Bibliotheka Phantastika gratuliert Katherine Kurtz, die heute 70 Jahre alt wird. Es wird wohl niemand ernsthaft bestreiten wollen, dass eine langjährige erfolgreiche Autorenkarriere ohne Talent, Fleiß und Ausdauer kaum möglich ist; dennoch reichen diese Eigenschaften längst nicht immer aus, so dass häufig auch noch eine Portion Glück vonnöten ist. Und für die am 18. Oktober 1944 in Coral Gables, Florida, geborene Katherine Irene Kurtz war die Tatsache, dass ihr Erstling Deryni Rising (1970; rev. 2004) im Rahmen der Ballantine Adult Fantasy – der Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre prestigeträchtigsten Fantasy-Taschenbuchreihe – veröffentlicht wurde, ganz gewiss ein Glücksfall. Noch dazu, da es der erste bislang unveröffentlichte Roman war, der in die bis dahin ausschließlich aus Klassiker-Nachdrucken bestehende Reihe aufgenommen wurde.
Katherine Kurtz hatte also einen guten Start – und den hat sie genutzt, denn Deryni Rising entpuppte sich als der Auftakt einer mit Deryni Checkmate und High Deryni (beide 1973; rev. 2005 bzw. 2007) fortgesetzten Trilogie mit dem Titel Chronicles of the Deryni, die ihrerseits die Eröffnungssequenz eines mittlerweile aus fünf Trilogien, einem Einzelroman, einer Kurzgeschichtensammlung und mehreren Bänden mit Zusatzmaterial bestehenden Zyklus darstellt, die in ihrer Gesamtheit das Deryni Universe zu einem der umfangreichsten Fantasywerke überhaupt machen.
In Deryni Rising lernen wir das Königreich Gwynedd kennen, eines der Elf Königreiche in einer Art mittelalterlichem Parallelwelt-Britannien (etwa im 10. bis 12. Jahrhundert), dessen gerade mal vierzehn Jahre alter frisch gekrönter König Kelson Haldane es nicht nur mit den Vertretern einer mächtigen (an die katholische Kirche angelehnten) Kirche zu tun bekommt, sondern sich auch mit einem Usurpator aus dem Volk der Deryni auseinandersetzen muss. Besagte Deryni sind ein Menschenvolk, das über besondere psychische und magische Fähigkeiten verfügt; dies und die Tatsache, dass die Deryni früher einmal jahrzehntelang wichtige politische und kirchliche Machtpositionen in Gwynedd innehatten, macht sie bei der normalen Bevölkerung zumindest unbeliebt, wenn nicht gar verhasst, wohingegen Kelson selbst sehr rasch klar wird, dass nicht alle Deryni seine Feinde sind. Und das ist nicht die einzige Erkenntnis, die er im Verlauf des Romans und der Folgebände gewinnt. In dieser auf Deutsch unter dem Titel Die Deryni-Chroniken bzw. Später Deryni-Zyklus (Einzeltitel: Das Geschlecht der Magier, Die Zauberfürsten und Ein Deryni-König (alle 1978)) erschienenen Trilogie ist bereits alles enthalten, was die Romane und Geschichten aus dem Deryni Universe ausmacht: einerseits mangelt es ihnen nicht an politischen, kirchlichen und militärischen Konflikten, andererseits ist man sehr dicht an den Figuren und ihren großen und kleinen persönlichen Problemen dran und lernt sie recht gut kennen. Und bereits in diesen Bänden wird ebenfalls deutlich, dass Katherine Kurtz keine schlichte Schwarzweiß-Malerei betreibt, denn sowohl Menschen wie Deryni erweisen sich als komplexe Charaktere mit einer nachvollziehbaren Motivation für ihr Handeln.
Mit der nächsten Trilogie The Legends of Camber of Culdi gelang Katherine Kurtz ein kluger Schachzug, denn bei ihr handelt es sich keineswegs um eine Fortsetzung, sondern um ein Prequel, in dessen Mittelpunkt mit dem titelgebenden Camber of Culdi eine Figur steht, die in der Geschichte Gwynedds eine wichtige Rolle spielt und von der man bisher nur als historische Person gehört hatte. Die aus den Bänden Camber of Culdi (1976; dt. Camber von Culdi (1979)), Saint Camber (1978; dt. Sankt Camber (1980)) und Camber the Heretic (1981; dt. Camber der Ketzer (1983)) bestehende, auf Deutsch als Camber-Trilogie oder Früher Deryni-Zyklus gelaufene Trilogie stellt einen der ersten Höhepunkte innerhalb des Deryni Universe dar, auch wenn in ihr bereits Kurtz’ Hang zu überaus detailreichen Schilderungen deutlich wird.
Auch bei den nachfolgenden Trilogien hat Katherine Kurtz das Schema der alternierenden Zeitebenen beibehalten: Die dritte mit dem Titel The Histories of King Kelson (Einzeltitel: The Bishop’s Heir (1984), The King’s Justice (1985) und The Quest for Saint Camber (1986)) spielt wieder im 12. Jahrhundert zur Zeit König Kelsons, die vierte mit dem Titel The Heirs of Saint Camber (Einzeltitel: The Harrowing of Gwynedd (1989), King Javan’s Year (1992) und The Bastard Prince (1994)) dann wieder im 10. Jahrhundert zur Zeit Cambers, wohingegen die fünfte, auch im Original noch unvollständige Trilogie The Childe Morgan (Einzeltitel: In the King’s Service (2003), Childe Morgan (2006) und The King’s Deryni (angekündigt für Dezember 2014)) etwa dreißig Jahre vor Beginn der allerersten Trilogie einsetzt.
Wie bereits am Titel leicht erkennbar, spielt der Einzelroman King Kelson’s Bride (2000) zur Zeit König Kelsons, während die in The Deryni Archives (1986; dt. Die Deryni-Archive (1991)) gesammelten Stories sich über die bisher genannten Zeitebenen verteilen. In den 70er und 80er Jahren waren die Deryni-Romane in den USA und Großbritannien überaus erfolgreich, und die ersten drei Trilogien haben es ebenso wie der o.g. Storyband auch nach Deutschland geschafft, die dritte als Die Geschichte von König Kelson mit den Einzeltiteln Das Erbe des Bischofs, Die Gerechtigkeit des Königs und Die Suche nach Sankt Camber (alle 1989). Von der vierten – Die Erben von Sankt Camber – sind mit Das Martyrium von Gwynedd (2000) und König Javans Jahr (2002) dann nur noch zwei Bände auf Deutsch erschienen, bei Sankt Cambers Schatten, dem dritten Band, ist es bei der Ankündigung geblieben.
Heutzutage mögen viele der Themen, um die sich die Romane des Deryni Universe drehen, allzu bekannt und ausgelutscht wirken. Wenn man sich allerdings das Erscheinungsdatum der ersten Trilogie anschaut – die lange vor den ersten Tolkien-Nachahmern auf den Markt gekommen ist –, muss man Katherine Kurtz zugestehen, dass sie mit ihren Deryni-Romanen so etwas wie die Blaupause eines Fantasy-Subgenres geliefert hat, in dem nicht tolkieneske Questen, sondern dynastische Streitereien in einem mittelalterlich-feudalistischen, häufig mit keltischen Anklängen versehenen Königreich, Grenzstreitigkeiten mit anderen Königreichen und Auseinandersetzungen mit Wesen, die auf irgendeine Weise anders sind, die zentralen Plotelemente bilden. Das macht ihre frühen Deryni-Romane auch und gerade genrehistorisch sehr interessant.
