesiedelt und warten u.a. mit  Shakespeare und Marlowe als (magiebegabten) Protagonisten auf. Mit der gelungenen Einbindung keltischer, nordischer, aber auch christlich-mittelalterlicher Mythenstoffe und literarischer Vorbilder setzt Bears ambitioniertes Projekt die Tradition der (wenn auch bei ihr teils historisierenden) Urban Fantasy im Stil eines Neil Gaiman oder Charles de Lint fort, die in den letzten Jahren rar geworden ist.
Parallel zu bzw. abwechselnd mit den Romanen aus dem Promethean Age veröffentlichte sie weitere SF-Romane (u.a. den Auftakt der Jacob’s Ladder Trilogy), ehe sie sich an zwei Fantasy-Zyklen machte, die sich jeweils der nordischen Mythologie als Hintergrund bedienen: die gemeinsam mit Sarah Monette verfasste Iskryne Series und die Edda of Burdens. A Companion to Wolves (2007), der erste Iskryne-Band, führt die Leser und Leserinnen in eine kalte und gefährliche Welt, deren Bewohner von den brutalen Wolfcarls – Männern, die eine telepathische Verbindung zu großen Wölfen besitzen – abhängig sind, denn nur diese können sie vor Trollen und Lindwürmern beschützen. Da die unterschwellige erotische Komponente, die sich in fast allen Romanen feststellen lässt, in denen Menschen und Tiere eine geistige Verbindung eingehen, bei Bear und Monette explizit ausgespielt und zu einem wichtigen Plot-Element wird, wurde A Companion to Wolves in der anglo-amerikanischen Leserschaft ziemlich kontrovers diskutiert. Es ist anzunehmen, dass dies auch beim gerade erschienenen zweiten Band des Zyklus, The Tempering of Men, der Fall sein wird.
All the Windwracked Stars (2008), der Auftakt der Edda of Burdens, spielt in einer post-postapokalyptischen Alternativzukunft, in der Ragnarök längst stattgefunden hat und die All the Windwracked Stars von Elizabeth Bearwenigen Überlebenden versuchen müssen, auf einer unaufhaltsam in Eis und Kälte versinkenden Welt ihren vom Schicksal vorgezeichneten Rollen gerecht zu werden – oder sich ihnen zu entziehen. Auch wenn der Roman anfangs ein bisschen unter Bears Bemühen leidet, auch stilistisch der Edda nachzueifern, ist ihr hier ein beeindruckendes Werk gelungen, das einerseits die Schicksalhaftigkeit und Ausweglosigkeit der nordischen Mythen atmet, und andererseits mit überzeugend gezeichneten, gebrochenen Charakteren aufwartet, die wahrhaft tragische Entscheidungen zu treffen haben. Beim zweiten Roman, By the Mountain Bound (2009), handelt es sich nicht um eine Fortsetzung, sondern um ein Prequel, das in die Zeit kurz nach der großen Auseinandersetzung zurückführt, während der dritte, The Sea Thy Mistress (2010), die Fäden des ersten Bandes wieder aufnimmt.
In ihren bisherigen Romanen und Kurzgeschichten hat Elizabeth Bear – die in Form einer Handvoll längerer Erzählungen auch einen Abstecher in ein u.a. von Vampiren bevölkertes, New Amsterdam betiteltes Pseudo-Steampunk-Setting unternommen hat – sich als vielversprechende neue Erzählerin erwiesen, von der man noch Einiges erwarten kann. Wenn im März 2012 mit Range of Ghosts ihre neue epische, vor einem asiatischen Hintergrund angesiedelte Fantasytrilogie The Eternal Sky an den Start geht, in deren Mittelpunkt an Hunnen oder Mongolen erinnernde Steppennomaden stehen, wird ihr damit möglicherweise endlich die Aufmerksamkeit breiterer Leserkreise – und vielleicht auch eine Veröffentlichung in deutscher Sprache – zuteil.

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Zum 125. Geburtstag von Charles Williams
Bibliotheka Phantastika erinnert an Charles Williams, ein Mitglied des engeren Kreises der “Inklings” und Verfasser von Romanen wie The Place of the Lion und All Hallows’ Eve, dessen Geburtstag sich heute zum 125. Mal jährt, und dem wir aus diesem Grund ein Portrait gewidmet haben.

Zum 60. Geburtstag von A.A. Attanasio
Bibliotheka Phantastika gratuliert A.A. Attanasio, der heute 60 Jahre alt wird. Am Anfang der schriftstellerischen Karriere des am 20. September 1951 in Newark, New Jersey, geborenen Alfred Angelo Attanasio stand mit Radix (1981; dt. Radix (1984)) ein in ferner Zukunft auf einer drastisch veränderten Erde spielender SF-Roman (der zusammen mit seinen drei Fortsetzungen die Radix Tetrad bildet), in dem bereits Attanasios Vorliebe für einen höchst eigenwilligen Umgang mit bekannten Genretropen deutlich wurde – etwas, das er auch in den meisten weiteren Werken beibehalten sollte. Wyvern (1988; dt. Jaki (1989)) erzählt die Geschichte von Jaki Gefjon, der als Kind zweier Kulturen auf Borneo und den asiatischen Meeren des 17. Jahrhunderts nach seiner Identität sucht, und oszilliert sowohl zwischen Entwicklungs- und Schelmenroman wie auch zwischen historischem Fantasy- und Abenteuerroman. Als historischen Fantasyroman kann man auch Hunting the Ghost Dancer (1991) betrachten – allerdings wird hier die Handlung in eine prähistorische Epoche verlegt –, während es sich bei Kingdom of the Grail (1992; dt. Im Königreich des Grals (1993)) trotz des Titels um einen historischen, zur Zeit der Kreuzzüge in England spielenden Roman handelt, und The Moon’s Wife (1993) zeitgenössische Phantastik bietet.
