: Militär & Schlachten

Cover von Barbarendämmerung von Tobias O. MeißnerDer Barbar zieht durch ein nicht näher bestimmtes Land, das sich an seinen Rändern im Krieg mit den sogenannten Waldmenschen befindet. Auf seiner ziellosen Reise sieht sich der Barbar immer wieder mit der Dekadenz der Städte, ihren Regel- und Ordnungssystemen – die er weder teilt, noch nachvollziehen kann -, aber auch mit gefährlichen Monstern und sogar Heiligen und Göttern konfrontiert. Dabei wird er seiner Bezeichnung gerecht und zieht eine Spur der Verwüstung durch das Land.

-Menschen gaben sich diese Gesetze. Sie gaben sie sich selbst. Aber sie brachen sie auch. Nach eigenem Gutdünken.-
S. 258

Im Zentrum des Klappentextes zu Tobias O. Meißners Barbarendämmerung stehen vor allem die Rücksichtslosigkeit und Brutalität des titelgebenden Protagonisten, und tatsächlich nimmt die bildhafte Beschreibung von Gewalt und Grausamkeit recht viel Raum ein, die Stärken des Romans liegen aber vielmehr dort, wo den Abenteuern des Barbaren mehr abgewonnen wird als brutale Action.

Bis ungefähr zur Hälfte oder zwei Dritteln des Buches folgt auf ein in sich geschlossenes Abenteuer das nächste, sodass sich eher der Eindruck einer Sammlung von Erzählungen ergibt, auch wenn die Geschichten chronologisch aufeinander aufbauen und manchen kleinen Querverweis enthalten. Erst gegen Ende des Buches gehen die Episoden flüssiger ineinander über und sind nicht mehr für sich lesbar. Nachdem man sich aber über den Großteil des Romans auf Kapitel mit starker innerer Dramaturgie eingestellt hat, wirkt manches der abschließenden Kapitel mit überleitendem Charakter etwas belanglos, obwohl (oder vielleicht gerade weil) darin weiterhin die Regel von mindestens einem (mal mehr, mal weniger) ausführlichen Kampf pro Kapitel beibehalten wird.

Zwar lassen sich sämtliche Abenteuer flott lesen, vielleicht sollte man aber auch hier – wie bei Anthologien – immer mal wieder Pausen einlegen, um dem Repititionseffekt zu entgehen. Allerdings gibt es auch immer wieder besonders dichte Kapitel, die entweder mit ihrer Atmosphäre, der darin enthaltenen Figurenzeichnung und/oder über das Abenteuer hinausgehenden thematischen Gehalt punkten können. So fesselt etwa das Kapitel „ausSLöSCHeN“ den Leser/die Leserin mit der Verknüpfung vom Marsch durch einen Untoten-Sumpf mit retrospektiven Episoden. Grausiger Höhepunkt ist wohl die Kombination aus den Kapiteln „FReSSeN“ und „SauFeN“, die zeigt, dass nicht nur der Barbar in den Städten Chaos stiften kann, sondern auch die Städte im Barbaren.

Überhaupt gewinnt das Buch dort, wo es seinem Protagonisten etwas mehr Tiefe zugesteht, abseits des hypermaskulinen, naturverbundenen und non-konformen Barbarenklischees, dessen es sich bedient, und dem Verhältnis zwischen Barbar und StädterInnen mehr Ambivalenz verleiht. Denn das Barbarenklischee wird stellenweise ebenso dezent unterlaufen wie der damit verbundene Kulturpessimismus, der einem regellosen, „natürlichen“ Subjekt (dem Barbaren), die dekadenten und verweichlichten Städte gegenüberstellt. So etwa, wenn das Maß an Selbstdisziplinierung und -inszenierung erahnbar wird, das notwendig ist, damit der Barbar seine Wirkung erzielt, oder wenn klassisch kulturpessimistische Tiraden von einem egozentrischen und mehr auf Showeffekt, denn auf Wissenschaft schielenden Akademiker vorgetragen werden. Diesen Aspekten hätten gerne mehr Seiten gewidmet sein können, um den Abenteuern des Barbaren mehr Tiefe zu verleihen, denn das Aufeinanderprallen von unterschiedlichen Wertesystemen und die Geringschätzung der Städter für alles, was sie als unzivilisiert betrachten, wie die gleichzeitige seltsame Faszination, die dieses auf sie ausübt, wäre ein durchaus spannendes Thema, das hier allerdings zwischen allerhand Blutbädern eher untergeht als ausgearbeitet wird. Wie die Kapitelüberschriften zeigen, hat Tobias O. Meißner seine Freude an Experimenten nicht verloren, und in einem Kapitel kehrt er sogar der Prosa den Rücken.

The Blade Itself von Joe AbercrombieDer berühmt-berüchtigte Barbar Logen Ninefingers verlässt seine Heimat, weil er sich zu viele Feinde gemacht hat, und gerät an Bayaz, eine Person, die so gar nicht zu ihm passt.
In Adua, der Hauptstadt der mächtigen Union, will der arrogante Adelsspross Jezal dan Luthar seine Karriere beim Militär dadurch befördern, dass er zum Fechtchampion wird, denn zum Kriegsheld taugt er nicht.
Ebenda gerät der ebenso verkrüppelte wie zynische Inquisitor Glokta in den innenpolitischen Machtkampf der niedergehenden Union, während sich an ihren Grenzen die außenpolitischen Bedrohungen häufen.

-They’re everywhere. You really can’t change floors without them. And down is worse than up, that’s the thing people never realise. Going up, you usually don’t fall that far.-
Seite 10

Joe Abercrombie versucht mit der Trilogie The First Law, deren erster Band The Blade Itself (Kriegsklingen) ist, etwas frischen Wind ins Fantasy-Genre zu bringen – dies gelingt ihm jedoch bisher nur teilweise. Das Cover stellt ohne Zweifel eine wirklich hübsche Abwechslung von den generischen Fantasycovern dar – allerdings nur in der englischen Version, die Heyne-Ausgabe ist dafür doppelt beliebig. Der Titel ist ein Teil des Homer-Zitates “The blade itself incites to deeds of violence”, was – gemeinsam mit den Blutspritzern auf dem Coverbild – bereits ankündigt, dass wir uns im Grim-&-Gritty-Genre befinden, so viel gleich vorweg: es ist also mit blutigen Kämpfen, einer düsteren Welt und viel Misanthropie zu rechnen.

Die Story ist den derzeitigen Standards gemäß aus der Sicht verschiedener Personen erzählt, deren Handlungsstränge sich im weiteren Verlauf kreuzen. Das Reich im Niedergang, dessen Rettung aber noch möglich ist, klingt zwar nicht nach großer Innovation, mit seinem Händchen für die Abgründe von Genrestandards und seinem flotten Stil mit mitten-drin-Effekt verhindert Abercrombie aber erfolgreich, dass Langeweile aufkommt, obwohl im ersten Band der Trilogie die Story eher gemächlich voranschreitet.

Die Faszination von The Blade Itself liegt vor allem an den zentralen Figuren, die eingeführt werden. Hier profitiert das Buch eindeutig davon, dass Abercrombie sich mit seinen Protagonisten am klassischen Heldenrepertoire der Fantasy abarbeiten möchte und dabei mit sehr viel Witz zugange gewesen ist. Dabei verkommt der Roman aber nicht zur Parodie, sondern  Abercrombie hat sich bemüht, seine Helden (und seine Heldin) ambivalent zu gestalten und sie mit liebens- und hassenswerten Charakterzügen und/oder Tätigkeitsfeldern auszustatten. Wirklich tiefschürfend sind die Figuren dadurch jedoch nicht, denn das Bemühen, sie in einer Grauzone zwischen Gut und Böse anzusiedeln, resultiert schlussendlich darin, dass sie zwischen ihrer guten und ihrer schlechten Seite hin- und herpendeln, ohne dass dieser Widerspruch irgendwo thematisiert wird. So bleiben die Figuren leider trotz des humoristischen Touchs viel zu sehr ihren klischeehaften Ausgangspunkten verhaftet.

Daher ist es dann doch zumeist der Humor, der einen durch die Handlung trägt, denn der trockene, bissige und oft auch zynische Ton unterstreicht nicht nur das Grim-&-Gritty-Element, sondern liefert in seinen hemdsärmeligen und selbstironischen Momenten auch eine angenehme Abwechslung ebendavon. Wer Grim & Gritty mag und gerne pointierte Gedankengänge vom Leben gezeichneter Charaktere liest, der ist hier bestens aufgehoben.

Cover des Buches "Der blaue Löwe" von Mary Gentle Im späten Mittelalter kämpft die Söldnerführerin Ash an der Spitze ihrer eigenen Kompanie unter dem Wappen des blauen Löwen. Seit ihrer Jugend hört sie die Stimme eines Heiligen in ihrem Kopf, die in Sachen Strategie und Taktik stets den richtigen Rat gibt. Während das Herzogtum Burgund und das Heilige Römische Reich deutscher Nation ihre Rivalitäten ausfechten und so Söldnern wie Ash goldene Zeiten bereiten, landen in Südeuropa überraschend fremdartige Invasionstruppen, deren Waffentechnologie geradezu magisch anmutet. Ash wird tiefer in diese Auseinandersetzungen hineingezogen, als ihr lieb ist. Und sie entdeckt, dass ihre “Stimme” so heilig gar nicht ist…

Ich entschuldige mich nicht dafür, eine Neuübersetzung dieser Dokumente zu präsentieren, welche unsere einzige Verbindung zum Leben dieser außergewöhnlichen Frau darstellen, Ash (geb. 1457 [?], gest. 1477 [?]), denn eine solche Neuübersetzung war schon lange nötig.-
Einführung

Mary Gentle orientiert sich unübersehbar an neueren Vertretern des Fantasygenres wie China Miéville, George R.R. Martin oder Michael Swanwick. Ihr Vorhaben ist daher durchaus ambitioniert.

Im Gegensatz zur üblichen Vorgehensweise der genannten Autoren lässt Gentle ihre Geschichte allerdings in einer historischen Epoche Europas spielen, dem 15. Jahrhundert. Es ist die Zeit des Niedergangs des Rittertums. Anstelle feudaler Heere stehen sich auf den Schlachtfeldern Söldnerkompanien gegenüber, die von Plünderung und taktischen Seitenwechseln in den zahlreichen Kriegen dieses blutigen Jahrhunderts leben.
Die Heldin Ash ist eine Art Gegenentwurf zu Jeanne d’Arc: im Tross einer Söldnerkompanie geboren, von frühester Kindheit an ans Töten gewöhnt, für das Überleben in einer harten Männerwelt bestens ausgerüstet mit einem großen Repertoire blasphemischer Flüche und zweideutiger Witze.
Mary Gentle würzt ihre Geschichte mit zahlreichen Details über spätmittelalterliche Waffentechnik, womit sicherlich nicht jeder Leser etwas anfangen kann. Die phantastischen Elemente nehmen sich anfangs spärlich aus, treten aber im Verlauf der Handlung immer stärker hervor.
Womit wir beim großen Manko dieses Romanauftakts zu einem neuen Zyklus wären: Die Handlung zieht sich wie ein Kaugummi, schleppt sich durch nichtssagende Dialoge und zerstückelt wirkende Szenen. Man wird das Gefühl nicht los, die Autorin hätte ihr Werk auf Wunsch der Verleger so ausgedehnt, denn in komprimierter Form hätte Gentle ein- und denselben Roman wesentlich spannender und dynamischer gestalten können. Ein weiterer Minuspunkt ist die deutsche Übersetzung, die selbst für Fantasy-Verhältnisse außerordentlich holprig ist, offensichtliche Grammatik- und Ausdrucksfehler sind gar nicht mal so selten.

Typische Fantasymotive und -figuren versucht die Autorin (wie ihre angenommenen Vorbilder auch) zu vermeiden. Stattdessen bedient sie sich der Technik alternativer Geschichtsverläufe. So ist das Christentum in diesem fiktiven 15. Jahrhundert weniger von der jüdischen Tradition als vielmehr vom Mysterienkult des Sonnengottes Mithras geprägt, dem in der Antike zum Beispiel Kaiser Konstantin anhing und der vor allem unter Soldaten Verbreitung fand. Es ist eine interessante Spekulation, wie das mittelalterliche Christentum ausgesehen haben könnte, wenn es sich in eine stärker synkretistische Richtung entwickelt hätte. Konstantin, der das Christentum zur römischen Staatsreligion machte, identifizierte schließlich Christus zeitlebens mit “seinem” Sonnengott. Auf mit der Materie weniger vertraute Leser dürften solche Anspielungen aber eher irritierend wirken. Auch die geheimnisvollen Invasoren im Roman sind ein im Nebel der (bekannten) Geschichte versunkenes Volk. Um wen es sich handelt, sei hier nicht verraten. Die Phantastik beschränkt sich jedoch nicht auf Alternativgeschichte: Priester und Rabbis wirken Wunder, es gibt Heiligenerscheinungen und im Hintergrund tut sich eine Welt geheimnisvoller Wesenheiten auf, die über steinerne Köpfe und Statuen mit den Menschen kommunizieren.

The Daedalus Incident von Michael J. MartinezLieutenant Weatherby dient im Jahr 1779 auf der stolzen Fregatte Daedalus in der Flotte Seiner Majestät, des Königs von England, inmitten eines Konflikts mit den Vereinigten Staaten von Ganymed, die sich soeben von der Krone abgespalten haben. Draußen in der Leere des Weltraums, den die riesigen Segler durchpflügen, nutzen aber noch ganz andere Kräfte diese Auseinandersetzung, um ihre hinterhältigen Pläne zu verdecken …
Im Jahr 2132 dient Lieutenant Jain in der Schutzmannschaft eines Bergbauunternehmens auf dem Mars, und sie erlebt hautnah, wie der Planet plötzlich geologisch verrückt spielt und die Minenkolonie in ernste Gefahr gerät …

-Mars is supposed to be dead, just a big hunk of cold rock hanging in space.-
July 24, 2132

Michael J. Martinez’ The Daedalus Incident ist für den geneigten Weltraum-Romantiker wie Ostern und Weihnachten an einem Tag: Es warten farbenprächtige Segelabenteuer, in denen Gentlemen säbelschwingend für Krone und Vaterland mit den Gewalten des Weltraums ringen, Freibeuter bekämpfen und auf den Sonnenwinden ihre Gegner einholen müssen – ja, wir sprechen hier von klassischen Segelschiffen, die sich in bester Space-1889-Manier aus den Ozeanen erheben und ins All aufsteigen. Und wenn man sich gerade mal in den unerfahrenen, aber dafür umso eifrigeren jungen Offizier Weatherby eingelesen hat, findet man sich gleich wieder in der Zukunft, ohne Äther und Segelschiffe, in einer beengten Minenkolonie auf dem Mars, wo es nicht mit rechten Dingen zugeht – dort ist die Raumfahrt zur Dienerin des Kommerzes geworden, und Lieutenant Shaila Jain hat bereits eine bewegte Karriere hinter sich, als sie auf diesem vermeintlichen Abstellposten landet.
Was haben die beiden völlig voneinander abweichenden Szenarien miteinander zu tun? Nun, diese Frage ist für einen Teil der Spannung verantwortlich, mit der The Daedalus Incident zu fesseln vermag.

Man liest abwechselnd entweder Weatherbys getreulich verfasstes Tagebuch über die immer haarsträubenderen Ereignisse, in die sich die Mannschaft der Daedalus verstrickt, nachdem sie zunächst als nette Geste einen Mord auf Merkur aufklären hilft, oder von den Fährnissen Jains, die inmitten von Erdbeben, rätselnden Wissenschaftlern und ungehaltenen Kumpeln die Ordnung zu wahren versucht und sich und ihrer Karriere mit ihrem ungezügelten Forscherdrang immer wieder ins Knie schießt. Die beiden Handlungsstränge sind perfekt abgestimmt: Es ergibt sich nicht nur nach und nach ein Bild der Zusammenhänge, sondern auch eine treibende Dynamik. Weatherbys Segelabenteuer sind eine Achterbahnfahrt aus Kämpfen, wilden Verfolgungsjagden, alchemistischen Wundern und Reisen durch den Raum und auf die Planeten des Sonnensystems. Während Weatherby energisch durch venusianische Dschungel stapft, ist Jain dagegen in ihre Mars-Station oder ihren Raumanzug eingepfercht und muss Informationen zusammenbringen und Geheimnisse ergründen, um zu verstehen, was auf dem Planeten vorgeht. Beim Lesen steht man damit vor dem herrlichen Dilemma, bei jedem Wechsel eigentlich am liebsten ein Kapitel überspringen zu wollen, nur um bei der Rückreise in den ersten Handlungsstrang wieder genauso fest am zweiten zu kleben.

Sowohl in den Mysterien auf dem modernen bzw. zukünftigen Mars als auch in den Abenteuern der Vergangenheit bildet Martinez gekonnt die Zwänge der jeweiligen Zeit in seinen gut ausgearbeiteten Hauptfiguren ab. Weatherby hält sich für einen sehr anständigen Menschen, obwohl er gerade erst an der Schwelle ist, vielleicht zu einem solchen heranzureifen, und seine Menschlichkeit unter Pflicht, Ehre und Anstand begräbt. Mit seiner aufrechten Haltung ist er ein Vorzeigeoffizier, gerade jung genug für den Krieg, aber für die Herausforderungen, die vor ihm stehen, muss er noch wachsen. Diesem etwas steifen Protagonisten stellt Martinez die progressive Frauenfigur Jain gegenüber, die immer kurz vor einem Disziplinarverfahren steht und den wirtschaftlichen Zwängen ihrer Zeit trotzdem relativ machtlos ausgeliefert ist, obwohl sie genau weiß, dass es eine schlechte Idee ist, den Rohstoffabbau unter den gegebenen Umständen weiterzutreiben. Auch die Nebenfiguren sind eine Pracht – auf der einen Seite der bescheidene Kapitän Morrow und ein Alchemist, der gerne zu tief in seinen Alembik schaut, auf der anderen Seite ein koketter französischer Geologe und die Stationskommandantin Diaz, die diplomatisch zwischen Bossen und Militär vermitteln muss, obwohl sie genauso gut zupackt und zuhaut wie Lieutenant Jain.

Das doppelte Abenteuergarn gipfelt schließlich in einige geniale Szenen, die die Herzen von SF-Fans höher schlagen lassen – Auftritte für den Mars-Rover, Sonnenstürme, Planetenseelen und Benjamin Franklin (auch ein Beispiel dafür, dass man nach und nach Abweichungen und Übereinstimmungen von Weatherbys Welt mit der realen Geschichte entdecken kann) sind dabei inkludiert.
Am Ende sind der verzauberte Kosmos und die Welt der “realen” Raumfahrt (mitsamt realem Kapitalismus) gleich spannend – vielleicht auch, weil The Daedalus Incident zwei Elemente prominent zur Schau stellt, die sonst in der SF ein wenig zu selten vorkommen: Schiffe, die durch den Äther fliegen, und Astronautinnen, die zum Jupiter fliegen.

Die Dämonen von Tobias O. MeissnerLange waren die Dämonen aus der Welt verbannt, doch die unbedachte Tat des Thronerben von Orison ermöglicht zweien die Flucht: Gäus und Irathindur. Sie planen, sich in der Welt der Menschen festzusetzen und wählen jeweils einen Herrscher, den sie übernehmen werden: Irathindur wird sein irdisches Dasein als Baroness eines der neun Baronate Orisons antreten; Gäus als der junge König des Landes. Ehe die beiden getrennter Wege gehen, schwören sie sich, nicht gegeneinander Krieg zu führen. Bald stellt Irathindur aber fest, dass die Lebenskraft im Land Orison nur für einen Dämon reicht – und beginnt nach mehr Macht zu streben. Noch immer an den Pakt mit Gäus gebunden, stürzt er alsbald das ganze Land ins Chaos, um seinen Hunger nach Lebenskraft zu stillen.

-Der König, der keine Augen hatte, streckte eine Hand aus nach dem Meer.-
Vorausschau

Mit den Dämonen wird ein ganz neues Fass in der Auswahl der „Völker Tolkiens“ aufgemacht, zu denen uns die deutsche Fantasy-Szene im Laufe der letzten Jahre überreichlich viele Ausflüge beschert hat. Die Grenzen der Vielfalt scheinen langsam ausgereizt: Dämonen als eines der Völker Mittelerdes? Wir wollen aber mal nicht so kleinlich sein, schließlich ist es auch alles andere als der Geist Tolkiens, der dieses Werk von Tobias O. Meißner durchweht, das stellt man schon fest, wenn man einen Blick auf die Figuren wirft:
Da wäre der Möchtegern-Student Minten, der stattdessen, wenn auch unfreiwillig, zum brutalen Haudrauf wird, von den Wogen des Krieges herumgeschleudert, bis er im wahrsten Sinne des Wortes sein Gesicht und die Orientierung verliert, für wen und wofür er eigentlich kämpft. Dann der finstere Dämon Gäus, der alsbald den schwächlichen König des Menschenlandes übernimmt und als dieser ganz in der Aufgabe aufgeht, das Land zu regieren. Und schließlich der gewitztere und elegantere Dämon Irathindur, der zum Zweck eines irdischen Daseins in die lüsterne Baroness Meridienn einfährt und nach anfänglichen Daseinsfreuden bald nicht mehr mit dem schnöden Titel zufrieden ist. So entspinnt sich ein Machtkampf und schließlich aus Unwissenheit, Gleichgültigkeit und schlichtem Pech ein grausamer Krieg, der für die meisten Beteiligten ein ziemlich sinnloses Unterfangen ist, aber trotzdem immer größere Kreise zieht.

