Zum 60. Geburtstag von Paul Park

Bibliotheka Phantastika gratuliert Paul Park, der heute 60 Jahre alt wird. Der am 01. Oktober 1954 in North Adams im US-Bundesstaat Massachusetts geborene Paul Claiborne Park gehört zu den SF- und Fantasyautoren, deren Werke thematisch und erzählerisch immer ein wenig abseits des Genremainstreams angesiedelt waren, so dass sie zwar häufig von der Kritik sowie seinen Kollegen und Kolleginnen gelobt, jedoch selten zu Publikumserfolgen wurden.
Park begann – nach einem unveröffentlicht gebliebenen theologischen Krimi – in den 80er Jahren SF zu schreiben, und bereits sein Erstling Soldiers of Paradise (1987) erwies sich als literarisch und erzählerisch anspruchsvoller Einstieg in ein viele Jahrtausende in der Zukunft liegendes Dying-Earth-Szenario, das in den Fortsetzungen Sugar Rain (1989) und The Cult of Loving Kindness (1991) noch weiter ausgestaltet wurde. In der als Starbridge Chronicles bezeichneten Trilogie mischt Park die in einem derartigen Szenario häufig auftauchenden Motive wie den Mangel an Metallen, das Nebeneinander von Hochtechnologie und primitiven Mitteln oder auch von Menschen und menschenähnlichen Wesen mit für die Handlung zentralen religiösen Fragen und einer Endzeitthematik, die viel mit den generationenlangen Jahreszeiten (und den mit dem Wechsel der Jahreszeiten einhergehenden, keineswegs nur klimatischen Veränderungen) zu tun hat. Vor allem aber beschreibt er das Setting und das Geschehen in einer fast schon barock zu nennenden, überaus bildhaften und nicht immer leicht zu lesenden Sprache. Die Bilder, die er dabei entwirft, wurden nicht zuletzt durch mehrere lange Auslandsaufenthalte in Asien und Afrika beeinflusst, was dem Setting einen zusätzlichen exotischen Touch verleiht.
Verglichen mit der Sprachgewalt der Starbridge Chronicles ist Coelestis (1993, auch als Celestis (1995); dt. Coelestis (1996)) deutlich zurückgenommen erzählt. Die Geschichte eines irdischen Verwaltungsbeamten, der auf einem heruntergekommenen Kolonialplaneten gestrandet ist und sich in eine Eingeborene verliebt, die alles tut, um einer Menschenfrau so ähnlich wie möglich zu werden, endet auf vorhersehbare Weise tragisch (wie so ziemlich alle derartigen Liebesgeschichten) und lässt sich darüberhinaus als kritischer Kommentar zum Kolonialismus bzw. dessen Folgen lesen.
In den anschließenden zwölf Jahren erschienen mit The Gospel of Corax (1996; dt. Das Evangelium des Corax (2000)) und Three Marys (2003) nur A Princenss of Roumania von Paul Parkzwei historische Romane mit leichten phantastischen Untertönen, sowie die Kurzgeschichtensammlung If Lions Could Speak (2002) und die längere Erzählung No Traveller Returns (2004), ehe sich Paul Park mit A Princess of Roumania (2005) erstmals so richtig der Fantasy zuwandte (auch wenn es in den Starbridge Chronicles Passagen gibt, die sich in einem Fantasyroman keineswegs falsch anfühlen würden).
Obwohl – “so richtig” hat er sich der Fantasy dann auch wieder nicht zugewandt, denn die vierbändige Sequenz, die wie ihr Auftaktband A Princess of Roumania betitelt ist und mit den Romanen The Tourmaline (2006), The White Tyger (2007) und The Hidden World (2008) fortgesetzt wurde, bietet ein Setting, das alles andere als Standardfantasykost ist: In A Princess of Roumania verdankt “unsere” Welt nämlich ihr Dasein einzig und allein einem magischen Buch, und sie wurde nur geschaffen, um als Zufluchtsort für Miranda Popescu – die titelgebende Princess of Roumania – zu dienen, denn Miranda ist möglicherweise der lange prophezeite White Tyger, der Great Roumania wieder in glanzvolle Zeiten führen könnte. Great Roumania? Ja, in der Welt, aus der Miranda eigentlich stammt, ist Great Roumania eine beeindruckende europäische Großmacht, deren königliche Familie (zu der auch Miranda zählt) ihre Abstammung auf König Jesus und dessen Königin Maria Magdalena zurückführen kann. Aber in Great Roumania lebt auch Baroness Nicola Ceausescu, eine erklärte Feindin von Mirandas Eltern, die ihr Land am liebsten selbst wieder zu alter Größe führen würde. Und in der alternativen Welt gibt es nicht nur Magie und Menschen, die sich ihrer bedienen, sondern noch viele andere Dinge, die ganz anders sind als in unserer Welt. Das wird rasch deutlich, als Nicola Ceausescu das magische Buch zerstört, in dem unsere Welt beschrieben ist, und Miranda – begleitet von zwei Menschen, die mehr sind als sie zu sein scheinen – in ihre Heimatwelt zurückfällt und wir sie dabei begleiten, wie sie ihre Heimat kennenlernt und gleichzeitig versucht, sich in den politschen Intrigen und geopolitischen Machtspielchen zu behaupten bzw. sie zunächst mal zu überleben. A Princess of Roumania bietet wohl einen der bizarrsten Alternativweltentwürfe der modernen Fantasy (so sind z.B. die britischen Inseln durch ein Erdbeben im Meer versunken, während Afrika technologisch dem sich etwa an der Schwelle zum 20. Jahrhundert befindlichen Europa weit überlegen ist) sowie ein paar ebenso merkwürdige wie originelle Figuren, und selbst Nicola Ceausescu ist weit mehr als einfach nur eine machtbesessene Frau, die über Leichen geht, um ihr Ziel zu erreichen (auch wenn sie das tatsächlich tut).
Seit A Princess of Roumania hat Paul Park nur noch eine längere Erzählung in Buchform veröffentlicht – Ghosts Doing the Orange Dance: The Parke Family Scrapbook Number IV (2013) –, sowie unter dem Pseudonym Paulina Claiborne mit The Rose of Sarifal (2012) einen Roman zum Forgotten-Realms-Universum beigesteuert. Ganz aktuell ist mit All Those Vanished Engines (2014) ein Episodenroman erschienen, der sich anscheinend wieder der Alternativweltthematik (dieses Mal mit Mitteln der SF) widmet. Und der vermutlich ebensowenig übersetzt werden wird wie der größte Teil von Parks Schaffen bislang.

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