1994 wandte sich Attanasio erstmals so richtig der FantasyThe Wolf and the Crown von A.A. Attanasio zu, und das auf für ihn typische Weise, denn The Dragon and the Unicorn (dt. Der Drache und das Einhorn (1995)) bildet den Auftakt zu seiner Arthor Series, die wohl eine der eigenwilligsten Versionen des Artus-Mythos darstellt und gleich in diesem ersten Band mit einer bizarren Kosmogonie aufwartet. So ist bei Attanasio das titelgebende Einhorn eigentlich eine der Sonne entstammende, nicht-körperliche Kreatur, die nur gefesselt auf der Erde körperliche Gestalt annimmt, während Merlin sich als Avatar eines uralten Geistes erweist, der alle materiellen Dinge verabscheut. Die weiteren Bände – The Eagle and the Sword (1997, auch als Arthor (1995), dt. König Arthor (1996)), The Wolf and the Crown (1998, auch als The Perilous Order: Warriors of the Round Table) und The Serpent and the Grail (1999) – gehen weit konventioneller mit dem Mythos und seinen Motiven um; allerdings ist Arthor ungewohnt brutal gezeichnet und Magie spielt eine viel größere Rolle als in den anderen Umsetzungen des Stoffes.
Auch wenn Attanasio die im ersten Band der Arthor Series gewählte Herangehensweise (die den Roman ähnlich schwer zugänglich macht wie seinen Erstling Radix) in den Folgebänden nicht durchhält, war sie möglicherweise zu ungewohnt und abschreckend für die Fantasy-Leserschaft (die in der Breite mit Experimenten erzählerischer oder inhaltlicher Natur generell wohl eher wenig anfangen kann). Darauf deutet auch hin, dass Attanasios nächster Ausflug in die Fantasy – drei jeweils in sich abgeschlossene Romane unter dem Obertitel Dominions of Irth – nicht nur in jeder Hinsicht konventioneller ausfiel, sondern in den USA nur unter dem Pseudonym Adam Lee veröffentlicht wurde. The Dark Shore (1996), The Shadow Eater (1998) und Octoberland (1998) erzählen thematisch nicht unbedingt originelle Geschichten wie die des verbannten Außenseiters, der zurückkehrt, um sich an seinen Peinigern und der gesamten Gesellschaft zu rächen, oder die des Mannes, der nach dem Verlust all dessen, was ihm lieb und teuer war, einen neuen Sinn im Leben zu finden versucht – und das alles vor dem Hintergrund einer “Schattenerde” (der Irth des Obertitels), deren Konzept leicht an Roger Zelaznys Amber-Zyklus erinnert.
Mittlerweile ist es ziemlich still um Attanasio geworden; außer ein bisschen SF und einem Roman zur Comic- bzw. Fernseh-Serie The Crow beschränken sich seine Veröffentlichungen seit Anfang des neuen Jahrtausends auf Killing With the Edge of the Moon (2006) – eine für ihn völlig untypische, auf Motiven der keltischen Mythologie fußende, märchenhafte Geschichte – und The Conjure Book (2007) – ein vermutlich mit Blick auf den Harry-Potter-Boom geschriebenes, belangloses Jugendbuch. Alfred Angelo Attanasio ist zweifellos ein schwieriger Autor, der es seinen Lesern und Leserinnen zumeist weder thematisch noch stilistisch leicht macht und auch in den USA und England trotz seines für den Nebula Award nominierten Erstlings nie den großen Durchbruch geschafft hat. In Deutschland ist keiner seiner Zyklen vollständig erschienen.

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Avempartha von Michael J. SullivanBibliotheka Phantastika gratuliert Michael J. Sullivan, der heute 50 Jahre alt wird. Mit The Crown Conspiracy startete der am 17. September 1961 in Detroit, Michigan, geborene Sullivan 2008 seinen auf sechs Bände geplanten Zyklus The Riyria Revelations, und auf diesen Auftaktband folgten in kurzen Abständen weitere vier Romane – Avempartha (2009), Nyphron Rising (2009), The Emerald Storm (2010) und Wintertide (2010) –, die alle in einem amerikanischen Kleinverlag veröffentlicht und hier auch bereits rezensiert wurden. Der sechste Band (Percepliquis) ist angekündigt – genau wie die Tatsache, dass sich mittlerweile ein großer Verlag gefunden hat, der jeweils zwei der sechs (nicht sonderlich umfangreichen) Romane zusammenfassen und den Zyklus ab November diesen Jahres noch einmal als Trilogie (mit den Titeln Theft of Swords, Rise of Empire, Heir of Novron) auf den Markt bringen wird. Dieser Erfolg sei Sullivan gegönnt, denn seine Riyria Revelations bieten Abenteuerfantasy pur, die sich erzählerisch und inhaltlich in bewusster Abkehr vom gerade angesagten Grim & Gritty an der klassischen Fantasy orientiert, wie sie beispielswiese in den frühen Romanen eines David Eddings oder Raymond Feist zu finden war – und das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen. Was nicht zuletzt an den überaus sympathischen Hauptfiguren der Geschichte – den Meisterdieben Royce Melborn und Hadrian Blackwater – und ihren sehr gegensätzlichen Charakteren liegt. Innovativ oder originell kann man die Revelations gewiss nicht nennen, aber in Zeiten überambitionierter Großprojekte, deren Ende kaum abzusehen ist, bietet der Zyklus trotz einiger unbestreitbarer Schwächen eine willkommene Abwechslung.

