Es ist mal wieder an der Zeit, eine frisch erschienene Übersetzung zu empfehlen, an der ich mit großem Vergnügen gearbeitet habe: Daniel Hanovers Das Drachenschwert (ISBN 978-3-442-26865-8), den ersten Band der auf fünf Teile ausgelegten Reihe Dolch und Münze.
Damit sind auch die beiden Hauptkomponenten abgesteckt, die die Welt antreiben, die die Drachenimperatoren den dreizehn von ihnen geschaffenen Rassen hinterlassen haben: Konflikt, teils offen-kriegerisch, teils verdeckt-intrigant umgesetzt, und Handel, Bank- und Geldwesen. Diese beiden unterschiedlichen Wege zur Macht erweisen sich jeder auf seine Art als grausam, werden aber immer von Menschen eingeschlagen, die ihre ureigenen Gründe für das Machtstreben haben.
Da wäre zunächst Marcus Wester, Söldnerhauptmann und Schrecken von Königen, dem sein Trupp abhanden kommt, als er von einem Fürsten zum Kriegsdienst erpresst werden soll. Um einen Vertrag als Karawanenwache einzuhalten, sieht Wester sich gezwungen, kurzfristig eine Gruppe Schauspieler anzuheuern, die sich als Wächter ausgeben. Gemeinsam mit seinem lakonischen Stellvertreter Yardem bildet er zwar nicht nur im Kampf ein unschlagbares Duo, doch hat er keine Ahnung, was ihn auf dem Treck nach Norden wirklich erwartet: In der Karawane befindet sich nämlich auch das Bankmündel Cithrin, die inkognito die Reichtümer der Bank in ihrem Wagen aus der Stadt schmuggelt.
In die Gegenrichtung unterwegs ist dagegen der dickliche Bücherwurm Geder Palliako, ein junger niederer Adliger auf seinem ersten Feldzug, der leider nicht die erhoffte Schwertkameradschaft erlebt, sondern als Kompanieclown verlacht wird.
Und im Herzen der Macht der erstgeborenen Menschen, der ehemaligen imperialen Hauptstadt von Antea, sitzt Baron Dawson Kalliam, Freund des Königs aus Kindertagen, Ehrenmann, und verzweifelt darum bemüht, das Reich zusammenzuhalten, notfalls auch mit Verschwörungen und Gewalt.
Hanover, der bereits mit George R.R. Martin zusammengearbeitet hat und mit dessen Assistenten unter einem anderen Pseudonym SF schreibt, entwirft Dolch und Münze mit vielen Parallelen zu Das Lied von Eis und Feuer: Die Intrigenspiele des Adels, das Geschacher um Macht, bei dem leichtfertig mit dem Leben der Untertanen gespielt wird, der marode Zustand der Welt, so dass das gegenseitige Zerfleischen nur einer winzigen Anregung durch übernatürliche Mächte von Außen bedarf – und nicht zuletzt die Kapitel, die die Namen der Hauptfiguren tragen, aus deren Perspektive abwechselnd erzählt wird. Dennoch liest sich Das Drachenschwert eher wie ein erwachsenerer Bruder von Martins Epos, denn der Fokus liegt nicht nur beim Umgang mit den Figuren letztlich auf feinen Beobachtungen und Veränderungen, die sich zunächst oft im Verborgenen abspielen, aber später die Welt erschüttern werden. Über die menschlichen, nicht über-menschlichen Helden, die sich nicht immer in die antizipierte Richtung entwickeln, werden politische und gesellschaftliche Themen verhandelt, und ganz nebenbei zaubert Hanover individuelle Interpretationen etlicher Figuren-Klischees – des Tyrannen, des “auserwählten” Waisenkindes, des Heroen, die vermutlich auch die alten Haudegen unter den LeserInnen eiskalt erwischen werden.
Damit gelingt es Hanover, in diesem Auftakt die Anlagen für etwas zu schaffen, das der epischen Fantasy ein realistisches Update geben kann, was die Komplexität der Welt (nicht der Weltschöpfung, wohlgemerkt) und der Beziehungen der Menschen darin angeht. Man darf gespannt sein, was in dieser Reihe noch drinsteckt, wenn sie schon mit dem ersten Band ein so spannendes Geflecht von Figuren und Ereignissen vorlegt und das “Werden” großer Spieler in der Welt auf eine ziemlich einzigartige Art und Weise beleuchtet.