Fast wie im wirklichen Leben also. Und das ist auch die Essenz des Romans – der Mensch braucht keine Dämonen, um im Krieg alles kurz und klein zu schlagen. Und die Dämonen? Sind auch nur Menschen, eignen sich menschliche Züge an, sobald sie Fuß im irdischen Dasein gefasst haben, und zwar die guten wie die schlechten. Das ist vielleicht das Interessanteste an Meißners Roman, wie das Spiel mit Erwartungen auf die Spitze getrieben wird, wie aus anfänglicher Machtgier Verantwortung wird und aus Lebensfreude die Gier nach immer mehr.
Die daraus resultierende Schlachtenfolge allerdings ist eine relativ langatmige Aneinanderreihung von Action-Szenen, und wenn man sein Lesevergnügen nicht nur aus Kämpfen und Kriegswogen ziehen kann, dann bleibt nicht mehr viel übrig. Stilistisch und selbst in einigen Charakterzügen der Hauptfiguren ähneln Die Dämonen Meißners Mammut-Reihe, doch Menschlichkeit und Wärme spielen in diesem Kriegsgetümmel kaum eine Rolle. Legitim, manchmal angebracht und wichtig ist es durchaus, einen solchen Blick auf die Abgründe zu eröffnen und daneben Weltschöpfung und Charakterzeichnung auch etwas verblassen zu lassen, jedoch scheinen Die Dämonen diesbezüglich auf halber Strecke stecken geblieben zu sein und ihr blutiges Machtgerangel ist doch nur ein halbherziger Tanz an der Grenze zum Tabubruch: Mit Verdauungsproblemen, Orgien, S/M-Klamotten, Körpersäften in allen Variationen und anderen Klischees von Dämonen und Dämonenwirken wird zwar immer wieder kokettiert – diese Ingredienzen bleiben allerdings ohne große Nachwirkung und machen ein wenig den Eindruck, als hätten sie zum Thema Dämonen eben dazu gehört. Andere Autoren, die die düstere Sparte der Fantasy bedienen, haben diesbezüglich weitaus finsterere und beeindruckendere Tableaus von der dämonischen Fratze des Krieges gezeichnet.

Eine Weltschöpfung ist nur ansatzweise vorhanden und dem Leser wird ein wie von Bürokraten am Reißbrett entworfenes Land namens Orison vorgesetzt, dessen Ordnung die Dämonen dann mehr oder weniger genüßlich über den Haufen werfen dürfen. Ebenso dürftig sind die Nebencharaktere skizziert, fast schon Karikaturen von Menschen, die im Angesicht des Chaos, das in ihr wohlgeordnetes (und dennoch alles andere als perfektes) Leben eindringt, vollkommen ins Surreale kippen, wie etwa der sich selbst geißelnde, sexuell unbefriedigte Mann, der als völlig überzeichnete Figur zum Frauenhasser und -mörder mutiert. Sollte dabei einmal der Ansatz einer tiefgründigeren Betrachtung zum Thema entstehen, wird sie recht schnell in einem Feuerwerk cineastischer und wilder Szenen verbraten, die dem Dämonenkrieg ein grelles Erscheinungsbild verleihen.
Am Ende gibt es noch ein kleines stilistisches Wagnis, das aber den Schluß nicht mehr recht abwenden kann, hier vor allem ein effektlastiges Schaubild zu betrachten, das allerdings trotz – oder gerade wegen – der universellen Interpretationsmöglichkeiten zum Thema „Krieg“ nur wenig mehr ist als die übliche Action-Fantasy der düsteren Sorte.

Cover von Der Drache von Jane GaskellFür Cija haben sich die Dinge drastisch gewandelt: Einst war sie als Tochter der Königin eine Göttin, dann war sie eine ehrenvolle Geisel des Feldherren Zerd mit dem dramatischen und patriotischen Auftrag, diesen zu töten. Doch sie konnte es nicht und danach hat sich die ganze Angelegenheit als Farce herausgestellt. Nach langem Leidensweg ist sie die Geliebte Smahils geworden, der ihren Körper liebt und ihre Seele verachtet. Allerdings kann diese Situation nicht lange gut gehen, zumal die Verbündeten Südländer mit den eigenen Nordländern immer häufiger aneinander geraten. Schließlich muß Cija wieder einmal fort und es scheint sie habe endlich einmal Glück, denn der Hohepriester Kaselm führt sie als Göttin am Hof des Gottkaisers der Südländer ein…

-Smahil hob mich in den Sattel und hülte mich fürsorglich in seinen Umhang.-
Das Bett in der Südmetropole

Die Geschichte schließt nahtlos an den Turm der Göttin, den ‘ersten’ Teil, an – kein Wunder, da die Autorin diese ‘zwei’ Teile als einen Roman schrieb und erst viel später getrennt wurden. Wer den ‘ersten’ Teil nicht gelesen hat, wird sicherlich nicht alles nachvollziehen können.

Das Geschehen ist im prähistorischen Südamerika angesiedelt, aber dieses ist dem Leser so fremd, das es genauso gut eine Sekundärwelt sein könnte. Die Nordländer und die Südländer hassen sich, da beides stark chauvinistische Reiche sind – zu dumm, daß die Nordländer mit einer schwachen Armee von unerfahrenen Soldaten mitten unter ihren ‘Verbündeten’ im Südreich stehen. Der Leser erhält Einblick in das Leben am Hofe des Gottkaisers, seine prachtvollen Gebräuche, die dekadenten Adligen und den großen Einfluß der Priesterkaste – Cija würde sich wohlfühlen, wären da nicht ihre Alpträume.
Die phantastischen Elemente sind wieder sehr unaufdringlich, aber dennoch handlungsbestimmend; erst am Ende treten sie deutlicher auf. In diesem Zusammenhang finden auch die vielen Zufälle der Geschichte eine Erklärung – ob sie dem Leser zusagt, steht auf einem anderen Blatt.
Figuren treten wieder sehr viele auf. Wie schon im Vorgänger gibt es kaum klare Positionen, beinahe keine Figur ist einfach gut und keine ist einfach böse; alle haben ihre persönlichen Gründe zu handeln, wie sie es tun. Cija ist kein naives Kind mehr und auch wenn sie zuweilen vermeint frei und glücklich zu sein, haben sich die Mißhandlungen tief in sie eingegraben und so kann sie Ruhe nicht lange ertragen. Nachdem der Mord an Zerd unsinnig geworden ist, irrt sie ziellos weiter, meistens ist sie darum bemüht sich zu verstecken, da sie vielen gegenüber zur Verräterin geworden ist; sie scheut nicht mehr den Tod, sondern das zu Tode gefoltert werden. Cija hat gelernt Gewalt und Demütigungen zu ertragen oder davon zu laufen, so reagiert sie denn auch auf Probleme. Smahil, ihr grausamer Liebhaber, Zerd, der sie ebenfalls begehrt, Kaselm, der Hohepriester, vor dem alle Höflinge Cija warnen, aber auch Ooldra, die Cija so sehr haßte, und einige mehr spielen eine Rolle in Cijas leidenreichen Leben.

Cijas Odyssee ist eine Queste ohne Ziel, sie wird einer Vielzahl von Prüfungen unterzogen, bei denen sie von vornherein keine Chance hat, zu bestehen. Zunächst versucht sie einfach nur Frieden und Ruhe zu finden, doch der freundliche, alte Priester geht ihr nicht aus dem Sinn – als sie diesen erneut trifft, nimmt ihr Leben eine weitere Wendung.
Was ist das eigentlich für Fantasy? Cija nimmt an einem großen Feldzug teil, Schlachten werden geschlagen, Beute wird gemacht, es wird gebrandschatzt und vergewaltigt. Dumm nur, daß sich beide Seiten nichts geben – ein Soldat ist ein Soldat ist ein Soldat, egal ob er dieser oder jener Fahne folgt, am Abend will er Saufen und eine Frau. Dümmer noch, daß Cija kein Soldat ist – sondern eine Frau. Der Leser erlebt Cijas Leid, wie sie permanent der einen oder anderen Form von Gewalt ausgesetzt ist, wie sich ihre Seele immer mehr verformt, bis ihr eine weitere Vergewaltigung gar nicht mehr soviel ausmacht. Der Leser erlebt zunächst ihren sozialen, dann ihren seelischen Verfall – ein ‘Happy End’ kann es da nicht geben. Wer eskapistische Literatur sucht, sollte einen großen Bogen um dieses Werk machen, wer dagegen ein Argument gegen den Eskapismus-Vorwurf gegen die Fantasy braucht, der wird hier fündig. Es ist Heroic Fantasy mit einer sehr düsteren Atmosphäre – aus der Opfer-Perspektive.

Das ist zwar sehr originell, aber leider nicht ohne Fehler. Zum einen erleidet die arme Cija wirklich die Qualen der Welt – mehrfach. Da wäre sicherlich weniger mehr gewesen. Die psychischen Folgen der Mißhandlungen hätten deutlicher herausgestellt werden können, gerade wenn sie in Frieden lebt, sollten diese zum Tragen kommen. Aber statt dessen erleidet sie ein Ungemach nach dem anderen, Zeit zum Reflektieren stellt ihr die Autorin kaum zur Verfügung. Die vielen Zufälle sind ebenfalls störend, auch wenn sie eine Erklärung finden. Diese ist jedoch zu banal und es fehlt ihr ein Clou. Warum muß Cija all das Erleiden? Man weiß es nicht. Ihr Vetter scheint sie einfach nicht zu mögen – wie viel ernüchternder wäre es doch, wenn es keinen besonderen Grund für ihr Leid geben würde? Dann hätte die Geschichte aber auch ohne Zufälle konstruiert werden müssen. Das Ende schließlich wirkt etwas übereilt, so als wenn der Autorin die Puste ausgegangen sei. Was sonst 100 Seiten oder mehr in Anspruch genommen hätte, braucht nur noch einen Bruchteil davon. Neigt die Autorin sonst auch zu langwierigen Beschreibungen, die das Geschehen etwas in die Länge ziehen, so ist es am Ende deutlich zu knapp. Sprachlich ergibt sich kaum überraschend kein Unterschied zum Vorgänger, Gaskell ahmt den Tagebuchstil einer jungen Frau aus gebildeten Verhältnissen, die Erbärmliches durchleiden muß, perfekt nach.

Dragonfly Falling von Adrian TchaikovskyNach ihrer Niederlage sind die Agenten des Wespenimperiums nur umso entschlossener, die verstreuten Stadtstaaten zu erobern, die ihnen so dreist Paroli geboten haben. Während eine große Wespenarmee die Ameisenstadt Tark mit neuartigen Waffen angreift, wird der Geheimdienstler Thalric damit beauftragt, gegen die Wissenschaftler von Collegium und Stenwold Maker vorzugehen, der für ihr Scheitern verantwortlich war. Überall stehen die Zeichen auf Krieg, und Stenwolds junge Mitstreiter versuchen verzweifelt, neue Verbündete zu gewinnen oder wenigstens die Städte zu einem gemeinsamen Kampf zu vereinen. Doch das gestaltet sich so schwierig, als würde man verschiedene Insektenstaaten zur Zusammenarbeit bewegen wollen.

-The morning was joyless for him, as mornings always were.-
One

Während im Auftaktband von Shadows of the Apt noch Taktieren und Sondieren die Mittel der Wahl waren, ist man nun bei handfester militärischer Action angelangt – in den Stadtstaaten der Tieflande herrscht Krieg. Dragonfly Falling (Die geflügelte Armee, Schwarzer Glanz) ist damit vor allem ein Buch der Schlachten und Belagerungen, und dabei spielen die Mechanik-Elemente der Reihe – Steampunk möchte man es eigentlich nicht mehr nennen – eine zentrale Rolle. Der thematische Fokus liegt unter anderem auf der Militärtechnik und den moralischen Fragen, die sie für die beteiligten Wissenschaftler und Ingenieure aufwirft, und so viel kann man schon vorweg verraten: Sie kommen zu unterschiedlichen Antworten.
Nicht nur dadurch, sondern auch durch die nationalistisch auftretende Wespenarmee fühlt man sich noch mehr als in Empire in Black and Gold (Invasion des Feuers, Der gepanzerte Spion) an die Zeit des Ersten Weltkriegs erinnert. Der Ausgang der Auseinandersetzungen wird stark von den Massen, die die jeweilige Partei zu opfern bereit ist, und von neuen (noch zu testenden) Entwicklungen bestimmt.
Doch es wäre nicht Adrian Tchaikovsky mit seinen klassischen Plotstrukturen und Spannungsbögen, wenn nicht auch der Einzelne das Ruder herumreißen könnte: Wieder erinnert der Roman an einen Abenteuerreigen im Stil von Star Wars und Konsorten, denn von der dramatischen Wendung über die Rettung in letzter Sekunde bis hin zum vermeintlichen Todesfall werden sämtliche Register gezogen. Überraschungen und sich lang anbahnende Paukenschläge gibt es auf den prall gefüllten 670 Seiten nicht zu knapp.

Daß man bei den umfangreichen Kriegswirren nicht den Überblick und das Interesse verliert, ist dem Talent des Autors zu verdanken, den einzelnen Kämpfen einen ganz eigenen Charakter zu verleihen, abhängig vom Austragungsort und den Beteiligten. Die disziplinierten Schlachten der Ameisen-Stadtstaaten sind etwas völlig anderes als die chaotischen, verzweifelten und experimentell-tollkühnen Verteidigungsmaßnahmen, die sich die Gelehrten von Collegium einfallen lassen, als die Wespen vor der Tür stehen. Eine lockere Angelegenheit wird der Krieg allerdings zu keinem Zeitpunkt, und hier unterschiedet sich Adrian Tchaikovsky dann doch von seinen unbekümmerteren Vorbildern.
Eine weitere Spezialität des Autors sind ähnlich großartige Einzelszenen, wie sie auch schon im Vorgängerband auftauchten, die ein Gegengewicht zur trostlosen Kriegsrealität schaffen. Manchmal sitzt man mit offenem Mund staunend vor dem Buch, wenn sich die Ausmaße eines Ereignisses in geschickt angelegten Doppelszenen offenbaren oder eine Prise umsichtig aufgebauter Heldenpathos zum Mitfiebern einlädt.
Diese Einzelszenen überzeugen nicht zuletzt dank der großartigen Charakterriege, deren gemächliche Einführung im Vorgängerband hier Früchte trägt, und Tchaikovsky pfeift dabei wieder auf gefestigte Erzählkonventionen, wechselt munter Perspektiven und erzählt, wie die Geschichte es verlangt.

Die große Zahl an Figuren, aus deren Sicht berichtet wird, hilft, die starren Völkerstereotypen aufzubrechen, die natürlich auch die Faszination der Welt ausmachen. Die Unterschiede zwischen den traditionellen und progressiven Völkern (und Figuren) treten in diesem Band besonders hervor, und man lernt die Mantiden und die faszinierenden Ameisen (von denen es sogar mehrere Arten mit unterschiedlicher Denkweise gibt) näher kennen. Doch im Individuum, vor allem auch den gut portraitierten Gegenspielern, sieht es wieder ganz anders aus, und erst dadurch entsteht die plastische Welt, mit der Tchaikovsky glänzt.
Wie im Einzelnen die Motivation für die teils doch recht extremen Handlungen entsteht, wirkt allerdings manchmal schwammig und gewollt – darüber sollte man lieber nicht allzu intensiv nachdenken, wobei die Flut der Ereignisse ungemein hilfreich ist.

Dragonfly Falling ist ein dicker Schmöker, der viele Themen abgrast und dabei durchaus unter die Oberfläche geht – nebst Wissenschaftsethik spielen der Wechsel von Flucht vor und Übernahme von Verantwortung, nationalistische Auswüchse und das automatische Aufkommen von internen Machtquerelen innerhalb von größeren Staatsgebilden eine große Rolle.
Allerdings leidet der Roman auch am The-Empire-Strikes-Back-Syndrom (in jeglicher Hinsicht 😉 ), ist ein eindeutiges Mittelstück ohne Abschluß und ohne richtigen Handlungsbogen, das allerdings schon geschickt die Bühne für größere Ereignisse im weiterhin eher im Hintergrund schwelenden Paradigmenwechsel zwischen Magie und Technik bereitet.

The Drawing of the Dark von Tim PowersKurz vor der Belagerung Wiens durch die Türken 1529 begegnet der Söldner Brian Duffy in Venedig dem geheimnisvollen Aurelianus. Scheinbar spontan wirbt der alte Mann ihn als Türsteher für sein Gasthaus mit angeschlossener Brauerei in Wien an. Duffys Erinnerungen an die Stadt sind nicht die glücklichsten, doch schon bald muss er erkennen, dass er größere Sorgen hat, als seiner gescheiterten Liebesbeziehung zu der Malerstochter Epiphany nachzutrauern: Auf seiner Reise über die Alpen häufen sich übernatürliche Vorfälle, und in Wien geht Seltsames vor. Auch mit Duffy selbst hat es mehr auf sich, als er wahrhaben möchte, doch davon, ob und wie er die ihm zugedachte Rolle übernimmt, hängt der Fortbestand des Abendlandes ab …

-With almost ludicrous care the old man carried the pitcher of beer across the sunlit room toward the still older man who reclined propped up in a bed by the window. A smear of dried mud was caked on the foot of the bed. –
Prologue

Es ist ein wenig schade, dass Tim Powers’ Roman nie eine Übersetzung ins Deutsche erfahren hat, zugleich aber auch verständlich: Der Konflikt zwischen Europäern und Osmanischem Reich wird hier nicht in seiner historischen Dimension thematisiert, sondern als mystisch überhöhtes und letztlich unentrinnbares ewiges Ringen zwischen westlicher und östlicher Welt geschildert. Wie problematisch diese Sichtweise in einem Land wirken kann, in dem das Zusammenleben mit türkischen Einwanderern ohnehin Konfliktpotential birgt, muss wohl nicht näher erläutert werden (zumal nach dem Ende des zur Entstehungszeit des Buchs noch andauernden Kalten Kriegs die Ausdeutung auf eine ganz andere Form von Ost-West-Konflikt hin wegfällt).

Ist man allerdings bereit, sich auf die Prämisse einzulassen, wird man mit einem durchaus unterhaltsamen Roman belohnt, der mit leichter Hand eine Fülle von historischem, literarischem und kulturellem Wissen zu einer originellen Aufbereitung der Artussage verknüpft. Die schwungvolle Handlung, die mit nichtendenwollenden Abenteuern und allerlei tragikomischen Begebenheiten aufwartet, und die bunte Renaissancekulisse lassen einen fast vergessen, dass unter dieser Oberfläche durchaus tiefgründige Themen angerissen werden. Dabei hat so manches Detail, dessen Ursprung man zunächst in schierer Fabulierfreude zu suchen geneigt ist – etwa die dem Bier zugeschriebene Zaubermacht –, tatsächlich eine Basis in alteuropäischen Mythen und Vorstellungswelten. Das ein oder andere erscheint einem dabei vielleicht zu gewollt kombiniert, aber dennoch bleibt insgesamt der Eindruck bestehen, dass Powers seine Materie beherrscht und zu vermitteln weiß.

Neben dem Kenntnisreichtum des Autors beeindruckt vor allem sein Talent, selbst scheinbar Abstruses plausibel zu machen. Wenn etwa ein Wikingerschiff im Wien des 16. Jahrhunderts auftaucht, hat einen die Geschichte schon so fest gepackt, dass man sich gern durch alle Unglaublichkeiten weiter mitziehen lässt.
Dabei hilft es sicher, dass der Protagonist – ein alternder, alles andere als heldenhafter Berufssoldat mit recht kleinbürgerlichen Lebensträumen und eher geringer Eignung zur Messiasgestalt – bisweilen genauso fassungslos wie der Leser vor seinen schier unglaublichen Erlebnissen steht und doch immer wieder einen Weg findet, sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren. Heroisches und Allzumenschliches liegen das ganze Buch hindurch ebenso nah beieinander wie Tragik und Humor.

Dank der ironischen Brechung, die manches Motiv erfährt, wirkt der mittlerweile schon über 30 Jahre alte Roman erstaunlich modern. Powers’ flüssige, klare Sprache hat sich ebenfalls gut gehalten und dürfte auch Gelegenheitslesern englischer Texte keine zu großen Schwierigkeiten bereiten. Alles in allem: Ein Roman, der gefällige Lektüre bietet, ohne in Anspruchslosigkeit abzugleiten.

Cover von The Books of the South von Glen CookNach der Niederlage in Dejagore ist die Lady plötzlich ganz auf sich allein gestellt. Die Black Company ist entweder zerschlagen oder harrt in der von den Schattenmeistern belagerten Festung Dejagore aus. Von Rachegelüsten getrieben, macht sie sich daran, eine neue schlagkräftige Truppe aufzubauen und findet dabei unerwartete Unterstützung von den Anhängern eines finsteren Kultes. Doch diese fragile, von jeder Seite aus Eigennutz geschlossene Allianz birgt mindestens genausoviele Gefahren wie die Ränke, die eine andere ebenfalls auf Rache sinnende Macht gegen die Lady und die Black Company schmiedet.

-Croaker’s fault. His weakness. […] For all his cynicism about motives he’d believed that in every evil person there was good trying to surface. I owe my life to his belief but that doesn’t validate it.- S. 249/250

Dreams of Steel ist der zweite Band der Books of the South und wirkt tatsächlich etwas eigenständiger als der Vorgängerband. Das liegt zum Großteil daran, dass sich die Handlung nach der missglückten Schlacht bei Dejagore fast ausschließlich um die Lady und ihren Rachefeldzug gegen die Schattenmeister dreht. Das bringt durchaus willkommene Abwechslung von den alten Bekannten mit sich, an deren Stelle nun neue teils dubiose, teils durchaus sympathische Nebenfiguren treten. Ebenso gelungen ist es, die Lady als neue Erzählerfigur auftreten zu lassen. Denn in ihrer Mischung aus kaltblütiger Berechnung – die zu teils etwas gar drastischen Maßnahmen führt – und immer wieder durchschimmernder Menschlichkeit bleibt sie die spannendste, weil ambivalenteste, der präsentierten Figuren. Außerdem böten ihre Methoden, die neue Truppe, die sie nun unter ihrem Kommando aufbaut, zusammenzuschweißen und an sich zu binden (gezielte Traumatisierung, Abgrenzung von der Außenwelt), durchaus Stoff, den auszuloten sich lohnen würde, der aber leider nicht weiter thematisiert wird.

Auch Taglios wird nun ausführlicher ausgestaltet und die Anleihen sowohl beim populärkulturellen Bild von Indien als auch beim historischen Indien sind deutlicher zu erkennen. Diese reichen vom dunklen, im Hintergrund agierenden Kult à la Indiana Jones samt farbenprächtig-groteskem mythologischen Hintergrund, in den auch die Black Company verwickelt ist, bis hin zur patriarchalischen Gesellschaft samt Witwenselbstverbrennung. Die selbstbewusste (und auch etwas selbstherrliche) Art der Lady muss in diesem Umfeld für Konflikte sorgen, deren „Lösung“ sehr zum insgesamt deutlich düstereren und brutaleren Eindruck von Dreams of Steel beiträgt, der aber auch der Tatsache geschuldet sein mag, dass die Lady die deutlich ernstere Erzählerfigur ist. Zugleich stellt die entsprechende Szene auch den traurigen Höhepunkt des bereits im Vorgängerroman von jeder Figur gepredigten Priesterhasses dar.