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Der Erbe von Mary StewartBibliotheka Phantastika gratuliert Mary Stewart, die heute 95 Jahre alt wird. Die am 17. September 1916 als Mary Florence Elinor Rainbow in Sunderland, England, geborene Autorin war bereits ein häufiger Gast auf den Bestsellerlisten (in erster Linie mit Romanen, die der Schauerromantik zuzurechnen sind), als 1970 mit The Crystal Cave der erste Band ihrer in der Grauzone zwischen Fantasy und historischem Roman angesiedelten Merlin Trilogy erschien, die mit The Hollow Hills (1973) und The Last Enchantment (1979) fortgesetzt und kurz danach auch noch als Sammelband unter dem Titel Mary Stewart’s Merlin Trilogy (1980) veröffentlicht wurde. In Stewarts Version der Artus-Saga ist Merlin (in Anlehnung an die Historia Regum Britanniae des Geoffrey of Monmouth) der Sohn von Ambrosius Aurelianus und Neffe von Uther Pendragon, was ihn zu einem Cousin von Artus macht. Der erste Band schildert Merlins Jugend und seine Bemühungen, mit seiner hellseherischen Begabung umzugehen, und endet mit Artus’ Zeugung. Im zweiten Band beschützt und lenkt Merlin den heranwachsenden Artus und schafft die Voraussetzungen für dessen Zukunft als König von Britannien – etwa dadurch, dass er sich auf die Suche nach dem legendären Schwert Caliburn (bzw. Excalibur) begibt. Im dritten Band – der die Zeitspanne der Herrschaft Artus’ umfasst – stehen Merlins Konflikt mit Morgause und seine Liebe zu Nimuë im Mittelpunkt der Handlung. Die großartig erzählte Trilogie war nicht nur in England, sondern auch in Deutschland – wo sie unter den Titeln Flammender Kristall (1971), Der Erbe (1974) und Merlins Abschied (1982) erschienen ist – ein großer Erfolg und ist bis heute eines der Referenzwerke der modernen Umsetzung des Artus-Mythos, was nicht zuletzt am Ich-Erzähler Merlin liegt, einer überzeugend und schlüssig geschilderten und in ihrem Scheitern letztlich tragischen Figur.
1983 folgte mit The Wicked Day (dt. Tag des Unheils (1985)) eine Fortsetzung der ursprünglichen Trilogie, in der die Geschichte Mordreds und seiner Rebellion gegen Artus erzählt wird. Bei Stewart ist Mordred allerdings nicht der sonst häufig auftretende Schurke, sondern eine tragische, vom Schicksal getriebene Figur. Nur noch sehr locker mit dem Zyklus verknüpft und weit von der Klasse der Vorgängerbände entfernt ist schließlich The Prince and the Pilgrim (1995; dt. Der Prinz und die Pilgerin (1997)), ein Roman, der sich vor allem um die Liebesgeschichte der titelgebenden Figuren dreht.
Weitere Romane mit übernatürlichen Elementen sind Touch Not the Cat (1976; dt. Rühr nicht die Katze an (1977)) und Thornyhold (1988; dt. Die Herrin von Thornyhold (1989)), die beide mit einer übernatürlich begabten Hauptfigur aufwarten und in der Tradition Daphne du Mauriers stehen, während in dem Jugendbuch A Walk in Wolf Wood (1980; dt. Geistermond über dem Wolfswald (1981), auch als Wolfswald (1986)) die Werwolf- mit der Zeitreise-Thematik verknüpft wird.
Die letztgenannten Romane sind durchaus lesbar, halten jedoch einem Vergleich mit der ursprünglichen Merlin Trilogy nicht stand, die trotz ihres relativ geringen Fantasy-Anteils eigentlich Pflichtlektüre für alle am Artus-Mythos interessierten Leser und Leserinnen sein müsste.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Barbara Hambly, die heute 60 Jahre alt wird. Schon mit ihrer ersten Veröffentlichung – der aus den The Walls of the Air von Barbara HamblyRomanen The Time of the Dark (1982), The Walls of Air (1983) und The Armies of Daylight (1983) bestehenden Darwath Trilogy (dt. als Sammelband Gefährtin des Lichts (1986)) – hat sich die am 28. August 1951 in San Diego, Kalifornien, geborene Barbara Hambly als beachtenswerte neue Stimme erwiesen, die es versteht, mit altbekannten Mustern zu spielen, sie zu variieren und ihnen dadurch neues Leben einzuhauchen. Das lässt sich beispielsweise daran erkennen, dass die beiden von unserer Welt stammenden Menschen – die Historikerin Gil Patterson und der Biker Rudy Solis –, die der Magier Ingold Inglorion mit auf seine von Monstren bedrohte Heimaltwelt nimmt, dort nicht die erwarteten, sondern ihrem hiesigen Leben diametral entgegengesetzte Rollen annehmen: Gil wird zur Kriegerin, Rudy zum Magier im Kampf gegen die Dunklen, die ein bisschen so wirken, als wären sie der Phantasie eines H.P. Lovecraft entsprungen.
Die mit The Ladies of Mandrygin (1984) begonnene und mit The Witches of Wenshar (1987) und The Dark Hand of Magic (1990) fortgesetzte Trilogie um den Söldnerführer Sun Wolf ist etwas konventioneller, wartet aber ebenfalls mit den für Hamblys Oeuvre typischen starken weiblichen Hauptfiguren auf und bedient sich im zweiten Band eines in der Fantasy seltenen Krimi-Plots.
Noch wesentlich ungewöhnlichere Wege beschritt sie mit dem zunächst als Einzelband konzipierten RDer schwarze Drache von Barbara Hamblyoman Dragonsbane (1986, dt. Der schwarze Drache (1987)), denn die Geschichte um den nicht mehr ganz jungen, eine Brille tragenden Drachentöter John Aversin, seine aus bestimmten Gründen von ihm getrennt lebende Lebensgefährtin, die Hexe Jenny Waynest, und den (vermeintlich) letzten Drachen Morkeleb stellt in mehrfacher Hinsicht klassische Fantasytropen auf den Kopf. Dies gilt auch für die etliche Jahre später erschienene, aus den Romanen Dragonshadow (1999), Knight of the Demon Queen (2000) und Dragonstar (2002) bestehende Fortsetzung, die bei Lesern und Leserinnen allerdings nicht unumstritten ist, was nicht zuletzt an der von Hambly gewählten Protagonistin liegen dürfte, denn hier steht nun vor allem Jenny – eine nicht sonderlich starke Hexe mittleren Alters und Mutter von zwei Kindern – im Mittelpunkt der Handlung.
