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The Long EarthEs passiert in einer Zeit, in der sich „Raum“ zu den rasant schwindenden Ressourcen gesellt: ein simpler Schaltkreis mit Kippschalter und Kartoffelbatterie eröffnet der Menschheit unerforschte, unendliche Weiten. Nach Westen und nach Osten hin erstrecken sich Paralleluniversen, die Dank des „Steppers“ jetzt nur einen Schritt entfernt sind, und die Menschheit macht sich auf, die unberührten Erden zu erforschen, zu bereisen, in Besitz zu nehmen. Doch nach dem ersten Raumtaumel formieren sich nicht nur Siedlertrecks, sondern auch Gruppen mit wirtschaftlichen, kriminellen, oder gänzlich undurchsichtigen Absichten …

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Der Schatten der Scheuermagd von Lord DunsanyAuch wenn es an Zeit & Muße mangelt, ihn mit einem richtigen Text zu würdigen, wollen wir nicht in Vergessenheit geraten lassen, dass sich heute der Geburtstag von Edward John Moreton Drax Plunkett, dem 18. Baron Dunsany – vermutlich besser bekannt als Lord Dunsany – zum 135. mal jährt. Dunsany ist mit Geschichten wie The Hoard of the Gibbelins (1912), Sammlungen wie die um The Gods of Pegāna (1905) oder um Joseph Jorkens (1925-57) und Romanen wie The King of Elfland’s Daughter (1924) einer der Gründerväter der Fantasy, die allerdings nur einen Teil seines umfangreichen Schaffens ausmacht. Obwohl auch bei uns einige seiner Erzählungen und Romane erschienen sind (z.B. Jorkens borgt sich einen Whisky (1957), Die Königstochter aus Elfenland (1978), Der Schatten der Scheuermagd (1986)), dürfte der Mann, dessen Einflüsse im Werk von J.R.R. Tolkien über Ursula K. Le Guin bis hin zu Neil Gaiman zu spüren sind, hierzulande nur noch Lesern und Leserinnen bekannt sein, die sich länger und/oder intensiver mit dem Genre und seiner Historie beschäftigt haben.
Für eine ausführlichere Würdigung Lord Dunsanys anlässlich seines Geburtstags empfehlen wir einen Besuch bei Skalpell und Katzenklaue.

