Titelkatalog: e

Das Einhorn Band 1: Der letzte Tempel des Asklepios von Mathieu Gabella/Anthony JeanAmbrosius Paré ist ein französischer Chirurg, der die Umwälzungen der Renaissance im wissenschaftlichen Bereich lebt: Anstatt aus den Schriften antiker Gelehrter bezieht er sein Wissen über den menschlichen Körper aus dem Sezieren von Leichen, dementsprechend wenig hält er auch von den Behandlungsmethoden der scholastisch gebildeten Mediziner. Bei der Untersuchung eines grausamen Mordfalls in Paris gerät er unversehens in einen Konflikt zwischen zwei mächtigen Organisationen. In Begleitung illustrer Gesellschaft muss er Frankreich verlassen und sieht sein gesamtes Weltbild in Frage gestellt, steht doch nicht weniger als die Natur des Menschen selbst auf dem Spiel.

-“Aber Meister Paré ist immerhin Chirurg des …” -“Chirurg von was? Er trägt keine Robe! Spricht weder Latein noch Griechisch und hat die alten Weisen nicht gelesen!” S. 8

Bei Das Einhorn von Mathieu Gabella (Text) & Anthony Jean (Illustrationen) handelt es sich um waschechte Historienfantasy im Comicformat (vier Bände).
Das Medium ist in diesem Fall ein echter Gewinn, denn Setting, Geschichte, Thema und künstlerische Umsetzung sind sehr gelungen miteinander verschränkt. Darauf lassen bereits die Cover schließen, auf denen anatomische Studien à la Leonardo da Vinci das Hintergrundmotiv bilden. Das historische Setting wird von einem Zeichenstil getragen, der den Panels ihren handwerklichen Aspekt belässt und der mit seinen zumeist warmen Grundtönen den historischen Charakter der Geschichte zusätzlich unterstreicht. Gleichzeitig fließen die Renaissance und deren Wissenschaft noch viel direkter in die Comics ein, indem Kreaturen ein handlungstragendes Element darstellen, die nach dem Vorbild der Körperstudien Leonardo da Vincis entworfen sind und Neuinterpretationen einer Vielzahl von Fabelwesen darstellen – die sogenannten Primordialen.

Das Einhorn Band 2: Ad Naturam von Mathieu Gabella/Anthony JeanMan merkt also schon, Medizin und Wissenschaft spielen eine zentrale Rolle in dieser Comicreihe. Wer noch kein Hintergrundwissen zu Wissenschaft und Medizin hat, braucht sich aber nicht zu fürchten, die wichtigsten Begriffe werden im Text erklärt und alle vier Bände liefern bandspezifische historische Infos am Schluss. Sowohl das antik-scholastische Körper- und Wissenschaftsbild als auch das „modernere“ der Renaissance werden dabei (auf unerwartete Weise) ernst genommen, immer wieder tauchen historische medizinische Theorien und deren Vertreter in der Handlung auf.
Der gute Gesamteindruck der Reihe wird jedoch durch die Bände drei und vier getrübt, die die Handlung vor allem im Hinblick auf Bombast und Rasanz vorantreiben, ohne ihr mehr Tiefe zu verleihen, ohne das Thema weiter auszuloten oder die Beweggründe der beteiligten Fraktionen befriedigend zu erklären. Tatsächlich ist gerade der abschließende zugleich der schwächste Band der Reihe, vor allem, weil er sich, anstatt das eigentliche Ende, das die Verbindung zum aktuellen anatomischen Zustand des Menschen darstellen musste, kreativer auszugestalten, mit einem Twist aufhält, der neu eingeführt und im gleichen Band abgeschlossen wird, aber eher mehr Unklarheiten zurücklässt als beseitigt. Das Streben nach einem fulminanten Finale mit Superlativen zerstört leider auch viel von dem Flair, das die ersten beiden Bände entwickelten.

Eine kleine Warnung noch: Wie das Setting vielleicht erahnen lässt, sind manche Darstellungen doch sehr explizit und gerade im ersten Band gibt es viele brutale Szenen, in den späteren Bänden nimmt dies deutlich ab.
So bleiben die ersten beiden Bände eine Empfehlung an alle Comicfans, die Bände drei und vier können jedoch das Potenzial der Reihe nicht ausschöpfen, sondern verflachen zunehmend. Wer eine Kostprobe von Zeichenstil und Story haben möchte, der besuche die Seite des Verlags oder klicke hier (Leseprobe zum ersten Band).

Eis und Schatten von Sarah AshIn dem barbarischen Land Azhkendir herrscht seit Urzeiten der Drakhaon über die Clans, ein Hybridwesen aus Mensch und dem letzten Drachen. Mit dem Tode des lezten Drakhaon geht der Geist des Drakhaoul auf seinen Sohn über, Gavril Andar, der jedoch im Exil lebt und nichts von seinem Erbe und seiner Bestimmung weiß. Die loyalen Diener des Drakhaoul entführen Gavril aus den zivilisierten Ländern, damit er seine Herrschaft antreten kann. Nur seine Mutter versucht, ihn zu befreien und geht dabei ein Bündnis mit dem ehrgeizigen Prinzen Eugene von Tielen ein, dessen Ziel es ist, das alte Imperium mit ihm an der Spitze widerherzustellen.

– Zu Eis und Schatten liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Eiserne Dämmerung von Matthew Woodring StoverNachdem der piktischen Söldnerin Barra von Piraten übel mitgespielt wurde, zieht sie sich zusammen mit ihren beiden Gefährten, dem Krieger Leucas und dem früheren Priester Kheperu, in die Handelsmetropole Tyrus zurück, in der ihre Zieheltern leben.
Auf der Suche nach neuen Aufträgen geraten sie schnell in eine Intrige, die zwischen all den mächtigen Handelsfamilien, Massen von Söldnern, Kaufleuten aus sämtlichen mediterranen Staaten und Glückssuchern in Tyrus droht: Der verstoßene ägyptische Prinz Meremptah-Sifti kommt zwar mit einem Lächeln, um die Handelsherren der Stadt zu betören, hat aber zwielichtige Pläne, und ist ein Gegner, der für Barra und ihre Männer vielleicht eine Nummer zu groß ist.

-Lieber Chryl, lieber Antiphos,
dies wird wahrscheinlich der letzte Brief in diesem Paket werden; wenn wir Tyros noch erreichen, ehe der Winter dem Handel ein Ende setzt, solltet ihr diese Zeilen vor der Sonnenwende lesen.-
Prolog

Die antike Welt, genauer gesagt die im Titel von Matthew Woodring Stovers Debutroman heraufdämmernde Eisenzeit, dient der Fantasy zwar häufig als Fundgrube für Ideen, als Setting dagegen taucht sie erstaunlich selten auf. Schade eigentlich, denn der erste Band der Reihe um die Söldnerin Barra besticht durch eine sehr anschauliche, unverbrauchte Kulisse, in der die Erinnerung an Troja noch lebendig ist, übrig gebliebene achaische Helden den Preis auf dem Söldnermarkt drücken und Handelszentren im Morgenland Wohlstand versprechen. Historische Akkuratesse sollte man sich von diesem furiosen Abenteuerreigen allerdings nicht unbedingt erwarten – mit der Einordnung der Epoche durch eher mythologisch als historisch konnotierte Ereignisse wie dem Fall von Troja oder Jericho ist die Zielrichtung von Eiserne Dämmerung hin zur Fantasy und weg vom historischen Roman ganz gut wiedergegeben. Mit vielen Details aus der Sachkultur beweist Stover allerdings, dass er weiß, worüber er schreibt, und sich seine Freiheiten wohl relativ bewusst wählt.
Schauplatz beinahe der gesamten Handlung ist die politisch unabhängige Handelsmetropole Tyrus, deren Unabhängigkeit akut von einem ägyptischen Prinzen bedroht wird, dem alle Mittel (auch Nekromantie) zur Erreichung seiner Ziele recht sind.

Die Struktur des Romans ist eindeutig dem Rollenspiel verhaftet (auch ganz konkret: Barra war ein Charakter von Stovers Frau): Man findet eine Gruppe, lernt sich besser kennen, kehrt in Gasthäuser ein und sucht sich Unterkünfte, und nebenher treibt man einen Auftrag voran, den man sich als arbeitslose Söldnertruppe gerade geholt hat und der einem natürlich alsbald über den Kopf zu wachsen droht.
Herzstück von Eiserne Dämmerung sind die liebenswerten Figuren: Der zaubermächtige ägyptische Ex-Priester Kheperu, ein zwielichtiger Feigling mit jeder Menge Dreck am Stecken (und Körper), der mehr in sich hat, als man ihm auf den ersten Blick abnehmen möchte; Leucas, ein Veteran der Belagerung Trojas – der typische Riesenkrieger, der durch Muskeln besticht, sich aber als nachdenklich und traumatisiert erweist; und schließlich die axtschwingende Piktenprinzessin Barra mit ihrem Wolf Graegduz, eine wunderbar gelungene Kriegerinnenfigur, die weder als Mannfrau fungiert noch chicks-in-chainmail-Klischees bedient und als Kopf der Söldnertruppe Führung („Bist du mit mir oder bist du tot?“) und gemeinsame Ziele (Reichtümer!) vorgibt.
Die aus dem Rollenspiel entlehnte Gruppendynamik steht fast durchgehend im Mittelpunkt, bleibt aber weitgehend klischeefrei, wie schon die herrlich widersprüchlichen Briefe Barras in die Heimat zeigen, die den Roman einläuten und ausklingen lassen. Durch den Abenteuercharakter und den lockeren Pragmatismus der Söldnerprotagonisten liest sich Eiserne Dämmerung ein wenig wie eine dreckigere und gewitztere Version von Richard Schwartz’ beliebten Askir-Romanen, vor allem wenn die drei ungleichen Gefährten sich in verbalem Schlagabtausch ergehen und sich langsam, trotz vieler zurückgehaltener Geheimnisse zusammenraufen. Das Tempo der Haupthandlung leidet allerdings zu Beginn unter diesem launigen Gekabbel.

Stovers Stärken, wenn auch noch nicht voll ausgeprägt, zeichnen sich in seinem Erstling bereits ab und man erkennt sowohl am nach dem Warmlaufen schnell die Richtung wechselnden Plot als auch an den explosiven, brutalen Kampf- und Actionszenen, dass ein angehender Meister der Sword & Sorcery am Werk war, auch wenn Eiserne Dämmerung längst nicht so ausgereift wie die späteren Caine-Romane ist.
Die realistischen Kämpfe, ein Markenzeichen des Autors, stehen dabei oft dicht an dicht mit dem (teils derben) Humor, und auch dieser Stover ist kein Sonntagsspaziergang für zartbesaitete Leser. Die Bildsprache, der der Autor sich bedient, stammt in den brutaleren Szenen eher aus dem Horror oder dem Psychothriller als aus der Fantasy – allerdings begehen diese Taten hier keine Perverslinge, von denen man sich nicht großartig abgrenzen muss, sondern einfach … Menschen.
Zum Ausgleich sorgt allerdings auch eine breite Palette des Heldentums für die richtige Prise Pathos, Figuren wissen zu überraschen, ihre Cleverness ist fast genauso wichtig wie ihre Schlagkraft, auch wenn sie nicht selten falsch gewickelt sind und dadurch erst in die unangenehmen Situationen geraten – und vor allem sind immer wieder für einen Lacher gut.

