Dieses Video auf Collegehumor.com hat den Anlass geliefert, uns anzuschauen, wie es um die „Kettenbikinis“ in der Fantasyliteratur bestellt ist:
Der Kettenbikini und seine Verwandten sind – vielleicht, weil eine Beschreibung in Worten seine Absurdität doch zu sehr enthüllen würde? – vor allem ein Phänomen der bildlichen Darstellung. Games, Filme, Comics, Pen&Paper-Rollenspiele (insbesondere die frühen Dungeons&Dragons-Ausgaben mit Werken von Larry Elmore) und Buchcover glänzen mit diesen Schmalspurrüstungen. Ein literarisches Motiv scheint der Kettenbikini dagegen nicht zu sein, denn selbst in den damit so eindringlich (oder aufdringlich?) illustrierten Werken tritt er meistens gar nicht in Erscheinung. Heute würde man die Cover aus der Hochzeit des Kettenbikinis als Fanservice bezeichnen, ein Marketingargument für eine angenommene hauptsächlich heterosexuelle, männliche Leserschaft. Diese “goldene Zeit” des Kettenbikinis (die 1980er Jahre) ist erfahreneren Genre-LeserInnen sicher noch in lebhafter Erinnerung:
Gerne würde man die 1980er für diese Cover belächeln, aber leider finden sich derartige klischeehafte Darstellungen immer noch. Heutzutage sind es vor allem Computerspiele, die auf den sex-sells-Faktor von halbnackten Frauen setzen. Man nehme etwa die unterschiedlichen Rüstungsdesigns aus World of Warcraft:

Es wird deutlich, dass Kleidung für Frauen in diesen Medien vor allem einen Zweck erfüllen soll: strategisches Enthüllen. Zugleich wird damit aber auch die Geschlechtsneutralität der Klassenwahl (und damit der Rollenverteilung in einer Fantasywelt) untergraben, indem das kämpferische Element bei weiblichen Figuren deutlich in den Hintergrund tritt – praktisch wie optisch. Man betrachte dazu auch das Cover von The Frozen God, auf dem sich die Schwertmeisterin Raven in mehr als eindeutiger und alles andere als kriegerischer Pose befindet. Die Idee, kämpfende Frauen stark zu sexualisieren und wenn möglich nackt darzustellen, ist nicht neu (siehe etwa Rubens’ Amazonenschlacht) und war häufig mit Mythen über die letztendliche Überwindung der sexuell attraktiven, kämpfenden Frau durch einen männlichen Kämpfer verknüpft (z.B. Achill und Penthesilea, hier in der Interpretation von Tischbein). Abseits phantastischer Medien ist natürlich ebensowenig Schluss mit der zusammenhanglosen Zurschaustellung weiblicher Körper, man werfe nur einen Blick auf die Werbung oder die Bekleidungsvorschriften für Beach Volleyball.
Natürlich tauchen auch halbnackte Männer auf den Covern auf (durchaus bis heute), zumeist übernatürlich muskulöse Barbaren. Anders als die leicht bekleideten Kriegerinnen stellt dies aber weniger eine Erotisierung mit sex-sells-Funktion dar, als vielmehr das Zelebrieren einer (Hyper-)Maskulinität.
Wie gerade das letzte Cover zeigt, stehen die Darstellungsformen “entblößte Frau” und “hypermaskuliner Mann” in Zusammenhang und bekräftigen eine Geschlechterhierarchie, die durch die kämpfende Frau zumindest potentiell bedroht war. Denn gleichzeitig werden über den Kettenbikini – wie es auch im Video angesprochen wird – geschlechtsspezifische Zuschreibungen bestärkt bzw. als Grund für die Schmalspurrüstung vorgeschoben, wobei die geringere Körperkraft von Frauen das Hauptargument darstellt. Ein weiteres schönes Beispiel dafür liefert uns Red Sonja, deren Kettenhemd zwar an den richtigen Stellen Sonjas Kurven nachgab, aber ursprünglich immerhin den ganzen Körper bedeckte, was sich allerdings bald änderte, sodass auch die moderne Red Sonja mehr Schwert schwingendes Pin-up denn Kriegerin ist.

Das Klischee der spärlich bekleideten Kriegerin hat also inzwischen auf so vielen Ebenen Eingang in die Popkultur gefunden, dass problemlos in parodistischer Form darauf Bezug genommen werden kann (z.B. in Pratchetts Scheibenwelt-Romanen oder Esther M. Friesners Anthologiereihe Chicks in Chainmail). Der Frage, ob vor den Parodien jemals literarische Originale standen oder ob sie ihren Stoff alleine aus den Bildwelten beziehen, wird Bibliotheka Phantastika vielleicht demnächst in einem weiteren Feature zum Kettenbikini nachgehen.
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Das Bild zur ursprünglichen Red Sonja stammt aus diesem Artikel auf Diversions of the Groovy Kind.
Diese Ausgabe von »Tore des Chaos« habe ich tatsächlich im Regal stehen. Ich kann mich aber nicht mehr erinnern, was damals, im zarten Alter von 17 Jahren, für mich die schlagenden Verkaufsargumente waren. Mir fehlen diese, (oft) von Frank Fazetta inspirierten Cover doch ein wenig. In den heutigen prüden Zeiten muss ja alles von einem dicken Kapuzenmantel verhüllt werden. Ich will endlich wieder nackte Barbaren sehen. 🙂
Na, vielleicht machen wir ja mal extra für dich sowas wie “Leise weht der Lendenschurz (im Wind)” oder doch eher “Leise kontraktiert der Brustmuskel”? 😉
[…] zu drücken. Seitdem wurden Bücher gewälzt, Cover begutachtet, Diskussionen geführt und Kettenbikinis ausgewertet. Begleitet haben uns dabei nicht nur die ewigtreuen Gestalten in Kapuzenmänteln, die […]