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Bibliotheka Phantastika erinnert an John Gardner, der heute 80 Jahre alt geworden wäre. Der am 21. Juli 1933 in Batavia im us-amerikanischen Bundesstaat New York geborene Romancier, Essayist, Literaturkritiker und Universitätsprofessor John Champlin Gardner, Jr. war eigentlich alles andere als ein typischer Genre-Autor, auch wenn er immer mal wieder phantastische Elemente in seine Romane und Erzählungen eingebaut und sozusagen mit der Phantastik geflirtet hat. Einmal hat er aber dann doch einen ernsthaften Ausflug in die Gefilde der phantastischen Literatur unternommen – und diesem Ausflug verdankt die Fantasy eines ihrer ungewöhnlichsten Werke.
Grendel (1971) ist eine Nacherzählung der Beowulf-Saga, allerdings aus der Sicht des Monsters. Wobei Grendel als “Monster” nur sehr eindimensional charakterisiert wäre. Ja, es stimmt, das wilde, einsame Geschöpf, das mit seiner Mutter in einer Höhle lebt, besitzt einen animalischen Tötungstrieb, den es auch oft und gerne auslebt. Doch gleichzeitig ist Grendel ein hochintelligentes Wesen, das die Sprache der Menschen erlernen kann und letztlich zu einem Verständnis der Welt gelangt, das man einem Monster gewiss nicht zutrauen würde. Dass es zwischen den sich immer weiter ausbreitenden und ihre ersten staatsähnlichen Gebilde errichtenden Menschen und Grendel zu einem Zusammenstoß kommt, ist mehr oder weniger unausweichlich. Dass dieser Zusammenstoß blutig ist und eine Folge aus Ereignissen in Gang setzt, in deren Verlauf Grendel immer wieder Menschen tötet und die Methalle des Königs verwüstet, an deren Ende aber sein eigener Tod steht, liegt in der Natur Grendels – und in der der Menschen.
Denn auch wenn Grendels triebhafte Wildheit, seine Mordlust und sein Hass verhindern, dass er in der Geschichte zum good guy wird, kommen die Menschen mit ihrer Verschlagenheit, ihrer Habgier und ihrer Grausamkeit kaum besser weg. Und so kann man am Ende eigentlich nur Mitleid empfinden, wenn das ach so schreckliche – und gleichzeitig so freiheitsliebende – Monster die prophetischen Worte spricht: “Poor Grendel’s had an accident … so may you all.”
Grendel von John GardnerJohn Gardner hat den Menschen mit Grendel (dt. Grendel (1989 bzw. – mit einer dieses Mal dankenswerterweise nicht peinlichen Covergestaltung – 2009)) einen Spiegel vorgehalten, der uns so hässlich zeigt, wie wir viel zu häufig waren, sind und vermutlich auch in Zukunft sein werden. Und das Ganze im Rahmen eines in kraftvoller Sprache erzählten, zwischen boshafter Ironie und Schwermut changierenden Fantasyromans, der nebenbei auch den in Bezug auf Fantasy immer wieder gerne geäußerten Eskapismusvorwurf eindrucksvoll widerlegt.
Es ist schwer zu sagen, ob John Gardner sich im späteren Verlauf seines Schriftstellerlebens noch einmal so eindeutig dem Genre zugewandt hätte, und ob das Ergebnis wieder ähnlich überzeugend ausgefallen wäre. Doch diese Überlegungen sind müßig, denn am 14. September 1982 ist er mit seinem Motorrad verunglückt und noch am Unfallort seinen Verletzungen erlegen.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Liliana Bodoc, die heute 55 Jahre alt wird. Mit ihrer dreibändigen Saga de los Confines (dt. Die Grenzländersaga) hat die am 21. Juli 1958 in Santa Fe, der Haupstadt der gleichnamigen argentinischen Provinz, geborene Liliana Bodoc ein in mehrfacher Hinsicht ungewöhnliches Werk geschaffen; während das Setting und etliche inhaltliche Komponenten deutlich an die Mythen und Sagen der indianischen Ureinwohner Mittel- und Südamerikas angelehnt sind und der Erzählduktus in vielerlei Hinsicht an den für die lateinamerikanische phantastische Literatur typischen Magischen Realismus erinnert, bedient sich der eigentliche Plot eines Musters, das man so oder so ähnlich auch aus der angloamerikanischen Fantasy kennt. Das Ergebnis ist eine Trilogie, die einerseits sehr neu, frisch und “anders” wirkt, andererseits ein bisschen zwischen allen Stühlen sitzt.
Inhaltlich lässt sich La Saga de los Confines am ehesten als Fantasyversion der Eroberung Mittel- und Südamerikas durch die spanischen Konquistadoren bezeichnen – allerdings mit ein paar bedeutsamen Abweichungen. Im ersten Band Los Días del Venado (2000) entdecken die Astronomen der FrucDie Tage des Hirsches von Liliana Bodochtbaren Länder dunkle Vorzeichen, die auf eine Bedrohung aus der Alten Welt von jenseits des Meers hinzuweisen scheinen. Und tatsächlich erweist sich die alte Legende, nach der Misaianes, der Sohn des Ewigen Hasses, eines Tages ein Heer schicken wird, um die Fruchtbaren Länder zu erobern, nur zu bald als wahr. Anfangs sieht es ganz so aus, als hätten die Verteidiger keine Chance gegen die eisengerüsteten, auf seltsamen Tieren reitenden Soldaten, doch schließlich gelingt es ihnen, das Blatt zu wenden. Was allerdings Misaianes nicht daran hindert, fünf Sonnenjahre später eine zweite Flotte zu schicken – und mit ihr eine ganz besondere Waffe in Form der Schattenfrau. Die Auseinandersetzung mit besagter Schattenfrau, die den Samen des Ewigen Hasses in den Fruchtbaren Ländern streuen will, spielt im zweiten Band Los Días de la Sombra (2002) eine wesentliche Rolle. Im dritten Band Los Días del Fuego (2004) unternimmt Misaianes dann einen weiteren Versuch, mit einer noch gewaltigeren Flotte die Bewohner der Fruchtbaren Länder unter seine Knute zu zwingen – doch so, wie es möglich ist, die Saat der Gewalt von einem Kontinent zum anderen zu tragen, ist es auch möglich, den Samen des Widerstands in die Alte Welt zu bringen … mit überraschenden Folgen.
Die faszinierendste Komponente von Liliana Bodocs Grenzländersaga – auf Deutsch als Die Tage des Hirsches (2008), Die Tage des Schattens und Die Tage des Feuers (beide 2009) erschienen – ist zweifellos das Setting: die Fruchtbaren Länder mit ihren (zumindest für die meisten deutschsprachigen Leser und Leserinnen) vermutlich sehr exotisch wirkenden Kulturen, ihren Stämmen, Astronomen und Erdzauberern. Hinzu kommt eine ungewohnt poetische Sprache und ein im Vergleich zur angloamerikanischen Fantasy ungewöhnlicher Erzählduktus voller märchenhafter Begebenheiten, Abschweifungen, Handlungssprünge und Geschichten in der Geschichte. Darüber hinaus bietet sich hier die Möglichkeit, einen etwas anderen bzw. deutlich verfremdeten Blick auf ein Stück realer irdischer Geschichte zu werfen. All das hat aber letztlich nicht ausgereicht, um aus der Grenzländersaga in Deutschland mehr als einem Achtungserfolg zu machen. Was darauf hindeuten könnte, dass die deutschsprachigen Fantasyleser und -leserinnen mit allzuviel Exotik und zu deutlichen Abweichungen von den üblichen Erzählkonventionen mehrheitlich eben doch nicht so richtig was anfangen können. Die, auf die das nicht zutrifft, können (und sollten) sich hingegen darüber freuen, dass mit La Saga de los Confines mal wieder eine wirklich ungewöhnliche, ein bisschen andere Fantasytrilogie auf Deutsch – und zwar vollständig – erschienen ist.