Abgesehen vom Deryni Universe, das zweifellos im Zentrum von Katherine Kurtz’ Schaffen steht, hat sie noch eine Handvoll Einzelromane geschrieben und zusammen mit Deborah Turner Harris zwei Zyklen – einen fünfteiligen mit dem Titel The Adept (1991-96) und einen aus zwei Romanen und drei Anthologien bestehenden um die Templar Knights (1995-2002) – verfasst, während die beiden Romane um die Knights of the Blood (1993/94) wohl nur auf ihrem Konzept beruhen und von ihrem Mann Scott MacMillan umgesetzt wurden.
Tag: Jubiläen
Bibliotheka Phantastika gratuliert Alan Garner, der heute seinen 80. Geburtstag feiern kann. Der am 17. Oktober 1934 in Congleton in der Grafschaft Cheshire im Nordwesten Englands geborene Alan Garner hat sein ganzes Leben unweit des in der Nähe seines Geburtsorts gelegenen Örtchens Alderley Edge verbracht, das zugleich das Setting fast all seiner Romane ist – auch und gerade seiner Fantasyromane, die sich an Kinder und Jugendliche richten und nicht nur die geografischen Gegebenheiten seiner Heimatregion in die Handlung einbeziehen, sondern auch tief auf die örtlichen Sagen und Legenden zurückgreifen.
Garners literarische Karriere begann 1960 mit der Veröffentlichung von The Weirdstone of Brisingamen (auch als The Weirdstone (1961); dt. Feuerfrost und Kadellin (1963; NÜ als Feuerfrost. Die phantastische Geschichte des Zaubersteins von Brisingamen (1984), auch als Der Zauberstein von Brisingamen (2003)), der Geschichte des Geschwisterpaars Susan und Colin, die einige Zeit bei alten Freunden ihrer Mutter in Alderley Edge und dessen Umgebung verbringen, während ihre Eltern in Übersee sind, und die alsbald in einen Konflikt uralter Mächte geraten. Denn Susan trägt ein Armband, in dem sich ein tränenförmiges Juwel – der titelgebende Weirdstone – befindet, das der verbannte üble Geist Nastrond und dessen Verbündete und Helfershelfer unbedingt in ihren Besitz bringen wollen. Hilfe finden die beiden Geschwister bei dem guten Magier Cadellin Silverbrow sowie Zwergen und Elfen.
In der Fortsetzung The Moon of Gomrath (1963; dt. Der Mond von Gomrath. Eine Geschichte um Zauber und alte Magie (1985; auch als Der Mond von Gomrath (2003)) geraten die Geschwister in eine Auseinandersetzung noch viel älterer, magischer und mythischer Mächte, die vor allem von Susan einen hohen Preis fordert.
In Elidor (1965; dt. Elidor (1969; NÜ als Elidor oder Das Lied des Einhorns (1986) bzw. als Elidor (2005)) verschlägt es vier Kinder durch ein in einer Kirche in Manchester gelegenes Portal auf eine magische Parallelwelt, wo sie im Auftrag von König Malebron vier Artefakte suchen müssen, die die Mächte des Bösen gestohlen haben – und die ihnen ihrerseits nach erfolgreicher Suche bis ins zeitgenössische Manchester folgen. In The Owl Service (1967; dt. Eulenzauber (1982; auch als Der Eulenzauber (1996)) verbringen die Stiefgeschwister Alison und Roger zusammen mit ihren frisch verheirateten Eltern ein paar Wochen im Sommer in einem abgelegenen Tal in Wales in einem Haus, das Alisons verstorbener Vater von einem Vetter geerbt hat, der etwa zu der Zeit, als Alison geboren wurde, unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommen ist. Die Merkwürdigkeiten fangen an, als Alison Gwyn, den Sohn der Köchin, auf den Dachboden schickt, weil dort merkwürdige Geräusche zu hören sind, und er ein Service mit einem seltsamen Muster findet.
Mit The Owl Service hatte sich Garner spürbar von konventionellen Erzählmustern entfernt, und mit Red Shift (1973; dt. Rotverschiebung (1980)) ist er noch einen großen Schritt weiter gegangen. Die in drei verschiedenen Epochen – zur Zeit der Römer, zur Zeit des englischen Bürgerkriegs und in der Gegenwart (sprich: den 70er Jahren) – spielende, die Zeitebenen anfangs anscheinend willkürlich wechselnde Handlung, die nur durch die drei jeweiligen, einander nicht ganz unähnlichen Hauptfiguren (und Artefakte wie eine Steinaxt) miteinander verbunden ist, wird fast ausschließlich von (im Original teils im Cheshire-Dialekt verfassten) Dialogen getragen und erschließt sich erst am Ende des Romans.
Mit Red Shift hatte Alan Garner endgültig die Abkehr von der Fantasy im engeren Sinne vollzogen, und gleichzeitig bildet das Buch auch den Abschluss seiner Beschäftigung mit der Phantastik im weiteren Sinn. In den folgenden Jahren verfasste er einige nicht-phantastische Kinderbücher und gab mehrere Sammelbände mit Sagen heraus, ehe er sich mit Strandloper (1996; dt. Der Strandläufer (1997)) der Erwachsenenliteratur zuwandte. In diesem und dem nächsten Roman Thursbitch (2003) ist eine mythische Überhöhung oder Aufladung des eigentlich realistischen Geschehens an die Stelle der phantastischen Elemente seiner Kinder- und Jugendbücher getreten, die sich dem Vernehmen nach auch in Boneland (2012) finden lässt, dem Abschlussband der Saga von Alderley Edge, den er rund fünfzig Jahre nach den ersten beiden Bänden schließlich als Alterswerk vorgelegt hat.
Alan Garners Jugendbücher, die – wie oben ersichtlich – alle auf Deutsch erschienen sind (und in den 80er Jahren eine der Säulen der damaligen Fantasyreihe bei Diederichs waren), gehören nach der Meinung vieler Kritiker mit zum Besten, was die phantastische Kinder- und Jugendliteratur hervorgebracht hat. Am zugänglichsten – weil am konventionellsten erzählt – dürften die ersten beiden Bände um Alderley Edge sein, die vor allem mit ihrer Atmosphäre und dem sense of place punkten können, doch auch die anderen Romane Garners, der für sein literarisches Schaffen nicht nur mit dem Karl Edward Wagner Award (2003) und dem World Fantasy Award for Life Achievement (2012) sondern auch dem Order of the British Empire (OBE) (2001) ausgezeichnet wurde, sind auch heute noch eine mehr als lohnenswerte Lektüre.