Es empfiehlt sich Dreams of Steel – Cliffhanger am Ende des Vorgängers und Sammelband zum Trotz – nicht gleich im Anschluss an Shadow Games zu lesen, denn dann fällt die Tatsache, dass das erste Drittel des Buches erneut dem Aufbau einer schlagkräftigen Truppe gewidmet ist, weniger negativ auf. Danach sorgt das verstrickte Intrigenspiel, in dem jede der darin verwickelten Parteien mehr als ein Ziel verfolgt, für ausreichend Spannung, sofern man darüber hinwegsehen kann, dass es dem Roman auch hier an wirklich Neuem mangelt. Denn gefährliche Ränke begleiten die Black Company seit dem ersten Band und die Person, die auch in diesem Fall die Fäden zieht, kennt man schon genausolange.
Während die größeren der schwelenden Konflikte, etwa jener zwischen der Lady und ihren kultischen Mitstreitern, eher gemächlich vonstattengehen, wirken andere (Figuren-)Entwicklungen etwas überstürzt, so etwa die zurückkehrenden magischen Fähigkeiten der Lady oder die unglückliche Rolle Mogabas in Dejagore. Die Books of the South enden zwar mit dem vorliegenden Band, die Handlung endet allerdings in einem Cliffhanger, der wohl direkt zu den Books of the Glittering Stone überleiten soll.
Ob Glen Cook in den Folgebänden die vielen verschiedenen Konfliktherde, die sich allein in diesem Roman mindestens verdoppelt haben, zu befriedigenden Enden führt oder eher noch mehr ihrer Art eröffnet, wird wohl darüber entscheiden, ob die Reihe doch noch einmal zu einem gelungenen Abschluss findet, der in The White Rose eigentlich schon vorhanden gewesen wäre, oder ob sie zu lange fortgesponnen wird.

Die dunkle Königin von George R.R. MartinDer Krieg in Westeros ist zum Erliegen gekommen. Mit Tywin Lannister ist der letzte große Feldherr und Herrscher der Vergangenheit ermordet worden und seine machtgierige Tochter Cersei sitzt als Regentin auf dem Eisenthron. Doch der Eindruck des Friedens täuscht, und es bleibt nicht viel Zeit für die Bewohner von Westeros, ihre Verstorbenen zu begraben und sich auf die Ankunft des Winters vorzubereiten, denn in King’s Landing und den anderen Machtstätten des Reiches werden schon wieder neue Bündnisse geschmiedet und Intrigen geplant. Es ist die Ruhe vor einem noch gewaltigeren Sturm.

– Als die aufgehende Sonne durch die Fenster hereinschien, setzte sich Alayne im Bett auf und räkelte sich. –
Alayne

Zu Die dunkle Königin liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Zeit der Krähen und Die dunkle Königin.

Cover von Der dunkle Thron von Chris BunchAls Damastes á Cimabue, ein rang-niedriger Kavallerie-Offizier der numantischen Armee, den Seher Laish Tenedos, der die unfähige numantische Regierung anprangerte, als militärische Eskorte auf eine Strafversetzung in die Grenzstaaten begleitet, beginnt der soziale und finanzielle Aufstieg der beiden. Vor dem Höhepunkt aber gilt es Kultisten, Sozial-Revolutionäre, Dämonen, andere ehrgeizige Männer und das alte System zu bekämpfen.

-Der Seherkönig, Laish Tenedos Imperator Rex, ist tot.-
Kapitel 1: Exil

Die Geschichte findet im Reich Numantia und dessen Nachbarn statt. Von der Namensgebung und der Struktur erinnert Numantia an das späte Römische Reich, es gibt Legaten, ein Lyzeum, Tenedos wid Imperator, die Hauptstadt heißt Nicias. Da Tenedos ein Magier ist, spielt Magie eine deutliche, aber quantitativ keine dominierende Rolle (ein gutes Dutzend Zauber auf 631 S.). Qualitativ sind einige Probleme nur mittels Magie zu lösen, es handelt sich also nicht um Feierabendmagie. Außer Dämonen gibt es neben den Menschen keine intelligenten Lebewesen. Generell nicht schlecht, aber auch nicht besonders innovativ.

Schon im ersten Kapitel wird das Ergebnis des gesamten Bandes vorweggenommen – sogar der weiteren Geschichte, da es vom Damastes im Exil, 15 Jahre nach dem Beginn der eigentlichen Geschichte erzählt wird. Aber auch wenn man das erste Kapitel wegließe, hätte man spätestens nach 100 Seiten das Strickmuster heraus. Die Personen sind nur Archetypen, die eine Aufgabe zu erfüllen haben – sind sie auf Seiten der Protagonisten, dann sind sie hervorragend befähigt für ihre Aufgabe, sind sie Gegner der Protagonisten, dann sind sie unfähig. Ändern sie ihre Gesinnung, verlieren, bzw. gewinnen sie an Befähigung. Eine Ausnahme bilden nur die jeweiligen Anführer der Gegner.

“Oh, Lieber, bitte, bitte, es ist so lange her, oh spalte mich, zerreiße mich, fick mich!”
S.624

Sehr plastisch beschreibt der Autor die Sex-Szenen – und davon gibt es eine Menge. So viele, daß man das Wort “Riemen” bald nicht mehr lesen mag und die entsprechenden Seiten genervt überfliegt. In diesem Zusammenhang: Frauen spielen eine große Rolle, zwangsläufig, da Homosexualität negativ konnotiert ist. Frauen sind: Bedienstete (Geliebte von Soldaten), Köchin (Geliebte von Damastes), “Huren”, Geliebte, Ehefrauen (meist Geliebte von irgendjemanden) und Mörderinnen (die den Beischlaf gerne nutzen, um das Opfer zu umgarnen). Schließlich finden sich einige an den Nationalsozialismus erinnernden Formeln: Damastes Familienehre lautet: “Auf immer Treu.” (SS-Motto: “Unsere Ehre heißt Treue!”), Laish beschwört den totalen Krieg (Göbbels, Sportpalast) und allgemein ist das einfache Landleben gut, während die Zivilisation nur Verderbnis, Korruption und Degeneration hervorbringt (Himmler wünschte sich ein “Bauerndeutschland” aus eben diesen Gründen) etc. Dazu paßt, daß alle Ausländer Diebe, Mörder und “Hurenböcke” sind. Die meisten (die Bösen) sind außerdem Rassisten. Die Tovieti, der erste zu besiegende Feind, sind – Oh, Wunder! – heimtückische, fiese Protokommunisten.

Die Sprache ist einfach, hin und wieder sind ein paar magische Formeln eingestreut, die nicht überzeugen. An einer Stelle war der Sprung in der Geschichte so groß, daß ich die Seitenzahlen überprüfte um mich zu vergewissern, daß ich nichts überschlagen hatte.
Es wäre noch einiges zu sagen über Politik, Militär, Charaktere und Ideologie – das meiste fiele negativ aus. An manchen Stellen deutet der Autor an, daß nicht alles was glänzt auch Gold ist und es vielleicht in den kommenden Bänden zu einer Weiterentwicklung des Protagonisten Damastes kommt.
Die oben geschilderten “Qualitäten” wiegen für mich so schwer, daß ich beim Lesen zwischen echter Verärgerung und Langeweile schwankte.

Eiserne Dämmerung von Matthew Woodring StoverNachdem der piktischen Söldnerin Barra von Piraten übel mitgespielt wurde, zieht sie sich zusammen mit ihren beiden Gefährten, dem Krieger Leucas und dem früheren Priester Kheperu, in die Handelsmetropole Tyrus zurück, in der ihre Zieheltern leben.
Auf der Suche nach neuen Aufträgen geraten sie schnell in eine Intrige, die zwischen all den mächtigen Handelsfamilien, Massen von Söldnern, Kaufleuten aus sämtlichen mediterranen Staaten und Glückssuchern in Tyrus droht: Der verstoßene ägyptische Prinz Meremptah-Sifti kommt zwar mit einem Lächeln, um die Handelsherren der Stadt zu betören, hat aber zwielichtige Pläne, und ist ein Gegner, der für Barra und ihre Männer vielleicht eine Nummer zu groß ist.

-Lieber Chryl, lieber Antiphos,
dies wird wahrscheinlich der letzte Brief in diesem Paket werden; wenn wir Tyros noch erreichen, ehe der Winter dem Handel ein Ende setzt, solltet ihr diese Zeilen vor der Sonnenwende lesen.-
Prolog

Die antike Welt, genauer gesagt die im Titel von Matthew Woodring Stovers Debutroman heraufdämmernde Eisenzeit, dient der Fantasy zwar häufig als Fundgrube für Ideen, als Setting dagegen taucht sie erstaunlich selten auf. Schade eigentlich, denn der erste Band der Reihe um die Söldnerin Barra besticht durch eine sehr anschauliche, unverbrauchte Kulisse, in der die Erinnerung an Troja noch lebendig ist, übrig gebliebene achaische Helden den Preis auf dem Söldnermarkt drücken und Handelszentren im Morgenland Wohlstand versprechen. Historische Akkuratesse sollte man sich von diesem furiosen Abenteuerreigen allerdings nicht unbedingt erwarten – mit der Einordnung der Epoche durch eher mythologisch als historisch konnotierte Ereignisse wie dem Fall von Troja oder Jericho ist die Zielrichtung von Eiserne Dämmerung hin zur Fantasy und weg vom historischen Roman ganz gut wiedergegeben. Mit vielen Details aus der Sachkultur beweist Stover allerdings, dass er weiß, worüber er schreibt, und sich seine Freiheiten wohl relativ bewusst wählt.
Schauplatz beinahe der gesamten Handlung ist die politisch unabhängige Handelsmetropole Tyrus, deren Unabhängigkeit akut von einem ägyptischen Prinzen bedroht wird, dem alle Mittel (auch Nekromantie) zur Erreichung seiner Ziele recht sind.

Die Struktur des Romans ist eindeutig dem Rollenspiel verhaftet (auch ganz konkret: Barra war ein Charakter von Stovers Frau): Man findet eine Gruppe, lernt sich besser kennen, kehrt in Gasthäuser ein und sucht sich Unterkünfte, und nebenher treibt man einen Auftrag voran, den man sich als arbeitslose Söldnertruppe gerade geholt hat und der einem natürlich alsbald über den Kopf zu wachsen droht.
Herzstück von Eiserne Dämmerung sind die liebenswerten Figuren: Der zaubermächtige ägyptische Ex-Priester Kheperu, ein zwielichtiger Feigling mit jeder Menge Dreck am Stecken (und Körper), der mehr in sich hat, als man ihm auf den ersten Blick abnehmen möchte; Leucas, ein Veteran der Belagerung Trojas – der typische Riesenkrieger, der durch Muskeln besticht, sich aber als nachdenklich und traumatisiert erweist; und schließlich die axtschwingende Piktenprinzessin Barra mit ihrem Wolf Graegduz, eine wunderbar gelungene Kriegerinnenfigur, die weder als Mannfrau fungiert noch chicks-in-chainmail-Klischees bedient und als Kopf der Söldnertruppe Führung („Bist du mit mir oder bist du tot?“) und gemeinsame Ziele (Reichtümer!) vorgibt.
Die aus dem Rollenspiel entlehnte Gruppendynamik steht fast durchgehend im Mittelpunkt, bleibt aber weitgehend klischeefrei, wie schon die herrlich widersprüchlichen Briefe Barras in die Heimat zeigen, die den Roman einläuten und ausklingen lassen. Durch den Abenteuercharakter und den lockeren Pragmatismus der Söldnerprotagonisten liest sich Eiserne Dämmerung ein wenig wie eine dreckigere und gewitztere Version von Richard Schwartz’ beliebten Askir-Romanen, vor allem wenn die drei ungleichen Gefährten sich in verbalem Schlagabtausch ergehen und sich langsam, trotz vieler zurückgehaltener Geheimnisse zusammenraufen. Das Tempo der Haupthandlung leidet allerdings zu Beginn unter diesem launigen Gekabbel.

Stovers Stärken, wenn auch noch nicht voll ausgeprägt, zeichnen sich in seinem Erstling bereits ab und man erkennt sowohl am nach dem Warmlaufen schnell die Richtung wechselnden Plot als auch an den explosiven, brutalen Kampf- und Actionszenen, dass ein angehender Meister der Sword & Sorcery am Werk war, auch wenn Eiserne Dämmerung längst nicht so ausgereift wie die späteren Caine-Romane ist.
Die realistischen Kämpfe, ein Markenzeichen des Autors, stehen dabei oft dicht an dicht mit dem (teils derben) Humor, und auch dieser Stover ist kein Sonntagsspaziergang für zartbesaitete Leser. Die Bildsprache, der der Autor sich bedient, stammt in den brutaleren Szenen eher aus dem Horror oder dem Psychothriller als aus der Fantasy – allerdings begehen diese Taten hier keine Perverslinge, von denen man sich nicht großartig abgrenzen muss, sondern einfach … Menschen.
Zum Ausgleich sorgt allerdings auch eine breite Palette des Heldentums für die richtige Prise Pathos, Figuren wissen zu überraschen, ihre Cleverness ist fast genauso wichtig wie ihre Schlagkraft, auch wenn sie nicht selten falsch gewickelt sind und dadurch erst in die unangenehmen Situationen geraten – und vor allem sind immer wieder für einen Lacher gut.

Abzüge in der B-Note gibt es für die Sprache, die auch ein wenig unter der Übersetzung leidet. Auch im Original schlägt Stover nicht den feinsten Ton an, so dass man sich über Arschlöcher und Konsorten nicht zu wundern braucht, doch gerade in den Dialogen fallen die Modernismen im Deutschen wohl eher ins Gewicht, schnurzpiepegal muss es im alten Orient z.B. nicht unbedingt gleich sein.
Ansonsten bekommt man mit Eiserne Dämmerung herrliche Figuren in einem Setting, das mit seinen Details und zahlreichen Referenzen auf aktuelle Geschehnisse im Handlungsraum (etwa die Wüstenwanderungen dieses seltsamen Stammes, der seinen Gott in einer Truhe mit sich herumträgt) viel orientalisches Flair versprüht und saftige Actionszenen (ja, auch mit Streitwagen 😉 ) bietet.

Cover von Elfenwinter von Bernhard HennenÜber hunderttausend verkaufte Exemplare, monatelang auf der Spiegel-Bestsellerliste: Bernhard Hennens Die Elfen war der in Deutschland erfolgreichste Fantasy-Roman seit Jahren. Mit Elfenwinter kehrt er zurück in die Welt der geheimnisvollsten Geschöpfe, die es je gegeben hat. Dies ist die definitive Geschichte über ein Volk, das aus dem Mythenschatz der Menschheit nicht wegzudenken ist – unentbehrlich für jeden Herr-der-Ringe-Leser.

-“Sie werden versuchen, die Königin zu töten.”.-
Das Fest der Lichter

Als ich durch Zufall erfuhr, dass es einen Nachfolger zu Die Elfen geben sollte, war die Vorfreude natürlich groß, wieder von Farodin und Nuramon zu lesen. Nach den ersten Buchseiten war ich dementsprechend verwundert, als die Geschichte nicht nach dem Ende des ersten Bandes einsetzte, sondern einen deutlich früheren Handlungsfaden aus Die Elfen aufnimmt. Trotz dieser enttäuschten Erwartung ist Elfenwinter ein durchaus gelungener Roman. Bernhard Hennen erzählt im Nachfolger von Die Elfen Geschichten, die im ersten Band durch Zeitsprünge überflogen und nur am Rande erwähnt wurden.

Dies soll man nun aber nicht in geringster Weise so verstehen, dass der Autor die Überreste aus dem ersten Band verwerten wollte und diese auf knapp 900 Seiten gestreckt hat, vielmehr wird das Schicksal der Nordmänner nach dem Weggang Mandreds weitergesponnen. Daher ließe sich auch über die Titelwahl streiten, denn im Gegensatz zum ersten Band stellen Elfen nur noch einen geringen Teil der Protagonisten, allerdings spielt das ambivalente Verhältnis zwischen Elfen und Nordmännern auch in diesem Band wieder eine große Rolle, auf das hier durch die Figur Alfadas’ ein etwas anderer Blick geworfen wird. Die Hauptpersonen (Alfadas, Ollowain und meiner Meinung nach auch Orgrimm) kommen aus drei verschiedenen Rassen und es werden mehrere verschiedene Handlungsstränge aufgegriffen. Die Trennung zwischen Gut und Böse wird stärker verwischt als in Die Elfen, wo der Devanthar klar den Antagonisten stellte. Bernhard Hennen gibt den Trollen, den Gegenspielern des vorliegenden Bandes, eine Hintergrundgeschichte (die Vertreibung aus ihrer Heimat), durch die man die Trolle sogar machmal verstehen kann, dazu trägt gerade die Figur des Orgrimm bei. Dagegen fällt es schwerer, mit Alfadas warm zu werden. Einerseits hält er auf den ersten Blick einem Vergleich mit Mandred, dem kantigen Sympathieträger aus dem Vorgängerband, nicht stand, andererseits ergeben sich diese unterschiedlichen Charakterzüge aus der jeweiligen Vergangenheit der Figur, und aus Alfadas einen zweiten Mandred zu machen, wäre ein starker Bruch in der Entwicklung der Figur. Lässt man sich auf Alfadas ein, entwickelt er gerade durch seine Andersartigkeit zu Mandred durchaus eine eigene Faszination.

Bernhad Hennen schreibt seine Geschichte in der ihm eigenen, sehr bildreichen Sprache, die manche Leser auch von alten DSA-Romanen kennen werden. Besonders die Grausamkeiten und die rohen Manieren der Trolle werden sehr gut veranschaulicht. Dies alles trägt zur Authentizität des Romans bei, schildert es doch die Begebenheiten und Geschehnisse während des zweiten Trollkriegs. Hennens Angewohnheit, zwischen den Handlungssträngen hin und her zu springen, gefällt mir persönlich sehr gut, da die Geschichte dadurch an Abwechslung gewinnt.

Cover des Buches A Feast for Crows von George R.R. MartinDer Krieg in Westeros ist zum Erliegen gekommen. Mit Tywin Lannister ist der letzte große Feldherr und Herrscher der Vergangenheit ermordet worden und seine machtgierige Tochter Cersei sitzt als Regentin auf dem Eisenthron. Doch der Eindruck des Friedens täuscht, und es bleibt nicht viel Zeit für die Bewohner von Westeros, ihre Verstorbenen zu begraben und sich auf die Ankunft des Winters vorzubereiten, denn in King’s Landing und den anderen Machtstätten des Reiches werden schon wieder neue Bündnisse geschmiedet und Intrigen geplant. Es ist die Ruhe vor einem noch gewaltigeren Sturm.

-“Dragons”, said Mollander.-
Prologue

Um eins vorweg zu nehmen: im Großen und Ganzen bleibt Martin sich treu, das Buch ist keine Enttäuschung oder ein Beweis, dass der Autor langsam den Faden verliert und die Geschichte maßlos in die Länge zieht. Dennoch hat der vierte Band dieser Saga so einige Schwächen, die das Lesevergnügen ein wenig schmälern.
Abgesehen davon, dass die Hälfte der Charaktere fehlt, ist die Handlung nicht so interessant wie bei den Vorgängern.

Der Krieg ist weitgehend geschlagen, jetzt ist, wie der Titel schon sagt, die Zeit der Krähen. Intrigen und Machtspiele zwischen Cersei (die im Vergleich mit den anderen Charakteren den Hauptteil des Buches stellt) und dem Rest von Westeros stehen im Vordergrund.
Das ist aber nicht der Grund, weshalb das Buch schlechter ist als die ersten drei Teile. Meiner Meinung nach darf Westeros ruhig erst einmal zur Ruhe kommen, außerdem sind die Machtspiele rund um den Königshof sehr intelligent ausgearbeitet und beschrieben. Überraschungen gibt es zur genüge.

Zunächst einmal kommen neben den bekannten Charakteren noch ein paar Neue hinzu, die man erst zuordnen muss; keine allzu leichte Aufgabe, wenn man seit dem Erscheinen des letzten Bandes nicht mehr in Westeros zu Besuch war. Nach einigem Nachlesen und Hin- und Herblättern dürfte man dieses Hindernis schnell überwunden haben.
Die Handlung ist gleichzeitig Stärke wie Schwäche des Buches. Leider merkt man ihm doch an, dass es lediglich ein Brückenbuch hin zu den Folgebände ist. Zwar gibt es wieder jede Menge spannende und raffinierte Handlungsstränge, die einem zum Weiterlesen ermutigen, aber irgendwie schafft es Martin in jedem zweiten Kapitel mindestens eine Sex-Szene unterzubringen. Ich persönlich habe nichts gegen Sexszenen in Fantasybüchern, aber bitte in Maßen und nicht in Massen. Einzig Brienne darf noch mehr oder wenig unbehelligt ihrer Wege gehen (obwohl ihr jedes Mal angedroht wird, sie zu vergewaltigen), ansonsten scheint nach dem Krieg ein großes Liebesbedürfnis zu herrschen und jeder darf einmal (zweimal, dreimal…). Also bitte, Herr Martin! Das können Sie besser. Auch ohne große Schlachten sind Ihre Bücher allemal lesenswert!

Gemäß der Handlung wird auch die Sprache derber. Das ist okay, wenn Martin aus der Sicht von normalen Menschen schreibt, und es trägt dazu bei, das Buch realistischer zu machen. Aber irgendwann, nachdem der zehnte “edle” Ritter nur noch von dem Einen träumt oder die Hofdamen ihre Lust preisgeben und das mit entsprechenden Worten verdeutlichen, will man die Stellen einfach nur überspringen.
Das alles heißt aber jetzt bei weitem nicht, dass der Roman völlig daneben ist. Wie gesagt, im Großen und Ganzen wieder ein toller Roman aus Westeros, nur nicht ganz so gut wie seine Vorgänger.

