Forumos-Übersetzer empfehlen: N.K. Jemisin – Zerrissene Erde

Heute gibt es nach langer Zeit mal wieder einen Gastbeitrag aus der Rubrik Übersetzer-Empfehlung (in dem es unserer Meinung nach um den Auftakt eines der wichtigsten und faszinierendsten Fantasy-Werke der letzten Jahre geht). Die Übersetzerin Susanne Gerold ist in unserem Forum als Timpimpiri unterwegs.

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Bisher hatte ich ja das Glück, dass ich die meisten Bücher, die ich übersetzt habe, auch empfehlen konnte. Hin und wieder sind aber echte Perlen dabei, die mir zum Beispiel immer mal wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Zu den echten Perlen zähle ich auch N.K. Jemisins Zerrissene Erde, auch wenn mich der Roman nie richtig zum Lächeln gebracht hat, geschweige denn zum Lachen. Es gibt einfach nichts zu lachen in dieser Welt, die ganz und gar darauf ausgerichtet ist, bestmöglich auf eine Katastrophe vorbereitet zu sein, von der jeder weiß, dass sie früher oder später kommen wird. Denn das ist die Folge eines weit in der Vergangenheit liegenden unrühmlichen Umgangs der Menschen mit der Erde, und jetzt ist Vater Erde dauerhaft sauer und macht seinen Bewohnern das Leben schwer.
Zerrissene Erde von N.K. JemisinVielleicht ist es die Parallele zu unserem eigenen Umgang mit der Welt – schließlich sind wir kräftig dabei, unsere Lebensgrundlage zu zerstören (und nicht nur unsere) – weshalb mir der Roman so gefallen hat. Oder die Tatsache, dass Jemisin sich stilistisch wohltuend vom üblichen Erzählduktus abhebt und ihre Sprache einen unglaublichen Sog entwickelt. Oder ihre Art, dass Missbrauchtwerden von Menschen oder ganzer Gruppen von Menschen mit bestimmten Kennzeichen auf eine beinahe unbarmherzig eindringliche Weise zu schildern, die die Wahrheit offen zutage treten lässt. Und Bücher, in denen tiefere Wahrheiten ausgesprochen werden, hatten schon immer einen Reiz für mich, auch wenn diese unbequem oder unangenehm sein können. Aber es sind die Bücher, die mir ein Gefühl für das Wesentliche im Leben geben, die ich sowohl beim Lesen als auch beim Übersetzen am meisten genieße. Und Jemisin macht das virtuos, behandelt anhand ihrer Figuren und ihres Plots nicht nur die Frage, wie man in einer solchen Welt leben und überleben kann, sondern, auf einer “übergeordneten” Ebene, ganz besonders die, wie die Menschlichkeit überlebt. Auch und gerade die Menschlichkeit in einem selbst.
Diesen Aspekt teilt Zerrissene Erde übrigens mit den Romanen eines anderen Autors, den ich sehr schätze, und der ebenfalls eine grausame, unbarmherzige Welt schildert, in der es dennoch immer wieder Menschlichkeit im Kleinen, im zwischenmenschlichen Bereich gibt. Und wenngleich N.K. Jemisins Zerrissene Erde (bzw. die ganze Broken Earth Trilogy) ansonsten wenig mit Steven Eriksons Spiel der Götter gemein haben mag – in genau diesem, für mich sehr wichtigen Punkt kommen sie sich sehr nahe und üben eine vergleichbare Faszination aus.

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