Bibliotheka Phantastika gratuliert Jacqueline Carey, die heute ihren 50. Geburtstag feiert. Ihr Debüt machte die am 9. Oktober 1964 in Highland Park, Illinois, geborene Autorin 2001 mit Kushiel’s Dart (dt. zunächst 2002-3 als Die Geheimnisse des Nachtpalais, In den Händen der Feinde; Neuauflage 2007: Das Zeichen), der die D’Angelines einführt, ein von Engeln abstammendes Volk in einem alternativen Renaissance-Europa, das noch im Zentrum etlicher weiterer Romane stehen sollte. Man könnte die Kushiel-Reihe als Vertreter der damals langsam einsetzenden Romantasy-Welle sehen, wenn man die erotischen, oftmals im höfischen Milieu spielenden Abenteuer der Kurtisanen-Heldin Phèdre betrachtet. Doch neben den Intrigenspielchen um die Krone von Terre d’Ange sind Kushiel’s Dart und seine Folgebände Kushiel’s Chosen (2002, dt. Der Verrat (2008)) und Kushiel’s Avatar (2003, dt. Die Erlösung (2008)) auch waschechte Abenteuer-Fantasy, in der Phèdre mit ihrem treuen Leibwächter Joscelin etliche andere Kulturen kennenlernt, in Konflikte gerät und um ihr Leben kämpfen muss. Außerdem ist die Reihe damit auch als Historienfantasy qualifiziert, denn neben dem als Terre D’Ange verbrämten Frankreich gibt es auch noch alternative britische Inseln, eine Art Venedig und vieles mehr: In den ersten Bänden reist Phèdre durch “Europa”, in den folgenden Trilogien aus Kushiel’s Scion (2006), Kushiel’s Justice (2007) und Kushiel’s Mercy (2008) und Naamah’s Kiss (2009), Naamah’s Curse (2010) und Naamah’s Blessing (2011) sind es ihre Nachfahren, die bis ins alternative Asien und zurück reisen.
Nach der ersten Kushiel-Trilogie machte Carey einen Ausflug in die tolkieneske Fantasy, der für Genreleser und –leserinnen wahrscheinlich ihr bislang interessantestes Werk zur Folge hatte: Die beiden Bände Banewreaker (2004, dt. Der Herr der Dunkelheit (2009)) und Godslayer (2005, dt. Der Fluch der Götter (2009)), die zusammen The Sundering ergeben, sind eine, was den Handlungsverlauf angeht, sehr eng am Original gehaltene Nacherzählung von Tolkiens Werk (vor allem des Silmarillion und Herrn der Ringe), der Trick dabei ist, dass man die Handlung von der Seite des Bösen (oder in diesem Fall eher Unangepassten) aus betrachtet. Carey wird dabei auch dem epischen Erzählton gerecht, was The Sundering zu einer tragischen Saga macht, die, eher am Silmarillion orientiert, die Taten der Mächtigen (und nicht der kleinen Leute) nachzeichnet. Wer mehr darüber erfahren will, ist mit unseren Rezensionen oder dem Text zum Buch des Monats gut beraten.
Nach Kushiel und The Sundering scheint sich Carey von der epischen Fantasy allerdings wegbewegt zu haben und dem allgemeinen Trend zur Urban Fantasy gefolgt zu sein: Zunächst mit Santa Oliva (2009) und dem Nachfolger Saints Astray (2011), die das Schicksal einiger mit Superkräften ausgestatteter Menschen in der Nähe eines ehemaligen Militärstützpunktes verfolgen, und aktuell mit der Reihe Agent of Hel (neuester Band Poison Fruit (2014)), in der Daisy Johansson in einer Stadt, die vom paranormalen Tourismus lebt, an der Schnittstelle zwischen normaler und übernatürlicher Welt vermittelt und ermittelt. Ob es Jacqueline Carey gelungen ist, die vielen Kushiel-Fans in eines ihrer anderen Settings mitzunehmen, ist jedoch fraglich, auch wenn sich manche Themen – wie etwa ein offener Umgang mit Sexualität – universell über ihre Reihen zu erstrecken scheinen.

Heute kann Steven Erikson seinen 55. Geburtstag feiern, was normalerweise als Anlass zu einem kleinen oder nicht ganz so kleinen Beitrag in diesem Blog dienen würde. Und gewiss hätte der Mann, der am 07. Oktober 1959 als Steve Rune Lundin in Toronto, der Hauptstadt der kanadischen Provinz Ontario, geboren wurde und unter dem o.g. Pseudonym mit dem Malazan Book of the Fallen einen der beeindruckendsten und interessantesten Zyklen der modernen Fantasy geschaffen hat, einen solchen Beitrag mehr verdient als so manche/r seiner Kolleginnen und Kollegen, derer wir uns in den letzten Jahren angenommen haben. Hinzu kommt, dass ich als Übersetzer für die deutsche Version des MBotF – sprich: für Das Spiel der Götter – verantwortlich bin und eigentlich prädestiniert sein sollte, einen entsprechenden Text zu verfassen. Das ist zumindest die Theorie.
In der Praxis sieht das allerdings ein bisschen anders aus. Denn während sonst eines meiner Hauptprobleme häufig darin besteht, dass ich etliche der Romane und Geschichten, um die es im jeweiligen Beitrag geht, vor vielen Jahren gelesen habe, so dass ich mich nur noch vage (und manchmal auch sehr selektiv) an Inhalte und Handlung erinnern kann (weswegen ich im Idealfall kurz reinlese, um vielleicht etwas von dem damals empfundenen Lesegefühl wiederzuentdecken – nicht immer mit Erfolg), ist in diesem Fall das Problem die Fülle des Materials (und die Nähe, die ich logischerweise zu den Texten habe). Immerhin sprechen wir von einem aus zehn dicken Bänden bestehenden Zyklus, der Jahrhunderttausende umspannt und eine ganze Welt zum Schauplatz hat (plus gelegentlicher Ausflüge in andere Sphären). In dem aberhundert Figuren auftreten und in dem es um große Schlachten und welterschütternde Geschehnisse geht, um einsame Entscheidungen und schicksalhafte Wendungen, um Krieg, Leid und Verlust. Und in dem trotz allem immer wieder Platz für ein Lachen ist, und für viele kleine Begebenheiten voller Wärme und menschlichem Mitgefühl.
An manchen Tagen wäre es gewiss möglich, die Essenz all dessen, was Das Spiel der Götter ausmacht, in prägnante Worte zu fassen, die dem großen Ganzen ebenso gerecht werden wie all den kleinen (oder etwas größeren) erschütternden, traurigen, schrecklichen, humorvollen, ermutigenden und hoffnungsvollen Szenen. Doch heute ist kein solcher Tag. Da ich aber gerade bei einem Autor, dessen Werk mir von Anfang an gefallen hat und das ich im Laufe von etlichen tausend übersetzten Seiten sogar noch viel mehr zu schätzen gelernt habe, keinen Text abliefern will, mit dem ich nur halb zufrieden bin (das will ich nie, aber manchmal geht es eben nicht anders), wird eine etwas ausführlichere Würdigung des Malazan Book of the Fallen irgendwann in der Zukunft – vermutlich im Rahmen eines Portraits – erfolgen. Hier und heute gibt es nur noch eins zu sagen: “Happy Birthday, Steven! It’s still a hell of a ride!”
Bibliotheka Phantastika gratuliert Katharine Kerr, die heute 70 Jahre alt wird. Auch wenn die am 03. Oktober 1944 in Cleveland, Ohio, geborene Katharine Nancy Brahtin nie Romane für eines der entsprechenden Franchise-Universen geschrieben hat, verdankt sie ihr Interesse an Fantasy, das sie zu einer zeitweise sehr erfolgreichen Autorin gemacht hat, dem Fantasy-Rollenspiel (und den Namen, unter dem sie ihre Romane veröffentlicht, ihrem Mann Howard Kerr, den sie 1973 geheiratet hat). Denn ein solches schenkte ihr ein Freund 1979 und öffnete damit eine Tür, die zunächst zum Spielen und einer generellen Beschäftigung mit Fantasy führte, dann zu Artikeln für verschiedene Spielemagazine und zur redaktionellen Mitarbeit am Dragon Magazine, und schließlich zu Spielmodulen für TSR und Chaosium.