Elegeie an die Nacht: Der Fluch der Götter von Jacqueline CareyDie Pläne des dunklen Herrschers Satoris, die Prophezeiung zu verhindern, die seinen Untergang vorhersagt, drohen zu scheitern: Der Träger des Wassers des Lebens, das Satoris’ Macht brechen kann, ist unterwegs zur Festung Darkhaven, und die Heere der freien Völker sammeln sich zum Angriff auf den verhassten Feind. Doch immer noch hat Satoris Cerelinde in seiner Gewalt, die Herrin der Ellylon, die, um die Prophezeiung zu erfüllen, Aracus, den Herrscher der Menschen des Westens, heiraten müßte. Satoris weigert sich, seine Gefangene zu töten, und so müssen seine Marschälle Tanaros, Ushahin und Vorax Darkhaven zur Verteidigung rüsten und die Heere der Fjelltrolle in den Krieg führen, die ihnen unterstehen …

– Alle Linien laufen in einem Schnittpunkt zusammen.
Im letzten großen Zeitalter der Gespaltenen Welt von Urulat, das einst Uru-Alat hieß, nach dem Weltengott, der sie gebar, liefen sie in Finsterflucht zusammen. –
Eins

Zu Der Fluch der Götter liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Godslayer von Jacqueline CareyDie Pläne des dunklen Herrschers Satoris, die Prophezeiung zu verhindern, die seinen Untergang vorhersagt, drohen zu scheitern: Der Träger des Wassers des Lebens, das Satoris’ Macht brechen kann, ist unterwegs zur Festung Darkhaven, und die Heere der freien Völker sammeln sich zum Angriff auf den verhassten Feind. Doch immer noch hat Satoris Cerelinde in seiner Gewalt, die Herrin der Ellylon, die, um die Prophezeiung zu erfüllen, Aracus, den Herrscher der Menschen des Westens, heiraten müßte. Satoris weigert sich, seine Gefangene zu töten, und so müssen seine Marschälle Tanaros, Ushahin und Vorax Darkhaven zur Verteidigung rüsten und die Heere der Fjelltrolle in den Krieg führen, die ihnen unterstehen …

-All things converge.
In the last Great Age of the Sundered World of Urulat, which was once called Uru-Alat after the World God that gave birth to it, they began to converge upon Darkhaven.-
One

Hält man Godslayer zum ersten Mal in der Hand, kommt man nicht umhin zu fragen, ob Jacqueline Carey es tatsächlich schafft, ihr Epos auf den vergleichsweise wenigen Seiten auch wirklich zu Ende zu erzählen – immerhin wird hier das mittels Prophezeiung erstellte Aufgebot gegen den dunklen Herrscher in die letzte Schlacht geschickt und ein Zeitalter beendet, in insgesamt nur zwei Bänden mit jeweils weniger als 500 Seiten: Das entspricht nicht den Gepflogenheiten der sonst eher zum Format Ziegelstein tendierenden epischen Fantasy.
Und bei diesem Kuriosum allein bleibt es nicht, denn wie schon im ersten Band werden beim Kampf der Guten gegen die allseits ausgewiesenen Bösen die den LeserInnen vertrauten Erzählmuster gehörig auf den Kopf gestellt, so dass man selbst mitentscheiden muss, was in Godslayer gut und was böse ist.
Satoris ist ein düsterer Herrscher, doch da man ihm über die Schulter schauen darf, wirkt der Hass, den ihm die freien Völker entgegenbringen, oft unverständlich. Einmal hat er gewagt, seinem Bruder, dem Schöpfer Haomane, zu widersprechen und dessen Entscheidungen in Zweifel zu ziehen, und schon darf er für allezeit das Böse der Welt repräsentieren und mit Verve niedergemacht werden. Doch auch die sogenannten freien Völker begleitet man auf ihrer Queste – selbstgerecht sind sie vielleicht, aber letzlich handeln sie nur so, wie es ihren Interessen dienlich scheint. All das verlangt der Leserschaft einiges an Eigeninitiative bei der Wahl der Sympathien ab, obwohl ganz in der Tradition der epischen Fantasy um das Wohl der Welt gekämpft wird.

Wie schon beim ersten Band ist die hauptsächliche Inspirationsquelle Careys Tolkien, dessen Weltentwurf mit den dahinterstehenden Ideologien sie aufgreift und aus einer anderen Perspektive die gleiche Geschichte anders erzählt. Das Spiel mit Themen und Zitaten aus dem Herrn der Ringe und dem Silmarillion ist daher mehr als nur eine reizvolle Spielerei, auch wenn etliches, wie etwa der Träger des Wassers des Lebens, der selbiges in die Festung des dunklen Herrschers bringen muss, um ihn zu schlagen, direkt übernommen scheint.
Unaufhaltsam strebt die Geschichte von der ersten Seite an ihrem Ende entgegen – und auch hier ist Carey ihren Vorbildern auf ganz eigene Art treu geblieben: In dem gelungenen Abschluss bleiben nur wenige Fäden offen, und wenn man  mit vielbändigen Fantasyzyklen mit ihren nicht tot zu kriegenden Stehauf-Bösewichten vertraut ist, wird man hier auf eine verblüffend konsequente Lösung stoßen.
Dass für die Seite der freien Völker alles ausgesprochen glatt läuft und die Prophezeiung wie am Schnürchen erfüllt wird, eher zum Leidwesen des Lesers, nimmt Godslayer zuweilen ein wenig den Wind aus den Segeln, denn zum Großteil hat die Autorin auch der Versuchung widerstanden, die Guten als die eigentlich Bösen darzustellen. So wenig man ihnen als Leser den Sieg wünscht, ihre Motive sind dennoch nachvollziehbar und nicht weniger ehrlich als die von Satoris.

Der epische Ton, den Carey mühelos anstimmt, verleiht der Welt Urulat eine tiefe Geschichtlichkeit, all ihren Bewohnern wird ein eigener Zauber zugestanden. Wer schon immer einmal leise in sich hineinschnüffeln wollte, wenn ein Fjell (hier das Pendant zum Ork) erschlagen wird, ist definitiv an der richtigen Adresse.
Vielleicht, wenn man ein nächstes Mal in eine epische Fantasy-Geschichte eintaucht, wird man sich nach der Lektüre von Godslayer hin und wieder fragen, ob der nächste dunkle Lord, der von seinem Thron gestoßen werden muss, nicht doch nur ein missverstandener Rebell ist.

Cover von Hagen von Tronje von Wolfgang HohlbeinHagen von Tronjes Treue gehört Gunther von Burgund, dessen Waffenmeister, Freund und engster Vertrauter am Hofe zu Worms er ist. Seine Liebe, wenn es je eine gegeben hat in seinem Leben, gehört Kriemhild, Gunthers Schwester. Als Hagen, erschöpft und verwundet, von einem Erkundungsritt zu den Grenzen des Reichs nach Worms zurückkehrt, wird er von bösen Ahnungen geleitet, und diesmal soll er damit recht behalten. Die Ankunft Siegfrieds und seiner Nibelungenreiter birgt bereits den Keim allen künftigen Unheils.

-Die Hufe der Tiere hinterließen eine breit aufgeworfene Spur im feuchten Sand; winzige Mulden, die von geduldig nachsickerndem Wasser zuerst in kleine runde Spiegel verwandelt und dann ausgelöscht wurden, als wolle der Fluß den Menschen zeigen, wie vergänglich all ihr Tun war.-
1. Kapitel

“Der Hagen von Tronje“, so lautete Hohlbeins Antwort auf die Frage, welches seiner vielen Bücher ihm seiner Meinung nach am Besten gelungen wäre. Neugierig geworden, besorgte ich mir also das Buch und erwartete recht viel. Zu viel.
Hagen von Tronje besteht ausnahmsweise mal nicht aus dem bekannten Hohlbein-Strickmuster, da sich der Autor hierbei zwangsläufig an die literarische Vorlage halten mußte. Das hält ihn freilich nicht davon ab, bestimmte Passagen des mittelhochdeutschen Liedes sehr frei zu interpretieren: Um den Hohlbein-typischen Stil kommt denn auch die deutsche Volkssage Nr. 1 nicht herum! Die Grundidee des Buches, das Nibelungenlied einmal aus der Sicht des Schurken Hagen zu betrachten, sorgt jedoch für einige Spannung.

Da der Leser das Ende der Sage in der Regel schon kennt, macht Hohlbein den Hauptdarsteller Siegfried kurzerhand zur Randfigur und rückt dafür Personen wie etwa Giselher in den Vordergrund, der in der eigentlichen Sage kaum zum Tragen kommt. Zudem macht er deutlich, dass das Christentum zu dieser Zeit noch längst nicht vollständig in das Bewusstsein der “Gläubigen” vorgedrungen war und viele Burgunder noch zu Odin (es hätte eigentlich Wodan heißen müssen) beteten, ein interessanter Punkt, auf den in der Sage kaum eingegangen wird. Gute Ansätze also, aber Hohlbein kann nunmal nicht aus seiner Haut, das Sprichwort “weniger ist mehr” ist ihm offenbar fremd. So überspannt er den Bogen auch in seinem “besten” Werk und macht die zum Teil sehr gelungenen Ansätze am Schluss der Erzählung wieder zunichte, indem er kurzerhand den Spieß umdreht: Er macht einfach Siegfried zum Schurken und Hagen zum Helden. Aus dem heimtückischen Mord am Drachentöter wird bei Hohlbein ein Sieg in einem ehrlichen Kampf – völlig unnötig, denn Hagen ist gerade deshalb so interessant, WEIL er sich den gängigen Wertevorstellungen entzieht und die Treue zu seinem König über die Moral stellt! Überdies bricht Hohlbein seine Erzählung mit Siegfrieds Tod ab, obgleich die fehlende, zweite Hälfte der Sage ungleich aufschlußreicher und entlarvender ist, vor allem für die Figur des Hagen.

Cover von Die Klippen des Heute von Dave DuncanIm Jahr 1917 erscheint Edward mitten in einer Schlacht auf der belgischen Ebene – nackt, verletzt und orientierungslos. Er hat drei Jahre auf Nebenan verbracht und ist dabei nicht gealtert.
Unter dem Verdacht der Spionage wird er in ein Landhaus in England gebracht, das als Lazarett dient. Dort entdeckt ihn sein Schulfreund Smedley, der beschließt, Edward zur Flucht zu verhelfen. Es beginnt eine Flucht vor den “Quälgeistern”, die verhindern wollen, dass Edward seine Bestimmung erfüllt. Es wird vor allem erzählt, was sich in den vergangenen drei Jahren auf Nebenan ereignet hat.

-Inmitten des Chaos des ersten Weltkrieges wird ein Mann im Schatten der Schlachtfelder gefunden: zerschunden an Leib und Seele, nackt und hilflos – und er hat eine unglaubliche Geschichte zu erzählen.-
Klappentext

Auch in Die Klippen des Heute (Present Tense), dem zweiten Teil der Reihe Das große Spiel, zeigt sich die Vorliebe des Autors für einen zweigeteilten Handlungsstrang: während Edward nach drei Jahren auf Nebenan auf die Erde zurückkehrt und sich durch die Wirren des immer noch andauernden Ersten Weltkrieges kämpfen muss, erzählt er in Rückblicken, was in diesen drei Jahren passiert ist. Fast nach jedem Kapitel wechselt die Geschichte wieder zum anderen Handlungsstrang, trotzdem ist es für den Leser einfach, der Handlung zu folgen. Duncan schafft es, den Roman ohne Verlust des “roten Fadens” zu erzählen und dabei durchaus noch Spannung reinzubringen.

Neben dem Helden gibt es noch viele interessante Nebencharaktere, die der Autor mit viel Mühe darstellt und entwickelt. Natürlich wird die dichte Atmosphäre aus dem ersten Band übernommen und mit bedrückenderem, dunklerem Touch versehen: Aus dem Blitzkrieg wurde eine bereits drei Jahre andauernde, nervenaufreibende Todesmaschine, halb Europa ist verwüstet und immer noch lassen jeden Tag tausende junge Männer ihr Leben auf dem Schlachtfeld. Die Begeisterung für den Krieg aus dem ersten Teil weicht dem Schrecken davor und genau diesen Wandel fängt Duncan gelungen ein. Fakten mischen sich gelungen mit Fiktion, was mich durchaus beeindruckt hat.

Wirklich schade ist das Fehlen einer Übersichtskarte. Der Autor bemüht sich zwar durch genaue Beschreibungen zu erklären, wohin es den Helden verschlägt, aber ein richtiges Bild ergab sich bei mir nicht. Leider kommt es auch in der Sprache bzw. Übersetzung zu häufigen Wiederholungen von Redewendungen, die dem deutschen Leser seltsam vorkommen. Wenn z.B. Edward als “verrückt wie eine besoffene Fledermaus” beschrieben wird, dann mag es in England vielleicht ein gängiges Sprachbild sein, hierzulande wirkt die Übersetzung aber arg konstruiert. Das stört leider den Lesefluss und fällt immer wieder ins Auge, obwohl die Übersetzung an sich gut gelungen ist.

Königsblut von Daniel HanoverWährend Cithrin tollkühne Tänze auf dem Finanzmarkt vollführt, Marcus Wester im Zuge seiner Leibwächtertätigkeit wieder zum Schwert greift und im Hause Kalliam eine Vermählung ansteht, stehen in Antea alle Zeichen auf Krieg. Und an dessen Spitze steht kein Anderer als Geder Palliako, dessen priesterlicher Berater noch ganz andere Ziele verfolgt …

“Der Abtrünnige, der unter anderem auf den Namen Kitap rol Keshmet hörte, stand im sanften Regen der Stadt, vom Makel in seinem Blut gedrängt und getrieben, ohne ihm jedoch nachzugeben.”
– Einleitung, Meister Kit

Nach dem furiosen Auftakt Das Drachenschwert (The Dragon’s Path) geht die Dolch-und-Münze-Reihe von Daniel Abraham, der hier unter dem Pseudonym Daniel Hanover firmiert, mit Königsblut (King’s Blood) in die zweite Runde. Der Klappentext verrät bereits, dass Geder Palliakos Stern im Steigen begriffen ist – und der geneigte Leser weiß, was das bedeutet: Intrigen, Blut und Chaos; und wer hinter dieser vielversprechenden Wortgruppe Spannung und Action vermutet, wird nicht enttäuscht werden. Und ehe man sich versieht, befindet man sich im Lesestrudel und erfreut sich an Piratenabenteuern von Marcus und Yardem, dem sympathisch-witzigsten literarischen Fantasyduo seit Merry und Pippin, während Antea (ich will ja nichts beschönigen) langsam den Bach hinuntergeht. Königblut ist dennoch kein typischer modernen Fantasyroman, auch wenn es reichlich blutig zugeht – der Roman ist eher witty als gritty, eher „Hut ab!“ als „Kopf ab“, und damit eindeutig eine Ausnahmeerscheinung im aktuellen Fantasyprogramm.

Wie bereits im Vorgängerband besticht Königsblut nämlich besonders durch seine feine, psychologisch ausgefeilte Charakterzeichnung. Jeder Schwertstreich, jeder Verrat, jede Schlacht auf der abraham’schen Welt beginnt mit einem gesäten Zweifel, einer Unsicherheit, einer Zurückweisung, einer Enttäuschung oder Hoffnung; es sind die leisen Momente, die unwillkommensten Gedanken, die sich als machtvolle Figurenlenker erweisen und wie sehr kleine Steine des Anstoßes die Geschichte ins Rollen bringen. Dabei bedient sich Abraham, so scheint es, grundsätzlich bei altbekannten Typen: wir begegnen dem verbitterten Witwer, der intrigengeprüften Politikergattin (nebst kronentreuen Ehemann) und einem undurchsichtigen Fundamentalisten. Was sie alle auszeichnet, ist eine Lebendigkeit, die weit über die konventionelle Stereotypenjongleurie hinausgeht. Dabei vermag Abraham über die jugendlichen Irrungen und Wirrungen Cithrins genauso überzeugend zu schreiben wie über den klug gezeichneten, tiefen Konservativismus Dawson Kalliams, der, mit einer Prise Verzweiflung gemischt, zum Dreh- und Angelpunkt für das politischen Geschehen in Antea wird. Über allem steht jedoch die dunkle Figur Geders, die in seiner schamhaften Menschlich- und Männlichkeit, seiner Verletzlichkeit und Unbedarftheit alle anderen finsteren Herrscher in den Schatten stellt. Denn Geders Rache ist nicht die eines irrsinnigen Größenwahnsinnigen, sondern die eines gehänselten, unsicheren kleinen Jungen, der sich eines Tages mit der mächtigsten aller Waffen in den Händen wiederfindet: politischer Macht.

Besonders erfreulich ist es, dass diese Ausnahmereihe auch dem deutschen Leser zugänglich gemacht wird: mit einer feinsinnigen und rundum gelungenen Übersetzung, die auch das Bankenjargon einer Cithrin bel Sarcour treffend zu vermitteln weiß, kann Geder Palliakos unheilverkündender Todesstern also auch hierzulande aufgehen.

Und während also Abraham mit Erwartungen, altbekannten und beschuppten Genregrößen, klugen Witz und tiefgehender Menschenkenntnis jongliert, wünscht sich der Leser nichts mehr als ein zehnbändiges Spin-Off mit Marcus und Yardem.
Der Tag, an dem man dieses Buch aus der Hand legen kann? Nicht heute.

Kriegsklingen von Joe AbercrombieDer berühmt-berüchtigte Barbar Logen Ninefingers verlässt seine Heimat, weil er sich zu viele Feinde gemacht hat, und gerät an Bayaz, eine Person, die so gar nicht zu ihm passt.
In Adua, der Hauptstadt der mächtigen Union, will der arrogante Adelsspross Jezal dan Luthar seine Karriere beim Militär dadurch befördern, dass er zum Fechtchampion wird, denn zum Kriegsheld taugt er nicht.
Ebenda gerät der ebenso verkrüppelte wie zynische Inquisitor Glokta in den innenpolitischen Machtkampf der niedergehenden Union, während sich an ihren Grenzen die außenpolitischen Bedrohungen häufen.

– Logen hechtete zwischen den Bäumen hindurch; seine nackten Füße rutschten auf dem nassen Boden, dem Schlamm und den glitschigen Kiefernnadeln immer wieder aus. Pfeifend schoss der Atem aus seinem Mund, und das Blut dröhnte in seinem Kopf. –
Ende, S. 7

Zu Kriegsklingen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Das Kristallhaus von Ralf LehmannFernd, den der Alte Niemand zu seinem Erben bestimmt hat, ist eigentlich alles andere als ein Abenteurer und schon gar kein Einzelkämpfer. Von den Ereignissen dennoch zu einem Alleingang gezwungen zieht er eher widerstrebend aus, um das legendäre Kristallhaus zu suchen, in dem der entscheidende Hinweis zur Überwindung des Schwarzen Prinzen verborgen sein mag. Obwohl er unterwegs immer wieder Helfer und neue Freunde findet, verlangt die Reise ins Ungewisse ihm alles ab, denn schon bald erweist sich, dass von äußeren Bedrohungen wie den dämonischen Gifalken, die ihm im Auftrag des Schwarzen Prinzen auf der Spur sind, gar nicht die größte Gefahr ausgeht, der er sich stellen muss …

“Das Holzland ist ein Teil Araukariens und dem Alten Reich als einzige Provinz bis zum Untergang treu geblieben. Die Holzländer, wie sie sich selber nennen, haben dem Born gern Tribut gezahlt – in der Gewisstheit, dass er sie dann meist in Ruhe lässt. Deswegen hat diese Gegend immer eine ziemliche Eigenständigkeit bewahrt.”
(1. Im Holzland)

Mit Das Kristallhaus legt Ralf Lehmann einen stimmigen Abschluss seiner Trilogie um den Kampf gegen den Schwarzen Prinzen vor. Wie schon in den ersten beiden Bänden erschüttern Ausgangsidee und Plot das Genre nicht gerade in seinen Grundfesten, aber die liebevoll ausgearbeitete, in oftmals poetischen Wendungen heraufbeschworene Welt überzeugt mit ihrer Fülle ansprechender Handlungsorte weiterhin, unter denen das titelgebende Kristallhaus, eine Bibliothek aus Eis, sicher einer der originellsten und eindrucksvollsten ist.
Ohnehin ist es wieder einmal das Setting mit seiner Verknüpfung von Naturgewalten und Sagen, das die Geschichte trägt, wenn etwa der winterliche Frost personifiziert über eine abgelegene Siedlung hereinbricht oder die aus dem Eingangsband bekannten Tanzenden Berge noch einen unerwarteten Auftritt bekommen. Auch die übrigen Landschaften, die Fernd durchwandert, sind mit ihren naturräumlichen Gegebenheiten und den Eigenarten ihrer Bewohner so detailverliebt geschildert, dass man den Verdacht nicht abschütteln kann, dass Lehmann immer wieder Kenntnisse aus seinem Beruf als Erdkundelehrer in den Weltenbau einfließen lässt. Dieses spürbare Wissen um geographische Zusammenhänge hebt Araukarien und die umliegenden Gebiete über die oft abziehbildartigen Kulissen manch anderer Fantasyromane hinaus.
Zudem steht mit dem verträumten Fernd in diesem Buch ein ganz anderer Figurentypus im Mittelpunkt als der praktisch veranlagte Bolgan oder der abenteuerlustige Hatib, so dass die Wendung ins Innerliche, die seine Queste trotz aller äußeren Fährnisse und Kämpfe nimmt, folgerichtig und glaubhaft wirkt. Entsprechend anders sind auch die Freundschaften, die er schließt, etwa mit dem ähnlich phantasiebegabten Gaetan, der ein weit traurigeres (und realistischeres) Schicksal erleidet, als es bei Hals über Kopf ins Abenteuer ausziehenden Jugendlichen in der Fantasy sonst der Fall ist. Trotz aller amüsanten bis tragischen Begegnungen mit solch gelungenen Nebenfiguren ist Fernd jedoch letzten Endes auf sich selbst zurückgeworfen, was nicht nur darin sinnfällig zum Ausdruck kommt, dass die beiden anderen Helden Bolgan und Hatib zum entscheidenden Zeitpunkt nicht mehr in Lage sind, aktiv auf den Fortgang der Ereignisse einzuwirken. Die durchaus nicht uninteressante Schwerpunktsetzung, die sich daraus ergibt, lässt einen die ansonsten klassische Handlung um den militärischen wie magischen Widerstand gegen einen übermächtigen Gegner gespannt bis zum Ende verfolgen.
Trotz aller positiven Aspekte muss man freilich auch weiterhin mit einigen Schwächen leben, die schon in den ersten beiden Bänden deutlich waren. So bleibt etwa Fernds Beziehung zu seiner großen Liebe Reika weiterhin sehr blass und wenig fassbar, mag sie auch noch so oft als Motivation des jungen Mannes beschworen werden, und manch einem Nebenhandlungsstrang hätte man vielleicht eine ausführlichere Auflösung anstelle knapper Andeutungen gewünscht.
Doch das sind im Grunde Kleinigkeiten. Alles in allem bleibt ein positiver Leseeindruck, gepaart mit leisem Bedauern darüber, dass Das Buch des Schwarzen Prinzen anscheinend bisher Ralf Lehmanns einziges (veröffentlichtes) Werk geblieben ist.