Abzüge in der B-Note gibt es für die Sprache, die auch ein wenig unter der Übersetzung leidet. Auch im Original schlägt Stover nicht den feinsten Ton an, so dass man sich über Arschlöcher und Konsorten nicht zu wundern braucht, doch gerade in den Dialogen fallen die Modernismen im Deutschen wohl eher ins Gewicht, schnurzpiepegal muss es im alten Orient z.B. nicht unbedingt gleich sein.
Ansonsten bekommt man mit Eiserne Dämmerung herrliche Figuren in einem Setting, das mit seinen Details und zahlreichen Referenzen auf aktuelle Geschehnisse im Handlungsraum (etwa die Wüstenwanderungen dieses seltsamen Stammes, der seinen Gott in einer Truhe mit sich herumträgt) viel orientalisches Flair versprüht und saftige Actionszenen (ja, auch mit Streitwagen 😉 ) bietet.

Der eiserne Rat von China MiévilleEin Geschäftsmann aus New Crobuzon plant eine transkontinentale Eisenbahnlinie, und sie entsteht durch Tausende Arbeiter verschiedener Klassen und Rassen mit einem Tross an Huren und Glücksrittern hinter sich, auch Judah Low findet hier sein Auskommen. Doch New Crobuzon wird außenpolitisch bedroht, und nach einem Befreiungsschlag sind die Arbeiter plötzlich die neuen Herren, und aus dem Zug wird etwas wie ein eigener kleiner Stadtstaat, der Eiserne Rat, der durch seine Revolte den Hass der Obrigkeit von New Crobuzon auf sich geladen hat. Während es in New Crobuzon gesellschaftlich bereits zu brodeln beginnt, macht sich Cutter auf, seinen Geliebten, Judah Low, und den Eisernen Rat zu finden.

Zu Der eiserne Rat liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Elantris von Brandon SandersonElantris war einst die Stadt der Menschen, die über Nacht vom sogenannten Shaod in nahezu allmächtige, unsterbliche Wesen verwandelt wurden und die Welt leiteten. Doch eines Tages verfielen die Bewohner zu lebenden Toten und die Magie war verloren. Seit zehn Jahren vegetieren  die jämmerlichen Überbleibsel der Elantrier dahin, als eines Morgens Prinz Raoden erwacht und entdeckt, dass auch er vom Shaod verdammt wurde. Er wird nach Elantris verbannt, offiziell für tot erklärt und versucht in der verdammten Stadt, das Beste aus seiner Situation zu machen. Seiner Verlobten Sarene bleibt nur übrig, die Politik ihres Gatten aufzunehmen und gegen die religiösen Fanatiker aus Fjorden zu kämpfen, die auf Eroberung aus sind …

-Prince Raoden of Arelon awoke early that morning, completely unaware that he had been damned for all eternity.-
Chapter 1

Mit seinem Debutroman Elantris hat Brandon Sanderson den Grundstein für eine steile Karriere gelegt, die ihn inzwischen als Nachfolger Robert Jordans beim Rad der Zeit und Verfasser eigener umfangreicher Fantasy-Zyklen in die erste Liga der Autoren geführt hat. Liest man seinen gefeierten Erstling,  der durchaus wegweisend für die literarische Richtung ist, die Sanderson seither eingeschlagen hat, weiß man nicht recht, ob man lachen oder weinen soll, weil ein weiteres Mal ein allzu simpel nach Schema F gestrickter Fantasy-Roman die Gunst der Leser erworben hat …
Mit hohem Tempo wechselt Sanderson die Handlungstränge um den durch das Shaod verdammten Prinzen Raoden, der sich im elenden Elantris durchschlägt, seine Verlobte Sarene, ein allen Widrigkeiten zum Trotz emanzipiertes, kluges, politikbegeistertes Mädchen, das sofort die Zügel in Raodens Heimat Arelon an sich reißt und in der Folge die Politik des kleinen Landes komplett auf den Kopf stellt, und den Priester Hrathen, der mit der Kraft der Logik ein ganzes Volk bekehren will und dabei eine fanatische Natter an seinem Busen heranzüchtet. All diese Handlungsstränge laufen ab und berühren sich wie ein gut geöltes Uhrwerk, man steigt schnell ein, aber die Spannung bleibt auf der Strecke, weil alles in so glatten und vorhersehbaren Bahnen verläuft.

Der Held Raoden ist ein Super-Optimist, dem trotz widrigster Umstände in den ersten 250 Seiten gerade einmal drei Zeilen Selbstzweifel zugestanden werden (und dann schlägt der Blitz ein und Raoden darf sich einige Seiten lang im Elend aalen, als hätte der Autor einen Schalter umgelegt); die Heldin ist ein ähnliches Kaliber. Einfache, sich ständig wiederholende Charakterzüge werden verwendet, um den Figuren Eigenständigkeit zu verleihen, bis man es nicht mehr lesen kann, dass Sarene mit ihrem Finger an die Wange tippt, wenn sie kurz vor einer weiteren genialen Idee steht – denn gute Einfälle gibt es am laufenden Meter in Elantris. So schwer Feinde und widrige Umstände den Helden das Leben auch machen, sie sind niemals auch nur einen Augenblick lang um eine Lösung verlegen.
Dabei hat die Handlung durchaus Potential für Spannung – eine Stadt voller Zombies sucht nach Erlösung, während außenherum das Land in den Ruin stolpert. Wenn diese Gemeinschaft der Gefallenen fieberhaft an einem Ausweg für das Hauptproblem – den Fall von Elantris – arbeitet, kann man sich ein wenig mitreißen lassen. Um so enttäuschender ist dann aber die hahnebüchene Auflösung.

Das Ende ist ohnehin ein Spektakel, und kein erfreuliches: Eine bunte, sensationelle und gigantische Explosion von Magie, und wenn man sich vorab schon in einem Hollywood-Schinken der platteren Sorte gewähnt hat, kommen hier erst recht die passenden Szenen für diese These: Ein Totgeblaubter rappelt sich noch einmal blutend und stöhnend auf, um dem Bösewicht in einer kritischen Situation schnell Eins überzubraten, ein längst vergessener Charakter stolpert zufällig aus einer Kneipe und löst eine Kettenreaktion aus. Während ein ganzes Buch lang niemand ins Gras beißen musste, werden innerhalb von drei Seiten beinahe alle getötet (aber mit Auferstehungsoption), und wirklich jede einzelne Figur darf etwas zur Rettung beitragen, auch wenn sie nur für diese eine Aktion 400 Seiten weit mitgeschleppt wurde.
Mit den Holzhammerfiguren, der auf reine Dynamik hinkonstruierten Geschichte und den clever eingebundenen Themen, die ohne in die Tiefe zu gehen angerissen werden – von Emanzipation über Herrschaftssysteme hin zu Selbstbewußtsein und Erfüllung im Leben – kann man Elantris wohl ganz gut konsumieren, aber etwas Besonderes oder gar Subtiles fehlt dieser Klischeeparade, die sich liest, als hätte Brandon Sanderson einfach die Erfolgsformel für Fantasy-Romane abgearbeitet.

Elantris (deutsch) von Brandon SandersonElantris war einst die Stadt der Menschen, die über Nacht vom sogenannten Shaod in nahezu allmächtige, unsterbliche Wesen verwandelt wurden und die Welt leiteten. Doch eines Tages verfielen die Bewohner zu lebenden Toten und die Magie war verloren. Seit zehn Jahren vegetieren die jämmerlichen Überbleibsel der Elantrier dahin, als eines Morgens Prinz Raoden erwacht und entdeckt, dass auch er vom Shaod verdammt wurde. Er wird nach Elantris verbannt, offiziell für tot erklärt und versucht in der verdammten Stadt, das Beste aus seiner Situation zu machen. Seiner Verlobten Sarene bleibt nur übrig, die Politik ihres Gatten aufzunehmen und gegen die religiösen Fanatiker aus Fjorden zu kämpfen, die auf Eroberung aus sind …

-Elantris war wunderschön. Früher einmal. Man nannte es die Stadt der Götter: Ein Ort voll Macht, strahlendem Glanz und Magie.-
Prolog

Zu Elantris liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover des Buches "Eldest" von Christopher PaoliniNach der zunächst siegreichen Schlacht bei Farthen Dûr, bei der Eragon schwer verletzt wurde, ereilt die Varden ein weiterer Schicksalsschlag: Murthag, Ajihad und die magiebegabten Zwillinge werden von einer versprengten Urgal-Truppe überrascht und getötet. Ajihads Tochter Nasuada wird nach inneren Machtkämpfen die neue Anführerin, doch viel Zeit bleibt nicht: Galbatorix weiß nun von dem Versteck der Varden, sie müssen nach Surda fliehen. Gleichzeitig wird Eragon zu den Elfen nach Ellesméra geschickt um seine Ausbildung als Reiter zu vollenden. Doch nicht nur im fernen Süden, auch in Carvahall spitzt sich die Lage zu, denn Roran, das einzige noch lebende Familienmitglied von Eragon, ist ins Visier von Galbatorix geraten.

-I don’ know what I’ll do. I certainly can’t fight for the Varden like this.
Don’t think about it, she counseled. You can do nothing about your condition, and you’ll only make yourself feel worse. Live in the present, remember the past, and fear not the future, for it doesn’t exist and never shall. There is only now.-
Black Morning Glory

Ein paar Jahre sind seit Eragon ins Land gegangen, der Autor ist dem Teenageralter entwachsen und das zeigt sich auch in seinem Buch. Anders als sein Vorgänger, dem man die Wünsche und Träume eines Fünfzehnjährigen anmerkte, hat dieses Buch an Komplexität und Spannung deutlich zugenommen.

Der größte Pluspunkt für mich war, dass nicht mehr nur die Geschichte von Eragon erzählt wird, während die anderen Personen mehr oder weniger im Hintergrund stehen, sondern dass die Perspektive zwischen Eragon, Roran und Nasuada wechselt. Dadurch erhält das Buch gleich viel mehr Tiefe und Komplexität. Teilweise hat es mich mehr interessiert, was aus den Dorfbewohnern wird, als das, was Eragon gerade bei den Elfen lernt. 😉
Ein weiterer Pluspunkt: Die Handlung gewinnt an Fahrt und wirkt schon aufgrund des Perspektivenwechsels nicht mehr allzu stur gradlinig. Insgesamt ist es auch wesentlich spannender als sein Vorgänger, so dass die Seiten geradezu vorbeifliegen.

Die Personen, allen voran natürlich die genannten drei, erhalten im Laufe der Zeit eine Tiefe, die man bei Eragon vermisste, und runden so den Roman noch ab.
Die Stärken, die sich bei dem ersten Teil bereits andeuteten, konnte Paolini in den vergangenen Jahren also ausbauen und damit einen Roman schaffen, der sich in Sachen Spannung und Komplexität nicht verstecken muss.
Negativ anzumerken gibt es eigentlich kaum was, ab und zu sind ein paar kleine Handlungsschwächen drin, aber nichts, was dem Lesespaß einen Abbruch tun würde. So manch einen wird das offene Ende stören, und das Warten auf den dritten Teil fällt jetzt schon schwer …

Die Elementare von Calderon von Jim ButcherDer junge Tavi, der anders als die Bewohner der Dörfer im Grenztal von Calderon ohne die Magie der Elementare leben muss, derer sich jeder außer ihm bedienen kann, passt beim Schafehüten nicht auf, und als er zusammen mit seinem Onkel einem in die Irre gegangenen Schaf hinterherjagt, geraten sie den feindlichen Marat in die Quere. Tavis Onkel wird verletzt, so dass es an dem Jungen liegt, Hilfe zu holen und die Nachricht von der sich anbahnenden Invasion weiterzutragen. Gleichzeitig wird Amara, die als Agentin ausgebildet wird, in eine Intrige gegen den alten Herrscher von Alera verwickelt. Sie kann sich befreien und flieht, doch die Verfolger sind ihr auf den Fersen.