Ihren wohl bisher größten Erfolg feierte Barbara Hambly mit dem Vampirroman Those Who Hunt the Night (1988, dt. Jagd der Vampire (1990)), in dem der Ex-Spion und Oxford-Professor James Asher zusammen mit seiner Frau Lydia einen Serienmörder zur Strecke bringen muss, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts in London reihenweise Vampire umbringt. In den nicht mehr ganz die Klasse des ersten Bandes erreichenden Fortsetzungen Travelling With the Dead (1995) und Blood Maidens (2010) verschlägt es Asher und den Londoner Obervampir Don Ysidro u.a. nach Istanbul und Sankt Petersburg.
Neben Romanen und Erzählungen zu den beiden wohl größten Franchise-Universen (Star Wars und Star Trek) hat Barbara Hambly noch weitere Fantasywerke wie The Windrose Chronicles (drei Bände, 1986-93), zwei Fortsetzungen zur Darwath Trilogy (Mother of Winter (1996) und Icefalcon’s Quest (1998)), die beiden Zweiteiler Sun-Cross (1991/92) und Raven Sisters (2002 und 2005) und ein paar Einzelromane geschrieben, sich aber seit Anfang des neuen Jahrtausends verstärkt dem historischen Kriminalroman zugewandt. Was nicht zuletzt damit zu tun haben dürfte, dass ihr der ganz große Durchbruch in der Fantasy immer verwehrt geblieben ist – eine Tatsache, die nur auf den ersten Blick überraschend ist. Bedauerlich ist sie sehr wohl, denn die ungewöhnlichen Ansätze, die Barbara Hambly in ihren vordergründig konventionellen, in einem gemeinsamen Multiversum angesiedelten Fantasyromanen verfolgt hat, haben dem Genre durchaus gut getan.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sind ihre Fantasyromane fast alle auch auf Deutsch erschienen und teilweise mehrfach neu aufgelegt worden, mittlerweile aber alle vergriffen.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Jack Vance, der heute 95 Jahre alt wird und damit der älteste noch lebende SF- und Fantasyautor sein dürfte. Man kann den am 28. August 1916 in San Francisco, Kalifornien, geborenen Jack (eigentlich John Holbrook) Vance wohl mit Fug und Recht als einen Giganten der SF bezeichnen, dessen Romane und Erzählungen weltweit eine begeisterte Leserschaft gefunden haben, und der eine Sonderstellung im Genre einnimmt. Kein anderer Autor ist so überzeugend darin, fremdartige Kulturen zu entwerfen und sie detailreich auszumalen (und sich dabei nicht nur auf Gesellschaftssysteme zu beschränken, sondern auch deren Überbau aus Literatur, Kunst und Musik mit einzubeziehen) – ein Aspekt, der zumindest Teile von Vances (nie technokratischer) SF auch für Fantasyleser und -leserinnen interessant machen sollte, von seinen richtigen Fantasyromanen und -erzählungen ganz zu schweigen.

The Dying Earth von Jack VanceSchon mit seinem ersten größeren Beitrag zur Fantasy – dem aus locker miteinander verbundenen Geschichten bestehenden Sammelband The Dying Earth (1950) – schuf Vance das gleichnamige Subgenre: Fantasy, die in einer fernen Zukunft auf einer alt und müde gewordenen Erde spielt, an deren Himmel die Sonne zu verlöschen droht und Magie die Technik längst abgelöst hat (ein Setting, das Clark Ashton Smiths Zothique Einiges verdankt). Hinzu kommen stilistische Elemente wie ein ironischer Erzählduktus und zwielichtige, häufig reinweg amoralische Protagonisten, die sich bevorzugt in gestelzt wirkenden Dialogen miteinander austauschen – Elemente, die in fast allen Werken von Vance auftauchen und zu einem Markenzeichen werden sollten.
Nachdem Vance sich einige Jahre lang der SF und dem Krimi zugewandt hatte, kehrte er mit dem Episodenroman The Eyes of the Overworld (1966), in dem die Abenteuer von Cugel the Clever – einem charismatischen, aber wiederum moralisch höchst fragwürdigen Trickster – geschildert wurden, zum ersten Mal ins Dying-Earth-Setting zurück. Auch danach sollten wieder etliche Jahre vergehen, in denen Vance vor allem SF schrieb (auch wenn einzelne Dying-Earth-Erzählungen beispielsweise im Magazine of Fantasy and Science Fiction oder Lin Carters Flashing-Swords-Anthologien erschienen, zu denen Vance als SAGA-Mitglied Beiträge beisteuerte), bis mit Cugel’s Saga (fixup 1983) und Rhialto the Marvelous (1984, wiederum ein Sammelband aus locker miteinander verknüpften, bereits zuvor veröffentlichten Stories) die bis dato letzten Geschichten vor dem Hintergrund der “sterbenden Erde” – zumindest aus seiner Feder – auf den Markt kamen. (Mit A Quest for Simbilis hatte der Autor Michael Shea bereits 1974 eine von Vance genehmigte Fortsetzung des ersten Cugel-Romans geschrieben, die den Ton des großen Vorbilds stilistisch und erzählerisch erstaunlich gut trifft. Und in der von George R.R. Martin und Gardner Dozois 2009 herausgegebenen Anthologie Songs of the Dying Earth erwiesen Stars des Genres von Neil Gaiman über Martin selbst bis hin zu Dan Simmons Vance ihre schriftstellerische Reverenz – mit teilweise beeindruckendem Ergebnis.)