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Für einige ist es zwar sicher ein alter Hut, allen anderen sei dringend der Kurzfilm The Reward ans Herz gelegt, die Abschlussarbeit dreier dänischer Filmstudenten, die sie selbst als “epic, feel good, bromantic roadtrip” einfliegen:

Die von Sword & Sorcery und Rollenspielen inspirierte Abenteuer-Geschichte ist nicht nur ein Ausbund an Ideen, sondern ein beeindruckendes Beispiel dafür, was für ein episches Abenteuer man in gerade mal zehn Minuten und ganz ohne Text erzählen kann.
Inzwischen wurde mit einer Kickstarter-Kampagne auch eine ganze darauf basierende erste Serienstaffel finanziert, wobei mein bleibender Eindruck ist, dass besonders die kurze Form hier den Charme ausmacht. Aber wer weiß, vielleicht brüten Bo Juhl, Mikkel Mainz und Kenneth Ladekjær wieder etwas Kreatives aus, was dem neuen Format gut gerecht wird?

Über den Tellerrand

Die Vergangenheit des Regens von Tobias O. MeissnerDas Mammut wurde stark dezimiert und steht eigentlich vor dem Aus, doch die Probleme auf dem Kontinent werden nicht kleiner. Deshalb macht sich die Gruppe um den ehemaligen Stadtschreiber Rodraeg Delbane nach Süden auf, um im Regenwald nach dem Rechten zu sehen. Dort fällt seit geraumer Zeit kein Regen mehr. Auf der Suche nach der Ursache stoßen Rodraeg und seine Gefährten auf andere Fraktionen, die ebenfalls an einer Aufklärung interessiert sind – u.a. die Einheimischen –, und auf eine Vielzahl an Gefahren. Mit einer großen Gruppe an teils fragwürdigen Verbündeten machen sie sich auf ins Innere des ausgetrockneten Waldes.

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Two Ravens and One Crow von Kevin HearneWenn die Morrigan an die Tür klopft und einem sagt »wir verreisen«, dann ist das keine Bitte, sondern eine Aufforderung zu packen. Als sich Atticus mit genau dieser Situation konfrontiert sieht, ahnt er, dass ihm kein Wellness-Ausflug angeboten wird und die Wiederherstellung seiner Tattoos nur eine Ausrede für größere Pläne darstellt, die einmal mehr mit unliebsamen Gefahren einhergehen.

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Die Sonne scheint. Vor dem Fenster zirpen die Grillen. Der Lüfter dreht hoch. Und sonst regt sich nicht viel. Aber wir bei bp sind schließlich Profis und wissen deshalb, wie man so einem Sommerloch beikommt. Wir präsentieren: Das Ungeheuer vom Sommerloch-Ness und seine Genossen in unserer großen Schau des Schuppigen, Schlängelnden und Tentakligen.