-Der Lauf der Geschichte wird keineswegs von Schlachten, Belagerungen oder dem Sturz von Herrschern bestimmt, sondern durch die Handlungen einzelner Personen.-
Prolog

Die Elementare von Calderon markiert den Aufbruch des bereits für seine Urban Fantasy beliebten Jim Butcher in die High Fantasy, ein Experiment, das im Auftaktband der sechsbändigen Codex-Alera-Reihe teilweise geglückt ist: Handwerklich ist der Roman solide gewobenes Unterhaltungsgarn, das sich angenehm und flott lesen lässt. Woran es allerdings auf beinahe allen Ebenen mangelt, ist Größe.
Nun ist die Fantasy für “kleine” Geschichten, die sich auf wenige Figuren konzentrieren, die nicht gleich die Grundfesten der Welt erschüttern und die ohne Bombast und Pathos auskommen, ein durchaus geeignetes Genre, das zeigen etliche gelungene Beispiele – das Problem ist jedoch, dass Butcher mit seiner Saga um das Reich Alera, das von außen und innen bedroht wird, durchaus Großes im Sinn hat, aber der Ausführung fehlt es zumindest im ersten Band schlicht an Fleisch, um dieses Versprechen zu halten.

Die Welt wirkt zunächst erfreulich bunt, es gibt viele Farbtupfer durch eine eigene Flora und Fauna, und als Alleinstellungsmerkmale sowohl die im Ansatz recht innovative Magie der Elementare als auch die Anlehnung der Zivilisation Aleras an das römische Imperium (irgendwo im Hintergrund wird sogar eine Herleitungsgeschichte dieses Umstands angedeutet – die Bewohner Aleras stammen aus unserer Welt). Unterm Strich bleibt es aber leider bei der Nennung einiger Namen und (militärischer) Titel, weitere kulturelle Nachwirkungen oder Überreste der römischen Herkunft gibt es nicht. Auch die Magie läuft bald wieder in relativ gewohnten Bahnen, wenn man davon absieht, dass die magischen Handlungen mit Hilfe der Elementare erreicht werden – Verkörperungen von Wasser, Erde, Feuer, Metall, Wind und Stein, die jeder Bewohner Aleras an sich binden kann. Mit ihnen werden ganz banale Alltagserleichterungen erwirkt, aber auch – je nach Macht des Einzelnen – beeindruckende Effekte. Außerdem wirken die elementaren Kräfte auch frei in der Welt. Die Elementare, die auch ein Stück weit Persönlichkeit und Eigenständigkeit aufweisen, bringen Codex Alera definitiv einen Extra-Sympathie-Punkt ein, aber innovativ ist das Ergebnis dieser Magieanwendung spätestens auf den zweiten Blick nicht mehr, erst recht nicht für Leute, die schon einmal mit einem High-Magic-System Rollenspiel betrieben haben.
Damit heben sich die Magie, das im Auftaktband eine große Rolle spielende Dorfleben und auch die im Hintergrund immer wieder aufblitzende Welt der Mächtigen weder im Detail noch im Groben vom Standard ab und wirken eher statisch als lebendig – Alera ist keine Welt voller Geschichte und Geschichten.

Ähnlich zielstrebig – und das kann man hier durchaus als Gewinn sehen – geht es bei der Handlung zur Sache. Butcher hält ein hohes Spannungsniveau von Anfang bis Ende durch: Die Helden sehen sich durch dreierlei Feinde bedroht; durch einen egoistischen Grobian, dem die Welt um sich herum völlig gleich ist, die feindliche Barbarenhorde und eher grob intrigierende Verräter sind sie ständigem Druck ausgesetzt und kommen nie zur Ruhe. Protagonist Tavi, als Einziger magielos in dieser magischen Welt, dessen kleiner Dorfkosmos akut bedroht ist, ist die Identifikationsfigur des Lesers, Amara, die angehende Spionin, die sich plötzlich verraten sieht und ihren Dienst für das Reich auf eigene Faust fortsetzen muss, schafft Verbindung zur größeren Geschichte jenseits des beschaulichen Lebens im Grenztal von Calderon.
Butcher erzählt seine Handlung in mehreren Strängen, lässt sie überkreuzen und wieder auseinanderlaufen und gewährt auch Blicke über die Schultern seiner Fieslinge. Er führt den Leser dabei gekonnt durch die Ereignisse. Cliffhanger und ein klassischer Aufbau mit einer spannend erzählten Schlacht am Ende sorgen dafür, dass man theoretisch an den Seiten kleben bleibt, was praktisch vor allem bei Lesern funktionieren dürfte, vor deren Augen ähnliche Geschichten noch nicht allzu oft durchexerziert wurden. Nur wenn zwei Handlungsstränge am selben Ort spielen, wird es hin und wieder etwas ungelenk – gerade an den rasanteren Stellen will man nur ungern in der Zeit zurückspringen und das Geschehene noch einmal von einer anderen Seite aufgerollt sehen.

Butcher setzt auch bei den Figuren vor allem auf Bewährtes, ureigene Aspekte kann er diesen Elementen aber nicht abgewinnen – der vom Dorffiesling geplagte, vom netten Onkel und der netten Tante unterstützte Außenseiter-Held, die tüchtige Jungspionin, die durchschaubar intrigierenden gefährlicheren Gegner und der gütige Herrscher spielen ihre Rolle, und sogar ein edler Wilder hat einen Gastauftritt.
Es scheint, als ließe sich das Konzept, das bei Harry Dresden funktioniert, nur bedingt auf High Fantasy übertragen: den schnellen, dynamischen und in wenig erzählter Zeit abgehandelten Ereignissen – die ganze Sache ist innerhalb weniger Tage gelaufen – fehlt ein Unterbau.

Da sich Die Elementare von Calderon aber auch als Einzelabenteuer lesen lässt (solange man sich damit zufrieden gibt, dass einige Rätsel mit nur einer Andeutung der Lösung in den zweiten Band gehievt werden), eignet sich der Roman trotz seiner Mängel als Entspannungslektüre, die nicht groß fordert und spannend unterhält, wenn man auch als Leser nicht zu viel fordert. Sprachlich ist der Roman eine runde Sache, von einem patenten Erzähler in Szene gesetzt, nur Neues, Großartiges, einen Mehrwert oder eine Wirkung, die über die reine Lesezeit hinausgeht, sollte man sich davon nicht erwarten.

Cover des Buches "Elfenhügel" von Raymond E. FeistPhil Hastings ist ein glücklicher Mann: Er hat Geld, Erfolg und eine Familie, die das Leben auf dem Land in vollen Zügen genießt. Das Haus der Hastings liegt jedoch im Schatten eines sagenumwobenen Hügels, der seit jeher Okkultisten und Abenteurer anlockt.
Hier machen Hastings Söhne eine unheimliche Entdeckung. Im Elfenhügel hausen tatsächlich seltsame Geschöpfe. Aus dem Spiel wird bald gefährlicher Ernst, als Hastings feststellen muss, dass seine Söhne vertauscht wurden …

-Vor dem Schlafzimmerfenster der Jungen glitt etwas Dunkles und Fremdartiges die Regenrinne hinab und schwang sich auf den nächstgelegenen Ast. Es kletterte den Baum hinunter, sprang von Ast zu Ast und ließ sich die letzten Meter fallen. Es bewegte sich unnatürlich schnell und mit wiegendem Gang, ein gebeugeter, affenartiger Schemen. –
Der Hügel des Erlkönigs – Juni; 5. Kapitel

Raymond Feist versteht es, wirklich gute Fantasy-Bücher zu schreiben – und Elfenhügel ist so eines. Die Geschichte der Familie Hastings, die in ein altes Haus mit riesigem Grundstück zieht, ist eines der besten Bücher, die ich bisher gelesen habe.

Schon auf den ersten Seiten wird Spannung erzeugt, die sich das ganze Buch über halten kann. Der keltische Hintergrund der Geschichte ist wunderbar eingebaut und führt zu einem atmosphärisch dichten Roman, der mich sofort gefesselt hat. Die Ereignisse, in welche die Hastings hineingezogen werden, werden grandios erzählt und erzeugen (besonders gegen Ende) ein Gänsehautgefühl beim Leser. Die Charaktere des Romans werden facettenreich und glaubwürdig dargestellt, so dass es leicht fällt, sich mit ihnen zu identifizieren.

Was mir besonders gut gefallen hat, ist, dass Feist nicht zum alten Schema Gut/Böse greift. Es gibt natürlich einen magischen Gegenspieler, doch seine Position wird gegen Ende in ein ganz anderes Licht getaucht, als man es zu Beginn erwartet. Überhaupt ist der Roman vor allem eines: unvorhersehbar. Ich hatte bis zum Schluss keine Ahnung, wie es enden würde, was es mit den seltsamen Geschöpfen auf sich hat und wie die geheimnisvollen menschlichen Besucher in das Bild passen.
Die Lösung, die Feist präsentiert, ist genauso faszinierend wie überraschend. Ein wirklich gelungener Roman. Das einzige, was fehlt, ist Langeweile!

Cover von Elfenwinter von Bernhard HennenÜber hunderttausend verkaufte Exemplare, monatelang auf der Spiegel-Bestsellerliste: Bernhard Hennens Die Elfen war der in Deutschland erfolgreichste Fantasy-Roman seit Jahren. Mit Elfenwinter kehrt er zurück in die Welt der geheimnisvollsten Geschöpfe, die es je gegeben hat. Dies ist die definitive Geschichte über ein Volk, das aus dem Mythenschatz der Menschheit nicht wegzudenken ist – unentbehrlich für jeden Herr-der-Ringe-Leser.

-“Sie werden versuchen, die Königin zu töten.”.-
Das Fest der Lichter

Als ich durch Zufall erfuhr, dass es einen Nachfolger zu Die Elfen geben sollte, war die Vorfreude natürlich groß, wieder von Farodin und Nuramon zu lesen. Nach den ersten Buchseiten war ich dementsprechend verwundert, als die Geschichte nicht nach dem Ende des ersten Bandes einsetzte, sondern einen deutlich früheren Handlungsfaden aus Die Elfen aufnimmt. Trotz dieser enttäuschten Erwartung ist Elfenwinter ein durchaus gelungener Roman. Bernhard Hennen erzählt im Nachfolger von Die Elfen Geschichten, die im ersten Band durch Zeitsprünge überflogen und nur am Rande erwähnt wurden.

Dies soll man nun aber nicht in geringster Weise so verstehen, dass der Autor die Überreste aus dem ersten Band verwerten wollte und diese auf knapp 900 Seiten gestreckt hat, vielmehr wird das Schicksal der Nordmänner nach dem Weggang Mandreds weitergesponnen. Daher ließe sich auch über die Titelwahl streiten, denn im Gegensatz zum ersten Band stellen Elfen nur noch einen geringen Teil der Protagonisten, allerdings spielt das ambivalente Verhältnis zwischen Elfen und Nordmännern auch in diesem Band wieder eine große Rolle, auf das hier durch die Figur Alfadas’ ein etwas anderer Blick geworfen wird. Die Hauptpersonen (Alfadas, Ollowain und meiner Meinung nach auch Orgrimm) kommen aus drei verschiedenen Rassen und es werden mehrere verschiedene Handlungsstränge aufgegriffen. Die Trennung zwischen Gut und Böse wird stärker verwischt als in Die Elfen, wo der Devanthar klar den Antagonisten stellte. Bernhard Hennen gibt den Trollen, den Gegenspielern des vorliegenden Bandes, eine Hintergrundgeschichte (die Vertreibung aus ihrer Heimat), durch die man die Trolle sogar machmal verstehen kann, dazu trägt gerade die Figur des Orgrimm bei. Dagegen fällt es schwerer, mit Alfadas warm zu werden. Einerseits hält er auf den ersten Blick einem Vergleich mit Mandred, dem kantigen Sympathieträger aus dem Vorgängerband, nicht stand, andererseits ergeben sich diese unterschiedlichen Charakterzüge aus der jeweiligen Vergangenheit der Figur, und aus Alfadas einen zweiten Mandred zu machen, wäre ein starker Bruch in der Entwicklung der Figur. Lässt man sich auf Alfadas ein, entwickelt er gerade durch seine Andersartigkeit zu Mandred durchaus eine eigene Faszination.

