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Der Kindgott Si’eh schließt mit den sterblichen Geschwistern Shahar und Dekarta einen Pakt: sie wollen auf ewig Freunde sein. Nach dem Blutschwur ist jedoch nichts, wie es vorher war: Si’eh verfällt in einen langen Schlaf, und als er erwacht, ist er ein Sterblicher, und auch das Reich der Amn sieht sich mit neuartigen Gefahren konfrontiert. Wird der Schwur der drei Bestand haben, um die Zerstörung der Welt aufzuhalten?

Die vollständige Rezension gibt es hier zu lesen.

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Cover von The Tree of Swords and Jewels von C.J. CherryhBibliotheka Phantastika gratuliert C.J. Cherryh, die heute 70 Jahre alt wird. Als die am 01. September 1942 in St. Louis, Missouri, geborene Caroline Janice Cherry (das “h” hat sie ihrem Namen auf Anraten ihres damaligen Verlegers Donald A. Wollheim hinzugefügt, da er der Ansicht war, Cherry würde zu sehr nach einer Liebesroman-Autorin klingen) im Jahre 1976 mit Gate of Ivrel (dt. Das Tor von Ivrel (1979)) und Brothers of Earth (dt. Brüder der Erde (1979)) ihre ersten Romane veröffentlichte, wurde ihr rasch eine große Karriere prophezeit. Gut 35 Jahre und rund doppelt so viele Romane (plus viele, viele Kurzgeschichten sowie etliche Collections und Anthologien) später kann man sagen, dass diese Prophezeiung sich bewahrheitet hat.
Der weitaus überwiegende Teil ihres Schaffens ist der SF zuzurechnen, und die meisten ihrer SF-Romane spielen vor einem gemeinsamen Hintergrund, dem Alliance-Union Universe, dem sie mit Brothers of Earth einen ersten Besuch abstattete. Auch Gate of Ivrel ist in diesem Universum angesiedelt, ohne allerdings mit den anderen Subzyklen großartig verbunden zu sein bzw. im Gesamtkonzept eine Rolle zu spielen.
Ganz im Gegenteil, der Roman liest sich – wie die ganze, mit Well of Shiuan (1978; dt. Der Quell von Shiuan (1980)) und Fires of Azeroth (1979; dt. Die Feuer von Azeroth (1982)) in kurzen Abständen fortgesetzte Sequenz um Morgaine – in weiten Teilen wie ein Fantasyroman. Denn die Geschichte der geheimnisvollen Morgaine, die durch Sternentore auf technologisch rückständige Planeten reist, um besagte Sternentore dort zu versiegeln, bedient sich ihrer Fantasyelemente so überzeugend, dass man die SF-Prämisse rasch vergisst. Was nicht zuletzt an Cherryhs Fähigkeiten liegt, ihre Figuren treffend zu charakterisieren und den Kulturen, denen Morgaine auf den verschiedenen Planeten begegnet, glaubhafte individuelle Konturen zu verleihen. Hinzu kommt das Spannungsfeld, das durch die Beziehung der beiden in jeglicher Hinsicht vollkommen unterschiedlichen Hauptfiguren Morgaine und Vanye entsteht, und das Cherryh in jedem Roman weiter ausleuchtet und auch im deutlich später entstandenen vierten Band Exile’s Gate (1988) wieder aufgreift.
Die anderen Fantasyromane von C.J. Cherryh kommen dann ganz ohne SF-Elemente aus (was vermutlich nicht zuletzt damit zu tun hat, dass sich Ende der 70er Jahre die Fantasy endgültig als Genre etabliert hatte und auch als solche vermarktet werden konnte). Bei den beiden unter dem Oberbegriff Ealdwood Stories zusammengefassten Romanen The Dreamstone und The Tree of Swords and Jewels (beide 1983; dt. Stein der Träume (1985) und Der Baum der Schwerter und Juwelen (1988)) handelt es sich um lupenreine, allerdings ungewöhnlich düstere keltische Fantasy, die zeigt, dass Cherryhs von ihren Charakteren lebende Romane auch vor einem bekannten und vertrauten – zum damaligen Zeitpunkt noch deutlich frischer als heutzutage wirkenden – Hintergrund funktionieren.
Die sog. Russian Stories hingegen – Rusalka (1989), Chernevog (1990) und Yvgenie (1991) – spielen nicht nur in einem alternativen mittelalterlichen russischen Königreich mit dem Zentrum Kiew, sondern greifen auch stark auf Motive der slawischen Mythologie zurück. Dies könnte – verbunden mit der zwiespältigen Darstellung von Magiern und Magie – mit dafür verantwortlich sein, dass die Russian Stories deutlich weniger erfolgreich als Cherryhs andere Fantasyromane waren und auch nicht ins Deutsche übersetzt wurden. Ungewöhnliche Ansätze bieten auch The Paladin (1988; dt. Der Paladin (1994)) – hier ist das Setting dem China der Tang-Dynastie nachempfunden – und The Goblin Mirror (1992; dt. Der Koboldspiegel (1996)), in dem die Interaktion zwischen Menschen- und Koboldwelt im Mittelpunkt steht. Faery in Shadow (1993) ist dann wieder – auch dieses Mal recht düstere – keltische Fantasy, in der sich die altbekannten Sidhe tummeln.
Cover von Fortress of Ice von C.J. Cherryh Mit Fortress in the Eye of Time (1995), dem Auftakt der Fortress Series, hat C.J. Cherryh sich schließlich ihr ganz persönliches High-Fantasy-Universum gegönnt (das nur auf den ersten Blick ein “typisches” ist). Im Mittelpunkt dieses erstaunlich langsam erzählten ersten Bandes steht Tristen, ein durch einen Zauberspruch geschaffener junger Mann, der einen Großteil des Romans damit verbringt, herauszufinden, wer er eigentlich ist. Was folgt und auch in den weiteren Bänden Fortress of Eagles (1998), Fortress of Owls (1999), Fortress of Dragons (2000) und Fortress of Ice (2006) die Handlung größtenteils bestimmt, ist eine teilweise vielleicht zu detailverliebt geschilderte Suche nach dem Platz eines Wesens in der Welt, in der es nun einmal leben muss. Verbunden mit einer anfangs generisch wirkenden, sich Roman um Roman jedoch komplexer und undurchschauberer präsentierenden Welt ergibt das einen der interessantesten (mehrbändigen) Entwicklungsromane der Fantasy, der vor allem durch seine psychologisch und politisch glaubwürdig agierenden Figuren überzeugt.
Die Fortress Series ist recht schwergewichtiger Stoff; dass Cherryh es gelegentlich auch leichter und abenteuerlicher kann, zeigt sie nicht nur in einigen ihrer vielen SF-Romane, sondern im Bereich der Fantasy in ihren in den 80er Jahren entstandenen Beiträgen – mehreren Kurzgeschichten und drei Romanen, zwei davon in Zusammenarbeit mit Janet Morris – zu der Shared-World-Reihe Heroes in Hell. Nachdem C.J. Cherryh viele Jahre lang zu den Autoren und Autorinnen gehörte, deren Werke mit schöner Regelmäßigkeit ins Deutsche übersetzt wurden, ist damit seit Anfang des neuen Jahrtausends Schluss. Was sowohl im Hinblick auf ihre SF wie auch auf ihre Fantasy eher bedauerlich ist.