Les Lames du Cardinal von Pierre PevelParis 1633. Menschengestaltige Drachen unter Führung der ebenso schönen wie intriganten Vicomtesse de Malicorne streben danach, die Macht in Frankreich an sich zu reißen. Die Lage ist so ernst, dass Kardinal Richelieu sich keinen anderen Rat weiß, als eine vor Jahren aus seinen Diensten entlassene Elitetruppe wieder zusammenzurufen: Die „Klingen des Kardinals“ unter dem erfahrenen Soldaten La Fargue. Doch der Verräter, dessen Untaten einst zur Auflösung der Einheit führten, ist immer noch auf freiem Fuß, und La Fargue ist verwundbarer, als seine Leute ahnen, hat er doch gerade erst erfahren, dass er aus einer lange zurückliegenden Affäre eine Tochter hat, die nun in höchster Gefahr schwebt…

– Haute et longue, la pièce était tapissée de livres dont les élégantes dorures luisaient dans une pénombre roussie à la flamme des bougies. Dehors, derrière les épais rideaux de velours rouge, Paris dormait sous un ciel étoilé et la grande quiétude de ses rues enténébrées parvenait jusqu’ici, où le grattement d’une plume troublait à peine le silence. –
I – L’appel aux armes

Als Fantasysetting tritt das Frankreich des 17. Jahrhunderts gewöhnlich eher selten in Erscheinung, doch als Schauplatz von Mantel-und-Degen-Romanen ist es dafür umso beliebter. An dieses Genre lehnt sich Pierre Pevel mit Les Lames du Cardinal (Drachenklingen) denn auch überdeutlich an, was Atmosphäre, Namensmaterial, Figuren und Handlungsführung betrifft. Wer mit Klassikern dieser Literaturgattung, vor allem mit Alexandre Dumas’ Drei Musketieren, vertraut ist, wird hier bis in den Verlauf einzelner Szenen hinein viel Altbekanntes wiederfinden, zumal in der Charakterisierung Richelieus, die der Schilderung dieser Gestalt bei Dumas weit mehr verpflichtet ist als dem realen historischen Vorbild. Teilweise mag diese Nähe als bewusste Hommage angelegt sein, doch sie bringt zumindest im Kleinen auch eine gewisse Vorhersehbarkeit mit sich.

Die eigentlichen Fantasyelemente treten gegenüber den historischen Details stark in den Hintergrund und bilden eher schmückendes Beiwerk: Zwar kann man in diesem Frankreich auf Lindwürmern reiten und sich Miniaturdrachen als Schoßtier oder Brieftaubenersatz halten, doch das Potential dieser hübschen Ideen wird ebenso wenig ausgeschöpft wie das der aussatzartigen Krankheit, die Menschen bei zu engem Kontakt mit Drachenmagie befallen kann. Die machthungrigen Drachen in Menschengestalt könnten ebenso gut konventionelle Geheimbündler sein, denn dass ihre Intrigen letztendlich auf ein magisches Ritual hinauslaufen, bleibt für den Verlauf der Handlung eher unbedeutend. Auch der Hauch von alternate history, mit dem Pevel arbeitet (so endet z.B. die Belagerung von La Rochelle bei ihm mit einem Sieg der Hugenotten), hat zumindest in diesem ersten Band keine entscheidenden Auswirkungen auf das Gesamtbild.

Wer es als Leser aber vor allem auf Action in einer prallen Kulisse abgesehen hat, wird in diesem Roman durchaus finden, was er sucht. An Cliffhangern, überraschenden Wendungen, Kämpfen, Gefangennahmen und gefahrvollen Missionen herrscht beim besten Willen kein Mangel, und die verschiedenen Milieus, durch die sich die Handlung in rascher Folge bewegt, sind gelungen geschildert, ganz gleich, ob es sich nun um das prunkvolle Leben des Adels, das rauere Dasein der Soldaten und Fechtmeister oder die kriminelle Unterwelt handelt.

Von den Figuren, die auf dieser Bühne eine Fülle von Abenteuern bestehen müssen, sollte man allerdings nicht zu viel erwarten, denn obwohl sie sich überzeugend in ihr Umfeld einfügen, bleiben sie letztlich allesamt recht generische Entlehnungen aus demselben Typenfundus, den schon ein Alexandre Dumas, ein Paul Féval oder ein Théophile Gautier genutzt hat. Wenn man sich an der überwiegend simplen Psychologie der Helden und ihrer Gegner jedoch nicht stört, bieten sie einem durchaus recht ordentliche Unterhaltung.

Das Ende, das den „Klingen“ nicht nur Zuwachs für ihre weiteren Unternehmungen beschert, sondern in den letzten Sätzen auch noch mit einer unglaublichen Enthüllung aufzuwarten weiß, die alle bisherigen Vorgänge in einem anderen Licht erscheinen lässt, macht durchaus Lust auf mehr. Allerdings kann man dabei nur hoffen, dass die Folgebände in sprachlicher Hinsicht etwas liebevoller gestaltet sind, denn Pevels Neigung, in unterschiedlichen Beschreibungen immer wieder auf dieselben Formulierungen zurückzugreifen, trübt das Lesevergnügen nach einer Weile doch beträchtlich.

Le peuple turquoise von Ange GuéroDer ehemalige Spion und Meuchelmörder Arekh fristet ein erbärmliches Dasein als Galeerensträfling und hat mit dem Leben eigentlich schon abgeschlossen. Doch als sein Schiff in einem Gefecht versenkt wird, rettet Marikani, die Thronerbin des Königreichs Harabec, Arekh unversehens das Leben, so dass er sich im Gegenzug widerwillig bereitfindet, ihr und ihrer Hofdame Liénor bei der gefahrvollen Rückkehr in ihre Heimat zu helfen. Schon bald müssen sie jedoch erkennen, dass nicht nur äußere Feinde ihnen Steine in den Weg legen: Aus dem Königshaus von Harabec droht Verrat, die mächtige Priesterschaft spinnt ihre eigenen Intrigen, und in den Reihen des versklavten Türkisvolks gärt es…

Le niveau de l’eau montait, atteignant maintenant la poitrine des prisonniers des derniers rangs. Les rayons du soleil chauffaient les visages, murmurant des promesses de printemps.
Puis la galère se renversa et Arekh se retrouva sous l’eau.
Chapitre 1

Französische Fantasy steht in dem Ruf, zwar gelungene Comics hervorzubringen, im Romanbereich aber bestenfalls Durchschnittliches zu bieten. Gelegentlich stößt man jedoch auf ein Buch, das einen eines Besseren belehrt –  und das trifft auf Ange Guéros Le peuple turquoise (in deutscher Übersetzung als Rune der Knechtschaft erschienen) voll und ganz zu. Unter dem sonst gemeinsam mit ihrem Mann Gérard genutzten Pseudonym Ange entwirft Anne Guéro das düstere Bild einer von Religiosität und Rassismus ebenso wie von Lebensfreude und Dekadenz geprägten Gesellschaft, die lange die Gefahr verkennt, in der sie schwebt. Das orientalisch inspirierte Tanjor mit seinen Palästen, Städten, grandiosen Landschaften und unterirdischen Gangsystemen ist dabei bis ins Detail liebevoll und plastisch ausgestaltet und von einer Vielzahl glaubhaft geschilderter Ethnien bevölkert, so dass sich wirklich das Gefühl einstellt, Einblicke in eine fremde Welt zu erhaschen, statt es nur mit der Kulisse einer Romanhandlung zu tun zu haben.  Auf allzu viele Fantasyelemente sollte man allerdings nicht hoffen, denn wann immer Übernatürliches ins Spiel zu kommen scheint, sind dem religionskritischen Unterton des Romans gemäß auch ganz profane Erklärungen für die Vorgänge denkbar.

Diese Abwesenheit von Magie mindert jedoch keinesfalls die Faszination des Settings, dessen ausführliche Hervorhebung in dieser Rezension nicht überraschen sollte: Da die ersten zwei Drittel des Buchs ausschließlich aus einer Reiseschilderung bestehen, sind die Handlungsorte, mit denen sich die Protagonisten teilweise durchaus intensiv auseinandersetzen, statt sich nur hindurchzubewegen, für die Atmosphäre weit bestimmender als der eigentliche Plot, der zwar erwartungsgemäß nicht mit Verfolgungsjagden, Kämpfen, Intrigen, Mord und Totschlag geizt, aber nicht den hauptsächlichen Reiz der Geschichte ausmacht.

Denn vor allem lebt dieser erste Band der Trilogie Les Trois Lunes de Tanjor (deutsch: Die Legende von Ayesha) von dem sperrigen Antihelden Arekh, dessen Verurteilung zur Galeerenstrafe durchaus nicht unverdient ist und der auch nach seiner Befreiung immer wieder moralisch ambivalent agiert. Obwohl er also nicht als klassischer Sympathieträger angelegt ist, gelingt Guéro mit ihm die fein beobachtete Charakterstudie eines Menschen, der sich zwar zynisch gibt, unbewusst aber zutiefst von den Moral- und Glaubensvorstellungen der Gesellschaft, in der er lebt, beeinflusst wird. Die philosophischen Rededuelle, die er sich immer wieder mit der idealistischen Marikani liefert, führen in die zunächst recht generisch wirkende Flucht- und Abenteuerhandlung früh die Themen ein, die im weiteren Verlauf der Trilogie an Bedeutung gewinnen: Besonders am Beispiel von Sklaverei und Götterglauben geht es um äußerliche wie innere Abhängigkeit und nicht zuletzt auch um die Frage, inwieweit das persönliche Schicksal von übernatürlichen sowie irdischen Faktoren vorherbestimmt oder aber vom Einzelnen frei zu gestalten ist.

Dementsprechend ist es auch kein Wunder, dass die zahlreichen äußerlichen Bewährungsproben eigentlich fast sekundär sind und vor allem die Folie für die Entwicklung eines nicht unkomplizierten Beziehungsgefüges bilden, in dem Misstrauen, Sympathie und wechselseitige Verpflichtungen sich die Waage halten. Die pessimistische Erkenntnis, dass gemeinsam durchgestandene Widrigkeiten beileibe nicht immer Anlass genug sind, über den eigenen Schatten zu springen, zieht sich dabei fast leitmotivisch durch den Roman und führt als zentrales Element des nachdenklich stimmenden Endes zu den noch weit stärker von einer sehr abgeklärten Weltsicht geprägten Folgebänden hin.

Die letzte Wallstatt von Stephen R. DonaldsonDie Lage im Land ist aussichtsloser als je zuvor. Die Horden des finsteren Lord Foul haben das Land mit Zerstörung überzogen und mit Hilfe des Weltübelsteins die Riesen bis auf den letzten Mann vernichtet. Sogar die uralten Bande der Bewohner zu den Bluthütern wurden zerschnitten. Als auch noch die Baumstadt Schwelgenholz unter dem Ansturm von Fouls Wüterich Satansherz fällt und die Feinde sich anschicken, der Menschen letzten Hort Schwelgenstein zu belagern, scheint das Schicksal besiegelt. Hoch-Lord Mhoram fällt einen folgenschweren Entschluss: Er holt den Schriftsteller Thomas Covenant, als “Zweifler” mehr berüchtigt als berühmt, zurück ins Land. Dessen wilde Magie, ausgehend vom Weißgold seines Eherings, könnte die letzte Rettung sein …

-Thomas Covenant sprach im Schlaf. Zeitweise wußte er, was er tat; Bruchstücke seiner Stimme durchdrangen schwach, wie Andeutungen von Unschuld, seinen Stupor.-
1: Die Gefahr in Träumen

Im abschließenden Teil der ersten Trilogie um Covenant den Zweifler kommt Donaldson dem Leser ein weiteres Stück entgegen. Band eins der Chroniken krankte für viele unter dem teilweise extrem unsympathischen “Helden”, insbesondere weil sich zu Anfang fast alles um Covenant drehte, dieser quasi omnipräsent war. Donaldson hebt diese Sperrigkeit hier auf, ohne seinen Hauptcharakter dabei völlig zu verändern: Er führt einen zweiten Handlungsstrang, der parallel zu den Erlebnissen von Covenant verläuft und der auch den gleichen Raum einnimmt, nämlich die Belagerung von Schwelgenstein – was dem Roman unheimlich gut tut und aus Die letzte Wallstatt (The Power That Preserves) den eingängigsten und damit wohl besten Teil der ersten Trilogie um Thomas Covenant macht.
Der Kampf um Schwelgenstein ist äußerst mitreißend, fast ein Paradestück moderner Fantasy. Gleichzeitig vermeidet Donaldson so weitgehend Ermüdungserscheinungen beim Leser, die sich bei Covenants ewig gleicher Verweigerung sonst durchaus einstellen könnten. Wer aber nun auf den Gedanken kommt, die Ereignisse um Covenant selbst (nun also “nur” noch etwa die Hälfte der Seiten umfassend) seien “nur die dritte Quest im dritten Roman” liegt aber daneben. Elegant schlägt der Autor einen Bogen zu den Ereignissen des ersten Bandes, als Covenant zum ersten Mal in die Fantasy-Welt gezogen wurde. Folgerichtig werden viele Personen des Beginns thematisiert, an erster Stelle natürlich der Riese Salzherz Schaumfolger, schmerzlich vermißt im mittleren Band. Auch im Finale schafft es Donaldson, auf phantasiereiche Weise den Kreis zu schließen, so dass ich zu guter Letzt ein rundum gelungenes Leseerlebnis festhalten möchte.

Die Melodie der Masken von Ralf LehmannNach dem Tod des Alten Niemand haben sich die drei Gefährten Bolgan, Hatib und Fernd getrennt, um ihren Kampf gegen den Schwarzen Prinzen fortzusetzen und den Erft zu finden, einen sagenumwobenen, in mehrere Stücke zerteilten magischen Stein, der ihnen gegen den übermächtigen Feind helfen soll. Während Bolgan als Sklave des Schwarzen Prinzen auf eine Gelegenheit lauert, ihm seinen Teil des Edelsteins zu stehlen, und dabei in eine Gefahr gerät, die er niemals hätte voraussehen können, organisiert Hatib den militärischen Widerstand. Er findet neue Freunde und Verbündete, muss aber bald erkennen, dass kämpferische Tugenden allein nicht zum Sieg führen werden …

In den Nördlichen Königreichen regieren Nebel und Wolken. Grüne, sanfte Hügel prägen das Land, so dass die Gegend auf den ersten Blick einen fruchtbaren Eindruck macht, aber das täuscht. Weiß gewaschene Kalksteinblöcke durchbrechen die dünne Bodendecke und machen größeren Ackerbau unmöglich. Wenn Nebel über die Hügel zieht, sehen die Blöcke wie stumme Pilger aus, die sich auf eine unbekannte Suche gemacht haben.
(3. In den Ruinen von Thingal)

Auch im zweiten Teil seiner Trilogie Das Buch des Schwarzen Prinzen wartet Ralf Lehmann inhaltlich auf den ersten Blick mit klassischer Questenfantasy auf, die jedoch bei näherer Betrachtung sehr individuelle und originelle Züge entwickelt. Zwar sind einige Schwachpunkte des ersten Bandes auch im zweiten vorhanden (so scheinen bis auf Fernds Freundin Reika, die keine sehr aktive Rolle spielt, in Araukarien weiterhin kaum Frauen unterwegs zu sein), aber wenn man darüber hinwegsieht, lässt sich der erneute Ausflug in die detailliert und liebevoll ausgearbeitete Welt wieder sehr genießen.
Zum besonderen Charme des Romans trägt in hohem Maße bei, dass der Weltenbau nicht nur für eine ansprechende Kulisse sorgt, sondern untrennbar mit der Handlung verwoben ist: Zum Beispiel gestatten es die spezifischen Eigenschaften der Lande dem Kundigen, Menschen, die durch ihre Naturverbundenheit dafür empfänglich sind, auch aus weiter Entfernung zusammenzurufen. Ohnehin besteht zwischen Übernatürlichem und Naturgewalten ein enges Verhältnis, wie sich etwa an der Gestalt des Tanzenden Todes zeigt, der als mörderisch tobender Sturmwind in Erscheinung tritt, aber in Wirklichkeit ein verfluchter Riese ist. Seine Ursprungsgeschichte, in der auch eine diabolische Hexe und in Berge verwandelte Riesen erscheinen, verrät vielleicht noch stärker als andere Einzelheiten, wie sehr Lehmann sich von kontinentaleuropäischen (Orts-)Sagen inspirieren lässt und damit auf einen Bereich setzt, der, abgesehen von manchen Anklängen in Kinder- und Jugendbüchern, in der Fantasy eigentlich viel zu wenig genutzt wird. Gerade aus dieser unmittelbaren Anbindung an eine gewachsene Tradition außerhalb des Genres gewinnt der Roman jedoch einen Anschein von Authentizität.
Auch erzähltechnisch weicht Lehmann wieder vom Gewohnten ab: Statt sich der heute in der epischen Fantasy so weitverbreiteten Montagetechnik zu bedienen, in der mehrere Handlungsstränge parallel erzählt werden, führt er erst die Geschichte um Bolgan zu einem durchaus packenden vorläufigen Ende, bevor er sich Hatibs Abenteuern widmet, deren Endergebnis man zumindest in Ansätzen schon aus der Schilderung von Bolgans Erlebnissen kennt. Der Reiz besteht also nicht so sehr in der Frage, was aus Hatib wird, sondern darin, zu verfolgen, wie er dort ankommt, wo man ihn auf den letzten Seiten der Geschichte um Bolgan findet.
Hatibs Weg ist dabei recht unterhaltsam geschildert, ganz gleich, ob es ihn nun in ein wahres Spitzwegidyll von Kleinkönigreich verschlägt, das er zum Kampf gegen das bisher unbesiegte Heer des Schwarzen Prinzen motivieren muss, oder seine Reise durch unwirtliches Gebiet führt und zahlreiche Unbilden zu überstehen sind. Mit dem Waldläufer Imril ist ihm eine der lebensvollen Nebenfiguren an die Seite gestellt, die Lehmann fast mehr zu liegen scheinen als seine eigentlichen Helden.
Wie schon Die Legende von Araukarien zeichnet sich Die Melodie der Masken zudem durch wohltuende Unaufdringlichkeit aus; Tod und Verderben werden keineswegs ausgeblendet, doch setzt Lehmann eher darauf, stillere Aspekte auszuloten und sich vor allem auch mit psychischem Leid auseinanderzusetzen, statt vordergründiges Blutvergießen breit auszuwalzen. Gerade aus den Episoden um die Zwangsarbeiter zu Anfang der Bolgan-Handlung bleibt einem in dieser Hinsicht einiges im Gedächtnis, und man hofft, manch eine Gestalt im Folgeband noch einmal wiederzutreffen.
Trotz aller wohlbekannten Elemente sieht man daher am Ende des zweiten Buchs dem dritten mit Spannung entgegen und bedauert, dass Fantasy dieser Prägung es anscheinend in der Lesergunst schwerer hat als formelhaftere und nicht selten auch effekthascherische Werke.

Nuramon von James A. SullivanNuramon ist als einziger Elf in der Menschenwelt zurückgeblieben, als sie auf ewig von der Heimat der Elfen getrennt wurde. Obwohl er zunächst wenig erpicht darauf ist, Kontakte zu Menschen zu knüpfen, entschließt er sich, seine Magie bei der Verteidigung der Stadt Teredyr zum Einsatz zu bringen, in deren Nähe er lebt, und gerät infolgedessen immer tiefer in menschliche Angelegenheiten hinein. Wider Erwarten scheint er sein Glück zu finden, als er sich in die Grafentochter Daoramu verliebt. Doch nicht jeder steht der Verbindung aufgeschlossen gegenüber, und die bedrohliche Magie, die sich immer weiter in der Welt ausbreitet, ruht ebenso wenig wie alte und neue Feinde …

Die Zukunft eilt uns stets voraus und hinterlässt Spuren, die ich zu lesen vermag. Und so entdeckte ich euch in all den Jahren, was vor euch liegen könnte, und mein Blick erwies sich oft als wahr. Gelegentlich aber traten Dinge nicht ein, die ich sah. Manchmal blieb die prophezeite Zukunft aus, gerade weil ich sie euch entdeckte. Etwas zu betrachten heißt oft, es zunichtezumachen. Denn dem Wissen um das Schicksal mögen Taten folgen, welche die gesehene Zukunft verändern. Zum Besseren, wie ich stets hoffe, zum Schlechteren, wie ich fürchte.
(Die Stimme des Orakels)

Obwohl James Sullivan mit Nuramon an Die Elfen (gemeinsam mit Bernhard Hennen verfasst) anknüpft, kann das vorliegende Werk sehr gut als Einzelband bestehen und ist auch ohne Kenntnis des Vorgängerromans problemlos lesbar. Eine einfache Einordnung in eine Schublade ist dagegen kaum möglich: Nuramon ist Weltrettungsepos, Familiensaga, Kriegs- und Intrigenpanorama und fish out of water-Geschichte in einem, wobei der Fisch allerdings mindestens als moralbewusster Tigerhai zu denken ist, denn was den Titelhelden Nuramon vor allem auszeichnet, ist seine Mischung aus für menschliche Begriffe unüberwindlichen Fähigkeiten und erstaunlich idealistischer Grundeinstellung. Als schon mehrfach Wiedergeborener, Krieger und zunächst einziger Nutzer der sehr mächtigen Magie, die von Reisen auf geheimen Wegen über Heilzauber bis hin zum vernichtenden Gebrauch im Kampf zahlreiche Einsatzmöglichkeiten bietet, verfügt er über ein Können, das Begehrlichkeiten weckt und zugleich moralische Probleme aufwirft. Wie er sich damit auseinandersetzt und sich gesellschaftlichen Erwartungen, nicht aber der gesellschaftlichen Verantwortung, zu entziehen weiß, ist sensibel und nuancenreich geschildert. Dass man dieser bisweilen überlebensgroßen Gestalt dabei nicht überdrüssig wird, hängt damit zusammen, dass Sullivan das Kunststück gelingt, Nuramon mit glaubwürdigen Gefühlen, Ängsten und Sehnsüchten auszustatten und ihm so die Sympathie des Lesers zu erhalten.