Bernhad Hennen schreibt seine Geschichte in der ihm eigenen, sehr bildreichen Sprache, die manche Leser auch von alten DSA-Romanen kennen werden. Besonders die Grausamkeiten und die rohen Manieren der Trolle werden sehr gut veranschaulicht. Dies alles trägt zur Authentizität des Romans bei, schildert es doch die Begebenheiten und Geschehnisse während des zweiten Trollkriegs. Hennens Angewohnheit, zwischen den Handlungssträngen hin und her zu springen, gefällt mir persönlich sehr gut, da die Geschichte dadurch an Abwechslung gewinnt.

Cover von Elric von Michael MoorcockIn The Dreaming City kehrt Elric als rechtmäßiger Thronanwärter in die letzte verbliebene Stadt des einst mächtigen Reiches von Melniboné zurück. Allerdings nicht um den Thron zu beanspruchen, sondern an der Spitze einer Seeräuberarmada und von Rachedurst getrieben. In While the Gods Laugh begibt sich Elric auf die Suche nach einem Buch der Alten Götter, um mehr über die Götter und sein Schicksal in der Welt zu erfahren. Dabei stellen sich ihm nicht nur allerhand phantastische Ungeheuer in den Weg, sondern er lernt auch seinen künftigen Side-kick Mondmatt (im Original Moonglum) von Elwher kennen. Rachsucht treibt den Prinzen von Melniboné in Stealer of Souls dazu, sich einem Komplott gegen den Händler Nikorn anzuschließen, denn dieser beherbergt einen Zauberer, mit dem Elric noch eine Rechnung zu begleichen hat. In Kings in Darkness begeben sich Elric und Mondmatt ins Reich der körperlich und geistig versehrten Orgians, wo sie sich auch noch mit Untoten herumschlagen müssen, dabei aber eine ganz besondere Bekanntschaft machen. In The Caravan of Forgotten Dreams wird Elrics lang ersehnter Friede durch eine sengende Barbarenhorde gestört, deren Anführer sich für einen mächtigen Zauberer hält. In Stormbringer schließlich entspinnt sich der alles entscheidende Kampf zwischen den Mächten der Ordnung und des Chaos.

-Then he realized that he and the sword were interdependent, for though he needed the blade, Stormbringer, parasitic, required a user – without a man to wield it, the blade was also powerless. ‘We must be bound to one another then,’ Elric murmured despairingly. ‘Bound by hell-forged chains and fate-haunted circumstance. […]’- S. 34

Elric von Melniboné ist wohl eine der bekanntesten Heldengestalten der Fantasy, kein Wunder also, dass ihm auch ein Band der Fantasy Masterworks-Reihe gewidmet ist. Ob dieser jedoch geeignet ist, den in den 1960er Jahren entstandenen Helden auch modernen LeserInnen nahezubringen? Der Sammelband umfasst dabei nicht sämtliche Erzählungen, in denen der Prinz von Melniboné eine Rolle spielt, liefert aber dessen ursprüngliche Geschichte. Elric vereint nämlich fünf Erzählungen, als da wären The Dreaming City, While the Gods Laugh, The Stealer of Souls, Kings in Darkness und The Caravan of Forgotten Dreams, sowie den Roman Stormbringer in sich. Dabei liefern die Erzählungen Vorwissen für Stormbringer, in dem Elrics Geschichte in einem großen Finale mündet, gleichzeitig ist in diesem „Kanon“ genug Spielraum für die später verfassten Abenteuer Elrics. Alle diese Geschichten rund um den schicksalsgeplagten Albino sind Anfang der 1960er Jahre entstanden, und man muss sagen, dass nicht alle gut gealtert sind. Hierbei sollte aber auch erwähnt werden, dass diese Erzählungen ursprünglich als Fortsetzungsgeschichten erschienen sind, woraus sich ihr manchmal etwas zergliederter und auch pulpiger Eindruck erklärt.

Eine Schwierigkeit, die sich bei vielen übermächtigen Helden ergibt und die auch Moorcock nicht immer ganz gelungen meistert, ist, wie man diesen vor erzählerisch spannende Probleme stellt. So schwanken Elrics Fähigkeiten eher dramaturgisch als logisch nachvollziehbar von Erzählung zu Erzählung, dabei sind seine übermächtigen Zauberfähigkeiten fast problematischer als seine Schwächen, denn während für letztere mit seiner körperlichen Abhängigkeit von Sturmbringer (im Original Stormbringer) eine immer wieder einsetzbare Erklärung vorhanden ist, bleibt der einmalige Einsatz mancher Fähigkeiten unerklärt.

Auch das Frauenbild ist eines, das zutiefst den historischen Umständen verpflichtet ist, denn in seinen Frauenbeziehungen erinnert Elric mehr an James T. Kirk als an eine tragische Heldenfigur, liegen ihm doch die wenigen Damen, die in den Geschichten eine Rolle spielen, stets zu Füßen. Ebenso verfällt ihm Zarozinia nach nur acht Seiten so sehr, dass sie Elric ehelichen will – nach einer Dialogszene und einer Liebesnacht …
Aber nicht nur die Frauen, auch die übrigen Figuren werden zumeist eher pragmatisch, das allerdings gekonnt, charakterisiert. Mondmatt etwa bleibt stets das willkommene Gegengewicht zum grüblerischen, selbstmitleidbeladenen Prinzen von Melniboné und bringt etwas Humor in die eher bedrückenden Geschichten.

Was Elric zu einem Klassiker der Fantasyliteratur gemacht hat, funktioniert allerdings auch heute noch, und das ist die Figur des Elric selbst. Denn ihn zeichnen an sich weder seine Kampf- und Zauberfertigkeiten noch seine Frauengeschichten besonders aus, sondern sein Außenseiterdasein und sein Potenzial zum Antipathieträger. Körperlich schwach ist er abhängig von seinem schwarzen Runenschwert Sturmbringer, das ihm jedoch nicht nur Kampf- und Zauberkraft verleiht, sondern auch (bösartig) in seine Geschicke eingreift. Diese ambivalente Beziehung spielt in jeder der enthaltenen Erzählungen eine prominente Rolle und wird gelungen in Stormbringer beendet. Das Hadern mit seinem eigenen Schicksal und der (Un-)Ordnung der Welt, sein Hang zum Rachedurst sowie zur Theatralik (auch in Sachen Selbstmitleid) machen ihn zu einer spannend gebrochenen Heldenfigur. Gleichzeitig weist er auch schon beinahe liebenswert banale Schwächen (Höhenangst) und Schrulligkeiten auf.
Auch der Weltenbau ist voller interessanter Aspekte und atmosphärisch-archaischer Szenen und Schauplätze. Gerade in Stormbringer entfaltet sich das Potential der Figur Elric und seiner Welt, das in den Erzählungen nicht immer ganz zum Vorschein kam, voll. Ein größerer Handlungsrahmen, mehr Figurenzeichnung und ein gelungenes Finale entschädigen für so manche Schwäche auf den vorangegangenen Seiten.

Elrics Abenteuer bieten also keinen gänzlich ungetrübten Genuss, die genrehistorische Bedeutung dieser Heldenfigur wird aber dort, wo ihr etwas mehr Raum neben actionorientierten Abenteuern zugestanden wird, offenbar und kann euch heute noch ihre Wirkung entfalten.

The Elves and the Otterskin von Elizabeth H. BoyerEher aus Unbedarftheit als aus bösem Willen töten einige unfähige Elfenspione im Zwergenreich einen Fischotter, mit dem es mehr auf sich hat als auf den ersten Blick zu erkennen. Wenn sie das Wergeld, das der Zwergenkönig von ihnen fordert, nicht binnen kürzester Frist auftreiben, droht ein Krieg zwischen Zwergen und Elfen, und genau darauf baut der intrigante Nekromant Lorimer, der gern selbst die Macht im Zwergenreich übernehmen würde. Den Elfen bleibt nur die Hoffnung, rasch den Schatz des Drachen Fafnir an sich zu bringen. Doch Fafnir kann nur mit einem magischen Schwert erschlagen werden, und als dessen neuer Träger ist ausgerechnet der wenig heldenhafte Zauberlehrling Ivarr ausersehen …

– Second sons of poor fishermen always got the short shrift, Ivarr reflected darkly as the old cart rattled and jerked along. The horse pulling it was much older than he was, and the cart itself was certainly from the first landing on Skarpsey long ago. Ivarr glanced sideways at the owner of these relics and summed her up as the oldest and most sinister-looking woman he had ever seen – even barring the fact that she was the famous witch of Hvitafell. –
Chapter One

Ein Held wider Willen, der zusammen mit einem Zauberer und einem Trupp nur bedingt abenteuertauglicher Angehöriger eines Fantasyvolks auszieht, um einem Drachen einen Schatz abzujagen, an dem auch Dritte viel Interesse haben? Für passionierte Fantasyleser ist es sicher gar keine Frage, von welchem Buch da die Rede ist, und obwohl man ohne viel Mühe auch noch gewisse Parallelen zu Gollum oder Gandalfs Kampf mit dem Balrog aufspüren kann, greift der Vergleich mit Tolkien zu kurz, um The Elves and the Otterskin zu beschreiben.

Was Boyer bietet, ist vielmehr eine ganz eigene Mischung aus einer augenscheinlich auf fundierten Kenntnissen basierenden Interpretation altnordischer Mythologie und Slapstickhumor, der nicht selten an Klamauk grenzt. Dabei hätten die einzelnen Elemente, die in den Roman Eingang finden, durchaus reichlich Gelegenheit geboten, sich in Dramatik und Düsternis zu ergehen: Der Schurke Lorimer ist wortwörtlich eine wandelnde Moorleiche und hält sich den wiederbelebten Kopf eines toten Gegners als Ratgeber, Mord, Totschlag und Verzauberung sind allgegenwärtig, und der eindrucksvoll geschilderte Handlungsort Skarpsey erinnert mit seinen dünn besiedelten Gebirgen und Lavafeldern an ein phantastisches Island, das auch als Kulisse für eine weniger heitere Geschichte getaugt hätte.

In gewissem Maße ist es erfrischend, solche sonst oft ganz anders verwendeten Zutaten jeglichen Pathos’ entkleidet zu sehen, und besonders, wenn man einige Vorkenntnisse der Sagen, die Boyer verarbeitet hat, mitbringt, kann man sich sehr darüber amüsieren, was hier etwa aus Andvari und seinem Fluch, Ottar, Regin und Fafnir oder sogar dem Konzept der Fylgja wird. Auch die titelgebenden Elfen selbst bieten (mit Ausnahme des enigmatischen Eilifir) nicht gerade das, was man aus Mythologie und Fantasy von ihnen zu erwarten gewohnt ist, sondern glänzen über weite Strecken vor allem durch Inkompetenz und Streitigkeiten untereinander.

