Bibliotheka Phantastika gratuliert Helmut W. Pesch, der heute 60 Jahre alt wird. Der am 30. August 1952 in Mönchengladbach geborene Helmut Pesch ist in den letzten Jahren vor allem durch seine Veröffentlichungen zu Tolkiens Elben-Sprache (Elbisch – Grammatik, Schrift und Wörterbuch der Elben-Sprache J.R.R. Tolkiens (2003) und Elbisch – Lern- und Übungsbuch der Elben-Sprache J.R.R. Tolkiens (2004)) einer breiteren Leserschaft bekannt geworden, doch das sind nur die am deutlichsten sichtbaren Früchte einer Beschäftigung mit der Fantasy im Allgemeinen und J.R.R. Tolkien im Besonderen, die bereits in den 70er Jahren ihren Anfang genommen hat. Nach ersten Gehversuchen als Illustrator und Kurzgeschichtenautor in den Publikationen des Fantasyclubs FOLLOW schuf Pesch für die von 1973 bis ’74 erschienene erste deutsche Fantasy-Heftserie Dragon – Söhne von Atlantis Innenillustrationen, Karten und schließlich Titelbilder, und war auch bei der ab 1980 erschienenen zweiten Fantasy-Heftserie Mythor mit Innenillustrationen und Karten dabei.
1982 veröffentlichte er mit Fantasy. Theorie und Geschichte einer literarischen Gattung seine Dissertation zum Dr. phil., die bis heute eine der grundlegenden deutschsprachigen sekundärliterarischen Arbeiten zur Fantasy geblieben ist. Seit 1984 arbeitet er nicht nur als Redakteur und Lektor, sondern gelegentlich auch als Übersetzer, und hat zwischen 1984 und 1993 u.a. Romane von John Myers Myers, James Branch Cabell, Dennis L. McKiernan und E.R. Eddison ins Deutsche übertragen. Vor allem die mit Anmerkungen und Erläuterungen versehene Übersetzung von Eddisons The Worm Ouroboros gilt zu recht als Meilenstein deutschsprachiger Fantasy-Übersetzungen.
Bereits 1984 hat Helmut W. Pesch mit J.R.R. Tolkien – der Mythenschöpfer einen Sammelband mit Artikeln zu Tolkien herausgegeben, doch seine eigentliche Faszination mit dem Schöpfer von Mittelerde hat – nach eigener Aussage – erst allmählich angefangen. Ein Ergebnis dieser Faszination sind die bereits erwähnten Elbisch-Bücher, der Sammelband Das Licht von Mittelerde (1994), der Aufsätze und Vorträge enthält, sowie eine Handvoll verstreuter Artikel, etwa in der Schriftenreihe der Phantastischen Bibliothek Wetzlar.
Ein weiteres, gänzlich anders geartetes Ergebnis sind die beiden Romane Die Ringe der Macht (1998, mit Horst von Allwörden) und Die Herren der Zeit (2000, beide zusammen als Der Ring der Zeit (2008)), die sogenannte Elderland-Saga, die sich – als bewusste Hommage angelegt – etlicher erzählerischer und inhaltlicher Elemente von Tolkiens Herr der Ringe bedient, sie variiert und verfremdet und doch immer wieder augenzwinkernd auf das nie verhohlene Original verweist. Das kleine, gemütliche und ein bisschen vertratschte Völkchen der Ffolks steht dabei für die Hobbits, und ähnlich wie Frodo Beutlin im Original muss sich auch Kimberon Veit – begleitet von einem Menschen, einem Zwerg und einem Elb (sowie seiner Haushälterin) – auf eine gefährliche Queste durch eine etwas andere Version von Mittelerde begeben. Eine klassische Handlung, ein angenehm lesbarer Stil und eine gelungene Sprache vereinen sich zu einem Werk, in das nicht nur Tolkien-Afficionados, sondern auch Freunde und Liebhaberinnen klassischer Questen durchaus einmal einen Blick werfen sollten.
Parallel zur Elderland-Saga verfasste Pesch Ende der 1990er Jahre mit der Anderswelt-Trilogie eine Fantasy-Jugendbuchreihe, in der er seine drei jugendlichen Protagonisten, Siegfried („Siggi“), Gunhild und Hagen auf ebenso spannende wie (für die Helden und die Heldin) unangenehme Weise mit großen Sagenkreisen in Berührung kommen lässt. So schlüpfen die drei in Die Kinder der Nibelungen (1998) in die – nomen est omen – naheliegenden Rollen und werden so unmittelbar in die mythischen Ereignisse hineingezogen. Dabei erzählt Pesch nicht einfach das Nibelungenlied nach, sondern spinnt vielmehr eine Fortsetzung aus dem Stoff der Völsungensaga und der nordischen Mythologie, in der nicht alles so ist, wie es anfangs zu sein scheint. Wie zuhause er sich im Themenfeld Mythologie fühlt, beweist Pesch auch mit den beiden Fortsetzungen, die nach dem bewährten Storyrezept funktionieren. In Die Kinder von Erin (1999) werden Siggi und Hagen im Rahmen eines Irlandurlaubes in die Sagenkreise um Finn den Weissen und Cú Chulainn hineingezogen, während Gunhild bei den drei Göttinnen Eriú, Brigid und Caillech unterkommt. In Die Kinder von Avalon (2001) schließlich geraten alle drei auf die titelgebende mythische Insel und müssen sich auf die Suche nach dem Gral begeben.
Nach diesem Ausflug als Romancier stand wieder Tolkien im Mittelpunkt von Peschs Arbeit; zum einen die bereits erwähnte Beschäftigung mit Tolkiens Elben-Sprache, zum anderen die Übersetzung von Tom Shippeys Tolkien-Biographie The Road to Middle-Earth (1982, rev. u. erw. 2003) als Der Weg nach Mittelerde: Wie J.R.R. Tolkien Der Herr der Ringe schuf (2008). Und schließlich übersetzte er zusammen mit Hans J. Schütz The Children of Húrin (2007), den von Christopher Tolkien herausgegebenen Band um eine der wichtigsten und dramatischsten Episoden aus dem Ersten Zeitalter von Mittelerde (Die Kinder Húrins (2007)). Auch wenn seither der Lektor Helmut W. Pesch wieder den Autor, Übersetzer, Kartenzeichner und Illustrator Helmut W. Pesch in den Hintergrund gedrängt hat, möchten wir ihm als einem der wichtigsten Wegbegleiter und Former der Fantasy in Deutschland an dieser Stelle herzlich zum Geburtstag gratulieren. In diesem Sinne: Alles Gute, Helmut!
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