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Cover von Das Experiment von Arkadi & Boris StrugatzkiPaviane, mysteriöse Kriminalfälle, faszinierende Charakterstudien, Politik, Philosophie, Philatelie, abenteuerliche Expeditionen, seltsame Lebensformen, versunkene Städte, Lebensweisheiten und Ginseng … das alles und noch viel mehr hat Das Experiment der Gebrüder Strugatzki zu bieten.

Aber fangen wir von vorne an: Andrej kommt aus der UdSSR des Jahres 1951, dort war er Astrophysiker, jetzt im Experiment ist er Müllfahrer, gemeinsam mit dem Texaner Donald aus dem Jahre 1967, der mal Professor der Soziologie gewesen war, bevor er beim Experiment mitmachte. Andrejs Bekanntenkreis ist ein bunter Haufen, schließlich umfasst er u.a. die Schwedin Selma, den intelligenten und tiefsinnigen Juden Isja Katzman, den stoischen Chinesen Wang oder den faschistischen Wehrmachtsoffizier Fritz Geiger. Sie und hunderte, tausende, vielleicht sogar Millionen Menschen bewohnen eine Welt: das Experiment.
Als Leser/Leserin erlebt man nicht nur mit, wie Andrej und seine Bekannten durch das „Recht auf abwechslungsreiche Arbeit“ in immer neue, unterschiedliche Berufe wechseln, sondern auch wie sich die Geschicke der Stadt (die Stimuli des Experiments?) als eng mit ihren weiteren Erlebnissen verwoben erweisen. Dabei ist es zunächst vor allem die sympathisch-alltägliche Figur des Andrej, die dem Leser/der Leserin hilft, sich zurechtzufinden, auch wenn sich einem das Setting erst langsam erschließt und sich sowohl für die Leserschaft, als auch die auftretenden Figuren eine gehörige Portion Rätselhaftigkeit bewahrt.