Doch eigentlich wollte Katharine Kerr Geschichten erzählen, und so ist es kein Wunder, dass sie irgendwann – oder, genauer: im Februar 1982 – damit angefangen hat. Und es sollte anfangs auch nur eine Erzählung werden, die in einer keltisch geprägten Fantasywelt spielt (ein in den frühen 80er Jahren keineswegs weitverbreitetes oder gar ausgelutschtes Setting); allerdings hatte Katharine Kerr nicht mit der kreativen Woge gerechnet, die sie förmlich überschwemmt haben muss, denn binnen eines Jahres entwarf und strukturierte sie den größten Teil der Handlung der ersten sechs Bände des Zyklus, der sie bekannt und vor allem in den 90ern berühmt machen sollte: des Deverry Cycle.
Die Grundidee des Zyklus ist schlicht: ein gallischer Stamm ist dereinst vor der römischen Herrschaft mit Hilfe eines mächtigen magischen Wesens auf eine Parallelwelt namens Annwn geflohen und hat dort das Königreich Deverry gegründet. An der Spitze der feudalistischen Struktur steht ein High King – und auf den Ebenen darunter gibt es jede Menge Streitereien und Intrigen. Außerdem gibt es weitere Völker auf Annwn, die entweder schon immer dort gelebt haben – wie etwa das Westfolk (spitzohrige nomadische Pferdehirten, die auch Elves genannt werden), das Mountain Folk (Zwerge) oder die Horsekin (große haarige Menschen, die ein besonders empathisches Verhältnis zu Tieren haben) – oder ebenfalls ursprünglich aus unserer Welt stammen, wie vermutlich die Bardekians (dunkelhäutige Menschen, die in einem Äquivalent antiker Stadtstaaten leben); und es gibt die geisterhaften Guardians. Was den Zyklus allerdings zu etwas Besonderem macht, ist seine Erzählstruktur, denn die Geschichte des Königreichs Deverry und seiner Bewohner, die in Daggerspell (1986, rev. 1993) beginnt und mit Darkspell (1987, rev. 1993), The Bristling Wood (1989; auch als Dawnspell (1989) bzw. Dawnspell: The Bristling Wood (1990)) und The Dragon Revenant (1990, auch als Dragonspell: The Southern Sea (1990)) fortgeführt wird, wird nicht linear erzählt. Stattdessen gibt es mehrere, zeitlich Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte voneinander getrennte Plotlinien, in der die Hauptfiguren in verschiedenen Inkarnationen ihre Abenteuer erleben. Das erzeugt einerseits eine selten gesehene Komplexität und liefert andererseits interessante Einblicke in Charakterentwicklungen; darüberhinaus wird durch die teilweise nur wenige Seiten voneinander getrennten Erzählebenen klar erkennbar, dass fast alles, was in der Gegenwart geschieht, seine Wurzeln in Taten und Entscheidungen in der Vergangenheit hat.
Ursprünglich sollte der Deverry Cycle aus drei Teilzyklen mit jeweils vier Bänden bestehen. Die zentrale Figur der ersten vier Bände (sprich: des Teilzyklus The Deverry Saga) ist der Magier Nevyn, der nicht sterben kann, solange er seinen Eid nicht erfüllt hat, das von ihm in einer früheren Inkarnation verschuldete Unrecht wiedergutzumachen. Im zweiten Teilzyklus – der aus den Bänden A Time of Exile (1991), A Time of Omens (1992), Days of Blood and Fire (1993; auch als A Time of War: Days of Blood and Fire (1993)) und Days of Air and Darkness (1994; auch als A Time of Justice (1994)) bestehenden Westlands Saga – ist es der bereits zuvor prominent aufgetretene Rhodry, der sich ins Exil und auf die Suche nach einem Drachen begibt. Der dritte Teilzyklus – The Dragon Mage – besteht nur aus drei Romanen (The Red Wyvern (1997), The Black Raven (1999) und The Fire Dragon (2000)), denn aus dem ursprünglich geplanten vierten Band wurde ein weiterer Teilzyklus mit dem Titel The Silver Wyrm, dessen vier Bände The Gold Falcon (2006), The Spirit Stone (2007), The Shadow Isle (2008) und The Silver Mage (2009) die Geschichte(n) um das Königreich von Deverry, seine Bewohner, seine Freunde und seine Feinde zum Abschluss bringen.
Die ersten elf Bände des Zyklus sind unter dem Obertitel Die Chroniken von Deverry auch auf Deutsch erschienen. Dass die aus den Einzeltiteln Der Wanderer von Deverry (1998), Die Ausgestoßen von Deverry, Dämmerung über Deverry, Der Magier von Deverry, Zeit der Verbannung, Zeit der Omen, Zeit des Dunkels (alle 1999), Zeit des Feuers, Der rote Drache, Der schwarze Rabe (alle 2000) und Die Feuerechse (2001) bestehende Geschichte nicht weiter übersetzt wurde, hat viel damit zu tun, dass Katharine Kerr gesundheitliche Probleme hatte und Band zwölf erst sechs Jahre nach Band elf vorlegen konnte. Zu diesem Zeitpunkt war die ein paar Jahre zuvor durchaus enthusiastisch gestartete Fantasyschiene des deutschen Verlags, der die ersten elf Bände veröffentlicht hatte, allerdings schon lange Vergangenheit. Was für rein deutschsprachige Leser und Leserinnen mehr als bedauerlich ist, denn so haben sie keine Chance zu erfahren, wie Katharine Kerr ihren umfangreichen komplexen Zyklus – der ihr allerdings erzählerisch nie aus dem Ruder gelaufen ist – zum Abschluss gebracht hat.
Parallel zum Deverry Cycle hat Katharine Kerr noch ein bisschen SF verfasst; mittlerweile schreibt sie fast ausschließlich Urban Fantasy.
Bibliotheka Phantastika gratuliert Elizabeth E. Wein, die heute 50 Jahre alt wird. Die am 02. Oktober 1964 in New York City geborene Elizabeth Eve Wein machte in der Fantasyszene erstmals 1993 mit ihrem Jugendbuch The Winter Prince – einer etwas anderen Artus-Geschichte – von sich reden. In ihrem Mittelpunkt steht nicht Artos (aka Artus), sondern Medraut (aka Mordred), der Sohn, den Artos mit seiner Halbschwester Morgause gezeugt hat. Und besagter Medraut ist in diesem Fall nicht der altbekannte Schurke, der das glorreiche Camlan (aka Camelot) zu Fall bringt, sondern ein hochbegabter, weitgereister junger Mann, der unter dem Makel seiner inzestuösen Abstammung leidet, die es ihm trotz all seiner staatsmännischen und kämpferischen Fähigkeiten unmöglich macht, jemals High King zu werden.