Doch dieser Humor ist ein zweischneidiges Schwert, und das nicht nur, weil er manchmal etwas zu bemüht wirkt – er untergräbt auch, und das wohl größtenteils unfreiwillig, die Wirksamkeit derjenigen literarischen Motive, die im Rahmen der Handlung ihren ganz klassischen Zweck erfüllen sollen, wie etwa das des Drachenkampfs. Gerade hier drängt sich der Vergleich zum Hobbit dann doch wieder auf, denn während es Tolkien trotz aller zum Schmunzeln anregenden Momente gelingt, Smaug glaubhaft als bedrohlich zu schildern, kann man Boyers altersschwachen Fafnir beim besten Willen nicht ganz ernstnehmen (und wenn man es doch tut, packt einen vor allem das Mitleid).

Als rite de passage für Ivarr und seine Kumpane taugen die durch den Kakao gezogenen Ereignisse allenfalls bedingt, so dass es einem schwerfällt, die durchaus ein gewisses Heranreifen umfassende Charakterentwicklung der Protagonisten und den bist zuletzt überwiegend farcehaften Plot miteinander in Einklang zu bringen. Doch obwohl die Mischung aus konventioneller Queste und Veralberung somit keine auf allen Ebenen befriedigende Auflösung erfährt, bildet sie streckenweise eine vergnügliche Lektüre, die an ihren besten Stellen beweist, wie frei und fabulierfreudig ein mit seinen Inspirationsquellen gut vertrauter Autor scheinbar Altbekanntes umdeuten kann, in anderen Szenen aber wiederum die möglichen Tücken eines solchen Vorgehens erkennen lässt.

Cover von Embassytown von China MiévilleAvice Brenner Cho ist in Botschaftsstadt auf dem Planeten Arieka aufgewachsen. Umgeben von einer Luftblase, um die Menschen vor der für sie giftigen natürlichen Atmosphäre des Planeten zu schützen, bildet Botschaftsstadt eine kleine Kolonie, die vor allem in linguistischer Hinsicht einzigartig ist. Denn die insektioden Ariekei sprechen mit zwei Stimmen gleichzeitig, können nicht lügen und nur mit Lebewesen kommunizieren, die selbst mit zwei Stimmen sprechen. So hat sich in Botschaftsstadt eine eigene Hierarchie rund um die “Botschafter” gebildet, Beinahe-Klone, geschaffen, um wie ein Wesen mit zwei Stimmen zu wirken. Als jedoch das imperiale Zentrum Bremen einen neuen Botschafter entsendet, gerät Avice’ Welt plötzlich aus den Fugen …

-The miab splits, sending blades of hull matter viciously airborne. Something from the immer comes out. […] It was put down quickly. They hammered it with sometimes-guns, that violently assert the manchmal, this stuff, our everyday, against the always of the immer.- S. 22/23

Wer schon einmal Leseerfahrungen mit China Miéville gesammelt hat, der ahnt wahrscheinlich schon, dass einen wieder ein ganzer Strauß phantastischer Vorstellungen, Szenarien und Kreaturen erwartet. Denn auch wenn sich Embassytown relativ deutlich einem Genre – nämlich der Science Fiction – zuordnen lässt, was ungewöhnlich ist für Miéville, so finden sich darin doch viele Tugenden und Motive wieder, die typisch sind für den britischen Autor. Zwar ist Embassytown ein SF-Roman und bietet in der ersten Hälfte und am Schluss sehr viel Entdeckergeist und Raumfahrerflair, der Großteil des Buches ist jedoch bestimmt von Miévilles Faszination für das Urbane und so bildet die namensgebende Stadt auch den wichtigsten Handlungsschauplatz. Die fremdartigen, faszinierenden und monströsen Aspekte von Botschaftsstadt sowie der sie umgebenden Ariekei-Stadt zu erforschen, die sich darin abspielenden Machtspielchen zwischen verschiedenen Fraktionen und wechselnden Allianzen kennenzulernen, macht einen Großteil des Reizes von Embassytown aus. Denn Miéville versteht es erneut, seine Welt mit einzigartigen Geschöpfen zu füllen und die Fähigkeit der Ariekei organische Materie und Technologie zu chimärenartigen Maschinen, Waffen oder auch Gebäuden zu verschmelzen sowie die ganze sich daraus ergebende Ökonomie sorgen für unfassbar eindrückliche Szenen.

Aber dieses Kennenlernen der Welt passiert quasi im Vorbeigehen, während man in zwei verschiedenen Zeitsträngen einerseits die Ereignisse nach dem Eintreffen des neuen Botschafters verfolgt und andererseits mehr über Avice, ihre Kindheit in Botschaftsstadt, ihre Jahre als Weltraumreisende und ihre Rückkehr in ihre Heimatstadt erfährt. Dieser Art Exposition hat Miéville viel Platz eingeräumt, was dem Roman sehr gut tut. Zwar schreitet dadurch die eigentliche Handlung längere Zeit weniger rasch voran, es halten einen jedoch sowohl das Setting – etwa Miévilles eher philosophische als physikalische Lösung für intergalaktische Reisen durch den zeitlosen Raum des “immer” -, als auch die Heldin selbst bei der Stange, die eine der zugänglichsten ProtagonistInnen ist, die Miéville bisher erschaffen hat.

Das Faszinierendste an Embassytown und zugleich dasjenige, das Lesern und Leserinnen wohl am meisten Kopfzerbrechen bereiten dürfte, ist das Hauptthema des Romans, nämlich Sprache oder konkreter “die Sprache” (im Original: “Language”, im Gegensatz zu jeder anderen “Sprache”, “language”) der Ariekei. Dass sie gleichzeitig mit zwei verschiedenen Mündern in zwei unterschiedlichen Tonlagen sprechen, ist dabei noch das herkömmlichste an der Sache. “Die Sprache” ist nämlich nicht wie jede andere durch Signifikant (das Bezeichnende), Signifikat (das Bezeichnete) und die Beziehung zwischen den beiden bestimmt, sondern sie kann nur das ausdrücken, was in der Welt ist. Das heißt auch, dass die Ariekei nicht lügen können. Durch die Ankunft der Menschen verändert sich diese Beziehung der Ariekei zu ihrer Umwelt jedoch langsam aber nachhaltig und wird schließlich durch den neuen Botschafter erschüttert. Welche dramatischen Folgen dies zeitigt und wie damit umgegangen wird, macht den eigentlichen Plot des Romans aus, der besonders im letzten Drittel des Romans rasant zulegt und trotz des sprach- und gesellschaftsphilosophischen Themas nichts an Spannung vermissen lässt. Dabei vermeidet Miéville gekonnt Exotismen, sondern spielt sogar mit dem Bild vom “edlen Wilden”, so wie der immer mal wieder aufblitzende große Rahmen eines galaktischen Imperiums gewisse Parallelen zur Endphase des Imperialismus im 20. Jahrhundert aufweist und Raum für weitere Romane in diesem Universum böte.

Natürlich ist auch Miévilles idiosynkratischer und neologismenreicher Schreibstil wieder mit von der Partie, der die passenden Wortungetüme zu den fiktiven Monstrositäten liefert. Dieser Roman ist damit sowohl für Miéville-Kenner, als auch für solche, die es noch werden wollen, zu empfehlen, besonders aber jenen, die sich gerne mit Sprache befassen.

The Emerald Storm von Michael J. SullivanKönig Alric wird ein Brief zugespielt, aus dem hervorgeht, dass für den Kriegserfolg des feindlichen Kaiserreichs die geheime Mission des Schiffs Emerald Storm von entscheidender Bedeutung ist. Obwohl Royce, dessen Hochzeit unmittelbar bevorsteht, und der mit einer privaten Queste beschäftigte Hadrian eigentlich andere Pläne haben, lassen sie sich breitschlagen, die Fahrt als Seeleute getarnt mitzumachen, um mehr herauszufinden. Doch diesmal hat Royces Erzfeind Merrick Marius die Hand im Spiel, und das droht nicht nur den beiden Gaunern zum Verhängnis zu werden, sondern auch Prinzessin Arista zu gefährden, die mittlerweile auf eigene Faust nach dem gefangenen Rebellen Degan Gaunt sucht …

– “Why does this always happen?“ Royce asked. “Why are we always hanging on a wall waiting to die by slow vivisection? I just want to point out that this was your idea – again.“ –
(Chapter 25 – Invasion)

The Emerald Storm ist in mehrerlei Hinsicht der bisher schwächste Roman der Riyria Revelations.  Zum Teil hängt das sicher damit zusammen, dass Michael J. Sullivan an dieser Stelle in der übergreifenden Geschichte schon zu weit vorangekommen ist, um sie noch sinnvoll mit seinem eigentlich angestrebten Konzept der in sich abgeschlossenen Einzelepisode verbinden zu können: Er muss sein Figurenensemble erkennbar für die beiden abschließenden Bände der Serie in Stellung bringen und immerhin einige der bisher aufgeworfenen Sachfragen klären.

Die Konzentration darauf geht zulasten der Handlung. Der Paukenschlag, mit dem sie einsetzt, als gleich im ersten Kapitel eine zentrale Gestalt einem Attentat zum Opfer fällt, täuscht: Was folgt, ist streckenweise nichts als eine mehr oder minder übersteigerte Wiederholung von Elementen der vergangenen Bände. Besonders Aristas Erlebnisse – ein riskanter Alleingang, das Hineinwachsen in die eigenen magischen Fähigkeiten und eine tragisch endende Beziehung zu einem nicht standesgemäßen Mann – wärmen fast exakt das wieder auf, was schon in Nyphron Rising geschildert wurde. Doch auch Hadrian und Royce ergeht es kaum besser. Zwar ist ihr Handlungsstrang auf den ersten Blick komplexer aufgebaut, doch im Grunde wiederholt sich auch hier ein vertrautes Schema.

Wie zum Ausgleich für das, was das Grundgerüst des Plots nicht bieten kann, zwängt Sullivan eine Überfülle von Einzelabenteuern häufig exotischer Prägung in diesen einen Band. Von einem Seegefecht über eine Dschungelexpedition und Begegnungen mit klischeebefrachteten Eingeborenen (die zu allem Elend auch noch mit ausgeschriebenem Akzent sprechen) bis hin zu einem aufgezwungenen Gladiatorenkampf ist wirklich für jeden Geschmack etwas dabei.

In der Summe ist das etwas zu viel des Guten. Gerade die Szenen auf dem titelgebenden Schiff wirken wie ein Fremdkörper in dem vagen Pseudomittelalter, das Royce und Hadrian gewöhnlich durchstreifen. Sullivan schildert Schiffstypen, Kommandostrukturen und Segelmanöver, die eher im 18. bis 19. Jahrhundert zu verorten wären, und wenn auch in einer Fantasywelt per definitionem keine echten Anachronismen möglich sind, werden doch die falschen Assoziationen wachgerufen. Dass Sullivan diesen unvereinbaren Kontrast beabsichtigt hat, ist kaum anzunehmen, und es bleibt ein unfreiwillig merkwürdiges Leseerlebnis, wenn die seekranken Helden sich in eine Mannschaft in bester Age-of-Sail-Tradition einzufügen versuchen, während unter Deck eine Mischung aus Tempelritter und Inquisitor Folter- und Mordgelüste an gefangenen Elfen auslebt.

Das amüsante bis anrührende Zusammenspiel der beiden Protagonisten funktioniert allerdings immer noch, und spätestens, als ein sehr heterogener Trupp von der Emerald Storm in den Dschungel aufbricht, gelingt es Sullivan auch, eine durchaus interessante Gruppendynamik herzustellen. Über einen Mangel an Action kann man sich ebenfalls nicht beklagen, und so ist das Buch insgesamt nicht ohne Unterhaltungswert – nur eben ganz gewiss nicht mehr als die Summe seiner Teile.