Mit dem faszinierenden Setting des mysteriösen Experiments haben die Strugatzkis eine tiefgründige, facettenreiche Parabel geschaffen, gespickt mit seltsamen Abenteuern und ambivalenten Figuren, die einen unweigerlich zum Nachdenken bringt und gleichzeitig an die Seiten fesselt.

Dieser Roman ist im zweiten Band der Gesammelten Werke (ISBN: 978-3-453-52631-0) kürzlich neu aufgelegt worden, ergänzt durch einen Kommentar von Boris Strugatzki sowie einen erklärenden Index für Textstellen, in denen auf andere literarische oder filmische Werke oder historische Personen, Ereignisse, etc. verwiesen wird. Mit Picknick am Wegesrand und Eine Milliarde Jahre vor dem Weltuntergang sind überdies noch zwei andere herausragende Werke in diesem Band enthalten. ∓

Buch des Monats

Cover von Die Ringe der Macht von Helmut W. Pesch & Horst von AllwördenBibliotheka Phantastika gratuliert Helmut W. Pesch, der heute 60 Jahre alt wird. Der am 30. August 1952 in Mönchengladbach geborene Helmut Pesch ist in den letzten Jahren vor allem durch seine Veröffentlichungen zu Tolkiens Elben-Sprache (Elbisch – Grammatik, Schrift und Wörterbuch der Elben-Sprache J.R.R. Tolkiens (2003) und Elbisch – Lern- und Übungsbuch der Elben-Sprache J.R.R. Tolkiens (2004)) einer breiteren Leserschaft bekannt geworden, doch das sind nur die am deutlichsten sichtbaren Früchte einer Beschäftigung mit der Fantasy im Allgemeinen und J.R.R. Tolkien im Besonderen, die bereits in den 70er Jahren ihren Anfang genommen hat. Nach ersten Gehversuchen als Illustrator und Kurzgeschichtenautor in den Publikationen des Fantasyclubs FOLLOW schuf Pesch für die von 1973 bis ’74 erschienene erste deutsche Fantasy-Heftserie Dragon – Söhne von Atlantis Innenillustrationen, Karten und schließlich Titelbilder, und war auch bei der ab 1980 erschienenen zweiten Fantasy-Heftserie Mythor mit Innenillustrationen und Karten dabei.
1982 veröffentlichte er mit Fantasy. Theorie und Geschichte einer literarischen Gattung seine Dissertation zum Dr. phil., die bis heute eine der grundlegenden deutschsprachigen sekundärliterarischen Arbeiten zur Fantasy geblieben ist. Seit 1984 arbeitet er nicht nur als Redakteur und Lektor, sondern gelegentlich auch als Übersetzer, und hat zwischen 1984 und 1993 u.a. Romane von John Myers Myers, James Branch Cabell, Dennis L. McKiernan und E.R. Eddison ins Deutsche übertragen. Vor allem die mit Anmerkungen und Erläuterungen versehene Übersetzung von Eddisons The Worm Ouroboros gilt zu recht als Meilenstein deutschsprachiger Fantasy-Übersetzungen.
Bereits 1984 hat Helmut W. Pesch mit J.R.R. Tolkien – der Mythenschöpfer einen Sammelband mit Artikeln zu Tolkien herausgegeben, doch seine eigentliche Faszination mit dem Schöpfer von Mittelerde hat – nach eigener Aussage – erst allmählich angefangen. Ein Ergebnis dieser Faszination sind die bereits erwähnten Elbisch-Bücher, der Sammelband Das Licht von Mittelerde (1994), der Aufsätze und Vorträge enthält, sowie eine Handvoll verstreuter Artikel, etwa in der Schriftenreihe der Phantastischen Bibliothek Wetzlar.