Stattdessen soll er seinen jüngeren Halbbruder Lleu, den rechtmäßigen Thronerben, anleiten und ihm etwas von seinen Fähigkeiten vermitteln. Ein Auftrag, der von König Artos selbst kommt – und der Medraut in eine schwierige Zwickmühle bringt, denn er weiß, dass er einen viel besseren High King abgeben würde als Lleu, dessen Naivität und sorglosen Umgang mit der Macht ihn ebenso empört, wie er seinen Halbbruder um Artos’ Zuneigung beneidet. Kein Wunder, dass Morgause, die selbst die Macht erringen will, schon bald versucht, das nicht ganz einfache Verhältnis der Brüder für ihre Zwecke auszunutzen, was Medraut mehrfach vor schwierige Entscheidungen stellt – und er weiß nie, ob er wirklich die richtige getroffen hat …
Der Medraut, den Elizabeth E. Wein in diesem auch auf Deutsch als Der Winterprinz (1995) erschienenen Roman beschreibt, ist eine überaus interessante, vielschichtige Figur mit nicht nur positiven Eigenschaften, ein junger Mann, der sich immer wieder zwischen seinem Verantwortungsgefühl und seiner Eifersucht hin und her gerissen fühlt, und der um Entscheidungen förmlich ringt. Eingebettet ist diese Geschichte in ein interessant gezeichnetes, von Camlan aus regiertes Britannien, in dem man um das Erbe der Römer weiß und u.a. diplomatische Beziehungen zum nordafrikanischen Reich von Aksum unterhält. Was alles in allem The Winter Prince zu einem Fantasy-Jugendbuch macht, das man auch als Erwachsener noch mit Vergnügen lesen kann.
Zehn Jahre später hat Elizabeth E. Wein mit A Coalition of Lions (2003) eine erste Quasi-Fortsetzung verfasst, in der Goewin, die Zwillingsschwester von Lleu, die aus bestimmten Gründen aus Britannien fliehen muss, die Hauptrolle spielt. Sie flieht nach Aksum – in jenes Königreich, in dem Medraut inzwischen lebt und einen Sohn mit einer aksumitischen Adligen hat; besagter Sohn – Telemakos – wird dann seinerseits zur Hauptfigur der nächsten drei Romane, angefangen mit Sunbird (2004) und fortgesetzt mit dem aus den Bänden The Lion Hunter (2007) und The Empty Kingdom (2008) bestehenden Zweiteiler The Mark of Solomon. Wenn die genannten vier Romane auch nur annähernd die Qualitäten von The Winter Prince aufweisen, kann man es nur bedauern, dass sich niemals ein deutscher Verlag dieser wirklich originellen Artus-Geschichte (die sich zugegebenermaßen in den Folgebänden nicht nur von Artus, sondern auch von Britannien entfernt) zur Gänze angenommen hat.
Elizabeth E. Wein selbst scheint sich – zumindest im Moment – von der Fantasy abgewandt zu haben; sie schreibt inzwischen Romane über jugendliche Pilotinnen im Zweiten Weltkrieg.
Bibliotheka Phantastika gratuliert Paul Park, der heute 60 Jahre alt wird. Der am 01. Oktober 1954 in North Adams im US-Bundesstaat Massachusetts geborene Paul Claiborne Park gehört zu den SF- und Fantasyautoren, deren Werke thematisch und erzählerisch immer ein wenig abseits des Genremainstreams angesiedelt waren, so dass sie zwar häufig von der Kritik sowie seinen Kollegen und Kolleginnen gelobt, jedoch selten zu Publikumserfolgen wurden.
Park begann – nach einem unveröffentlicht gebliebenen theologischen Krimi – in den 80er Jahren SF zu schreiben, und bereits sein Erstling Soldiers of Paradise (1987) erwies sich als literarisch und erzählerisch anspruchsvoller Einstieg in ein viele Jahrtausende in der Zukunft liegendes Dying-Earth-Szenario, das in den Fortsetzungen Sugar Rain (1989) und The Cult of Loving Kindness (1991) noch weiter ausgestaltet wurde. In der als Starbridge Chronicles bezeichneten Trilogie mischt Park die in einem derartigen Szenario häufig auftauchenden Motive wie den Mangel an Metallen, das Nebeneinander von Hochtechnologie und primitiven Mitteln oder auch von Menschen und menschenähnlichen Wesen mit für die Handlung zentralen religiösen Fragen und einer Endzeitthematik, die viel mit den generationenlangen Jahreszeiten (und den mit dem Wechsel der Jahreszeiten einhergehenden, keineswegs nur klimatischen Veränderungen) zu tun hat. Vor allem aber beschreibt er das Setting und das Geschehen in einer fast schon barock zu nennenden, überaus bildhaften und nicht immer leicht zu lesenden Sprache. Die Bilder, die er dabei entwirft, wurden nicht zuletzt durch mehrere lange Auslandsaufenthalte in Asien und Afrika beeinflusst, was dem Setting einen zusätzlichen exotischen Touch verleiht.
Verglichen mit der Sprachgewalt der Starbridge Chronicles ist Coelestis (1993, auch als Celestis (1995); dt. Coelestis (1996)) deutlich zurückgenommen erzählt. Die Geschichte eines irdischen Verwaltungsbeamten, der auf einem heruntergekommenen Kolonialplaneten gestrandet ist und sich in eine Eingeborene verliebt, die alles tut, um einer Menschenfrau so ähnlich wie möglich zu werden, endet auf vorhersehbare Weise tragisch (wie so ziemlich alle derartigen Liebesgeschichten) und lässt sich darüberhinaus als kritischer Kommentar zum Kolonialismus bzw. dessen Folgen lesen.
In den anschließenden zwölf Jahren erschienen mit The Gospel of Corax (1996; dt. Das Evangelium des Corax (2000)) und Three Marys (2003) nur zwei historische Romane mit leichten phantastischen Untertönen, sowie die Kurzgeschichtensammlung If Lions Could Speak (2002) und die längere Erzählung No Traveller Returns (2004), ehe sich Paul Park mit A Princess of Roumania (2005) erstmals so richtig der Fantasy zuwandte (auch wenn es in den Starbridge Chronicles Passagen gibt, die sich in einem Fantasyroman keineswegs falsch anfühlen würden).
Obwohl – “so richtig” hat er sich der Fantasy dann auch wieder nicht zugewandt, denn die vierbändige Sequenz, die wie ihr Auftaktband A Princess of Roumania betitelt ist und mit den Romanen The Tourmaline (2006), The White Tyger (2007) und The Hidden World (2008) fortgesetzt wurde, bietet ein Setting, das alles andere als Standardfantasykost ist: In A Princess of Roumania verdankt “unsere” Welt nämlich ihr Dasein einzig und allein einem magischen Buch, und sie wurde nur geschaffen, um als Zufluchtsort für Miranda Popescu – die titelgebende Princess of Roumania – zu dienen, denn Miranda ist möglicherweise der lange prophezeite White Tyger, der Great Roumania wieder in glanzvolle Zeiten führen könnte. Great Roumania? Ja, in der Welt, aus der Miranda eigentlich stammt, ist Great Roumania eine beeindruckende europäische Großmacht, deren königliche Familie (zu der auch Miranda zählt) ihre Abstammung auf König Jesus und dessen Königin Maria Magdalena zurückführen kann. Aber in Great Roumania lebt auch Baroness Nicola Ceausescu, eine erklärte Feindin von Mirandas Eltern, die ihr Land am liebsten selbst wieder zu alter Größe führen würde. Und in der alternativen Welt gibt es nicht nur Magie und Menschen, die sich ihrer bedienen, sondern noch viele andere Dinge, die ganz anders sind als in unserer Welt. Das wird rasch deutlich, als Nicola Ceausescu das magische Buch zerstört, in dem unsere Welt beschrieben ist, und Miranda – begleitet von zwei Menschen, die mehr sind als sie zu sein scheinen – in ihre Heimatwelt zurückfällt und wir sie dabei begleiten, wie sie ihre Heimat kennenlernt und gleichzeitig versucht, sich in den politschen Intrigen und geopolitischen Machtspielchen zu behaupten bzw. sie zunächst mal zu überleben. A Princess of Roumania bietet wohl einen der bizarrsten Alternativweltentwürfe der modernen Fantasy (so sind z.B. die britischen Inseln durch ein Erdbeben im Meer versunken, während Afrika technologisch dem sich etwa an der Schwelle zum 20. Jahrhundert befindlichen Europa weit überlegen ist) sowie ein paar ebenso merkwürdige wie originelle Figuren, und selbst Nicola Ceausescu ist weit mehr als einfach nur eine machtbesessene Frau, die über Leichen geht, um ihr Ziel zu erreichen (auch wenn sie das tatsächlich tut).