Neben solch einer vielseitigen Hauptfigur wirken einige der anderen Charaktere notwendigerweise skizzenhafter, doch auch wenn man von manchem gern noch mehr erfahren hätte, überzeugt das Gesamtensemble durchaus, vor allem in der über dreißig Jahre umspannenden Herausbildung und Weiterentwicklung seines Beziehungsgefüges: Wie Rivalen zu Verbündeten oder Freunde zu Feinden werden und solch eine schlichte Geste wie ein individueller Racheverzicht im Laufe der Zeit Auswirkungen auf ganze Staaten entfalten kann, wird gekonnt ausgemalt. Ermöglicht wird diese Schilderung mehrerer Jahrzehnte auf gut 800 Seiten vor allem dadurch, dass Sullivan sich häufig von dem im Genre mittlerweile zum Standard gewordenen szenischen Erzählen löst und neue Ansätze wagt. So erlaubt etwa der im Buch so betitelte Orakelblick, der auf engem Raum eine Vielzahl verschiedener Perspektiven zusammenstellt, die schlaglichtartige Beleuchtung aller möglichen Aspekte, doch es gibt auch im eigentlichen Haupttext geschickt genutzte raffende Passagen, die es gestatten, auch langfristige politische, militärische und wirtschaftliche Entwicklungen in den Blick zu nehmen, allen voran die Folgen, die der im Laufe der Geschichte ständig anwachsende Magiegebrauch nach sich zieht. Von dieser flexiblen Nutzung verschiedenster Erzähltechniken könnte manch ein anderer Fantasyautor viel lernen.

Eine beeindruckende Ausdehnung weist übrigens nicht nur die dargestellte Zeitspanne auf, sondern auch die Welt, in der sich Nuramons Abenteuer abspielen. Obwohl die Handlung sich auf zahlreiche unterschiedliche Orte verteilt, behält man immer den Eindruck, dass man hier noch viel mehr entdecken könnte, wenn der Autor einen nur lassen wollte. Dazu trägt sicher bei, dass die Beschreibungen der Schauplätze zwar oft knapp, aber sehr atmosphärisch sind und genau die richtigen Details aufrufen, um in wenigen Worten das Bild einer ganzen Landschaft heraufzubeschwören. Wer hätte nicht sofort eine Assoziation zu einer Weide, auf der die graufelligen Steinschafe ihr Auskommen finden, oder zu Bezeichnungen wie Schlangenforst und Elfengrat? Für eine im weitesten Sinne pseudomittelalterliche (auf alle Fälle noch vorindustrielle) Welt geht es dort übrigens bemerkenswert liberal und progressiv zu: So existieren in einigen der geschilderten Gesellschaften Kriegerinnen und politisch einflussreiche Frauen, und von den Konventionen der Mehrheit abweichende sexuelle Vorlieben (z.B. eine innige Dreierbeziehung) werden nicht nur mit viel Verständnis geschildert, sondern erfahren auch romanintern Akzeptanz. Dementsprechend ist es wohl auch keine gezielte Vermittlung eines gegenläufigen Bilds, wenn Sullivan in der Handlungsstruktur bisweilen eher traditionelle Wege einschlägt und immer dann, wenn der Roman nach einer damsel in distress verlangt, die mit großem Aufwand gerettet werden muss, auch tatsächlich eine Frau die Rolle ausfüllen lässt. Hier dürfte eher die oft unbewusste Wirkmacht bestimmter klassischer Erzählmuster deutlich werden.

Dem positiven Gesamteindruck tut das jedoch keinen Abbruch, denn alles in allem ist Nuramon vor allem eines: Ein Roman, in dem man wunderbar versinken kann und mit dessen Helden man gern durch alle Höhen und Tiefen mitfiebert, und dabei dank seiner originellen Ansätze eine Bereicherung für die deutschsprachige Fantasy.

Nyphron Rising von Michael J. SullivanObwohl die Gauner Royce und Hadrian seit einiger Zeit als Spione für König Alric ein gesichertes Auskommen haben, ist Hadrian nicht zufrieden: Es belastet ihn, dass seine Taten immer wieder auch Unschuldige in Mitleidenschaft ziehen, und er ahnt, dass Royce ihm wichtige Dinge verschweigt. Eigentlich möchte er die langjährige Partnerschaft so bald wie möglich beenden, lässt  sich dann aber doch überreden, einen letzten Auftrag anzunehmen. Gemeinsam mit Royce soll er Prinzessin Arista helfen, sich heimlich mit dem Rebellenführer Degan Gaunt zu treffen, der ihrem Bruder im Krieg gegen das aufstrebende Kaiserreich ein wichtiger Verbündeter sein könnte…

– He always feared he would die this way, alone on a remote stretch of road far from home. The forest pressed close from both sides, and his trained eyes recognized that the debris barring his path was not the innocent result of a weakened tree. He pulled on the reins, forcing his horse’s head down. She snorted in frustration, fighting the bit – like him, she sensed danger. –
(Chapter 2 – The Messenger)

Auch im dritten Band seiner Riyria Revelations bietet Michael J. Sullivan Fantasy klassischer Prägung: Ein kleines Land muss sich der Bedrohung durch ein expandierendes Reich erwehren, und von finsteren Kirchenmännern über geheimnisvolle Magier bis hin zu den Mitgliedern einer wohlorganisierten Diebesgilde mischt so gut wie jeder Figurentypus mit, der einem in einem abenteuerlichen Roman schon einmal begegnet ist. Mancher Handlungsstrang weist denn auch dementsprechend viele vorhersehbare Wendungen auf. Wenn etwa Arista aus ihrem behüteten höfischen Leben auf eine strapaziöse Queste und unter das einfache Volk gerät, kann man beinahe eine Strichliste der klischeehaften Erlebnisse führen. Ebenso wenig wird es einen erfahrenen Fantasyleser überraschen, dass der mit seinem Ganovendasein hadernde Hadrian vom Schicksal zu Höherem bestimmt ist.

Ohnehin gewinnen in Nyphron Rising bandübergreifende Entwicklungen an Bedeutung, obwohl auch hier eine handlungsmäßig mehr oder minder in sich abgeschlossene Episode erzählt wird. Neben der schon seit The Crown Conspiracy im Hintergrund präsenten Geschichte um den verschollenen wahren Erben des Kaiserreichs nimmt diesmal vor allem die Vergangenheit der beiden Helden breiten Raum ein. Beide müssen sich unwillkommenen Erinnerungen stellen und erkennen, dass eigentlich schon vergessen Geglaubtes auch ihre Zukunft prägen wird: So erfährt Royce, dass ein alter Erzfeind es abermals auf ihn abgesehen hat, während Hadrian sich mit einer ererbten Verantwortung konfrontiert sieht, der er sich nicht entziehen kann und will.

Dem Weltenbau tut diese Erweiterung des Blickwinkels gut. Man lernt nicht nur eine ganze Anzahl neuer Schauplätze kennen (darunter Hadrians Heimatdorf, das mit seinen freien und unfreien Bewohnern und dem Kompetenzgerangel verschiedener Instanzen der Obrigkeit erstaunlich überzeugende pseudomittelalterliche Verhältnisse bietet), sondern erfährt auch mehr als bisher über die Funktionsweise der Magie und die politische Großwetterlage.

Sympathisch ist einem auch in diesem Band, dass Sullivan aufrichtig bestrebt zu sein scheint, seinen Protagonisten eine glaubwürdige Gefühlswelt zu verleihen. Gelegentlich bewegt sich das hart an der Grenze zum Kitsch (wenn etwa Royce, der sonst gern den harten Burschen spielt, sich vom Leid eines Straßenjungen, das ihn an seine eigene Kindheit gemahnt, zu Tränen rühren lässt), aber gerade in einem Genre, in das in den letzten Jahren vielfach ein gewisser Zynismus Einzug gehalten hat, liest es sich eigentlich durchaus angenehm, wenn menschliche Ängste, Sehnsüchte und Hoffnungen ernst genommen werden, und sei es auch in etwas simpler Form.

Obwohl Sullivan also weiterhin ebenso ungekünstelt wie unbedarft an manche Belange herangeht, sind in Nyphron Rising einige Kinderkrankheiten des ersten Bandes überwunden. Manch ein schreibtechnisches Detail ist mittlerweile routinierter gelöst als zu Beginn der Serie. Nobelpreisverdächtige Prosa darf man freilich weiterhin nicht erwarten, aber immerhin einen soliden Roman, der viel Vergnügen bereitet, wenn man mit altbewährten Erzählmustern und dem liebevoll ausgearbeiteten Heldengespann etwas anfangen kann.

Cover von Das Paradies der Schwerter von Tobias O. MeißnerEine Flugschrift erreicht die sechzehn Kämpfer und Hauptfiguren in Tobias O. Meißners Paradies der Schwerter und bringt sie alle, nach unterschiedlichen Vorgeschichten und Biographien, in der Hölzernen Arena zusammen, wo sie Mann gegen Mann auf Leben und Tod ein grausames Turnier bestreiten.

– Großes Kampfturnier in der Befestigten Stadt! Sechzehn Teilnehmer streiten auf Leben und Tod um einen goldenen Stirnreif. Wert: Eintausend neue Taler. Kommt, um teilzunehmen! Kommt, um zu schauen! Eintritt nur fünf neue Taler. Das Turnier findet statt am Achten des Achten, ab morgens um acht. –
Flugschrift

Die Tendenz in moderner Fantasy zu düsteren, mittelalterlichen Welten, die von Intrigen, Egoismus, Machtgier und Herrschaftssucht gezeichnet sind, – als Beispiel seien hier George R.R. Martins Lied von Eis und Feuer oder auch Markolf Hoffmans Zeitalter der Wandlung genannt – greift Meißner spielerisch auf und erhebt dieses Prinzip sogar zur Regel.
Wobei “Regel” in diesem Fall mehr als wörtlich zu verstehen ist, immerhin erschuf Meißner alle 16 Kombatanten in einem dem Rollenspiel ähnlichen Verfahren, bestimmte durch das Los die Kampfpaarungen und schlussendlich erwürfelte er ebenso das Schicksal seiner Protagonisten. Eben jene jedoch sind von solch schauerlicher Mensch- und Unmenschlichkeit, Tragik und Traurigkeit, dass der Leser immer zwischen Depression und Delirium gefangen gehalten wird. In der ersten Hälfte des Buches erfahren alle Mitstreiter eine mehr oder weniger ausführliche Vorstellung. Dieser expositorische Teil des Werkes zeigt Meißners schriftstellerische Kreativität.

Die eigentliche Welt, in der Meißners Roman spielt, bleibt eine Skizze und ist auch historisch nur schwer einzuordnen. Krieg herrscht im Land, es gibt nur wenige große Städte und überall verspürt man eine depressive und gewalttätige Stimmung. Dennoch erscheinen die Charaktere gar nicht wie skizzenhafte Stereotype. Die Bandbreite an Waffen und Kampfstilen ist dabei so groß wie die Verschiedenheit ihrer Hintergrundgeschichten, ihrer Motive und Triebfedern. Geltungssucht, Selbstbestätigung, Schicksal, Suche, Armut, Lebensmüdigkeit und Geldgier finden neben Hass, Verehrung und Brüderlichkeit alle durchaus auch mehrfach ihr Pendant in den durchweg interessanten und moralisch oftmals fragwürdigen Figuren.
Dieser Vielfalt an Protagonisten ist es auch zu verdanken, dass das Paradies der Schwerter nicht bloß zur Allegorie über Zufall und Schicksal wird oder lediglich eine harsche Kritik an Voyeurismus und Gladiatorenspielen (respektive wohl auch modernerer Unterhaltung: reality TV) bleibt, sondern auch das tragische Schicksal der Gladiatoren mitfühlen und -fiebern lässt. Ohne diese Beziehung zu den Charakteren, die durch deren Vorgeschichte aufgebaut wurde, wäre man wohl ebenso wie das Publikum in der Hölzernen Arena. Denn Meißners Sprache in den Kämpfen ist eindringlich, der ständige Wechsel der Erzählerperspektive führt zu einem beinahe filmhaften Erlebnis.
Das eigentlich abstoßende und zugleich faszinierende Element ist aber doch die unübertroffene Spannung, die durch die Unvorhersehbarkeit der Kämpfe aufkommt. Man spürt als Leser das Kribbeln eines ungewissen Kampfes, man setzt unwillkürlich auf den eigenen Favoriten und weiß doch immer, dass man keinen haben sollte.

Neben der sprachlichen Eindringlichkeit der Kämpfe verspürt man aber auch im restlichen Geschehen, dass Meißner ein Experiment geglückt ist. Mal sind die Vorgeschichten der Kämpfer anekdotenhaft, dann wieder kommt eine kühle Distanz durch paragraphenhafte Beschreibung auf oder man verfällt in den Rhythmus des jungen Daimiyo Kriegers, wenn Meißner staccatohaft und präzise seine Bewegungen und Kampffiguren beschreibt.
Mal erklärt ein Bewusstseinsstrom die Gedanken eines Kämpfers und dann weisen nur aphoristische Phrasen auf das Schicksal eines Kämpen hin. Diese Vielschichtigkeit bewahrt sich das Buch, ohne unleserlich zu werden; letztlich bleibt die Lesefreude und das Grübeln über das Geschehene die Hauptaufgabe des Lesers. Ebenso wie das Werk sprachlich ansprechend ist, die dramatis personae überzeugend skurril auftritt, beweist das Buch aber auch interpretatorischen Spielraum.
Die existenzialistische Idee, dass man das eigene Sein gerade in Grenzerfahrungen stärker wahrnimmt, wird ebenso beleuchtet, wie die Psychologie der Masse, die Günstlinge erwählt, nach Blut lechzt und irgendwann saturiert oder frustriert von dannen zieht.
Denn Meißners Hölzerne Arena hat ihren Zenit bereits überschritten, sie ist die letzte Bastion einer ausgehenden Ära von ehrenhaftem Kampf, wie der Arenabesitzer Gillet mehrfach betont. Diese paradoxe Perversität, dieses Ehrverständnis von Kampf auf Leben und Tod wird besonders deutlich, wenn man einen kleinen Kommentar mit einbezieht, der besagt, dass das Paradies der Schwerter in Tobias O. Meißners Roman Neverwake unter dem Titel Rakuen ein berühmter Bestseller wird. Neverwake handelt von einer Welt der Computerspiel-Ligen und von virtuellem (deswegen moralisch hochwertigerem?) Kampf.

Die Hölzerne Arena ist ein Auslaufmodell für die Welt von Neverwake, vielleicht eine dystopische Zukunftsvision für unsere Realität, vielleicht auch ein mahnender Zeigefinger oder einfach nur ein verdammt spannendes Buch über “Kampf, Zufall und das Gegenteil von Nichts”.

Cover von Der Rat der Hexer von Elizabeth A. LynnKerris, der verwaiste Sohn eines großen Kriegsherrn, hat als Kind durch einen Schwerthieb einen Arm verloren. Als Krieger ungeeignet, hängt er seinen Träumen nach – von einer Gemeinschaft der Cheari, der begnadeten Krieger von Arun, und von seinem Bruder Kel, dem vielleicht besten von ihnen. Als er Kel und seinen Gefährten in die ferne Stadt Elath begleitet, findet er einen Meister, der eine Gabe in ihm weckt, die mächtiger ist als jedes Schwert. Doch im einst friedlichen Elath lauern erbarmungslose Gegner – und jetzt ist es an Kerris, dem Tod ins kalte Auge zu sehen …

-Kerris erwachte. Er reckte sich. Er fühlte sich kalt und steif. Der Strohsack unter ihm war dünn und stachlig; er hatte weit entfernt von den Kaminen geschlafen, an einer Stelle, wo er der Tür am nächsten war.-
1. Kapitel

Trotz einiger Vorbehalte gegen den ersten Teil der Trilogie habe ich mich auch an den zweiten gewagt, und ich war ehrlich positiv überrascht. Die Handlung setzt ca. 100 bis 150 Jahre nach dem ersten Band ein und erzählt nun ein völlig anderes Schicksal eines Menschen von Tornor Keep. Dabei werden gerade zu Beginn viele Verknüpfungen zu Die Winterfestung gemacht, die man mit einem Lächeln zur Kenntnis nimmt.
Die Welt von Arun ist diesmal noch facettenreicher und lebendiger. Seit der Schlacht im ersten Teil hat es kaum Kriege gegeben und die Grenzfesten haben ihre eigentliche Aufgabe verloren. Trotzdem lernen die Menschen noch das Kriegshandwerk, wozu aber der Protagonist aufgrund seines fehlenden Armes ungeeignet ist. Das Schicksal von Kerris auf dieser Burg erregt natürlich Mitleid beim Leser, jedoch ohne zu sehr auf die Tränendrüse zu drücken. Kerris’ Charakter wirkt lebendig, es fällt aber manchmal etwas schwierig, die Handlungen nachzuvollziehen.
Die Welt der chrearis, die im ersten Teil begonnen hat, ist 150 Jahre später weit im ganzen Süden verbreitet. Dabei gelingt es der Autorin, der Welt einer unglaublichen Dichte und Komplexität zu geben, die den Leser gleichzeitig mit einbindet und fesselt.
Ein bißchen gewöhnungsbedürftig ist jedoch die Lebensweise der chearis: Jeder kann seinen sexuellen Wünschen frei nachgehen und die Autorin konnte es dann nicht vermeiden, auch ein paar Mal genauere Details preiszugeben. Wer in dieser Hinsicht sehr konservativ ist, sollte es sich besser zweimal überlegen, das Buch zu lesen.
Auch hier tauchen wie im ersten Buch sehr viele Personen auf, man sollte sich dadurch aber nicht abschrecken lassen. Sobald man die 7 (!) Hauptpersonen einigermaßen kennengelernt hat, schafft man es gut, der Handlung zu folgen.

Rune der Knechtschaft von Ange GuéroDer ehemalige Spion und Meuchelmörder Arekh fristet ein erbärmliches Dasein als Galeerensträfling und hat mit dem Leben eigentlich schon abgeschlossen. Doch als sein Schiff in einem Gefecht versenkt wird, rettet Marikani, die Thronerbin des Königreichs Harabec, Arekh unversehens das Leben, so dass er sich im Gegenzug widerwillig bereitfindet, ihr und ihrer Hofdame Liénor bei der gefahrvollen Rückkehr in ihre Heimat zu helfen. Schon bald müssen sie jedoch erkennen, dass nicht nur äußere Feinde ihnen Steine in den Weg legen: Aus dem Königshaus von Harabec droht Verrat, die mächtige Priesterschaft spinnt ihre eigenen Intrigen, und in den Reihen des versklavten Türkisvolks gärt es…

– Die Galeere sank langsam, als täte sie es nur widerwillig. Die Besatzungsmitglieder waren schon in den ersten Minuten getötet worden; dann hatte sich die Schlacht zum Südufer des Sees verlagert, und das Schiff und die Sträflinge blieben ihrem Schicksal überlassen. –
Kapitel 1

Zu Rune der Knechtschaft liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Schattenkönige von Michael CobleyVor Jahren wurde das Kaiserreich Khatrimantine von den wilden Mogaun eingenommen, die mit Hilfe ihrer Schamanen und eines bösen Gottes die Priester und Magier unterwarfen und ausrotteten. Nur noch einige letzte verstreute Rebellengrüppchen planen einen unrealistischen Widerstand, und auch diesen droht die Vernichtung: Fünf sterbliche Krieger und Magier beherbergen in ihren Seelen Fragmente des bösen Gottes, der für all die Zerstörung verantwortlich ist. Sie trachten danach, sich zu vereinen und endlich die letzten Reste Khatrimantines auszulöschen.
Doch gerade jetzt taucht ein verschollener Erbe des letzten Kaisers auf, der zu einer neuen Gallionsfigur werden könnte.

-In dem hochgelegenen Bergtal unter dem bedrückenden, sternenlosen Baldachin der Nacht brannten zwischen uralten Ruinen zahlreiche Lagerfeuer.-
1

Düster geht es zu in Michael Cobleys Welt, Frohsinn und die schönen Seiten des Lebens sind Fremdwörter im Reich Khatrimantine – schließlich ist die Apokalypse schon längst gelaufen und nur noch die letzten Reste der Zivilisation wehren sich mehr schlecht als recht gegen den Untergang. Verursacht haben den Schlamassel die wilden Nomaden-Horden der Mogaun – diese sind zwar auch Menschen, aber anscheinend liegt ihnen nichts an der Zivilisation – es läßt sich wohl auch in einer zerstörten und vernichteten Welt wunderbar leben und geheihen.
Wäre dies das einzige logische Loch in Schattenkönige (ShadowKings), könnte man noch damit leben, aber die Logik wurde alle paar Seiten der dunklen Atmosphäre geopfert. Diese zumindest beherrscht Cobley, und an keiner einzigen Stelle in knapp 500 Seiten kommt auch nur ansatzweise das Gefühl auf, daß man dieser Welt vielleicht gerne mal einen Besuch abstatten würde.

Auch die Charaktere handeln wenig nachvollziehbar und könnten den Leser kälter nicht lassen: Rebellengeneral Mazaret, Meistermagier Bardow und seine Schülerin Suviel, die Schwertkämpferin Keren – sie alle machen niemals den Eindruck, als wären sie mit Herz und Seele bei der Sache. Im Gegenteil, bei allen stellt man eine gleichgültige Haltung fest, nach dem Motto “Rebellion, hoffentlich ist es bald vorbei”. Motivationen werden höchstens ab und zu ganz plakativ in einer kurzen Selbstreflexion à la “warum mache ich den Mist eigentlich” vermittelt.
Auf der Seite der Bösen sieht es kaum besser aus, hier gibt es Standardfieslinge, die sich auch gegenseitig nicht ganz grün sind, aber immerhin manchmal darüber nachdenken, ob man sich wirklich von den Göttern so herumschieben lassen sollte.

Magie und Militär-Operationen und Action gibt es zuhauf, auch hier nicht immer logisch, aber dafür in Massen.
Vieles bleibt in diesem Band auch kryptisch und verwirrend, und wenn Cobley eine seiner vielen Überraschungs-Trumpfkarten ausspielt, fühlt man sich als Leser eher überrumpelt, weil solch undurchschaubare Strukturen innerhalb der Handlung herrschen, daß man sich manchmal fragen muß, ob der Autor selbst überhaupt den Durchblick behalten hat.
Am VaterBaum, den JägerKindern und der ErdenMutter kann man beim Lesen auch immer wieder hängenbleiben – ein an mißlungene Werbesprache erinnernder Einfall von Cobley, der damit wohl seine einigermaßen unoriginelle Götterwelt aufpeppen wollte.