Ein weiteres, gänzlich anders geartetes Ergebnis sind die beiden Romane Die Ringe der Macht (1998, mit Horst von Allwörden) und Die Herren der Zeit (2000, beide zusammen als Der Ring der Zeit (2008)), die sogenannte Elderland-Saga, die sich – als bewusste Hommage angelegt – etlicher erzählerischer und inhaltlicher Elemente von Tolkiens Herr der Ringe bedient, sie variiert und verfremdet und doch immer wieder augenzwinkernd auf das nie verhohlene Original verweist. Das kleine, gemütliche und ein bisschen vertratschte Völkchen der Ffolks steht dabei für die Hobbits, und ähnlich wie Frodo Beutlin im Original muss sich auch Kimberon Veit – begleitet von einem Menschen, einem Zwerg und einem Elb (sowie seiner Haushälterin) – auf eine gefährliche Queste durch eine etwas andere Version von Mittelerde begeben. Eine klassische Handlung, ein angenehm lesbarer Stil und eine gelungene Sprache vereinen sich zu einem Werk, in das nicht nur Tolkien-Afficionados, sondern auch Freunde und Liebhaberinnen klassischer Questen durchaus einmal einen Blick werfen sollten.
Parallel zur Elderland-Saga verfasste Pesch Ende der 1990er Jahre mit der Anderswelt-Trilogie eine Fantasy-Jugendbuchreihe, in der er seine drei jugendlichen Protagonisten, Siegfried („Siggi“), Gunhild und Hagen auf ebenso spannende wie (für die Helden und die Heldin) unangenehme Weise mit großen Sagenkreisen in Berührung kommen lässt. So schlüpfen die drei in Die Kinder der Nibelungen (1998) in die – nomen est omen – naheliegenden Rollen und werden so unmittelbar in die mythischen Ereignisse hineingezogen. Dabei erzählt Pesch nicht einfach das Nibelungenlied nach, sondern spinnt vielmehr eine Fortsetzung aus dem Stoff der Völsungensaga und der nordischen Mythologie, in der nicht alles so ist, wie es anfangs zu sein scheint. Wie zuhause er sich im Themenfeld Mythologie fühlt, beweist Pesch auch mit den beiden Fortsetzungen, die nach dem bewährten Storyrezept funktionieren. In Die Kinder von Erin (1999) werden Siggi und Hagen im Rahmen eines Irlandurlaubes in die Sagenkreise um Finn den Weissen und Cú Chulainn hineingezogen, während Gunhild bei den drei Göttinnen Eriú, Brigid und Caillech unterkommt. In Die Kinder von Avalon (2001) schließlich geraten alle drei auf die titelgebende mythische Insel und müssen sich auf die Suche nach dem Gral begeben.
Nach diesem Ausflug als Romancier stand wieder Tolkien im Mittelpunkt von Peschs Arbeit; zum einen die bereits erwähnte Beschäftigung mit Tolkiens Elben-Sprache, zum anderen die Übersetzung von Tom Shippeys Tolkien-Biographie The Road to Middle-Earth (1982, rev. u. erw. 2003) als Der Weg nach Mittelerde: Wie J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe schuf (2008). Und schließlich übersetzte er zusammen mit Hans J. Schütz The Children of Húrin (2007), den von Christopher Tolkien herausgegebenen Band um eine der wichtigsten und dramatischsten Episoden aus dem Ersten Zeitalter von Mittelerde (Die Kinder Húrins (2007)). Auch wenn seither der Lektor Helmut W. Pesch wieder den Autor, Übersetzer, Kartenzeichner und Illustrator Helmut W. Pesch in den Hintergrund gedrängt hat, möchten wir ihm als einem der wichtigsten Wegbegleiter und Former der Fantasy in Deutschland an dieser Stelle herzlich zum Geburtstag gratulieren. In diesem Sinne: Alles Gute, Helmut!

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Am 14. Februar 1974 wurde der deutsch-amerikanische Autor James Arthur Sullivan in West Point, NY geboren. Aufgewachsen ist er in der rheinländischen Stadt Kerpen, wo er auch sein Abitur machte. Im Anschluss begann er ein Informatikstudium an der RWTH Aachen. Da er sich für diese Studienrichtung nicht recht begeistern konnte wechselte er nach einigen Semestern zur Geisteswissenschaft. Das neue Fachgebiet führte ihn nach Köln, wo er Anglistik, Germanistik und Allgemeine Sprachwissenschaft belegte. In diesem zweiten Studium konzentrierte sich Sullivan auf die Schwerpunkte Erzähltheorie, Lexikalische Semantik, Interaktive Narration, Wolfram von Eschenbach und die Artusepik.