Seit A Princess of Roumania hat Paul Park nur noch eine längere Erzählung in Buchform veröffentlicht – Ghosts Doing the Orange Dance: The Parke Family Scrapbook Number IV (2013) –, sowie unter dem Pseudonym Paulina Claiborne mit The Rose of Sarifal (2012) einen Roman zum Forgotten-Realms-Universum beigesteuert. Ganz aktuell ist mit All Those Vanished Engines (2014) ein Episodenroman erschienen, der sich anscheinend wieder der Alternativweltthematik (dieses Mal mit Mitteln der SF) widmet. Und der vermutlich ebensowenig übersetzt werden wird wie der größte Teil von Parks Schaffen bislang.
Bibliotheka Phantastika gratuliert Christoph Hardebusch, der heute 40 Jahre alt wird. Dem am 24. September 1974 in Lüdenscheid geborenen Christoph Hardebusch ist etwas gelungen, von dem die meisten Autoren und Autorinnen nur träumen können, denn bereits sein Erstling Die Trolle (2006) brachte es zu Bestsellerehren. Das hat gewiss nicht zuletzt damit zu tun, dass Die Trolle zu den Tolkienvölker-Romanen zählen, jenem so ziemlich ausschließlich auf den deutschen Sprachraum begrenzten Phänomen, das im Gefolge der Herr-der-Ringe-Filme entstanden ist und erheblich zum Fantasyboom der 2000er Jahre auf dem deutschen Buchmarkt beigetragen und dafür gesorgt hat, dass deutschsprachige Autoren und Autorinnen in der Fantasy hierzulande zu einer festen Größe wurden.
Doch Hardebusch scheint darüberhinaus auch Einiges richtig gemacht zu haben; zum einen konnte er mit den Fortsetzungen Die Schlacht der Trolle (2007) und Der Zorn der Trolle (2008) den Erfolg seines Erstlings – der 2007 als bestes deutschsprachiges Romandebüt mit dem Deutschen Phantastik Preis ausgezeichnet wurde – wiederholen, und zum anderen gilt er seit seinen ersten drei Romanen um die Trolle als einer der “Großen Vier” der Tolkienvölker-Fantasy. Interessanterweise hat er sich nach dieser ersten Trilogie – die 2008 noch um das Abenteuer-Spielbuch Trollblut ergänzt wurde – erst einmal von der Welt der Trolle (und damit auch von der letztlich immer recht generischen Tolkienvölker-Fantasy) ab- und einem anderen Setting zugewandt – und zwar einem, das zu den originellsten Schöpfungen gehört, die die deutschsprachige Fantasy bislang hervorgebracht hat.
Denn Sturmwelten (2008), der Auftakt der gleichnamigen Trilogie, führt die Leser und Leserinnen keineswegs in eine der typischen pseudomittelalterlichen Fantasywelten, sondern in eine Epoche, die in etwa dem ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert unserer Welt entspricht. Und man erkundet große Teile dieser Welt auf den schwankenden Planken von Segelschiffen. Natürlich gibt es in den Sturmwelten auch Magie, so dass man die mit den Bänden Sturmwelten – Unter Schwarzen Segeln (2009) und Sturmwelten – Jenseits der Drachenküste (2010) fortgesetzte Trilogie vielleicht am ehesten kurz und knapp als “Hornblower mit Magie” bezeichnen könnte (was natürlich nur denjenigen etwas nützt, die mit dem guten alten Horatio Hornblower noch etwas anfangen können). Immerhin bezeichnet Christoph Hardebusch Sturmwelten selbst als Hommage an die marinehistorischen Bücher und Serien, die er gerne gelesen hat, und diese Hommage ist ihm fraglos gelungen. Abenteuer auf hoher See mischen sich mit politischen Intrigen, es kommt zu einer Revolution, und durch den Umgang mit der Sklaverei kommt eine ernste Note in die ansonsten größtenteils mit leichter Hand erzählte Geschichte, die wir durch die Augen einer Reihe sehr unterschiedlicher Figuren – etwa Jaquento, den jungen Adligen im Exil, der zum Freibeuter wird, oder Roxane, deren Karriere in der königlichen Marine als Leutnant an Bord der Fregatte Mantikor beginnt, oder Sinao, die Sklavin, die viel mehr ist als sie zu sein scheint, oder auch Franigo, den Poeten, dessen Spottgedichte einen politischen Umsturz herbeiführen – miterleben.
Parallel zu den Bänden zwei und drei der Sturmwelten-Trilogie hat Christoph Hardebusch mit Die Werwölfe (2009) eine moderne gothic novel verfasst und mit Justifiers – Missing in Action (2010) einen Beitrag zu der von Markus Heitz initiierten Justifiers-Reihe geleistet, sowie kurz danach mit Smart Magic (2011) eine Portalfantasy im All-Age-Gewand vorgelegt, ehe er mit Der Krieg der Trolle (2012) und Die dunkle Horde (2013) wieder an seinen größten Erfolg angeknüpft hat.
Auch wenn diese Entscheidung aus vielerlei Gründen nachvollziehbar ist – immerhin wurden Die Trolle (und einige Fortsetzungen) mehrfach ins Ausland verkauft, und die ersten vier Bände der Saga gibt es auch als Hörbücher –, wäre es dennoch zu wünschen, dass Christoph Hardebusch sich vielleicht irgendwann noch einmal der Abenteuerfantasy in einem etwas weniger generischen Setting annimmt, denn dass er das kann, hat er mit der Sturmwelten-Trilogie bewiesen. In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch, Christoph! Und weiterhin viel Erfolg!
Außerdem möchten wir an John Brunner erinnern, der heute 80 Jahre alt geworden wäre. Zwar war der am 24. September 1934 in Preston Crowmarsh in der südostenglischen Grafschaft Oxfordshire geborene John Kilian Houston Brunner vor allem und fast ausschließlich ein ungemein fleißiger SF-Autor, der in der besten Phase seines Schaffens mit The Whole Man (1964, auch als Telepathist (1965); dt. Der ganze Mensch (1978)), Stand on Zanzibar (1968); dt. Morgenwelt (1980)), The Jagged Orbit (1969; dt. (gek.) Morgen geht die Welt aus den Angeln, ungek. NA als Das Gottschalk-Komplott (1982), auch als Ein irrer Orbit (1993)), The Sheep Look Up (1972; dt. Schafe blicken auf (1978)) und The Shockwave Rider (1975; dt. Der Schockwellenreiter (1979)) – um nur die wichtigsten zu nennen – einige auch und gerade heute noch mehr als lesenswerte Meilensteine des Genres verfasst hat, doch Brunner hat außerdem tatsächlich ein paar mehr der Phantastik zuneigende Geschichten und sogar ein bisschen Fantasy (im engeren Sinn) geschrieben.