Bleibt also die apokalyptische Atmosphäre, an der man sich erfreuen (oder vor der man vielmehr erzittern) kann. Hierzu sind vor allem auch die kurzen Kapitelvorspänne gut gelungen, in denen Sprichwörter, Ausschnitte aus Gedichten und Schauspielen und dergleichen mehr aus Cobleys Welt zitiert werden, und die sich immer subtil auf den Kapitelinhalt beziehen. Gäbe es mehr von diesen aufwendig gestalteten Feinheiten, hätte man Schattenkönige vielleicht mit Genuß lesen können, aber es überwiegt der Eindruck einer reichlich konfusen Geschichte – hauptsache schön finster.

Der Schattenprinz von David GemmellTenaka Khan, halb Fürst der Nadir und halb Drenai von hoher Geburt, kennt nur noch ein Ziel im Leben: Er will den Despoten Ceska ermorden, der das Land der Drenai unter seiner Schreckensherrschaft leiden läßt und mit dem Tenaka eine ganz eigene Rechnung zu begleichen hat. Eigentlich ist diese Aufgabe auch für einen der besten Schwertkämpfer, wie es Tenaka ist, reiner Selbstmord, doch auf dem Weg schließen sich ihm alte und neue Freunde an.
Schließlich wird klar, daß Tenaka und seine Gefährten eine Rebellion anzetteln und ein Heer gegen den Kaiser und seine dunklen Kreaturen führen müssen.

-Auf den Bäumen lastete der Schnee, und der Wald lag wie eine schüchterne Braut unter der weißen Decke. Eine Weile blieb der Mann zwischen den Felsen und Steinblöcken stehen und betrachtete prüfend die Hänge.-
Prolog

Wie schon im ersten Band der Drenai-Saga ist auch hier die Handlung sehr linear und sehr dünn: Ein Despot soll vom Thron gestoßen werden. Das ist alles. Keine weiteren Komplikationen, keine Nebenhandlungen, keine unvorhergesehenen Wendungen. Trotzdem hat Gemmell dieses einfache Thema mit einer gewissen Dynamik umgesetzt, die das Buch zu einer schnellen, leichten und unterhaltenden Lektüre macht.
Die Helden sind kernig und unbeugsam und die besten in allen Disziplinen, entwickelt werden sie innerhalb des rasanten Geschehens kaum. Daß es dennoch allesamt farbige, gut vorstellbare Gestalten geworden sind, verdanken sie vor allem dem immer wieder aufblitzenden Humor. Gerade wenn man schon glaubt, man hätte die Nase voll von echten Männern und Pathos, gibt es einen kleinen Schuß Ironie, der (fast) alles wieder ins Lot rückt.

Daß die Handlung einige Generationen nach den Geschehnissen des ersten Bandes angesiedelt ist, sorgt am Anfang für leichte Verwirrung, aber nach einigen Seiten Einstieg findet man Zugang zur Geschichte und erfährt im Verlauf der Handlung auch mehr oder weniger, was zwischen den Büchern geschehen ist. Je mehr Seiten man aber hinter sich bringt, desto auffallender werden auch die Ähnlichkeiten der beiden Bände – bald hat man wiederum eine Belagerungssituation wie in Die Legende vorliegen, und in diesem Vergleich zieht Der Schattenprinz (The King Beyond the Gate) eindeutig den Kürzeren: Auf so wunderbare Überraschungen wie im ersten Band wartet man vergeblich, und gegen Ende wirkt das Buch schlecht strukturiert, wenn etliche Szenen, auf die man gewartet hätte, einfach nicht erzählt werden (so z.B. die Übernahme von Dros Delnoch) und aufwendig vorgestellte Figuren einfach sang- und klanglos verschwinden.

Fans von ausführlicher Weltschöpfung kommen bei Gemmell nicht auf ihre Kosten, und sprachliche Feinheiten gibt es auch nicht zu bewundern, vor allem sticht die deutsche Ausgabe durch viele Flüchtigkeitsfehler und Anachronismen heraus. Wenn man aber hin und wieder ein paar klassische Helden in Aktion erleben möchte (mit einem Schuß Militärstrategie garniert) und sich auch an den nur vordergründig modernen, aber letzten Endes ganz klassischen Frauenrollen und dem ein oder anderen Schenkelklopfer nicht stört, kann man ruhig zu diesem Drenai-Band greifen und wird auf diesen Sektoren bestens bedient – mehr aber auch nicht.

Die geflügelte Armee von Adrian TchaikovskyDas Wespenimperium wächst Jahr für Jahr und führt Krieg gegen seine Nachbarn, zwingt sie in die Sklaverei. Nach dem Krieg gegen den Bund der Libellen fassen die Wespen nun die zerstrittenen Tieflande ins Auge. Als sie die ferne Stadt Myna einnehmen, wird auch Stenwold Werker die wahre Macht des Pwespenstaats bewusst und sendet seine Agenten um mehr über den Feind zu lernen und das Volk der Tieflande zu warnen bevor es zu spät dafür ist.

– Alle Morgen waren freudlos für ihn, und so auch dieser. –
Eins

Zu Die geflügelte Armee liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Die geflügelte Armee und Schwarzer Glanz.

Schwarzer Glanz von Adrian TchaikovskyDas Wespenimperium wächst Jahr für Jahr und führt Krieg gegen seine Nachbarn, zwingt sie in die Sklaverei. Nach dem Krieg gegen den Bund der Libellen fassen die Wespen nun die zerstrittenen Tieflande ins Auge. Als sie die ferne Stadt Myna einnehmen, wird auch Stenwold Werker die wahre Macht des Pwespenstaats bewusst und sendet seine Agenten um mehr über den Feind zu lernen und das Volk der Tieflande zu warnen bevor es zu spät dafür ist.

– Er verlor sich in dunklen Gefilden, in unermesslichen Abgründen, in die noch nie ein Lichtstrahl gedrungen war. Hier schienen keine Sterne, und es gab keine Laternen. Nur Leere und das Rauschen des Windes oder das Reißen des Stroms, der ihn nach unten zerren wollte. –

Zu Schwarzer Glanz liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Die geflügelte Armee und Schwarzer Glanz.

Cover von The Books of the South von Glen CookNach dem Fall des Dominators macht sich die Black Company auf den Weg nach Süden und damit zu einer Reise in die eigene Vergangenheit – nach Khatovar. Dabei finden sich nicht nur neue Rekruten für die geschrumpfte Truppe, sondern auch neue Herausforderungen. Denn als die Gruppe die Stadt Taglios erreicht, sieht sie sich erneut dunklen Mächten gegenüber, die ihren Weg blockieren. Im Auftrag der Stadt Taglios, mit der die Black Company scheinbar mehr verbindet als ein Vertrag, muss Croaker nun seine Rolle als Hauptmann tatsächlich voll ausfüllen.

-I, of course, replied with the golden tongue of a horse seller >Uh…Uh…But…< . Like that. Master of the glib and facile remark.- S. 26

Shadow Games ist der Auftaktband für die Books of the South und schließt direkt an den Abschluss der Trilogie Books of the North an. Daher sei Neulingen der Reihe angeraten, sich zuerst die Vorgängerromane anzuschauen, auch wenn in dieser Rezension Spoiler so gut wie möglich vermieden werden, ist es kaum möglich, die Ereignisse aus den Vorgängern vollkommen auszuschließen.

Shadow Games bietet vieles, was man bereits aus den Books of the North kennt, und das ist sowohl Stärke als auch Schwäche des vorliegenden Bandes. Croaker ist immer noch derselbe unterhaltsam-hemdsärmelige Erzähler, nicht zuletzt wegen seiner Selbstironie, die selbst das finsterste Setting noch aufhellt. Das ist also die altbekannte Stärke der Serie.

Die Reise von den nördlichen Gebieten des Imperiums der Lady über die See der Qualen bis tief in den Süden des anderen Kontinents liest sich zwar durchaus flüssig, die durchwanderten Regionen werden jedoch nur andeutungsweise geschildert und stecken voller Exotismen, von runzeligen, kleinen Stammesleuten im Dschungel bis hin zu hochgewachsenen dunkelhäutigen Kriegern mit fellbespannten Schilden. Selbst die Stadt Taglios bleibt noch etwas farblos, denn außer der Zersplitterung in zahllose Kulte und der Aversion gegen dieselben und deren Priester, der sämtliche Haupt- und Nebenfiguren mehr oder weniger freien Lauf lassen, erfährt man relativ wenig über die leicht indisch angehauchte Metropole.
Auch tut es dem Roman nicht unbedingt gut, dass sich für die neue Trilogie wieder dasselbe Szenario zu ergeben scheint, wie es schon in den Books of the North der Fall war. Tatsächlich werden im Verlauf der Handlung außerdem Fässer erneut aufgemacht, die man mit der Vorgängertrilogie für längst ver- und abgeschlossen hielt. So gelungen und spannend das Setting der ersten Trilogie war, ein bloßer Aufguss desselben wäre etwas zu viel Altbekanntes.

An sich böte die lange Reise bis Taglios, die doch einen bedeutenden Teil des Buches ausmacht, auch eine gute Gelegenheit, neue Figuren einzuführen oder alte näher kennenzulernen. Es bleiben jedoch sowohl die neuen Personen, die sich zur Black Company gesellen, als auch die bekannten Söldner, abgesehen vielleicht von Croaker und ansatzweise der Lady, (weiterhin) kaum mehr als grob skizzierte Nebenfiguren, die mehr oder weniger dieselben Rollen wie ausfüllen, die sie seit dem ersten Band innehaben.
Der Liebesbeziehung zwischen Croaker und der Lady, die nun (endlich) realisiert werden könnte, wird immerhin viel Platz eingeräumt. Allerdings führt dies dazu, dass sich die beiden in der ersten Hälfte des Buches plötzlich mehr wie pubertierende Jugendliche aufführen, denn wie Erwachsene. Gerade bei der Figur der Lady, der mächtigen, uralten ehemaligen Kaiserin eines enormen Reiches, wirkt dies sehr gekünstelt und zeigt einmal mehr, dass gute Liebesgeschichten nicht einfach zu schreiben sind.

In der zweiten Hälfte kann Cook dann wieder seine Stärken ausspielen, als die Kampagne Croaker in Beschlag nimmt und die Lady sich wieder in die selbstbewusste, starke Frauenfigur verwandeln darf, als die man sie kennt. Auch die Andeutungen bezüglich der Vergangenheit, welche die Black Company mit Taglios verbindet, politische Intrigen und allerhand militärisches Taktieren sorgen dafür, dass der Roman deutlich an Spannung hinzugewinnt, und er endet sogar mit einem Paukenschlag, der trotz aller Kritik dazu führt, dass man wissen will, wie es weitergeht.

Dass Cooks Stärken nicht unbedingt in tiefgründiger Figurenzeichnung liegen, wissen Anhänger der Reihe wohl seit den ersten drei Bänden, aber er hat mit Croaker eine Erzählerfigur geschaffen, die einen immer noch über so manche Schwäche gerne hinwegsehen lässt, davon profitiert auch Shadow Games. So liefert Cook mit Shadow Games erneut einen flüssig zu lesenden und unterhaltsamen Roman, der vor allem in der zweiten Hälfte sehr spannend ist, ob er jedoch aus den Books of the South mehr als eine Variation der Books of the North machen kann und aus dem Setting mehr herauszuholen vermag, muss sich erst erweisen.
Der Roman ist zuletzt gemeinsam mit dem Folgeband Dreams of Steel und dem spin-off The Silver Spike in dem Sammelband The Books of the South (ISBN: 978-0-7653-2066-7) veröffentlicht worden.

Das Silmarillion von J.R.R. TolkienVon der Schöpfung der Welt, den ersten Kriegen der Valar gegen Melkor und dem Erwachen der Elben und ihrem Schicksal in den westlichen Landen und Mittelerde handelt das Silmarillion in einzelnen, mehr oder weniger abgeschlossenen Erzählungen, die sich zu einer großen, umfassenden Mythologie verbinden lassen.
Der Höhepunkt der Zusammenstellung ist die Geschichte von den Kriegen um die schönsten Edelsteine, die je von Künstlerhand geschaffen wurden: Die Silmaril, mit denen das traurige und verlustreiche Schicksal der Elben in Beleriand verknüpft ist.

-Es heißt unter den Weisen, der erste Krieg habe begonnen, bevor Arda noch ganz erschaffen und ehe noch etwas da war, das wuchs oder ging auf Erden; und lange hatte Melkor die Oberhand.-
I Vom Anbeginn der Tage

Im Silmarillion kann man vieles sehen: Ein Buch mit weiteren Geschichten  aus Tolkiens Welt, inbesondere jenen, die von den Helden des Herrn der Ringe besungen werden. Ein fragmentarisches Werk, nach dem Tod des Autors zusammengestellt und veröffentlicht. Eine Schau von Tolkiens weitläufiger Mythologie, die er für das leidgeplagte Mittelerde oder vielmehr die ganze Welt Arda geschaffen hat, und als halbwegs durchgängige Erzählung, die von der Schöpfungsgeschichte über Zeitalter hinweg die Geschicke der Welt berichtet, am ehesten so etwas wie sein Lebenswerk – das er allerdings niemals zu seiner vollen Zufriedenheit fertig stellte und dessen einzelne Bestandteile in etlichen Versionen vorliegen. Eines ist Das Silmarillion aber nicht: Eine kohärente, kompakte Geschichte, die man wie einen Roman weglesen kann.

Erzählt werden die Mythen der Elben und Menschen vom Anbeginn der Zeit bis hin zur ‘geschichtlichen’ Epoche, die schließlich auch zum Ringkrieg im Hauptwerk des Autors führt. Trotzdem ist Das Silmarillion nur ein Ausschnitt aus Tolkiens umfassender Mythologie.
Schwere Kost also, und auch der Text an sich ist nicht leicht zugänglich. Der Anhang mit  Namensregistern und Stammbäumen zeigt teilweise schon auf, weshalb: Figuren kommen und gehen als Spielbälle des Schicksals, und zu den einzelnen wichtigen Charakteren kann man nur sehr bedingt Bezüge aufbauen. Gerade anfangs sind auch lange Landschaftsbeschreibungen häufig, in denen Ardas Oberfläche dem Leser detailliert vor Augen geführt wird.
Man erfährt die Handlung nicht aus Charaktersicht, sondern aus einer über den Ereignissen stehenden Perspektive im Stil einer Chronik. Generationen vergehen, Kriege werden geführt und das Angesicht der Welt verändert sich. Diese Art des Erzählens ist nicht auf gewohnte Art spannend und auch anders strukturiert, denn erzählt wird die Geschichte einer Welt, in der nur einzelne Stränge abgeschlossen werden, die aber immer im Fluß bleibt.

Wenn man sich aber auf den Stil einläßt, der so gar nicht dem Leitfaden “wie schreibe ich einen Roman” folgt, dann findet man sich in einer Erzählung wieder, die so monumental, archaisch und ausufernd ist, daß man sie eher in eine Reihe mit Homers Epen, Gilgamesch oder der Edda stellen kann, als neben einen anderen Fantasy-Roman. Die für diese Zusammenstellung gewählten Abschnitte ergeben letztendlich ein erstaunlich rundes Bild der Geschichte und sind meistens in sich geschlossen.
Wer mit einer Mischung aus archetypischen Ursprungsgeschichten, Erzählungen von den ersten und den letzten Dingen, monumentalen Schlachten und echtem, nicht aufgesetztem Pathos etwas anfangen kann, sollte einen Versuch mit dem Silmarillion wagen – wer einen ersten Einstieg in die Geschichte Mittelerdes sucht, ist sowieso an der richten Stelle. Es hat auf jeden Fall mehr zu bieten als nur den Herrn der Ringe geschichtlich zu vertiefen, und wie es sich für ein richtiges Epos gehört, klingen etliche Stellen so schön, als seien sie zum lauten Vortragen geschaffen worden.

Sparta von Steven PressfieldBei den Thermopylen findet sich eine Tafel mit folgender Inschrift: Wanderer, kommst du nach Sparta, so verkünde dort, du habest uns hier liegen gesehen, wie das Gesetz es befahl.
Über 200.000 persische Krieger überschreiten 480 v.Chr. auf einer Schiffsbrücke(!) den Hellespont und marschieren gegen Athen. Doch als Xerxis’ Heer den Engpass der Thermopylen passieren will, erhält er von seinen Spähern eine seltsame Nachricht: ein kleines, griechisches Heer von höchstens 4000 Mann hat sich in den “heißen Toren” verbarrikadiert, entschlossen, dem riesigen Heer des persischen Königs eine Schlacht zu liefern.

– Mit verbundenen Augen neigte der Gefangene leicht den Kopf und sprach ein Dankgebet zu einem seiner Götter. Die Geschichte, die Seine Majestät zu hören wünsche, so antwortete er schließlich, könne er aus ehrlichem Herzen erzählen, denn sie sei sein größtes Anliegen. –
Kapitel 1

Vor mehr als 2000 Jahren haben Herodot und Plutarch in ihren Berichten Sparta ein unsterbliches Denkmal gesetzt. Steven Pressfield war wohl entschlossen, die Lobeshymnen der beiden noch zu übertreffen, denn sein Werk trieft nur so von schwülstigem Pathos. So fühlt sich der Leser nicht von ungefähr an das amerikanische Marinekorps erinnert, wenn er die harte Ausbildung der spartanischen Krieger beschreibt, oder die brutalen Strafen der Ausbilder zu rechtfertigen versucht. Pressfield bedient jede Menge Klischees, um die heldenhaften Tugenden der Spartaner darzustellen, und unterlässt tunlichst jeden Hauch von Kritik an der Militärdiktatur Sparta, die auf Sklaverei (Heloten) aufgebaut war. Auch die weitverbreitete Homosexualität unter den spartanischen Kriegern, die ihre Frauen kaum zu sehen bekamen, passt offenbar nicht in Pressfields Vorstellung eines antiken Helden.
“Saving Private Leonidas”, Pressfields Version der Thermophylenschlacht, ist nur so gespickt mit fragwürdigem Pathos – die Handlung scheint er darüber vergessen zu haben. Neben zahlreichen historischen Fehlern, auf die ich nicht weiter eingehen will, verwendet Pressfield nämlich auch gerne Begriffe, die es damals überhaupt noch nicht gab, wie z.B. Tomate, Chirurg oder Kaserne. Wenn er dann noch schreibt, jemand antworte “wie aus der Pistole geschossen”, ist das Maß für mich voll: Solche Formulierungen haben in einer Geschichte, die vor 2500 Jahren spielt, nichts verloren! Da ich das Original nicht kenne, könnte hierfür aber auch Pressfields deutsche Übersetzerin Frauendorf-Mössel verantwortlich sein – ärgerlich ist es trotzdem. Positiv anzumerken ist lediglich die Beschreibung der eigentlichen Schlacht, die aber nur einen kleinen Teil der Erzählung ausmacht. Hier kommt tatsächlich ein wenig der Spannung auf, die man den Rest des Buches über vermisst hat. Retten kann das die lahme Handlung allerdings auch nicht mehr. Schade, denn aus der historische Vorlage der persischen Kriege hätte man ganz bestimmt mehr machen können.

The Stuff of Legend Omnibus OneEin Junge schläft friedlich zu Hause inmitten seiner Spielsachen, während sein Vater weit entfernt in Europa im Zweiten Weltkrieg kämpft. Doch etwas Finsteres greift aus seinem Schrank und entführt ihn in die Dunkelheit. Als alles wieder ruhig ist, kommen die Spielsachen des Jungen zusammen, und der tapfere Colonel entscheidet, dass es eine Rettungsmission geben muss. Nur die wenigsten Spielsachen sind bereit, dem Spielzeugsoldaten in die unbekannte Dunkelheit im Schrank zu folgen …

-“How can you be so cavalier? We are in prison.”
“I have spent time in tighter quarters than this, Gingerbread Man. ’tis all a matter of perspektive.”-
The Prison

Durch die Schranktür eine andere Welt betreten; Spielzeug, das lebendig wird und einer eigenen Spielzeuglogik folgt – klingeln da nicht ganz laut die Nostalgieglöckchen? Und das nicht ganz zu Unrecht: Michael Raichts und Brian Smiths epischer Comic The Stuff of Legend knüpft an einigen Stellen an die besten Abenteuergeschichten an, die man als Kind gelesen hat. Es gibt eine fremde, eigenen Gesetzmäßigkeiten folgende Welt zu erkunden und eine Schar wundersamer, oft liebenswerter Gefährten auf der Suche nach „ihrem“ verlorenen Jungen zu begleiten. Doch der – zum nostalgischen Flair beitragende – Realwelthintergrund des Zweiten Weltkriegs ist nicht ganz umsonst gewählt und wirkt teilweise auf die Bildwelten zurück, die sich in der Welt hinter der Schranktür, nur „the Dark“ genannt, auftun. Für Kinder ist es also eher nichts (höchstens für etwas ältere, nervenstarke, die es nicht unbedingt bunt mögen), für Erwachsene, die sich gerne in kindliche Gedankenwelten versetzen lassen, dafür aber um so mehr. The Stuff of Legend hat keine Scheu vor den düsteren Seiten von Kindergeschichten und ist, wenn man einen Vergleich heranziehen möchte, als hätte Neil Gaiman ein Skript für Toy Story verfasst.