Ein frühes Exemplar der Seeschlangenkunst ist der sogenannte Hydrarchos, ein aus Knochen verschiedener Arten (vor allem Basilosaurus aka Zeuglodon) zusammengesetztes Schaustück aus dem Jahre 1894:
Hydrarchos

Sea Monsters of Long Ago von Millicent Selsam
Urweltliches Meeresgetier (hier: Cover von Sea Monsters of Long Ago von Millicent Selsam, Künstler: John Hamberger) ist zwar ein Fest für Seeungeheuer-Fans, aber wir wollen im Folgenden vor allem Roman-Cover präsentieren – immerhin haben sich einige der besten Fantasy-Künstler mit dem Sujet auseinandergesetzt.

Cover von Jormundgand (Nigel Frith), Künstler: Terry Oakes
Jormundgand von Nigel Frith

Cover von The River of Shadows (Robert V.S. Redick), Künstler: Edward Miller
The River of Shadows von Robert V.S. Redick

Cover (wraparound) von Ship of Magic (Robin Hobb), Künstler: John Howe
Cover (wraparound) Ship of Magic von Robin Hobb

Cover von Down to a Sunless Sea (Lin Carter), Künstler: Ken W. Kelly
Down to a Sunless Sea von Lin Carter

Cover von Seaserpents! (hg. Jack Dann & Gardner Dozois), Künstler: Hiro Kimura
Seaserpents! von Jack Dann und Gardner Dozois

Cover von Dragon in Chains (Daniel Fox), Künstler: Robert Hunt (Entstehungsprozess)
Dragon in Chains von Daniel Fox

Cover und Illustration aus The Golden Book of the Mysterious von Jane Werner Watson und Sol Chaneles, Künstler: Alan Lee
Golden Book of the Mysterious von Alan Lee

Zwei unterschiedliche Cover (60er und 70er Jahre) von Carson of Venus (Edgar Rice Burroughs), Künstler beidemal: Frank Frazetta
Carson of Venus von Edgar Rice Burroughs

Und ein weiterer Frazetta, der wiederum ein deutsches Cover inspiriert hat (Künstler: Helmut W. Pesch):
Frank Frazetta
DRAGON 47: Der Meisterdieb von Kartug

Cover von Darkness Weaves (Karl Edward Wagner), Künstler: Christos Achilleos
Darkness Weaves von Karl Edward Wagner

Cover von The Serpent Sea (Martha Wells), Künstler: Steve Argyle
The Serpent Sea von Martha Wells

Bob Eggleton hat ein ganzes Buch voller Seeungeheuer: The Book of Sea Monsters (Nigel Suckling, Künstler: Bob Eggleton), und liefert als Experte zu diesem Thema auch eine Interpretation des Kraken und des populärsten der alten Götter, der ebenfalls unter dem Meer schlummert (oder eben auch mal blitzwach ist).
The Book of Sea Monsters von Nigel Suckling und Bob Eggleton
Cover von The Taint (Brian Lumley), Künstler: Bob Eggleton
The Taint von Brian Lumley

Cover von Tales of the Cthulhu Mythos (H.P. Lovecraft), Künstler: Bruce Pennington
Tales of the Cthulhu Mythos von H.P. Lovecraft

Cover von H.P. Lovecraft’s The Haunter Of The Dark, Künstler: John Coulthart
The Haunter Of The Dark

Cover von 20.000 Leagues under the Sea (Jules Verne), Künstler: Gary Gianni; darunter zwei weitere Ausgaben, Künstler: unbekannt
Twenty-Thousand Leagues Under the Sea von Jules Verne
20000 Leagues under the Sea von Jules Verne

Zwei Cover von The Boats of the Glen Carrig (William Hope Hodgson), Künstler: links – Les Edwards (hier das ganze wraparound ansehen), rechts – Robert LoGrippo
Dass William Hope Hodgson auch mit schönen Illus bedacht wurde, kann man sich bei dieser von Philippe Druillet illustrierten Ausgabe anschauen, die auch Bilder zu The Boats of the Glen Carrig enthält.
The Boats of the Glen Carrig von William Hope Hodgson

Bei einer weiteren französischen Ausgabe der Geschichte kommt Bob Eggletons Krake zum Einsatz (hier in groß zu sehen):
Les Canots du Glen Carrig von William Hope Hodgson

Und den Abschluss machen zwei Favoriten des Teams:
The Lurking Sock Puppet, Künstlerin: Ursula Vernon, Quelle
The Lurking Sock Puppet von Ursula Vernon