Empire in Black and Gold von Adrian TchaikovskyCollegium, eine Stadt der Wissenschaft und der Freigeister, ist einer von vielen Stadtstaaten, die mehr oder weniger friedlich unabhängig voneinander existieren. Auf Stenwold Maker, einen Gelehrten, der seit Jahren vor den Eroberungsplänen des sich ausbreitenden Wespenimperiums warnt, hört daher niemand.
Frustriert, aber dennoch unermüdlich hält er sein Netzwerk aus Informanten aufrecht und sucht sich aufgeweckte junge Studenten, die er unter seine Fittiche nimmt und für den Ernstfall ausbildet, unter anderem seine Nichte Che. Als die Wespen tatsächlich ihre Fühler ausstrecken, steht er als einer der ersten auf ihrer Abschußliste.

-After Stenwold picked up the telescope for the ninth time, Marius said, ‘You will know first from the sound.’-
One

Wie schreibt man eine glaubwürdige Empfehlung für etwas, das sich am ehesten mit ‘Insekten-Steampunk’ zusammenfassen ließe? Beim einen oder anderen kann man vielleicht noch Biene-Maja-Erinnerungen aufwärmen, wenn friedlich-fleißige Käfer und Grashüpfer mit Laissez-faire-Attitüde von fiesen Wespen in Bedrängnis gebracht werden, aber die meisten erwachsenen Leser werden wohl müde abwinken. Auch wenn die Käfer mangels eigener Flugfähigkeit tollkühne Flugmaschinen ersinnen und die Wespen ihre finsteren Absichten hinter dem Versprechen eines Wirtschaftsbooms für die allzeit zu Waffenexporten bereiten Käfermagnaten verbergen.
Die Weltschöpfung von Adrian Tchaikovsky ist definitiv einer der gewagteren Entwürfe der letzten Jahre im Bereich der mehrbändigen Fantasy-Sagas (und das ist Shadows of the Apt mit seinen angedachten zehn Bänden in mehreren Handlungsbögen). Seine Welt ist von Insekten bestimmt, die nicht nur als Arbeits- und Reittiere und (ganz im Sinne der Bionik) Ideengeber für die Technik dienen, sondern deren Eigenschaften sich auch auf die Menschenvölker übertragen haben, so daß die sonst durchaus humanoiden Ameisen, Käfer, Mantiden, Spinnen und Wespen über einige interessante spezifische körperliche Merkmale und Fähigkeiten verfügen. Und das funktioniert erstaunlich gut: Tchaikovsky ist es gelungen, das Wesen der Insekten einzufangen, ohne bei ein paar farbenfrohen Oberflächendetails wie Flugfähigkeit oder Panzerung zu bleiben. Nach und nach offenbart sich, daß die Anleihen bei den vielbeinigen Wesen bis tief in die Psyche der Figuren reichen: Von den auch geistig oftmals unbeweglichen Käfern über die eleganten (und natürlich im Matriarchat organisierten) Spinnen bis hin zu den aggressiven, unberechenbaren Wespen. Ja, das sind fraglos Stereotype, aber ausgesprochen clever eingesetzte und frische, die sich nicht ohne weiteres auf klassische Fantasyvölker übertragen lassen.

Tchaikovskys Insektenvölker machen viel von der Faszination der launigen Abenteuergeschichte aus, zumal sie sich natürlich in bester Fantasymanier untereinander nicht ganz grün sind: In der jüngeren Geschichte der Welt haben die Völker mit technischer Begabung das Joch der magisch begabten Eliten, die ehemals über sie geherrscht haben, abgeworfen, und im Hintergrund vollzieht sich diese Zeitenwende immer weiter. Vor dieser Kulisse leben die Wespen ihre imperialistischen Gelüste aus, die mit der Industrialisierung und der Bewaffnung der Massen einhergehen. Setting und Technik erinnern stark an die Zeit des Ersten Weltkriegs, doch obwohl es sich angeboten hätte, wurde dem Abenteuerelement der Vorzug vor einer grim & gritty-Ausrichtung gegeben. Statt dessen sind es vor allem positive menschliche Aspekte, die der Geschichte ihre größten Momente bescheren, und der Autor gönnt sich und dem Leser ein paar wunderschöne Szenen, in denen die Figuren über sich hinauswachsen können.
Diese Charaktere sind geradezu klassisch aufgestellt: Ein Trupp vielversprechender junger Leute, aus allen Völkern zusammengewürfelt, die sich erst noch bewähren müssen, mit wenigen älteren Mentoren, die schwer an ihrer Vergangenheit tragen. Es dauert eine Weile, bis die Figuren – genauso wie Handlung und Welt – zu ihrer ganzen Form auflaufen und zeigen, daß man es nur an der Oberfläche mit einer Geschichte zu tun hat, wie man sie schon hundertmal gelesen hat. Ganz besonders ausgeklügelt sind auch die Antagonisten angelegt, allen voran der findige Geheimdienstler Thalric. Sie geben dem imperialistischen Wespenreich ein Gesicht und sorgen dafür, daß es eine sehr eindrucksvolle Bedrohung bleibt, ohne zum reinen “Bösen” zu verkommen.

Der Konflikt zwischen den ungleichen Parteien spielt sich in einem atemlosen Abenteuerreigen ab – es gibt unzählige Cliffhanger, die Flucht von einem Luftschiff, Einbrüche in Regierungsgebäude, Untergrundbewegungen, Verfolgungen mit interessanten Fahrzeugen. Wer nun Indiana Jones oder anderes (gelungenes!) Popcornkino vor Augen hat, liegt für weite Teile der Handlung ganz richtig; überraschend ist da schon vielmehr der Tiefgang, der durch die Weiterentwicklung der Charaktere und den Hauch des geschichtlichen Umbruchs entsteht, der über allem liegt und mit aus der Realität bekannten Entwicklungen spielt. Auch moralisch diffizile Situationen sorgen für nachdenkliche Momente, ebenso eine erstaunlich gelungene Figurenpsychologie.
Das Tempo bleibt trotzdem durchgehend hoch, und so etwas wie die typischen Landschaftsbeschreibungen der epischen Fantasy wird man in Empire in Black and Gold vergeblich suchen – wenn überhaupt, konzentriert Tchaikovsky sich aufs urbane Milieu oder technische Errungenschaften. Manchmal blitzen auch für einen Augenblick die Legenden und Geheimnisse seiner Welt auf, und die machen definitiv Lust auf mehr.
Wer sich auf die lange Chronik des Kampfes gegen das Wespenimperium einlassen möchte (der erste Handlungsbogen ist in vier Bänden erzählt), findet eine charmante Variante des auf Abenteuer und Gruppendynamik fokussierten Fantasy-Epos, in der auch stilistisch oft geradezu ungewöhnlich geradlinig erzählt wird: Wo die Schnörkel fehlen, fehlen auch umständliche Verrenkungen, und es liest sich durchaus erfrischend, wenn Tchaikovsky auf so manche unausgesprochene Regel verzichtet und einfach loslegt, wie es seiner kurzweiligen Handlung am besten dienlich ist.
Freunde rasanter Abenteuer-Action mit Herz und jeder Leser, der gerne  neuen Konzepten und Ideen auf die Spur geht, sollten also ihre Arachnophobie überwinden und keine Angst vor der Insekten-Invasion im Buchregal haben.

Cover von Endymion Spring von Matthew SkeltonMainz zur Zeit Johannes Gutenbergs: Im Dunkel der Winternacht schleift eine abgerissene Gestalt eine schwere Truhe durch den Schnee. Um den Deckel der Truhe winden sich Schlangen aus schwarzem Metall.
Jahrhunderte später streift Blake gelangweilt durch die Bibliothek des ehrwürdigen St. Jerome’s College in Oxford. Er zieht ein Buch aus dem Regal, und plötzlich ist ihm, als hätte ihn etwas in den Finger gestochen. Auf dem Einband des Buches steht, verblichen und kaum noch lesbar Endymion Spring. Er ist auf ein uraltes Geheimnis gestoßen.

-Jetzt erkannte ich das Verhängnisvolle meiner Handlungsweise. Ich hatte die ganze Welt des Wissens geöffnet – das Buch der Bücher, dessen Ende nicht vorstellbar war. Wie konnte ich es wieder schließen?-
(Mainz, Frühjahr 1453)

Das Buch der Bücher – jeder stellt sich darunter etwas anderes vor und es gibt so manche Bücher, die so genannt werden. In dem Debütroman von Matthew Skelton spielt ebenfalls ein solches Buch eine wichtige Rolle. Skelton hat mit Endymion Spring – Die Macht des geheimen Buches ein durchaus spannendes und anspruchsvolles Jugendbuch vorgelegt, das auch mit einer gehörigen Portion historischem Hintergrund aufwarten kann. Auf zwei Zeitebenen, schön voneinander durch eigene Titelblätter getrennt, in zwei Handlungssträngen, wird einem Krimi gleich erzählt, wie das Buch der Bücher entstand und wie es von Mainz nach Oxford gelangte.

Wie im Allgemeinen bei Jugendbüchern üblich, ist die sprachliche Gestaltung eher einfach und dem jugendlichen Leser angepasst. Die Sätze sind nicht zu lang, Begriffe und Ausdrücke aus der untersten Schublade werden vermieden und auf komplizierte Schachtelkonstruktionen wird ebenfalls verzichtet. Die Charaktere der Figuren sind nicht besonders tief sondern eher stereotyp angelegt, so dass die Figuren genaugenommen bestimmte menschliche Eigenschaften verkörpern. “Gut” und “Böse” werden klar definiert, was vor allem bei den Nebenpersonen deutlich wird, die  sich mehr oder weniger auf eine oder zwei Eigenschaften festnageln lassen.

Aus diesem Grund mag das Buch vor allem für den erwachsenen Leser keine besondere Herausforderung darstellen, und doch wäre es schade, würde man aus dieser oberflächlichen Beurteilung heraus auf die Lektüre verzichten bzw. das Buch ungelesen an seine halbwüchsigen Kinder weitergeben. Endymion Spring – die Macht des geheimen Buches ist ein Jugendroman mit einer schönen Idee, die der Autor wunderbar umgesetzt hat. In dem Katz-und-Maus-Spiel rund um das wertvolle Buch finden sich kleine Ausflüge in die Anfänge der Kunst des Buchdrucks und in die Geschichte der Universität Oxford. Dies und die kleinen geschickt eingestreuten Hinweise aus dem Faust sind wahre intellektuelle Leckerbissen für pfiffige junge Leser, aber auch für den Erwachsenen. Wenn man diese gelegten Spuren aufnimmt, stöbert man vielleicht in der nächstgelegenen Bibliothek nach dem Wappen Johannes Gutenbergs … oder nach Endymion Spring selbst … und man hat dann vielleicht ein bisschen das Gefühl, das Buch aus der Haut des geheimnisvollen Blätterdrachen hätte einen auserwählt und sich ein Stückchen weit für einen geöffnet …

-Jetzt erkannte ich das Verhängnisvolle meiner Handlungsweise. Ich hatte die ganze Welt des Wissens geöffnet – das Buch der Bücher, dessen Ende nicht vorstellbar war. Wie konnte ich es wieder schließen?-
(Mainz, Frühjahr 1453)

Entflammte Nacht von Gail CarrigerVon ihrem Ehemann verschmäht, ihres Postens als Mujah enthoben und von Vampirattentätern verfolgt, begibt sich Lady Maccon auf die Suche nach Antworten in Bezug auf ihren seelenlosen und ausgesprochen schwangeren Zustand. Zusammen mit Madame Lefoux und ihrem Diener Floote reist sie nach Italien, wo vermutlich die größten aller Schrecken auf sie warten: Kaffee und Pesto!