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Cover von Eine Milliarde Jahre vor dem Weltuntergang von Arkadi & Boris StrugatzkiIn einer etwas heruntergekommenen Stadt in der Sowjetunion während eines brütend heißen Sommers sitzt der Astrophysiker Maljanow an seiner Arbeit und steht vor einer großen Entdeckung, doch ständig wird er von seinen Berechnungen abgelenkt. Seltsame Dinge passieren, nicht nur ihm, sondern auch seinen Freunden, dann wird sein Nachbar tot aufgefunden und plötzlich steht die Geheimpolizei vor seiner Tür …

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Das Drachenschwert von Daniel HanoverEs ist mal wieder an der Zeit, eine frisch erschienene Übersetzung zu empfehlen, an der ich mit großem Vergnügen gearbeitet habe: Daniel Hanovers Das Drachenschwert (ISBN 978-3-442-26865-8), den ersten Band der auf fünf Teile ausgelegten Reihe Dolch und Münze.
Damit sind auch die beiden Hauptkomponenten abgesteckt, die die Welt antreiben, die die Drachenimperatoren den dreizehn von ihnen geschaffenen Rassen hinterlassen haben: Konflikt, teils offen-kriegerisch, teils verdeckt-intrigant umgesetzt, und Handel, Bank- und Geldwesen. Diese beiden unterschiedlichen Wege zur Macht erweisen sich jeder auf seine Art als grausam, werden aber immer von Menschen eingeschlagen, die ihre ureigenen Gründe für das Machtstreben haben.

Da wäre zunächst Marcus Wester, Söldnerhauptmann und Schrecken von Königen, dem sein Trupp abhanden kommt, als er von einem Fürsten zum Kriegsdienst erpresst werden soll. Um einen Vertrag als Karawanenwache einzuhalten, sieht Wester sich gezwungen, kurzfristig eine Gruppe Schauspieler anzuheuern, die sich als Wächter ausgeben. Gemeinsam mit seinem lakonischen Stellvertreter Yardem bildet er zwar nicht nur im Kampf ein unschlagbares Duo, doch hat er keine Ahnung, was ihn auf dem Treck nach Norden wirklich erwartet: In der Karawane befindet sich nämlich auch das Bankmündel Cithrin, die inkognito die Reichtümer der Bank in ihrem Wagen aus der Stadt schmuggelt.
In die Gegenrichtung unterwegs ist dagegen der dickliche Bücherwurm Geder Palliako, ein junger niederer Adliger auf seinem ersten Feldzug, der leider nicht die erhoffte Schwertkameradschaft erlebt, sondern als Kompanieclown verlacht wird.
Und im Herzen der Macht der erstgeborenen Menschen, der ehemaligen imperialen Hauptstadt von Antea, sitzt Baron Dawson Kalliam, Freund des Königs aus Kindertagen, Ehrenmann, und verzweifelt darum bemüht, das Reich zusammenzuhalten, notfalls auch mit Verschwörungen und Gewalt.

Hanover, der bereits mit George R.R. Martin zusammengearbeitet hat und mit dessen Assistenten unter einem anderen Pseudonym SF schreibt, entwirft Dolch und Münze mit vielen Parallelen zu Das Lied von Eis und Feuer: Die Intrigenspiele des Adels, das Geschacher um Macht, bei dem leichtfertig mit dem Leben der Untertanen gespielt wird, der marode Zustand der Welt, so dass das gegenseitige Zerfleischen nur einer winzigen Anregung durch übernatürliche Mächte von Außen bedarf – und nicht zuletzt die Kapitel, die die Namen der Hauptfiguren tragen, aus deren Perspektive abwechselnd erzählt wird. Dennoch liest sich Das Drachenschwert eher wie ein erwachsenerer Bruder von Martins Epos, denn der Fokus liegt nicht nur beim Umgang mit den Figuren letztlich auf feinen Beobachtungen und Veränderungen, die sich zunächst oft im Verborgenen abspielen, aber später die Welt erschüttern werden. Über die menschlichen, nicht über-menschlichen Helden, die sich nicht immer in die antizipierte Richtung entwickeln, werden politische und gesellschaftliche Themen verhandelt, und ganz nebenbei zaubert Hanover individuelle Interpretationen etlicher Figuren-Klischees – des Tyrannen, des “auserwählten” Waisenkindes, des Heroen, die vermutlich auch die alten Haudegen unter den LeserInnen eiskalt erwischen werden.
Damit gelingt es Hanover, in diesem Auftakt die Anlagen für etwas zu schaffen, das der epischen Fantasy ein realistisches Update geben kann, was die Komplexität der Welt (nicht der Weltschöpfung, wohlgemerkt) und der Beziehungen der Menschen darin angeht. Man darf gespannt sein, was in dieser Reihe noch drinsteckt, wenn sie schon mit dem ersten Band ein so spannendes Geflecht von Figuren und Ereignissen vorlegt und das “Werden” großer Spieler in der Welt auf eine ziemlich einzigartige Art und Weise beleuchtet.