In den 80ern erschien aber außerdem auch die Lyonesse Trilogy (Suldrun’s Garden (1983), The Green Pearl (1985) und Madouc (1989)), die fraglos zu den Meisterwerken der modernen Fantasy gezählt werden kann und Vance auf Suldrun's Garden von Jack Vancedem Höhepunkt seines Schaffens zeigt. Die Geschichte, die etwa zwei Generationen vor der Zeit von König Artus in den zehn Königreichen der westlich von Frankreich gelegenen – und mittlerweile längst im Atlantik versunkenen – “Älteren Inseln” spielt, wartet dabei mit allem auf, was man von Vance mittlerweile gewohnt war: politischen Intrigen, merkwürdigen Sitten und Gebräuchen, amoralischen “Helden”, bizarrer Magie, einem Wechselbalg, zweideutigen Prophezeiungen und Besuchen in von allerlei mehr oder weniger netten – oder bösartigen – Geschöpfen bewohnten Anderswelten. Wenn man diesem Panoptikum origineller Ideen und Motive eines vorwerfen könnte, dann vielleicht, dass die Geschichte ein bisschen episodenhaft wirkt, dass der große Rahmen, dem sich vor allem die epische Fantasy seit den frühen 80ern verpflichtet fühlt, von geringerer Bedeutung ist, als die einzelnen Episoden es sind. Doch dafür entschädigt die Qualität etlicher dieser Episoden wie beispielsweise die um die traurige Prinzessin Suldrun und ihren dem ersten Band seinen Titel verleihenden Garten.

Vances Sonderstellung im Genre dürfte unumstritten sein, seine Bedeutung für die SF und die Fantasy schon eher. Immerhin haben seine Dying-Earth-Geschichten über die o.e. Bücher hinaus auch Autoren wie Gene Wolfe (in seinem Book of the New Sun) oder Matthew Hughes (sein Archonate Universe) beeinflusst – und abgesehen von Letzterem ist bis heute kein Autor, der wirklich in seine Fußstapfen treten könnte, in Sicht.
Was Veröffentlichungen in deutscher Sprache angeht, dürfte Jack Vance zu den meist- und am vollständigsten übersetzten SF- und Fantasyautoren überhaupt gehören; selbst seine Autobiographie This is me, Jack Vance! (2009) hat es (wenn auch bisher nur in einer kleinauflagigen Liebhaberausgabe) nach Deutschland geschafft. Als Schlusswort in diesem Geburtstagsgruß für den großen alten Mann der SF & Fantasy eignet sich vielleicht am besten, was Hanns Kneifel – seinerseits ein erfolgreicher Autor von SF-, Fantasy- und historischen Romanen – einst in einem Interview über seinen berühmten Kollegen gesagt hat: “Ich bin ein leidenschaftlicher Jack-Vance-Fan. Seine Protagonisten sind mir zwar manchmal ein wenig zu indifferent – obwohl sie alles können und am Schluss auch überleben, wie es sich gehört –, aber der Mann hat wahrlich Phantasie und vor allem eine hervorragende Disziplin, mit ihr umzugehen. Er zeichnet kühne, in sich stimmige Bilder, er verweilt selten länger darin, und er ist auf jeder zweiten Seite für eine Überraschung gut – und wer kann das sonst?”

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Orson Scott Card, der heute 60 Jahre alt wird. Der am 24. August 1951 in Richmond, Washington, geborene Card hat zwar hauptsächlich als SF-Autor Furore gemacht (so gelang ihm beispielsweise das bisher einmalige Kunststück, mit Ender’s Game (1985) und der Fortsetzung Speaker for the Dead (1986) in zwei aufeinanderfolgenden Jahren die beiden wichtigsten SF-Preise – den Hugo und den Nebula Award – zu gewinnen), doch auch die Fantasy nimmt in seinem Oeuvre einen nicht unbedeutenden Stellenwert ein. Bereits der 1980 erschienene Roman Songmaster (dt. Meistersänger (1981)) fühlt sich stellenweise wie Fantasy an und verwendet Motive wie etwa das mit einer außerordentlichen Begabung (in diesem Fall für Musik) gesegnete Kind, die Card auch später wieder häufig aufgriff. 1983 folgte dann mit Hart’s Hope (dt. Die Hirschbraut (1985)) ein richtiger Fantasyroman, der vor allem aufgrund seines vordergründig naiven, ein bisschen an – allerdings grausame – Märchen erinnenden Erzählduktus und seiner Hauptfigur (bzw. deren sehr spezieller besonderer Fähigkeit) interessant ist.
Vier Jahre später sollte sich herausstellen, dass das nur eine Fingerübung war, denn 1987 erschien mit Seventh Son der erste Band der Alvin Maker Saga (fortgesetzt mit Red Prophet (1988), Prentice Alvin (1989), Alvin Journeyman (1995), Heartfire (1998) und The Crystal City (2003)), die – wenn Card es denn schaffen sollte, sie eines Tages auf dem Niveau zu beenden, auf dem er sie begonnen hat – zu den faszinierendsten und originellsten Fantasyzyklen gezählt werden müsste. Denn die Geschichte Alvins, des siebten Sohns eines siebten Sohns, der in einem Parallelwelt-Amerika zum großen Gegenspieler des Unmaker werden muss, wenn er sein Land (und letztlich die ganze Welt) retten will, bedient sich zwar einerseits altbekannter Motive (wie eben des bereits erwähnten, besonders begabten, auserwählten Kindes), trumpft jedoch darüber hinaus mit einem Setting auf, das beweist, dass Fantasy keinen europäisch-pseudomittelalterlichen Hintergrund braucht, um zu funktionieren. Besagtes Setting (eine Alternativwelt, in der es nie eine amerikanische Revolution gegeben hat und somit auch die USA nie gegründet wurden, und in der die Indianer – nicht zuletzt dank ihrer Magie – eine ganz andere Rolle spielen als in unserer Realität) und Cards unbestreitbare Fähigkeiten in der Charakterzeichnung von kindlichen Hauptfiguren machen es leichter, darüber hinwegzusehen, dass auch in diesem Zyklus (wie eigentlich in fast allen Werken Cards) bestimmte Aspekte seiner religiösen Überzeugungen durchschimmern bzw. sich als Analogien dazu lesen lassen.