– Als sein Gesicht kurz vor ihrem inneren Auge auftauchte, brachte das ihre Entschlossenheit für einen Moment ins Wanken. Dieser Ausdruck in seinen Augen, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten – so verletzt und betrogen. Doch das, was er von ihr glaubte, und dass er derart an ihr zweifelte, war unentschuldbar. Wie konnte er es wagen, sie nur mit der Erinnerung an seinen verlorenen Hundeblick alleinzulassen und derart mit ihrem Mitgefühl zu spielen! –
Die Misses Loontwill setzen sich mit einem Skandal in ihrer Mitte Auseinander, S. 14

Zu Entflammte Nacht liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover von Die entführte Prinzessin von Karen DuveIn der vom Verband der fahrenden Sänger herausgegebenen Liste heiratsfähiger Königs- und Fürstentöchter entdeckt der siebzehnjährige Prinz Diego von Baskarien die Beschreibung Prinzessin Lisvanas vom Nordland. Sie wird für ihre Schönheit gepriesen und Prinz Diego ist hin und weg. Die kümmerliche Mitgift stört ihn nicht im geringsten, denn Diegos Familie schwimmt in Geld. Lisvana ist die Liebe seines Lebens, das weiß er, und so macht er sich mit seinem Vater auf ins Nordland, um die holde Prinzessin heimzuführen. Unglücklicherweise kommt es zwischen Prinz Diego und Ritter Bredur, einem anderen Verehrer der Prinzessin zu einem Zwischenfall und König Rothafur verweigert infolgedessen Diego die Hand der Prinzessin. Prinz Diego sieht nur noch einen Ausweg: Er muß Lisvana entführen.

-Es war einmal ein Königreich, das hieß Snögglinduralthorma oder so ähnlich, genau weiß das heute keiner mehr. Es wurde schon damals überall bloß “das Nordland” genannt, weil es hoch, hoch im Norden lag – dahinter wohnten eigentlich nur noch Eisbären und Robben – und weil niemand den offiziellen Namen richtig aussprechen konnte.-
Schnee und Eis

Ist es nicht wunderbar, eine Märchenprinzessin zu sein? Man wächst in einem prächtigen Schloß heran, umgeben von herrlichen Gärten, in denen die edelsten Rosen blühen. Die königlichen Eltern lesen ihrem geliebten Töchterchen jeden Wunsch von den Augen ab, man lebt in Glück und Reichtum und kann sich unter den zahlreichen Bewerbern den stattlichsten und schönsten Prinzen als Ehemann erwählen. Es sei denn, man heißt Prinzessin Lisvana und stammt aus Snögglinduralthorma. Zwar liebt König Rothafur seine Tochter und er gönnt ihr allen Reichtum der Welt, aber leider ist sein Königreich eher arm an Bodenschätzen und das unwirtliche Klima verhindert, daß die Natur sich von ihrer besten Seite zeigen kann. Trotzdem halten die Nordländer ihr Königreich für das schönste der Welt. Leider teilt der Rest der Welt diese Ansicht nicht und deshalb findet sich zunächst auch kein geeigneter Kandidat, als König Rothafur Lisvana aufgrund ihres hohen Alters von siebzehn Jahren endlich verheiraten möchte. Die Prinzessin kann so schön sein, wie sie will, ein paar Silberlöffel zweiter Wahl, zwanzig schlechte Pferde und ein Streifen faulig riechendes Moorgebiet ist den potentiellen Freiern einfach zu wenig.
Karen Duve bietet ihren Lesern eine höchst unterhaltsame Mischung aus Märchen und Heldensage, die durch Ironie und Sprachwitz besticht. Die entführte Prinzessin basiert auf der Kudrun-Sage, auch dort findet man den fahrenden Sänger, der den Hof mit seiner Kunst unterhält, es gibt ein Nordland, zwei rivalisierende Männer, die um die Hand der schönen Königstochter werben und natürlich die liebreizende Prinzessin höchstselbst- Kudrun. Wer als Kind die Heldensagen verschlungen und mit der armen Prinzessin gelitten hat, als sie im kalten Winter von ihrer bösen “Fast-Schwiegermutter” dazu gezwungen wurde, im eisigen Wasser die Wäsche zu waschen und wer Kudrun bewunderte, weil sie diese niedere Arbeit mit so viel edlem Stolz und schlichter Würde verrichtete, der wird sich wundern, denn Karen Duve entlarvt Kudruns alter ego Lisvana als eigensinnige Zicke, die sich keineswegs edel verhält, sondern höchstens albern und bockig. Überflüssig zu sagen, daß Duves Version die weitaus amüsantere ist.
Karen Duve spielt fröhlich mit Motiven aus bekannten Geschichten: Prinz Diego und Ritter Bredur machen eine Reise, die Sindbads würdig wäre, Lisvana verliert ihren Schuh wie Aschenputtel, ein Zwerg ist so reich wie König Drosselbart, ein zweiter, äußerst unheimlicher Entführer spricht mit mindestens genauso vielen “ö” wie der See-Elefant. Sie hat sich aber nicht nur von fiktiven Geschichten, sondern auch auf makabre Weise von der Historie inspirieren lassen. Der Leser erfährt, daß die Jungfer Cäcilie von Glauberach aus der Heiratsliste gestrichen worden ist, weil sie ihrer Leidenschaft fürs Tabakrauchen zum Opfer gefallen ist. Sie wurde von ihrer Mutter dabei ertappt, wie sie rauchte, versuchte die Pfeife in den Stoffbahnen ihres Rockes verschwinden zu lassen und ging dabei in Flammen auf. Dieses tragische Schicksal ereilte in Wirklichkeit 1867 die Tochter von Erzherzog Albrecht und Hildegard von Bayern, Mathilde, die mit achtzehn Jahren starb, weil sie eine brennende Zigarette aus Angst vor Strafe hinter ihrem Rücken verstecken wollte. Dabei fing der leicht entflammbare Tüll sofort Feuer und Mathilde verbrannte.
Der Roman bietet aber auch weniger tragische Anspielungen auf die Realität. So darf sich jeder von der Autorin verstanden fühlen, der unter einer lieblosen Mutter leidet, die sich lieber um ihren Garten kümmert (oder um ihre Corgies 😉 ) als um ihr Kind.
Leider ist das Ende ein wenig zu konventionell geraten. Wer so virtuos und amüsant wie Karen Duve mit den Genres Märchen, Heldensage und romantische Liebesgeschichte spielt, der hätte die Prinzessin ruhig mit dem Drachen verheiraten dürfen, der natürlich auch in diesem Roman vorkommt, anstatt mit… Ihr habt jetzt nicht wirklich geglaubt, daß ich den Schluß verrate, oder?

Entropia von Christian Lorenz ScheurerAus einer Sammlung seltener Briefmarken von der Welt Etropia erfährt man Details aus der turbulenten Herrschaftszeit von Königin Pingo der Jungen, die ihr Reich durch schwere Zeiten und in eine Ära des Wohlstands geleitet hat. Nebenbei lernt man Entropias Regionen, Sehenswürdigkeiten, Fauna und Kultur kennen.

-The Bay of Takashiro is famous for its magnificent breaching Firefish.-

Entropia ist ein Artbook, das mit seiner Idee glänzt. Eigentlich möchte man jedes Mal aufs Neue staunen, wenn man sich mit dem Konzept beschäftigt: Durch die Abbildung einer Briefmarkensammlung wird die Geschichte, Kultur und Gesellschaft eines Reiches erzählt und gezeigt – und das Konzept zieht sich von der ersten bis zur letzten Seite durch: eine Poststempelsammlung und eine Einleitung der Philatelistengesellschaft stehen am Anfang, eine Karte und eine Zeitleiste liefern den nötigen Hintergrund, und dann folgt auf jeder Doppelseite eine (vergrößerte) Briefmarke, die auf dem schwarzen Hintergrund gut zur Geltung kommt, und ein kurzer, erklärender Text zu jedem Schaustück.
Die einzelnen Marken ergeben, auch wenn sie anfangs zusammenhanglos erscheinen, eine komplette Geschichte: Die Lebensgeschichte der letzten und größten entropischen Königin Pingo. Einerseits ist es charmant, dass tatsächlich nicht nur die einzelnen Briefmarken etwas zu erzählen haben, sondern auch ein größeres Ganzes dahintersteht, so dass die Bilder einen wirklichen Kontext erhalten, allerdings schränkt dieser enge thematische Bezug auch ein. Jede der abgebildeten Marken trägt ein Stück zur Geschichte bei, es bleibt weder ein Geheimnis offen, noch gibt es groß Inhalte, die aus den engen Grenzen der Geschichte hinausweisen. Der ein oder andere Beweis, dass Entropia größer, älter und vielseitiger ist, als der gezeigte geschichtliche Ausschnitt ahnen lässt, hätte der Welt dringend nötige Tiefe verleihen können. So überwiegt der Eindruck einer Pappkulisse, bei der es weder Schauplätze noch Personen oder eine geschichtliche Tradition gibt, die unabhängig von Pingos Geschichte existiert.

Leider ist es auch so, dass diese Geschichte selbst nicht übermäßig mitreißen kann. Sie verläuft harmlos-kindgerecht (auch wenn nicht eindeutig ist, dass Entropias Zielgruppe Kinder sein sollen – das Briefmarkenkonzept lässt eigentlich anderes vermuten), es gibt keine Überraschungen und keinerlei Subtext. Falls sich hinter jenen Briefmarken, die den entropischen Modewahn oder erfolgreiche Nonsens-Showacts oder Ferienparadiese zeigen, leise Kritik verbergen soll, ist sie recht zahm geraten. Die politische Hintergrundgeschichte von Tyrannei und Demokratisierung verläuft ausgesprochen stereotyp. Manche der Einzelideen sind ganz charmant – es reicht aber nie zum lauthals Lachen, genauso wenig zum gespannten Weiterlesen.

Auf der Seite der Illustrationen sticht die schöne Präsentation der Briefmarken ins Auge: sie sind liebevoll mit verschiedenen Stempeln verziert, die auch ihren Teil zur Geschichte beitragen, manchmal gibt es auch thematisch passende Brandlöcher. Schade ist hier allerdings die geringe Variationsbreite – fast alle gezeigten Briefmarken sind in einem skizzenhaften Stil mit einer ausgeprägten, unscharfen Linienführung gezeichnet, und die comichaften Gesichter und Tiere findet man bei beinahe jeder Darstellung , nur die Farbtönung wechselt je nach Motiv. Authentischer wären sicher verschiedene Stilrichtungen und Medien gewesen, wie man sie auch von richtigen Briefmarken kennt.

Auch wenn die inhaltliche Umsetzung im Detail enttäuscht, ist Entropia ein interessanter Entwurf, vor dessen Idee man nur den Hut ziehen kann. Für das Gefühl, anhand der Briefmarken tatsächlich in eine lebendige fiktive Welt eintauchen zu können, bleibt es jedoch zu sehr an der Oberfläche, zu sehr einer einzigen Geschichte verhaftet und stilistisch zu eindimensional.

L'épée maudite von Olivier MerleDer junge Malven wächst in der Bretagne des 5. Jahrhunderts als Enkel eines mächtigen Burgherrn behütet, aber immer etwas im Schatten seines Großvaters Thorwarzec auf, dessen Ruhm als Krieger alles, was die nachfolgenden Generationen der Familie leisten können, weit überstrahlt. Als eines Tages Thorwarzecs Schwert spurlos verschwindet, wird Malven auf die Suche danach geschickt. Zunächst kommt ihm seine Queste sinnlos  vor, doch verstörende Visionen und eigenartige Begegnungen lassen ihn bald erkennen, dass es um mehr geht als um die Rückgewinnung einer alten Waffe …

La pluie tombait si durement et le vent soufflait si fort, que Malven se courbaeit sur l’encolure de son cheval, dont les sabots commençaient à glisser dans la boue. Le chemin était étroit, bordé par deux haies de genêts qui s’agitaient furieusement, se touchaeient et s’écartaient sous les rafales.
1 – Malven

Man darf nicht mit der Erwartung an Olivier Merles L’épée maudite herangehen, darin einen großen Roman nach dem Vorbild seines Vaters Robert Merle zu finden. Während der jüngere Merle mittlerweile auch Bücher für ein erwachsenes Publikum verfasst hat (und dabei mit  L’Avers et le Revers sogar direkt an das Schaffen seines Vaters anknüpft), handelt es sich bei seinem Erstlingswerk um eine kleine, feine Erzählung für junge Leser, die als reines Kinderbuch unterbewertet wäre, da eine durchaus für jedes Alter interessante Thematik ausgelotet wird.