Mit ein bisschen Fantasy (im engeren Sinn) sind vier längere Erzählungen gemeint, die zwischen 1960 und 1971 in Magazinen wie Science Fantasy oder Fantastic erschienen sind und in dem Band The Traveler in Black (1971; dt. Reisender in Schwarz (1982)) gesammelt wurden. Der titelgebende Reisende in Schwarz ist ein Mann mit vielen Namen und dennoch namenlos, in eine mitternachtsschwarze Robe gekleidet und mit einem Stab aus geronnenem Licht in der Hand, der … Wünsche erfüllt. Da er allerdings über einen deutlich ausgeprägten Gerechtigkeitssinn verfügt und seine eigentliche Aufgabe darin sieht, die Mächte des ursprünglichen Chaos zu bekämpfen, werden jene, deren Wünsche er erfüllt, nicht unbedingt glücklich mit dem, was er ihnen gewährt – vor allem, wenn sie auf der Seite des Chaos stehen oder mit ihm sympathisieren.
Die fast schon barock geschilderte, sich immer wieder auf gefährliche Weise verändernde Welt, die der Reisende durchwandert, der ironische Grundton, der die Geschichten durchzieht, und last but not least die Figur des Reisenden selbst lassen ihn ein bisschen wie einen engen literarischen Verwandten von Cugel the Clever aussehen – auch wenn sein Wirken letztlich erfolgreicher ist als das des (zugegebenermaßen auch deutlich selbstsüchtigeren) von Jack Vance ersonnenen Magiers. Wer epische Abenteuer, heroische Taten und blutige Schlachten sucht, wird eher nicht fündig werden, wer sich hingegen für einen augenzwinkernden, aber dennoch ernsthaften Umgang mit existenzialistischen Fragen im Fantasygewand begeistern kann, der könnte Spaß daran haben, den Reisenden in Schwarz auf seiner Reise durch eine etwas andere Fantasywelt zu begeistern.
Die ursprünglichen vier Geschichten um den Travel(l)er in Black wurden 1979 um eine weitere Erzählung mit dem Titel “The Things That Are Gods” (erstmals in der Herbstausgabe ’79 von Asimov’s SF Adventure Magazine veröffentlicht) ergänzt; alle fünf Geschichten sind in dem Band The Compleat Traveller in Black (1986) zu finden. Und alle gleichermaßen lesenswert.
Bibliotheka Phantastika gratuliert Martha Wells, die heute ihren 50. Geburtstag feiert. Die am 1. September 1964 in Fort Worth, Texas, geborene Martha Wells zählt zu jenen Autoren und Autorinnen, die nie den ganz großen Durchbruch geschafft, aber über die Jahre hinweg viel zum Genre beigetragen haben.
Mit ihrem Debut-Roman The Element of Fire führte Martha Wells ihre Leser und Leserinnen 1993 zum ersten Mal nach Ile-Rien – ein Land, das mit seiner von Hofintrigen und Gardisten und später Opiumhöhlen, Theatern und einer pulsierenden Halbwelt geprägten Hauptstadt Vienne Frankreich an der Schwelle zur Moderne ähnelt. Während in The Element of Fire noch eine Verschwörung gegen den schwächelnden Thronerben durch die Garde der Königinmutter abzuwehren ist, bedroht in The Death of the Necromancer – dem einzigen (als Necromancer, 2008) auf Deutsch erschienen Roman von Martha Wells – echte Nekromantie die Metropole, und der Edelganove Nicholas Valiarde, der eigentlich schon genug mit der Polizei zu tun hat, wird mit seinen Gefährten aus dem Halbweltmilieu zum unwahrscheinlichen Retter der Stadt. In The Wizard Hunters (2003), The Ships of Air (2004) und The Gate of Gods (2005), die zusammen die Trilogie The Fall of Ile-Rien bilden, liegt das Schicksal des Landes in den Händen von Nicholas’ Tochter, der Stückeschreiberin Tremaine Valiarde, als geheimnisvolle Luftschiffe angreifen, die selbst mit magischen Mitteln nur mehr schlecht als recht aufzuhalten sind.
Die Ile-Rien-Romane könnte man dem Steampunk zurechnen, wobei die aus diesem Subgenre bekannten Elemente nur sehr zurückhaltend in Szene gesetzt und eher als stimmungsvolle Kulissen genutzt werden.
Auch Martha Wells’ alleinstehende Romane zeichnen sich durch Settings aus, die ein Stück weit vom üblichen Repertoire der Fantasy entfernt sind: In City of Bones (1995) ist es eine Endzeit-Welt, in der wenige Städte sich inmitten einer lebensfeindlichen Wüstenei behaupten, in Wheel of the Infinite (1998) ist es eine spirituell geprägte Gesellschaft, deren Ahnenkult und das titelgebende Rad, das das Schicksal der Welt in sandgemalten Mustern birgt, eine asiatische Anmutung haben.
Martha Wells ist eine Autorin, die zwar stark auf ihre Protagonisten und deren Hintergründe und vergnügliche Figurenensembles setzt, aber trotzdem zu leiseren Charakteren neigt, genauso wie sie ihre Settings selten grell gestaltet, und das könnte auch der Grund sein, warum sie zu den Midlist-Autorinnen gehört, die es auf dem aktuellen Buchmarkt nicht ganz leicht haben. Da ist es umso bedauerlicher, dass sie in jüngerer Zeit auch gleich zweimal das Pech hatte, von Verlagsumstrukturierungen oder –auflösungen betroffen gewesen zu sein: Mit ihren Raksura-Romanen (The Cloud Roads (2011), The Serpent Sea (2012) und The Siren Depths (2012)), einer bunten und abenteuerlichen Fantasy-Reihe, die ganz ohne Menschen auskommt und bei Nightshade Books veröffentlicht wurde, scheint es immerhin weiterzugehen, denn gerade eben erschien The Stories of the Raksura: Volume 1. Mit ihrer vom kürzlich eingestellten Angry-Robot-Imprint Strange Chemistry veröffentlichten steampunkigen Jugendbuch-Reihe ist nach den beiden Bänden Emily and the Hollow World (2013) und Emily and the Sky World (2014) dagegen Schluss. Man kann Martha Wells nur das Beste für zukünftige Veröffentlichungen wünschen und hoffen, dass sich das Schreiben für Autorinnen ihres Kalibers auch in Zukunft noch lohnt.