Künstler: unbekannt, Quelle
Pfützenungeheuer

Über den Tellerrand Zettelkasten

Bibliotheka Phantastika gratuliert Erin Morgenstern, eigentlich Erin Christiansen, die heute 35 Jahre alt wird. Viele Werke gibt es von der am 08.07.1978 in Marshfield, Massachusetts, geborenen Erin Morgenstern noch nicht zu lesen. 2011 erst erschien ihr Erstlingswerk The Night Circus (dt. Der Nachtzirkus), das auf malerische Weise den kreativen Geist der Autorin zeigt und in die schwarzweiße Welt des Nachtzirkus entführt. Eine melancholische Verbindung aus Kunst und Literatur, die einen nicht so schnell wieder loslässt.

Anlässlich von Erin Morgensterns Geburtstag laden wir euch ein, das Portrait der Autorin zu besuchen.

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Bibliotheka Phantastika gratuliert Valery Leith, die heute 45 Jahre alt wird. Das heißt, genau genommen gratulieren wir der am 07. Juli 1968 in New Jersey in den USA geborenen Tricia Sullivan, die 1995 nach Großbritannien übersiedelte und ihre ersten SF-Stories veröffentlichte. Noch im gleichen Jahr erschien mit Lethe zudem ihr erster SF-Roman, dem schon bald darauf mit Someone to Watch Over Me (1997) und Dreaming in Smoke (1998) zwei weitere folgten. Für Letzteren erhielt sie den Arthur C. Clarke Award und galt spätestens ab diesem Zeitpunkt als eine der vielversprechendsten neuen Stimmen der SF. Was 1998 auch die deutschen SF-Fans feststellen konnten, denn in diesem Jahr erschien die Übersetzung von Lethe, und bereits ein Jahr später gab es ihre erste Fantasy-Kurzgeschichte “Die geheimnisvollen Blätter” (in der Anthologie Jenseits von Avalon und zwei Jahre früher als das englische Original) ebenfalls auf Deutsch – immer noch unter Tricia Sullivan.
The Riddled Night von Valery LeithAls 1999 mit The Company of Glass der erste Band von Everien, einem auf drei Bände ausgelegten Fantasy-Zyklus erschien, wusste zunächst niemand, wer sich hinter dem (als Pseudonym gekennzeichneten) Autorennamen Valery Leith verbarg. Warum Tricia Sullivan sich für Everien ein Pseudonym zugelegt hat, ist nicht ganz klar, einen Hinweis bietet aber vielleicht eine Aussage in einem ein Jahr später gegebenen Interview: “In my defense, I’ve been busy moonlighting in fantasy. I needed some dosh, and I’ve got caught up writing fantasies the past couple of years. Theoretically, they were supposed to be light and fluffy, and also they were meant to finance the new SF novel, but in practical terms, they have eaten up all my time and energy, and they are not as light and fluffy as I’d planned.”
Es stimmt, “light and fluffy” sind The Company of Glass und die beiden Folgebände The Riddled Night (2000) und The Way of the Rose (2001) wirklich nicht. Stattdessen weisen sie viele Merkmale auf, die schon Tricia Sullivans SF-Romane zu einer ebenso faszinierenden wie anstrengenden Lektüre gemacht haben. (Was vielleicht mit ein Grund ist, warum das Pseudonym schon im Klappentext von Band II aufgedeckt wurde.)
Aber worum geht es denn nun in Everien? Zunächst einmal geht es um das gleichnamige Königreich, einen ziemlich wackligen Zusammenschluss mehrerer (ungefähr eisenzeitlicher) Stämme und Klans, das auf den Ruinen einer sehr viel älteren und weit fortgeschritteneren Zivilisation aufgebaut ist. Deren magische Artefakte spielen eine wichtige Rolle, sind aber häufig mindestens ebenso gefährlich wie nützlich. Dieses fragile Gebilde sieht sich zwei Feinden gegenüber: da sind einmal die unheimlichen Sekk, die die Menschen Everiens verzaubern und kontrollieren können. Und da sind die Pharicians, deren Armee die Grenzen des Königreichs bedroht. Rettung vor beiden Bedrohungen könnten neue magische Artefakte bieten, die vermutlich in der Stadt Jai Pendu zu finden sind, doch Jai Pendu, “the floating city”, taucht nur in mehrjährigen Abständen aus dem Meer – oder einer anderen Dimension? – auf. Als ein solcher Zeitpunkt naht, muss sich Tarquin der Freie entscheiden, ob er Jai Pendu ein zweites Mal betreten will, auch wenn er noch heute unter den Folgen seines ersten Besuchs leidet. Denn wenn er es nicht tut, wird es womöglich Istar tun, die Tochter eines alten Kampfgefährten – aber Istar hat keine Ahnung, dass es in Jai Pendu noch etwas weit Gefährlicheres als magische Artefakte gibt …
Aus diesen und noch ein paar anderen Zutaten entwickelt sich eine Geschichte, die vor ebenso originellen wie bizarren Ideen förmlich überquillt und mit Konzepten aufwartet, die man in der Fantasy so zuvor noch nie gesehen hat. Möglicherweise kommt man – wenn man The Way of the Rose bis zum Ende mitgegangen ist – zu dem Schluss, dass der überbordenden Phantasie der Autorin ein bisschen mehr Kontrolle gut getan hätte, aber das ist wie so vieles Geschmackssache. Den deutschsprachigen Lesern und Leserinnen wird diese Entscheidung allerdings schier unmöglich gemacht, denn bei uns sind nur die ersten beiden Everien-Bände – als Die Schatten von Jai Pendu und Nacht und Istar (beide 2001) – erschienen.
Unabhängig davon, inwieweit man das Gesamtergebnis als gelungen betrachtet, bleibt Everien auf jeden Fall einer der wenigen Fantasy-Mehrteiler, die nicht nur die Grenzen des Genres ausloten, sondern mehrfach über sie hinausgehen. Von daher ist es aus der Sicht eines Fantasylesers durchaus bedauerlich, dass Tricia Sullivan sich danach wieder der SF zugewandt hat.