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Rebel Angels von Libba BrayGemma versucht weiterhin ihr Schicksal zu verfolgen und die Magie des magischen Reichs wieder an den Orden zu binden. Sie und ihre Freundinnen sind plötzlich in der Lage, die Magie dieser anderen Welt mit in ihr viktorianisches London zu holen, wo sie die Weihnachtsferien bei ihren Familien verbringen. So gerne Gemma das Chaos der magischen Welt für eine Weile vergessen würde, so akut ist jedoch die Bedrohung durch Circe, und die Mädchen begeben sich auf die Suche nach dem verlorenen Tempel, dem Schlüssel zur Kontrolle der Magie. Unterdessen ist Gemma hin und her gerissen zwischen dem exotischen Rakshana Kartik und dem attraktiven, aber nicht sehr tiefgründigen Lord Denby, der ihr den Hof macht.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Lucius Shepard, der heute 65 Jahre alt wird. Der am 21. August in Lynchburg im amerikanischen Bundesstaat Virginia geborene Shepard gilt zu Recht als einer der thematisch und stilistisch interessantesten derzeit aktiven Autoren der phantastischen Literatur. Diesen Ruf verdankt er vor allem den rund 100 Kurzgeschichten und Erzählungen, die er – beginnend mit “The Taylorsville Reconstruction” (1983) – seit Anfang der 80er Jahre veröffentlicht hat, und von denen bisher nur ein relativ geringer Teil ins Deutsche übersetzt wurde. Dabei bewegt er sich in allen Genres, die sich unter dem Oberbegriff phantastische Literatur subsummieren lassen, von SF über Horror und Magischen Realismus – der sonst zumeist in der lateinamerikanischen Literatur zu finden ist – bis hin zur Fantasy.
Am Anfang seiner Karriere hat Shepard – parallel zu seinem bis in die frühen 90er enormen Ausstoß an Geschichten – auch einige wenige Romane verfasst; Green Eyes (1984; dt. Grüne Augen (1989)) behandelt dabei die Zombiethematik im Gewand eines SF-Romans (sprich: mit einem wissenschaftlichen Ansatz), Life during Wartime (1987; dt. Das Leben im Krieg (1989)) schildert in einer beeindruckenden Sprache und mit konsequent übersteigerten, aus Vietnamkriegsberichten bekannten Bildern und Motiven einen fiktiven, in naher Zukunft stattfindenden Krieg in Lateinamerika, und The Golden (1993; dt. Die Spur des Goldenen Opfers (1997)) bereichert den Vampirmythos um eine originelle Facette.
The Dragon Griaule von Lucius ShepardDoch Shepards eigentliche Stärke liegt in kürzeren, vor allem aber längeren Erzählungen bzw. Kurzromanen, in denen seine stilistischen Fähigkeiten voll zum Tragen kommen, und denen er sich inzwischen fast ausschließlich zugewandt hat. Für Fantasyleser und -leserinnen sind in diesem Zusammenhang – neben der atmosphärisch, aber nicht unbedingt inhaltlich überzeugenden Joseph-Conrad-Hommage Kalimantan (1990; dt. Kalimantan (1992)) – in erster Linie die Geschichten um den Drachen Griaule interessant, die vor kurzem in den USA unter dem Titel The Dragon Griaule gesammelt erschienen sind. Beginnend mit “The Man Who Painted the Dragon Griaule” (1984) zeigt uns Shepard in ihnen Fragmente eines Fantasy-Universums, das einerseits fremd und exotisch wirkt (oder genauer: fremder und exotischer als die meisten anderen Fantasy-Universen), andererseits aber direkt um die Ecke liegen könnte. Der titelgebende Drache ist dabei ein gewaltiges, unbewegliches Wesen, das das Leben der Bevölkerung eines reichen, fruchtbaren Landstrichs durch seine reine Anwesenheit beherrscht. Und dieser Drache soll nun durch einen Anstrich mit giftiger Farbe getötet werden, denn auch wenn Griaule körperlich unbeweglich ist, kann er mit seinem Geist die Bewohner der Gegend beeinflussen, kann ihre Träume und Wünsche manipulieren. In den weiteren Erzählungen (“The Scalehunter’s Beautiful Daughter” (1988), “The Father of Stones” (1988), “Liar’s House” (2004), “The Taborin Scale” (2010) und “The Skull” (2012)) verändern sich die Gegebenheiten nach und nach. Die Welt und die Menschen in ihr wandeln sich, und schließlich ist Griaule nichts weiter als ein Mythos – in einer Welt, die der unseren dann doch sehr ähnlich ist.
Es fällt schwer, mehr über diese Geschichten zu sagen, ohne allzuviel vorwegzunehmen oder zu verraten. Sie bedienen sich fantasytypischer Motive, doch sie verwenden sie auf ungewohnte Weise. Sie sind eher beunruhigend als beruhigend. Und sie sind es wert, gelesen zu werden. Letzteres erweist sich für deutschsprachige Leser und Leserinnen allerdings als schwierig, denn von den insgesamt sechs Geschichten über den Drachen Griaule sind nur zwei (“Der Mann, der den Drachen Griaule (be)malte” (1987 bzw. 2005) und “Des Schuppensammlers schöne Tochter” (1989)) bislang auf Deutsch erschienen.