Bibliotheka Phantastika erinnert an Andrew J. Offutt, der heute 80 Jahre alt geworden wäre. Auch wenn der am 16. August 1934 in Louisville, Kentucky, geborene Andrew Jefferson Offutt V bereits im zarten Alter von 20 Jahren mit seiner ersten Story “And Gone Tomorow” in der Dezemberausgabe des SF-Magazins If debütierte, sollte es bis 1970 dauern, bis sein erster SF-Roman auf den Markt kam. Wobei das nur die halbe Wahrheit ist, denn Evil Is Live Spelled Backwards war nur Offuts erster Roman unter seinem richtigen Namen. Eigentlich war er nämlich schon seit 1963 als Romanautor aktiv, allerdings praktisch ausschließlich im Bereich der erotischen oder pornografischen Literatur (mit mal mehr, mal weniger, mal gar keinem SF-Anteil) unter Verlagspseudonymen wie J.X. Williams und John Cleve, und er ist diesem Genre – parallel zu seinen Arbeiten im Bereich der SF und Fantasy – mindestens bis Mitte der 80er Jahre (vor allem unter dem Cleve-Pseudonym) treu geblieben und hat u.a. sämtliche 19 Bände der erotischen SF-Serie Spaceways (1982-85) teils allein, teils mit Co-Autoren verfasst.
Was die oben erwähnten Arbeiten im Bereich der SF und Fantasy angeht, war Offutt in den 70er und 80er Jahren in diesem Segment sehr fleißig, wobei er sich ab Mitte der 70er Jahre mehr und mehr von der SF ab- und der Fantasy zuwandte bzw. die beiden Genres miteinander vermischte. Das Ergebnis waren zurecht inzwischen mehr oder weniger vergessene Romane wie Messenger of Zhuvastou oder Ardor on Aros (beide 1973, wobei Letzterer mehr als nur eine kräftige Prise fragwürdiger “Erotik” enthält), sowie Chieftain of Andor (1976; auch als Clansman of Andor) und My Lord Barbarian (1977; dt. Valeron der Barbar (1982)), der vielleicht beste Roman aus dieser Epoche.
Mit Sword of the Gael (1975) begann ein sechs Bände umfassender Zyklus, der sich um den von Robert E. Howard erfundenen gälischen Krieger Cormac Mac Art dreht und mit The Undying Wizard (1976), The Sign of the Moonbow, The Mists of Doom (beide 1977), When Death Birds Fly (1980; mit Keith Taylor) und The Tower of Death (1982; mit Keith Taylor) fortgesetzt wurde. Wie so häufig bei Howard-Pastiches haben diese Romane mit dem Ausgangsstoff nur wenig gemein; während die ersten drei Bände eine Weiterführung der originalen Howard-Stories darstellen, schildern die letzten drei die Jugend Cormac Mac Arts bzw. seine Abenteuer vor den Geschehnissen in den Howard-Stories (stellen also praktisch Prequels dar) und funktionieren – vermutlich vor allem dank der Mitarbeit Keith Taylors – zumindest als historische Fantasyromane ganz ordentlich. Der Zyklus, der es im Zuge des Conan-Booms auch nach Deutschland geschafft hat, wurde hierzulande interessanterweise in einer der Handlungschronologie entsprechenden Reihenfolge veröffentlicht: Auf die Prequels Die Nebel des Untergangs, Die Todesvögel und Der Turm des Todes (alle 1987) folgte ein Band mit Howard-Material, ehe es mit Das Schwert des Kelten, Der unsterbliche Hexer und Das Zeichen des Mondes (alle 1988) weiterging.
Auch zum Conan-Franchise durfte Andrew J. Offutt mit Conan and the Sorcerer (1978; dt. Conan und der Zauberer (1983)), The Sword of Skelos (1979; dt. Conan und das Schwert von Skelos (1982)) und Conan the Mercenary (1981; dt. Conan der Söldner (1983)) drei Romane beitragen, die zwar nicht die schlimmsten Conan-Pastiches sein mögen, deren Hauptfigur mit dem Howard-Conan allerdings ebensowenig gemein hat wie die Hauptfiguren der meisten anderen Pastiches.
Auf den ersten Blick hat die parallel zu Offuts Arbeiten im Howard-Universum entstandene, zusammen mit Richard K. Lyon verfasste Trilogie War of the Wizards nichts mit Howard oder dessen Figuren zu tun, allerdings könnte man die Piratin Tiana of Reme, die sich in The Demon in the Mirror (1978), The Eyes of Sarsis (1980) und Web of the Spider (1981) viel zu häufig lüsterner Gegner mit allen Arten von Schwertern erwehren muss und dabei natürlich immer mal wieder ihre Kleider verliert, durchaus als etwas explizitere Version von Howards Bêlit betrachten, die es immer mal wieder schafft, mit ihrem heaving bosom und anderen körperlichen Vorzügen ihre Gegner zu verwirren. Das würde ihr vermutlich auch bei Orrikson Jarik gelingen, der sich in der aus den Bänden The Iron Lords (1979), Shadows Out of Hell (1980) und The Lady of the Snowmist (1983) bestehenden Trilogie War of the Gods on Earth als weiblichen Reizen gegenüber sehr empfänglich zeigt – wenn er nicht gerade damit beschäftigt ist, in berserkerhafter Raserei seine Feinde niederzumetzeln (schließlich muss sich Jarik Blacksword – wie er alsbald genannt wird – ja seines Beinamens “the-machine-that-fights” würdig erweisen).
Interessanterweise war es dann wieder ein Franchise-Universum, für das Andrew J. Offutt seine besten Arbeiten als Fantasy-Autor abgeliefert hat, denn seine Beiträge zu der von Robert Asprin herausgegebenen Shared-World-Anthologiereihe Thieves’ World sind deutlich besser als so ziemlich alle bislang genannten Romane – und das gilt sowohl für seine insgesamt acht Stories in den Anthologien wie auch für die beiden Romane Shadowspawn (1987; dt. Der dunkle Held (1990)) und The Shadow of Sorcery (1993), in denen mit dem Dieb Hanse Shadowspawn (aka Hanse Nachtschatten) eine der interessantesten Figuren der Reihe die Hauptrolle spielt, die sich zurecht ziemlich großer Beliebtheit erfreut hat. The Shadow of Sorcery war der letzte Fantasyroman, den Offutt veröffentlicht hat (nachdem in den 80ern ohnehin fast nur noch Spaceways-Romane von ihm erschienen waren), so dass seine Autorenkarriere mit seinem vielleicht gelungensten Helden ausgeklungen ist.
Darüberhinaus sollte man nicht vergessen, dass Andrew J. Offutt in seinen produktiven Jahren nicht nur als Autor, sondern auch als Anthologist aktiv war. Die von ihm herausgegebene fünfbändige Anthologiereihe Swords Against Darkness (1977-79) bietet durchaus lesbare und teilweise sogar lesenswerte Sword-&-Sorcery-Stories von Autoren, die man in den meisten thematisch ähnlichen und etwa zu diesem Zeitpunkt veröffentlichten Anthologien eher nicht gefunden hat. In Deutschland ist leider nur eine Auswahl aus den ersten drei Bänden unter dem Titel Atlantis ist überall (1981) erschienen; immerhin haben auf diese Weise auch rein deutschsprachige Leser und Leserinnen die Chance, Ramsey Campbells Ryre oder Manly Wade Wellmans Kardios kennenzulernen.
Andrew J. Offutt, der am 30. April 2013 im Alter von 78 Jahren verstorben ist, war sicher kein Autor, der in der Fantasy allzu deutliche Spuren hinterlassen hat. Andererseits macht es Hanse Nachtschatten einem leicht, sich seiner gelegentlich mit durchaus positiven Gefühlen zu erinnern – und seine fünf SAG-Anthologien sind für jeden Sword-&-Sorcery-Fan eigentlich ein muss …