Bibliotheka Phantastika gratuliert außerdem Jeff VanderMeer, der heute seinen 45. Geburtstag feiern kann. Auch im Falle des am 07. Juli 1968 in Bellefonte, Pennsylvania, USA, geborenen Autors, Kritikers und Herausgebers haben wir es mit einem Werk zu tun, das abseits des Fantasy-Mainstreams liegt.
VanderMeers fruchtbarste Schöpfung ist die Stadt Ambergris (bzw. Ambra), in der ein Großteil seiner Romane und Geschichten angesiedelt sind, darunter auch City of Saints and Madmen (2001), eine Sammlung von ursprünglich vier Erzählungen, die 2002 und 2004 um einen ausführlichen Anhang (inklusive einer riesigen Bibliographie ambraischer Literatur) und zwei weitere Geschichten erweitert wurde (auf der letzten Version basiert auch die deutsche Übersetzung, Stadt der Heiligen und Verrückten (2005)). Ambergris flimmert zwischen archaischer (es gibt kaum nennenswerte Technologie) und moderner Metropole (mitsamt Cafés, Kunstszene, Anwaltskanzleien), die ehemals einheimischen Grauhüte wurden allerdings verdrängt und können höchstens aus dem Untergrund zurückschlagen. Mit seiner Sammlung verschiedenster Textgattungen und den umfangreichen Materialien, die auch typographisch ansprechend aufbereitet sind, wird City of Saints and Madmen zu einem Gesamtkunstwerk, das vor Merkwürdigkeiten strotzt und sich seinen Platz als eines der Flaggschiffe des New Weird mehr als verdient hat.
Finch von Jeff VanderMeerJeff VanderMeer ist mit Shriek: An Afterword (2006, dt. Shriek (2008)) nach Ambergris zurückgekehrt, einem Roman, der die Geschichte zweier Geschwister erzählt, die schon in City of Saints and Madmen ihre Aufwartung gemacht haben. Auch Finch (2009) eröffnet ein weiteres Kapitel der Stadtgeschichte, diesmal in Form eines Noir-Krimis.
Als Herausgeber ist VanderMeer zwar schon seit den 90ern tätig, richtig große Wogen haben aber vor allem seine jüngeren Projekte geschlagen, die er zusammen mit seiner Frau Ann VanderMeer auf die Beine gestellt hat, unter anderem die Anthologie Steampunk (2008). Auf seinem Blog Extatic Days scheut er nicht vor Genre-Kritik und anderen kontroversen Themen zurück und ist sich nicht zuletzt auch dadurch zu einer Persönlichkeit geworden, die aus der Phantastik-Szene nicht mehr wegzudenken ist.

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