Die ersten drei Bände der Alvin Maker Saga erschienen noch im Jahresabstand, doch dann änderte sich der Erscheinungsrhythmus, die Lücken wurden größer – und auf Master Alvin, den Band, der den Zyklus vermutlich abschließen wird, warten die Leser und Leserinnen bis heute. Es bleibt die große Frage, ob – und wann – Card die Saga tatsächlich zu einem runden Ende bringen wird. In den letzten Jahren hat sein Renommée in der angloamerikanischen SF- und Fantasyszene aufgrund seiner allzu drastisch vorgetragenen politischen und religiös-moralischen Überzeugungen spürbar gelitten, und neuere Fantasyromane wie Enchantment (1999; im Prinzip die Nacherzählung einer russischen Dornröschen-Version) oder Magic Street (2005; Cards erster Ausflug in die Urban Fantasy) kommen an die Klasse der ersten Alvin-Maker-Bände nicht heran.
Cards Frühwerk liegt – sowohl was die SF wie auch die Fantasy angeht – praktisch komplett auf Deutsch vor; das gilt auch für seine Kurzgeschichten und Erzählungen, von denen sich einige ebenfalls der Fantasy zuordnen lassen. Was die Saga um Alvin Maker angeht, sind bisher allerdings nur die ersten vier Bände veröffentlicht worden (Der siebente Sohn (1988), Der rote Prophet (1989), Der magische Pflug (1990) und Der Reisende (1997)), und solange der Zyklus im Original nicht beendet ist, dürfte sich daran auch kaum etwas ändern.

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Zum 60. Geburtstag von Greg Bear
The Serpent Mage von Greg BearBibliotheka Phantastika gratuliert Greg Bear, der heute 60 Jahre alt wird. Es mag manche Leser und Leserinnen überraschen, doch der am 20. August 1951 in San Diego, Kalifornien, geborene, in erster Linie mit Hard-SF-Romanen wie Blood Music, Eon oder The Forge of God bekannt gewordene Gregory Dale Bear hat seine Karriere nicht nur mit einem Roman begonnen, der thematisch und strukturell etliche Fantasy-Elemente aufweist und sich erst allmählich als SF entpuppt, sondern außerdem auch zwei waschechte Fantasyromane verfasst. Bears Erstling Hegira (1979, rev. 1987, dt. Die Obelisken von Hegira (1981)) schildert nämlich die Quest einer Gruppe von Figuren, die durchaus einem typischen Fantasysetting entstammen könnten, auf der Suche nach Erkenntnis. Dass die Rätsel um die 1000 Kilometer hohen, mit dem Wissen der Menschheit beschrifteten Obelisken und die Mauer am Ende der Welt letztlich in einem SF-Szenario aufgelöst werden, ändert kaum etwas daran, dass Hegira über weite Strecken auch als Fantasy-Abenteuerroman funktioniert.
Richtige Fantasy – mit einem so nicht oft gesehenen Konzept der keltischen Feenwelt – bietet dann der aus den Bänden The Infinity Concerto (1984, dt. Das Lied der Macht (1987)) und The Serpent Mage (1986, dt. Der Schlangenmagier (1989)) bestehende Zweiteiler Songs of Earth and Power (1992 unter eben diesem Titel auch als revidierte Omnibus-Ausgabe erschienen), in dem ein junger Mann namens Michael Perrin aufgrund gewisser Umstände über eine magische Grenze stolpert – und sich unversehens im Reich der Sidhe wiederfindet. Diese Sidhe sind allerdings keine freundlichen, baumliebenden Elfen, sondern ein sich seit langem im Niedergang befindendes Volk mächtiger und grausamer Wesen, das seit ewigen Zeiten Krieg gegen die Menschheit führt. Wie Michael sich in dieser feindseligen Umwelt behauptet, wie er sich entscheidet, wenn es darum geht, die Menschheit oder die Sidhe vor dem Untergang zu retten – davon (und natürlich vom Lied der Macht und ein paar anderen Dingen) erzählen diese Bücher, nach deren Lektüre man die Feen- und Geisterwelt der keltischen Mythologie möglicherweise mit anderen Augen sehen wird. Und ein wissendes Lächeln aufsetzen kann, wenn es mal wieder um das Monster von Loch Ness geht. So betrachtet, kann man es durchaus bedauerlich finden, dass Greg Bear sich seither nie mehr der Fantasy zugewandt hat.

Zum 50. Geburtstag von James Clemens
Hinterland von James ClemensBibliotheka Phantastika gratuliert James Clemens, der heute 50 Jahre alt wird. Clemens, eigentlich James Paul Czajkowski, geboren am 20.08.1961 in Chicago, feierte seinen größten Erfolg als Fantasy-Autor mit der Reihe The Banned and the Banished, einem High-Fantasy-Zyklus, in dem die junge Hexe Elena mit den blutroten Händen gegen den dunklen Herrscher antritt, der das Land Alasea zu unterwerfen trachtet. In den fünf Bänden Wit’ch Fire (1998), Wit’ch Storm (1999), Wit’ch War (2000), Wit’ch Gate (2001) und Wit’ch Star (2002) bereist Elena zusammen mit ihren Gefährten aus verschiedensten Völkern das ganze Land und stößt auf Monstren, Magie, Abenteuer und unzählige Apostrophen. Die Reihe wurde ohne Serientitel als Das Buch des Feuers/des Sturms/der Rache/der Prophezeiung/der Entscheidung von 1998-2003 auch auf Deutsch veröffentlicht.
Clemens’ zweiter Fantasy-Zyklus, Godslayer (dt. Die Chroniken von Myrillia), der eine ähnlich epische und magiebetonte Geschichte beinhaltet, aber im Weltenbau auch innovativere Elemente wie magiebetriebene U-Boote oder ein auf Körpersäften basierendes Magiesystem zeigt, wurde bis jetzt nach den zwei Bänden Shadowfall (2005) und Hinterland (2006) nicht mehr fortgesetzt. Unter seinem zweiten Pseudonym James Rollins geht Clemens augenblicklich intensiver seiner Reihe erfolgreicher Mystery-Thriller (SIGMA Force) und Abenteuerromane nach.