Die Geschichte, die sich um die mehr oder weniger tapferen Spielzeuge entspinnt, stellt die Helden vor eine nahezu unmögliche Aufgabe: In der weitläufigen unbekannten Welt wollen sie dem Boogeyman ihren Jungen wieder entreißen, und der wirft ihnen nicht nur Heerscharen von feindlich gesinnten Spielzeugen entgegen, sondern ist auch ein Bösewicht, der es einem bei jedem seiner merkwürdig ästhetischen Auftritte eiskalt den Rücken hinablaufen lässt. Teddybär Max, Sparschwein Percy, der mutige Colonel, Jester, ein scharfzüngiger und galanter Kastenteufel, und Scout, der echte Hund des Jungen, um nur einige der Protagonisten zu nennen, scheinen keine Ahnung zu haben, worauf sie sich einlassen, erweisen sich aber als einfallsreiche und wehrhafte Underdogs. Ihre jeweiligen Rollen sind wohldurchdacht und gehen unter die Haut: Sie folgen einerseits der Realität ihres Daseins als Spielzeug (was macht man nochmal gleich mit Sparschweinen?), lösen sich aber andererseits auch davon und haben dadurch viel Entwicklungsraum: Princess, die Indianerprinzessin, die bei den Spielen des Jungen stets gerettet werden musste, ist in der neuen Welt einer der zähesten und effektivsten Kämpfer – sehr zur Überraschung ihrer einstigen Retter.
Die feine Ausarbeitung dieser lebendigen Figurenriege führt dazu, dass Raicht und Smith in The Stuff of Legend elementare Themen anpacken können: Fragen der Loyalität, Eifersucht, Angst, Willenskraft und Vergebung müssen die Spielzeugfiguren für sich beantworten, und sie sind psychologisch so durchdacht, dass ihre Reaktionen nicht nur unvorhersehbar, sondern auch zugleich hart und herzerwärmend ausfallen – nicht, weil sie Spielsachen sind, sondern weil man sich ihnen sehr nahe fühlt.

Stuff_of_Legend_BeispielGenauso wie die Figuren folgt auch die Welt einer sehr ideenreich umgesetzten Spielzimmerlogik, die sich immer wieder auf überraschende Weise manifestiert – ob man nun in eine Stadt gerät, in der alles abstrusen Brettspielregeln folgt, oder einen wahrhaft traurigen Friedhof der Kuscheltiere entdeckt. Dazu trägt auch der detaillierte, rein in Sepiatönen gehaltene Stil von Charles Paul Wilson III bei, der diese Szenarien mit spannenden Design-Ideen, sehr dynamischen Panels und großartigem Spiel mit Licht und Schatten lebendig werden lässt und mit dieser gedämpften Farbwelt dem rückwärts gewandten Blick und der Düsternis des Erzählten gerecht wird.

Rückblenden und ab dem zweiten Band mehrere Handlungsstränge geben der Geschichte den letzten epischen Schliff, dabei ist sie im Grunde sehr ökonomisch erzählt: Übergänge werden meist ausgespart, und man findet sich bei neuen Szenen häufig gleich in medias res wieder. Es gibt in The Stuff of Legend jede Menge transformierender Momente, in denen man die eigene Einschätzung der Figuren oder des Geschehenen neu justieren muss, und in denen liebgewonnene Gefährten über ihre Grenzen getrieben werden. Das und die Suche nach Antworten darauf, was die Realität hinter „the Dark“ und ihrem finsteren Herrscher sein könnte, peitschen die Handlung voran und machen es schwer, auf den Abschluss der Geschichte zu warten.

Von The Stuff of Legend sind nämlich bisher vier Einzelbände bzw. zwei sehr schön gestaltete Sammel-Ausgaben erschienen – mit den geplanten Bänden fünf und sechs soll die Reihe abgeschlossen werden. Man kann, auch wenn die Rätsel um den Boogeyman und seine Welt noch lange nicht gelöst sind, davon ausgehen, dass die Reihe weiterhin das hält, was sie im Titel verspricht, und sie hat sich damit schon jetzt einen Platz unter den zeitlosen Highlights des graphischen Erzählens verdient.

Traveller von Richard AdamsNachdem das Pferd Traveller eine schöne Zeit als Fohlen erlebt hat, hört es immer wieder, daß viele Pferde in den Krieg ziehen, und bald auch ist er selbst unterwegs zu diesem seltsamen Ort, den unbedingt alle erreichen wollten. Nach einigen Besitzerwechseln und ersten schrecklichen Kriegserlebnissen geht Traveller endlich in den Besitz seines richtigen “Meisters”, General Robert E. Lee, über und dient ihm treu durch den ganzen amerikanischen Bürgerkrieg hindurch.
Nach dem Ende des Krieges hat er ein schönes Leben im Ruhestand und erzählt dem teilweise im Stall residierenden Kater Tom Beißer seine Erinnerungen an die schreckliche Zeit …

-Die blauen Männer! Die blauen Männer! Sie sind hinter uns gelangt, sie sind da drin unter den dichten Bäumen.-
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Ein Kriegsveteran, der seine Erinnerungen teilen will, gibt sie wohl immer auf ganz subjektive, eigene Art und Weise preis, und so erzählt in Traveller Robert E. Lees gleichnamiges Pferd auch dem Stallkater Stück für Stück seine ganze Lebensgeschichte, berichtet vom Krieg mit dem Verständnis eines Pferdes. Allerdings ist Traveller – auch für ein Pferd, wie man erfährt – eher simpel gestrickt, aber eine durch und durch gute Seele; und er spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase ist das ein wunderbar lebensnaher Stil – im Original war es wohl tiefster Südstaatenakzent, und die Übersetzung ist ein einfach gehaltener Soziolekt, der ganz hervorragend zu Travellers Charakter paßt.

Zusammen mit Traveller und dessen Herrn, Marse Robert, der für das Pferd das Gute in der Welt repräsentiert und damit sehr liebevoll dargestellt ist, erlebt der Leser den amerikanischen Bürgerkrieg auf der Südstaatenseite. Kaum nötig zu erwähnen, daß sämtliche Details minutiös exakt recherchiert wurden, bei der Fülle an Informationen und Umsetzungen, die zu diesem Thema schon zu haben sind. Wer nun ein blutiges, für Mensch und Tier leidvolles Gemetzel erwartet, liegt nur teilweise richtig. Aus Travellers etwas eingeschränkter Perspektive rauscht das Geschehen regelrecht am Leser vorbei – teilweise auch ohne große Abwechslung mit seitenlangen Wanderungen durch den Matsch und immer wieder aufflackernden Scharmützeln. Die großen Ereignisse werden eher beiläufig berichtet – Traveller versteht die Menschen und ihren Tötungswahn ohnehin nicht – und nur an wenigen Stellen rücken einzelne Grausamkeiten in den Blickpunkt. Allgegenwärtig sind allerdings das langsame Ausmergeln und die Strapazen während des langen Feldzuges.
Das Geschehen ist in viele chronologisch ablaufende Episoden zerpflückt, die Traveller nach und nach Tom Beißer erzählt, und läßt sich daher auch recht gut in Häppchen lesen. Zwischendurch stehen hin und wieder neutrale Passagen, die den genauen Ablauf des Krieges zum Inhalt haben. Und die hat man als Leser – sofern man nicht ohnehin mit der Materie vertraut ist – auch bitter nötig: Traveller, einfach gestrickt und das Pferd, das er nun einmal ist, leidet nämlich an einer katastrophalen Fehleinschätzung der Ereignisse und ist damit ein unzuverlässiger Erzähler, wie er im Buche steht.

Durch die einzelnen Häppchen ist Traveller nicht so sehr für eine spannende, durchgehende Handlung ausgelegt – es handelt sich eher um einzelne Episoden zwischen Mensch und Pferd, erzählt aus einer in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlichen Perspektive. Aber aus dem Flickwerk ergibt sich nach und nach ein großes Bild, eine Pferdebiographie, eine halbe Menschenbiographie aus einem neuen Blickwinkel, eine andere Geschichte des Bürgerkriegs und eine enthüllende Betrachtung des Menschbleibens in unmenschlichen Zuständen.
Mythische Aspekte und ein drängendes Tempo fehlen vielleicht in dieser Tierfantasy, Richard Adams’ gewohnte tiefgehende Wärme ist der Geschichte aber erhalten geblieben, und spricht besonders auch aus dem versöhnlichen Ende des Romans.

Cover von Die Trolle von Christoph HardebuschIm Land Wlachkis kämpft der junge Rebell Sten cal Dâbran gegen den tyrannischen Herrscher Zorpad. Doch eines Tage verlässt ihn sein Glück, und er endet – in einem Metallkäfig ausgesetzt – mitten in den dichten Wäldern. Dort wird er ausgerechnet von Kreaturen gerettet, die er eigentlich für Märchen und Legenden hielt: Trolle. Die bösartigen und gewalttätigen Wesen sind an die Oberfläche gekommen, um Antworten zu finden, denn auch ihr unterirdisches Reich wird bedroht. Im Laufe einer gefahrvollen Reise zeigt sich: Nur wenn Menschen und Trolle sich verbünden, kann eine Zeit der Finsternis verhindert werden.

-In den Eingeweiden der Welt, weit unter dem Land, herrschten ewige Wärme und Dunkelheit. Endlose Tunnel und Höhlen zogen sich durch die Knochen der Berge und boten unzählige Verstecke.-
Founding, 1

Der Roman Die Trolle von Christoph Hardebusch führt den erfolgreichen Titelreigen rund um Tolkiens Geschöpfe fort, zu dem auch Markus Heitz’ Zwergenromane und Bernhard Hennens Elfenzyklus gehören. Diesmal dreht sich die Handlung um die namensgebenden Trolle, jedoch wird hier, anders als in anderen Romanen dieser Art, die Geschichte nicht aus Sicht der Trolle erzählt, sondern aus dem Blickwinkel der Menschen, die ihnen über den Weg laufen.
Die Geschichte selbst folgt einem klassischen Questenmuster, das der Autor aber immer wieder variiert. Besonders gut gelungen ist die Skizzierung der Verhältnisse von Gut und Böse, die ja in der Fantasy häufig eindimensional und platt dargestellt werden. Hier jedoch erscheinen nur wenige Handlungsträger als eindeutig definiert, denn obwohl die Trolle grausam und brutal sind, werden sie differenziert gezeichnet. Gleiches gilt für die menschlichen Protagonisten. Mir persönlich hat gut gefallen, dass die fremden Wesen auch tatsächlich fremdartig bleiben und nicht für den Lesefluss “vermenschlicht” werden.
Die Welt ist wunderschön ausgearbeitet, und es macht großen Spaß, sie während des Lesens zu entdecken. Die Beziehungen der Völker untereinander, ihre Geschichte und Kulturen werden detailliert und ausführlich beschrieben. Die vorhandene Magie ist schwach und spielt keine Hauptrolle. Generell erscheint die Welt sehr realistisch und gemahnt an Osteuropa im Mittelalter.
Sprachlich versteht der Autor sein Handwerk und weiß den Leser zu fesseln.
Neben all diesen ansprechenden Faktoren muss aber auch gesagt werden, dass der Roman recht schleppend beginnt, um sich gegen Ende stark im Tempo zu steigern. Dieser langsame Anfang erleichtert nicht gerade den Einstieg, da teilweise allzu ausufernd beschrieben wird. Ein überzeugender Debütroman, der auf mehr hoffen lässt.

Undersea von Geoffrey MorrisonNach einer Katastrophe, die das Leben auf der verstrahlten Erdoberfläche unmöglich macht, befinden sich die letzten Überlebenden der Menschheit auf zwei großen Unterseeschiffen. Generationen sind vergangen, als die Stadträtin Ralla eine Entdeckung macht, die das Überleben auf ihrem Schiff, der »Universalis«, gefährdet. Doch ihre Kollegen schenken ihr kein Gehör. Unterdessen schafft es der Fischer und gelangweilte Trunkenbold Thom Vargas, einen Schritt auf der Karriereleiter nach oben zu tun und einen Posten als Shuttle-Pilot zu ergattern. Noch bevor er sich darüber freuen kann, bringt ihn sein erster Passagier, Ralla Gattley, in Schwierigkeiten, denen er sich in keiner Form gewachsen fühlt.

– In the darkness of the deep, Thom Vargas slept. The damp, cramped, cold cockpit pressed in around him, a dormant barrier to the sea beyond. At their dimmest, the backlit buttons on the console before him normally wouldn’t have looked lit at all. But at this depth, they pierced the darkness like suns. – Part I

Postapokalyptische Szenarien haben eine lange Tradition in Horror und Science Fiction. Mit Undersea kämpfen wir jedoch nicht in verfallen(d)en Städten gegen Zombies, Banden oder kanibalistische Stämme, sondern tauchen ab in die Tiefsee, wo riesige Unterwasserschiffe die Reste der Menschheit und eine funktionierende, moderne Gesellschaft beherbergen. Lange bleibt dabei unklar, was der Grund für den Rückzug ins Meer war. Ein Krieg? Eine Naturkatastrophe? In der nunmehr dritten Generation interessieren sich nur noch die wenigsten Nachkommen für die Gründe und gehen ihrem täglichen Leben nach. Undersea ist das ideale Buch für LeserInnen, die auf der Suche nach waschechter Unterwasser-Action und Tauchgängen in futuristischen Anzügen sind. Der einfache, aber wirkungsvolle Plot wird ausgeschmückt von zahlreichen U-Boot-Schlachten, politischen und militärischen Intrigen, einer stattlichen Anzahl von technischen Gadgets und einem manipulativen Gegenspieler, dessen blinde Machtgier die endgültige Auslöschung der verbliebenen Menschheit bedeuten könnte. Die technischen und wissenschaftlichen Details sind aus ästhetischer Sicht spannend und geben ein sehr interessantes Bild für Unterwasserfans ab. Ob sie dabei immer realistisch sind, allen voran die doch etwas wilde Konstruktion der beiden Stadt-Schiffe »Universalis« und »Population«, bleibt manchmal etwas fraglich. Wer von seiner Science Fiction absolut realistische Technik erwartet, wird hier vielleicht an die Grenzen seiner Toleranz geführt, wer sich dagegen mehr auf die Atmosphäre und den Unterhaltungswert der vorhandenen Technik konzentriert, statt sie zu intensiv zu hinterfragen, bekommt ein fulminantes Spektakel, das sich als Pageturner erweist. Kleine Details wie z.B. der Filmtitel »It came from the Surface II« sorgen außerdem für eine Prise Humor. Neben dem stimmungsvollen Weltenbau vermögen auch die Charaktere zu unterhalten. Frei nach dem Motto: ab ins kalte Wasser mit ihnen! – schickt Autor Morrison seine beiden Hauptfiguren in ansehnlichem Tempo von einem Problem ins nächste. Ralla Gattley hat ein gemütliches Leben, einen Partner, der ihre Zukunft schon geplant hat, und sie könnte sich eigentlich entspannt zurücklehnen, hätte sie da nicht diesen eigenwilligen Kopf und eine selbst auferlegte Mission vor Augen. Mit Fakten und starkem Willen kämpft sie gegen die Ignoranz der älteren Ratsmitglieder an und versucht schließlich auf eigene Faust das Überleben der Bewohner ihres Schiffes zu sichern. Dazu bereist sie die Unterwasserproduktionsstätten, die sich am Grund der Meere in gigantischen Domkuppeln befinden, legt sich mit mächtigen Widersachern an und lässt sich auch in brenzligen Situationen nicht von Furcht oder Hoffnungslosigkeit übermannen. Gerade als man denkt, sie verfalle doch dem Klischee der Jungfrau in Nöten, packt sie die Ellbogen aus und nimmt das Problem einmal mehr selbst in die Hand. Es macht Spaß, ihre Bemühungen und Entscheidungen zu beobachten und sie als eine Frauenfigur zu erleben die intelligent, zielstrebig und gleichzeitig emotional glaubwürdig bleibt. Thom Vargas dagegen ist ein junger Mann, der sich bereits dem Schicksal ergeben hat, zur untersten Schicht der Gesellschaft zu gehören, und sein Glück allabendlich darin sucht, sich zu betrinken, um die Ödnis für eine Weile vergessen zu können. Er ist das ganze Gegenteil eines weißen Ritters und von willentlichem Engagement kann schon gar nicht die Rede sein. Seine Versuche, seiner Herzdame zur Rettung zu eilen, enden meist auch noch darin, dass er zu spät kommt und nur noch zusehen kann, wie sie Chaos schaffend voran eilt. Im Laufe des Romans macht er eine rasante Entwicklung durch, die ab und an etwas zu übereifrig und einfach wirkt. Andererseits ist der Roman auch in drei Abschnitte unterteilt, die längere Zeiträume überbrücken, um direkt weiter zum interessanten Part zu springen. Im Krieg herrschen zudem sicher Zustände, die eine lange Akzeptanz- und Entwicklungsphase nicht ermöglichen. Alles in allem ergeben Ralla und Thom letztlich ein ungleiches Gespann mit Unterhaltungswert, das seine Leser zu interessieren versteht. Es gibt bei Undersea sicher auch einiges, dass man als Manko nennen muss. Der Roman ist in Eigenregie von Autor Geoffrey Morrison herausgegeben worden, und man merkt es dem Text gelegentlich an. Ein professioneller Lektor hätte hier sicher noch ein paar Details perfektionieren können, doch das sind letztlich Kleinigkeiten. Mit den vorhanden Rechtschreibfehlern verhält es sich ähnlich. Obwohl ein Korrektor bemüht wurde, der im Anhang genannt wird, finden sich gelegentlich fehlende Buchstaben, Satzzeichen oder Buchstabendreher, jedoch nicht mehr, als es nicht auch schon bei bekannten Verlagen vorgekommen wäre. Den Lesefluss stören diese Fehler nur selten. Daneben ist der Buchsatz lesefreundlich gestaltet und auch beim Buchcover hat man sich offenkundig Mühe gegeben, das sind zusätzliche Pluspunkte. Zusammenfassend kann man sagen, dass Undersea trotz einiger Anfängerschwächen ein gelungenes Beispiel für einen selbstpublizierten Roman darstellt. Gerade wenn man auf der Suche nach Unterwasser-Science-Fiction ist, wo die Auswahl aktuellerer Bücher bisher doch stark begrenzt ist, sollte man dem Roman eine Chance geben und den abenteuerlichen Ausflug in das Reich der Tiefsee genießen.

Zeit der Krähen von George RR MartinDer Krieg hat sie Sieben Königreiche verwüstet und nun versucht Cersei ihrem Sohn Tommen die Macht über das Reich zu sichern. Die Aufgabe ist keine Leichte, denn überall im Land werden Pläne geschmiedet, diese Macht ins Wanken zu bringen. Einzig siegreich sind die Krähen, die sich an den Folgen der Konflikte zwischen Adelshäusern, religiösen Fanatikern und umherziehenden Banden laben.

– »Drachen«, sagte Mollander –
Prolog

Zu Zeit der Krähen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Anmerkung: Das englischsprachige Original wurde in der deutschen Übersetzung gesplittet. Die verlinkte Rezension bezieht sich daher auf die beiden deutschsprachigen Bücher Zeit der Krähen und Die dunkle Königin.

Cover von Die Zwerge von Markus HeitzDas Tote Land ist auf dem Vormarsch – immer mehr Völker fallen ihm zum Opfer. Viel ist passiert, seit die Zwerge einst die Zugänge zum Geborgenen Land schützten.
Tungdil, ein junger Zwerg, ist fernab von seinem eigenen Volk als Findelkind bei dem Magier Lot-Ionan aufgewachsen. Nur über Bücher und alte Schriften erfährt er Einzelheiten über die Zwerge. Eines Tages wird er von seinem Ziehvater auf einen Botengang geschickt – der Anfang eines großen Abenteuers. Durch viele Irrungen und Wirrungen findet sich Tungdil als Thronanwärter des Zwergenvolkes und Retter des Geborgenen Landes wieder, gerät in allerlei Bedrängnis und erlebt viele Abenteuer, deren Ausmaß er sich vorher nie vorzustellen vermochte.

-Weißer Nebel füllte die Schluchten und Täler des Grauen Gebirges. Die Gipfel der Großen Klinge, der Drachenzunge und der anderen Berge erhoben sich trotzig aus dem Dunst und reckten sich der Abendsonne entgegen.-
Prolog

Markus Heitz hat ohne Zweifel eine gute Schreibe. Sein Stil ist ansprechend und die verwendeten Formulierungen wissen zu gefallen. Die Zwerge lässt sich dementsprechend flüssig lesen und bietet gute Hausmannskost.
Thematisch widmet er sich dem “kleinen” Volk der Zwerge, die er in ein interessantes Szenarion versetzt. Die Idee der verschiedenen Zwergenclans mit den unterschiedlichen Fähigkeiten und dem Auftrag der gesamten Zwergenheit, für den Schutz des Geborgenen Landes Sorge zu tragen, sorgt von Anfang bis Ende für spannende Unterhaltung.
Allerdings zeigt das vorliegende Werk bei näherer Betrachtung deutliche Schwächen. Die Story ist, wenn man den neuen Aspekt “Zwerg” mal außen vor lässt, dem alten Kampf von Licht und Schatten, Gut und Böse gewidmet. Für Schattierungen bleibt kaum Platz.
Die Idee, die LeserInnen an der Gedankenwelt der ProtagonistInnen teilhaben zu lassen, ist immer gefährlich. So ist es beispielsweise seltsam bzw. schwer zu erklären, dass, wenn der Blick auf einen Bösewicht fokussiert wird, man trotz des Einblicks in seine Gedanken nichts über die Dimensionen seiner Bösartigkeit erfährt, obwohl er gerade eine Abscheulichkeit sondergleichen plant. Heitz hätte hier besser früher weggeblendet oder eine andere Figur herangezogen. Auch an anderen Stellen läuft er in diese Falle, in denen z.B. sein Held in bestimmten Situationen viel zu kühl und rational wirkt.
An anderen Stellen wird seine Erzählung nicht der Situation gerecht, wenn sich beispielsweise ein 298jähriger Thronfolger durch einen 63jährigen Mitbewerber verunsichern und wie ein kleines Kind behandeln lässt.
Außerdem kommt es zu Logikfehlern. Wenn der eine Zwergenclan z.B. seit 200 Jahre keinen Kontakt mehr unterhält, weil er in den letzten 30 Jahren von der Tradition abgewichen ist. Dafür verfügt er aber noch über das Wissen über bestimmte Transporteinrichtungen, die auch regelmäßig gewartet werden, die bei anderen Zwergenclans schon seit mehreren Jahrhunderten vergessen sind und erst wiederentdeckt werden müssen.
Die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen im Geborgenen Land sind kaum zu erklären, wenn man sich die Dimensionen vor Augen führt. Auch die skizzierten kulturellen Unterschiede lassen sich kaum mit den Distanzen erklären, und Heitz bietet leider auch keine geeigneten Erklärungsmuster an. Die Welt erweckt den Eindruck eines Flickenteppichs, wo von allem was dabei ist/sein muss.
Insgesamt ist Die Zwerge leider ein durchschnittliches Buch geworden. Es weiß zu fesseln, aber die vielen kleinen Detailfehler haben den Lesespaß ein ums andere Mal deutlich beschnitten. Ich habe es mit der Hoffnung beiseite gelegt, daß es Heitz beizeiten nochmal gründlich überarbeitet.