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Bibilotheka Phantastika gratuliert Bernard Craw, der heute 40 Jahre alt wird. Wobei es sich bei Bernard Craw um ein Pseudonym handelt, unter dem der am 20. August 1972 im niedersächsischen Bramsche geborene Bernd-Otto Robker bisher seine phantastischen Arbeiten veröffentlicht hat. In seinem Romanerstling Sanguis B. – Vampire erobern Köln (2005) mischt er die Vampirthematik mit einem düsteren Endzeitszenario und verlegt das Ganze auf deutschen Boden (nämlich an seinen Wohnort Köln), was dem Roman eine zuvor selten gesehene, originelle Komponente verleiht.
Danach wandte er sich zwei bekannten Franchise-Universen zu, die bereits mehrfach als Setting für die frühen und nicht mehr ganz so frühen Gehversuche deutscher Autoren gedient haben (und immer noch dienen) – Das Schwarze Auge und BattleTech. Nach der Military SF im Rahmen des BattleTech-Universums (Karma (2007) und einem Zweiteiler um die Andurienkriege (2012)) verlegte Craw sich auf die Fantasy: Im DSA-Universum folgte auf die Romane Todesstille und Im Schatten der Dornrose (beide 2009) 2010 der vierteilige, aus den Bänden Stein, Erz, Eisen und Stahl bestehende Isenborn-Zyklus. Im darauffolgenden Jahr erschien mit Türme im Nebel der erste Teil des auf sechs Bände angelegten Zyklus Die Türme von Taladur, dessen Fortsetzungen jedoch nicht mehr von Craw verfasst, sondern nur noch koordiniert und redigiert wurden bzw. werden.
Feind von Robert CorvusWas möglicherweise auch damit zu tun hat, dass sich Bernard Craw – jetzt allerdings unter dem neuen Pseudonym Robert Corvus – inzwischen mit dem Zyklus um Die Schattenherren einer eigenen Fantasywelt zugewandt hat. Der erste Band – Feind – soll im Januar 2013 erscheinen, und das, was bisher über Setting und Inhalt zu erfahren war, lässt einen Zyklus erwarten, in den hineinzuschauen sich vielleicht lohnen könnte, wenn man eher “klassische” Fantasy mag. Man darf zumindest gespannt sein (nicht zuletzt auch darauf, wie lange Craws Vorliebe für Einworttitel noch anhält). In diesem Sinne – herzlichen Glückwunsch, Bernard!

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