Sollte Clemens wieder zur Fantasy zurückkehren, erwarten die Leser dieses umtriebigen Autors sicher weitere bunte Welten voller Abenteuer, Magie und Dramatik – der Hang zu Apostrophen ist inzwischen überwunden …

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Bibliotheka Phantastika erinnert an Clark Ashton Smith, dessen Todestag sich heute zum 50. Mal jährt. Der am 13. Januar 1893 in Long Valley, Kalifornien, geborene Smith – ein Dichter, Schriftsteller, Maler und Bildhauer – war nicht nur ein Zeitgenosse von H.P. Lovecraft und Robert E. Howard, sondern mit beiden auch befreundet und mit ihnen zusammen in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein Garant für die goldene Zeit des Pulpmagazins Weird Tales, in dem ein Großteil seines Oeuvres erschienen ist. Dieses praktisch ausschließlich aus kürzeren und längeren Erzählungen sowie Gedichten bestehende Oeuvre weist inhaltlich, vor allem aber stilistisch etliche Besonderheiten auf, die Smith zu so etwas wie einem Solitär der Literaturgeschichte machen – zu einem Autor, der kaum Vorbilder hatte und seinerseits kaum Epigonen fand. Und sie dürften mit dafür gesorgt haben, dass er nie so bekannt und berühmt wurde wie seine Freunde Lovecraft und Howard.
Clark Ashton Smith: The Collected Fantasies 1Im Laufe seiner schriftstellerischen Karriere schrieb Smith mehr als hundert Geschichten; das Spektrum reicht dabei von konventionellen Horror- oder SF-Stories bis hin zu bizarren, kaum noch so etwas wie einen Plot aufweisenden Wortmalereien, doch mit den besten von ihnen schuf er kleine, häufig stilistisch barock-schwülstige und von einem morbiden Grundton oder sarkastischem Humor durchzogene Meisterwerke. Im Gegensatz zu vielen seiner Pulp-Kollegen verwendete Smith keine durchgängig auftretenden Helden, doch knapp die Hälfte seiner Geschichten lassen sich in sechs Zyklen (genauer: in drei Zyklen und drei Mini-Zyklen) gruppieren, die ihr jeweiliges Setting eint – und vier davon für Fantasyleser und -leserinnen besonders interessant macht.
Die elf in Averoigne (der Provinz eines mittelalterlichen Parallelwelt-Frankreich) spielenden Erzählungen kommen dabei aufgrund ihres Instrumentariums aus verwunschenen Wäldern, Hexen, Vampiren und Werwölfen traditionellen Horror- und Fantasygeschichten am nächsten, weisen aber auch bereits die morbiden erotischen Elemente auf, die beinahe Smiths gesamtes Werk durchziehen.
Die zehn Geschichten aus Hyperborea (einem in grauer Vorzeit noch nicht vom ewigen Eis bedeckten Grönland) hingegen sind keine leichte Kost, denn in ihnen lässt Smith seinem Hang zum Malen mit Worten, zu barockem Schwulst freien Lauf. Andererseits sind sie mit Lovecrafts Cthulhu-Mythos verwoben, tauchen das in den Mythos eingegangene Book of Eibon und der krötengesichtige Gott Tsathoggua hier zum ersten Mal auf.
Zothique von Clarke Ashton SmithMit dem in ferner Zukunft im Licht einer allmählich erlöschenden Sonne dahindämmernden Superkontinent Zothique fand Smith schließlich das Setting, das sich als bestens geeignet für seine immer wieder um Themen wie Verlust, Niedergang und Verfall kreisenden Geschichten erwies; mehrere der sechzehn hier angesiedelten Erzählungen zählen zum Besten, was er je geschrieben hat. Darüber hinaus haben die Zothique-Geschichten einen anderen Autor wesentlich beeinflusst, der seinerseits zu den interessantesten des Genres gezählt werden muss: Jack Vance, dessen Dying-Earth-Zyklus ihnen thematisch und stilistisch eine Menge verdankt.
Auch bei den Geschichten aus den drei Mini-Zyklen Poseidonis (bei Smith die letzten Bruchstücke eines bereits größtenteils versunkenen Atlantis), Xiccarph (ein ferner, von bizarren Lebewesen bewohnter Planet, über den Smith eigentlich noch viel mehr schreiben wollte) und Mars (der bei Smith von einem alten Volk namens Aihai bewohnt wird) finden sich noch etliche Juewelen, etwa die Mars-Geschichte “The Vaults of Yoh-Vombis” (dt. als “Die Grabgewölbe von Yoh-Vombis” in Saat aus dem Grabe), die zwar nicht die typischste Smith-Geschichte sein mag, aber viele seiner Stärken und kaum eine seiner Schwächen aufweist.
Nachdem Smith in der zweiten Hälfte der 30er Jahre mehrere Schicksalsschläge hinnehmen musste (1935 starb seine Mutter, 1936 beging Robert E. Howard Selbstmord, 1937 starb erst sein Vater und dann H.P. Lovecraft, mit dem er jahrelang unzählige, zig Seiten lange Briefe gewechselt hatte), schrieb er nur noch wenig, sondern widmete sich bis zu seinem Tod am 14. August 1961 vor allem der Bildhauerei und der Malerei. In den USA hatte er zwar nie den Stellenwert seiner beiden Freunde, doch sind seine Geschichten immer wieder in diversen Sammelbänden erschienen, zuletzt als fünfbändige Collected Fantasies (The End of the Story, The Door to Saturn, A Vintage from Atlantis, The Maze of the Enchanter und The Last Hieroglyph (2007-2011)).
In Deutschland hingegen sieht es ein bisschen schlechter aus, denn die bisher veröffentlichten Sammelbände (Saat aus dem Grabe (1970), Planet der Toten (1971), Poseidonis (1985), Das Haupt der Medusa (1988) und Necropolis (2001)) decken allenfalls die Hälfte seines Oeuvres ab. Hier naht allerdings Abhilfe, denn der erste Band einer Werkausgabe seiner gesammelten Erzählungen soll unter dem Titel Die Stadt der Singenden Flamme noch in diesem Jahr erscheinen.

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Bibliotheka Phantastika erinnert an Hugh Cook, der heute 55 Jahre alt geworden wäre. Wenn man dem am 09.08.1956 in Essex, England, geborenen Hugh Walter Gilbert Cook eines nicht vorwerfen kann, sind das mangelnde Ambitionen. Schließlich war The Wizards and the Warriors (1986) nur der Auftakt zu den auf 20 Bände angelegten Chronicles of an Age of Darkness, auf die die ebenfalls 20-bändigen Chronicles of an Age of Wrath folgen sollten – an die sich wiederum die (Überraschung!) 20-bändigen Chronicles of an Age of Heroes anschließen sollten. Ein in jeder Hinsicht ebenso gigantisches wie ambitioniertes Konzept (vor allem, wenn man bedenkt, dass es Mitte der 80er Jahre entwickelt wurde – also zu einem Zeitpunkt, da vielbändige Epen noch kein Fantasy-Standard waren), das allerdings nach zehn Bänden (mit den Titeln The Wordsmiths and the Warguild (1987), The Women and the Warlords (1987), The Walrus and the Warwolf (1988), The Wicked and the Witless (1989), The Wishstone and the Wonderworkers (1990), The Wazir and the Witch (1990), The Werewolf and the Wormlord (1991), The Worshippers and the Way (1992) und The Witchlord and the Weaponmaster (1992) – faszinierend, oder?) aufgrund sinkender Verkaufszahlen ein rasches und so betrachtet unrühmliches Ende fand.
Was vermutlich damit zu tun hat, dass Cook in den Chronicles sowohl erzählerisch wie konzeptionell neue Wege ging. Denn die einzelnen Bände erzählen keine chronologisch fortlaufende Geschichte, und es The Wishstone and the Wonderworkers von Hugh Cookgibt auch keine durchgängig auftretenden Hauptfiguren. Statt dessen ist jeder Band für sich allein lesbar, Handlungszeiträume und -orte überlappen sich, Hauptfiguren werden zu Nebenfiguren und umgekehrt. Noch ungewöhnlicher ist allerdings, dass die einzelnen Romane sich auch stilistisch deutlich voneinander unterscheiden. So folgt auf den noch recht tolkienesken Band I ein ziemlich derb erzählter Entwicklungsroman mit einem alles andere als kompetenten “Helden”, auf diesen wiederum ein düsterer Roman aus der Sicht einer Erzählerin in einer zutiefst frauenfeindlichen Gesellschaft, Band IV ist dann ein umfangreicher, abenteuerlicher Schelmenroman und in Band V werden schließlich erstmals Handlungsfäden enger verknüpft und gewisse Hintergründe deutlicher.
Man kann mit einer gewissen Berechtigung sagen, dass Cook in seinen Chronicles viele Entwicklungen der modernen Fantasy vorweggenommen hat und vielleicht einfach nur ein bisschen zu früh dran war, um mit seinem Konzept Erfolg zu haben: die nicht rein chronologische Erzählweise verwendet beispielsweise Steven Erikson in seinem Malazan Book of the Fallen, während der Effekt, dass die Handlungen bestimmter Figuren durch die Verwendung eines anderen personalen Erzählers in einem gänzlich anderen Licht erscheinen, von George R.R. Martin in seinem Epos A Song of Ice and Fire gerne und ausgiebig genutzt wird – und das unangenehme Gefühl, das sich bei manchen Lesern und Leserinnen bei der Lektüre von The Women and the Warlords einstellen könnte, dürfte sich nicht allzu sehr von dem unterscheiden, das R. Scott Bakkers The Prince of Nothing bei ihnen hervorrufen mag. Zumindest ist diese Betrachtungsweise angenehmer als die, dass die Chronicles einfach zu experimentell waren und die Fantasy schlicht keinen geeigneten Rahmen für Experimente aller Art bildet.
Auch nach dem (kommerziellen) Scheitern seiner ambitionierten Chronicles hat Cook noch etliche Romane verfasst (die allerdings größtenteils nur noch via lulu.com oder online veröffentlicht wurden), was beweist, dass sein The Werewolf and the Wormlord von Hugh Cookkreativer Wille ungebrochen war. Von daher wäre es zweifellos interessant gewesen, die weitere Entwicklung dieses Autors zu verfolgen – und vielleicht hätten aufgrund der inzwischen deutlich veränderten Marktsituation auch die Chronicles noch einmal eine Chance bekommen. Doch das Schicksal hatte anscheinend andere Pläne mit ihm, denn am 08. November 2008 ist er nach langer Gegenwehr einer im Jahre 2005 ausgebrochenen Krebs-Erkrankung erlegen. Was bleibt, ist ein nur theoretisch unvollendeter Fantasyzyklus, der trotz unbestrittener Qualitätsschwankungen in mehrfacher Hinsicht zu den interessanteren Werken des Genres gezählt werden muss. Oder, um es mit China Miéville zu sagen: “Hugh Cook was one of the most inventive, witty, unflinching, serious, humane and criminally underrated writers in imaginative fiction. Or anywhere.”
Die ersten drei Bände der Chronicles wurden – unter dem Reihentitel Chronik des Dunklen Zeitalters – auch ins Deutsche übersetzt, wobei The Wordsmiths and the Warguild gesplittet wurde (was merkwürdig ist, da ausgerechnet dieser Band der dünnste der drei Originalbände ist). Allerdings wirken die deutschen Titel (Der Todesstein, Held wider Willen, Toguras Rückkehr und Die Traumdeuterin (alle 1998)) verglichen mit denen der Originale reichlich generisch, fad und einfallslos.

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