Die augenfälligste Stärke des Buchs ist aber zunächst einmal sein Setting. Von der recht genauen historischen Verortung darf man sich nicht täuschen lassen, denn obwohl der ereignisgeschichtliche Kontext des 5. Jahrhunderts, in dem Inselkelten auf der Flucht vor den Angelsachsen in die Bretagne übersiedeln, durchaus handlungsrelevant wird, fühlt man sich eigentlich nicht in die reale Epoche der Völkerwanderung versetzt, sondern eher in eine zeitlose keltische Zauberwelt, wie sie sonst z.B. in der Artusepik begegnet. Merle beschwört sie in Bildern voll schlichter Schönheit herauf, die wohl gerade aufgrund ihrer im wahrsten Sinne des Wortes sagenhaften Einfachheit so überzeugend sind, wie etwa, wenn ein Apfel als bedeutsames Geschenk dient oder eine ganz klassische „weiße Frau“ erscheint.

Auch die erzählte Geschichte kommt auf den ersten Blick unkompliziert und unprätentiös daher: Mehr als eine lineare Queste auf der Suche nach dem titelgebenden „verfluchten Schwert“, die den Übergang zwischen Kindheit und Erwachsenenleben markiert, wird vordergründig nicht erzählt. Tiefgreifender sind hingegen die Implikationen dessen, was Malven unterwegs herausfindet, denn es erweist sich als zentrale Frage dieses Reifungsprozesses, wie man mit der Vergangenheit der eigenen Familie umgehen will, wenn lebenslange emotionale Bindungen und moralisch richtiges Handeln einander widersprechen. Vielleicht der jugendlichen Zielgruppe des Romans geschuldet sind die Konsequenzen dieser Entscheidung letzten Endes zumindest in Teilen etwas glimpflicher  als zunächst befürchtet, doch erspart bleiben sie Malven nicht.

Diese spezielle Stoßrichtung der Selbstfindung ist dabei weniger aus sich selbst heraus als im Vergleich mit typischen Mustern der Fantasyliteratur interessant, zeigt sie doch, worin bei diesen vielleicht zuweilen der wahre Eskapismus besteht: Malven verliert weder durch äußere Einwirkung seine Familie, noch findet er in der blinden Identifikation mit seiner Abstammung seinen Weg, sondern er muss sich noch auf dem Höhepunkt seines Abenteuers wohl oder übel mit der alles andere als idealen Verwandtschaft, die er nun einmal hat, auseinandersetzen.

So besteht der Wert der Erzählung letztlich nicht allein darin, dass sie eine recht nette (wenn auch für einen Erwachsenen rasch verschlungene) Lektüre bildet, sondern auch und vor allem in der Tatsache, dass sie nachdenklich macht und einen anregt, altvertraute Erzählkonventionen und ihre womöglich nicht immer unproblematischen Untertöne einmal zu hinterfragen.

Cover von Eragon von Christopher PaoliniEragon, ein Junge aus einem kleinen Dorf, ist gerade auf der Jagd, als er plötzlich auf einen schönen blauen Stein stößt. Er nimmt die vermeintliche Kostbarkeit mit nach Hause, aber niemand weiß etwas mit dem Stein anzufangen – bis er sich in der Nacht in Eragons Zimmer plötzlich bewegt!
Ein Drache schlüpft aus dem Ei, und Eragon, der bald Freundschaft schließt und eine tiefe Bindung mit dem Drachen eingeht, versteckt das magische Tier im Wald. Er versucht, so viel wie möglich über die Drachen und den ausgelöschten Orden der Drachenreiter herauszufinden. Doch plötzlich tauchen finstere Gestalten im Dorf auf, und Eragon begreift, daß noch andere Mächte auf der Jagd nach seinem Drachen Saphira sind…

-Der Wind heulte durch die Nacht und trug einen Duft heran, der die Welt verändern sollte.-
Prolog: Schatten der Angst

Das schöne Cover, die Lobeshymnen bedeutender Zeitschriften, die auf den Umschlag gedruckt wurden, sowie auch die guten Rezensionen, die ich zu diesem Buch gelesen hatte, ließen mich auf ein wirklich großartiges Fantasieabenteuer hoffen.
Vorweg gesagt: Ich wurde enttäuscht. Ja, das Buch ist spannend, auch wenn es einige langatmige Stellen enthält. Und die Sprache ist, trotz einzelner “Eigenheiten” auch nicht schlecht. Ein paar gute Ideen und eine recht stimmige, wenn auch nicht perfekte Welt tragen dazu bei, dass man Eragon angenehm lesen kann.

Aber es gibt etliche Sachen, die mich an diesem Buch gestört haben. Da wären einmal die kleinen, aber nervigen Logikfehler, die dem Autor unterlaufen. Zum Beispiel wäre da Saphiras Drachenrüstung, die sie geschenkt bekommt. Klar, keine schlechte Idee, doch in diesem Fall ergibt sie überhaupt keinen Sinn, denn Paolini schreibt, dass Saphiras Drachenhaut undurchdringlicher als ein Diamant ist und dass alle Pfeile von ihr abprallen. Nur die Flügel können verletzt werden, doch genau die werden von der Rüstung nicht geschützt.
Wie es in vielen anderen Rezensionen bereits steht, hat Paolini wirklich einiges von anderen Büchern kopiert. Seine Elfen unterscheiden sich kaum von Tolkiens Elben. Arya z.B. gleicht Arwen wie eine Zwillingsschwester: stolz, unglaublich schön, langes schwarzes Haar, längliches, helles Gesicht, schlank und anmutig, …
Auch die Zwerge sind keineswegs originell: Es ist mir schon klar, dass ein Zwerg klein sein muss, aber mit Streitäxten, langen Bärten und ihren Vorlieben, in Bergen zu graben und zu bauen, entsprechen Paolinis Zwerge perfekt denen aus der Welt Tolkiens. Und auch Brom, der Zauberer, und Saphira, der Drache, sehen so aus, wie man sie sich eben vorstellt. Hier muss noch gesagt sein, dass Saphira dafür einen originellen Charakter hat, der dem Buch etwas Frisches verleiht.
In diesem Roman haben wichtige Personen, z.B. Murtagh und Brom, immer ein Geheimnis. Doch mit etwas Logik findet der aufmerksame Leser schnell heraus, welches Geheimnis dahinter steckt. Es ist auch schon bei der ersten Szene, in der Eragon Arya sieht, klar, dass er sich in sie verliebt hat. Das Buch ist also nicht komplex, sondern im Gegenteil ziemlich vorhersehbar.

Und jetzt zu dem, was mich am meisten genervt hat: Eragons permanente Verletzungen. Natürlich finde ich einen Hauptcharakter, der jede Schlacht ohne eine Wunde verlässt, auch nicht gut, das wäre unlogisch und langweilig. Doch Paolini übertreibt masslos. Nebst jeder Zerrung und jedem blauen Fleck, der hervorgehoben wird, muss der arme Eragon diverse Brüche und Verwundungen überstehen, bis kein Knochen im seinen Leib mehr gerade sein dürfte.
Ich finde nicht, dass man einfach sagen kann, dass das Buch zwar Fehler hat, aber für jüngere Leser durchaus geeignet ist. Denn ich selbst bin noch ein Kind. Ich hoffe ernsthaft, dass der zweite Teil um einiges besser ist, denn sonst werde ich den dritten Teil nicht mehr lesen …

Cover von Das Erbe des Zauberers von Terry Pratchett Der Zauberer Drum Billet hat nur noch sechs Minuten zu leben. Wie bei Zauberern so üblich, möchte er seine Zauberkunst vor seinem Ableben auf einen Nachfolger übertragen. Zauberer kann aber nur der achte Sohn eines achten Sohnes werden. Da trifft es sich gut, daß die Frau des Schmiedes gerade mit dem achten Kind in den Wehen liegt. Drum überträgt seine Kraft auf das Neugeborene, um d a n a c h festzustellen, daß das Kleine ein Mädchen ist. Als Eskarina acht Jahre alt ist, beginnt die Magie mächtig in ihr zu wirken und sie will Zauberer werden, aber eine Frau als Zauberer hat die Scheibenwelt noch nie gesehen und Eskarina muß sich mit Hilfe von Oma Wetterwachs gegen eine Menge Vorurteile durchsetzen…

-In der folgenden Geschichte geht es um Magie, wohin sie verschwindet – und was vielleicht noch wichtiger ist – woher sie kommt.-

Das Erbe des Zauberers (Equal Rites) gehört zu den schwächeren Scheibenweltromanen. Es ist allerdings das erste Buch, das die Bezeichnung “Roman” verdient hat; es ist klar strukturiert und besitzt eine durchgehende, nachvollziehbare Handlung. Insofern ist es besser als die ersten beiden Scheibenweltbände. Falls sich je ein Literaturwissenschaftler auf diese Seiten verirren sollte, der eine Parodie auf den klassischen Entwicklungsroman sucht, dann ist er mit diesem Buch bestens bedient.

Leser, die einfach nur Terry Pratchett kennenlernen wollen, sollten mit einem anderen Scheibenweltroman beginnen. Man hat den Eindruck, daß Pratchett immer noch dabei ist, sich warmzuschreiben. Sein genialer Sprachwitz zeigt sich hier nur in wenigen Passagen, über weite Strecken ist das Buch nicht so komisch, wie man es gewohnt ist, einige Kalauer sind ganz daneben gegangen. Es gibt auch weniger realitätsbezogene satirische Seitenhiebe als sonst, die gehören aber zu den gelungenen Passagen des Buches.

Obwohl Eskarina auf ihrem Weg zur Unsichtbaren Universität Gefahren ausgesetzt ist, sind diese nicht so spannend geschildert, daß die fehlende Komik wettgemacht würde. So hangelt sich der Leser von einem der im Roman verstreuten Höhepunkte zum anderen und hofft, daß die Geschichte an Dynamik gewinnt, aber über weite Strecken dümpelt sie nur vor sich hin. Es ist schade, daß Terry Pratchett ein gutes Thema auf diese Weise verschenkt hat.

Cover von Eric von Terry PratchettEric Thursley wünscht sich drei Dinge. Er möchte die Herrschaft über die Königreiche der Welt, er will der schönsten Frau aller Zeiten begegnen und er möchte ewig leben. Also versucht er einen Dämon zu beschwören, der ihm diese drei Wünsche erfüllt. Statt eines Dämons erscheint jedoch der Zauberer Rincewind und damit geht wieder einmal alles schief, was schief gehen kann.

-Tods Bienen sind groß und schwarz, summen dumpf und unheilvoll.-

Diese Parodie auf Goethes Faust ist Pratchett weitaus weniger gelungen als die Shakespeare-Parodie in MacBest. Anstatt sich auf Faust I zu beschränken, der schon im Original neben der Gretchentragödie auch viele witzige Stellen aufweist, z.B. wenn Mephistopheles auf Marthe Schwerdtlein trifft, bezieht Pratchett sich u.a. mit der Helena-Episode auf den viel schwerer zu verstehenden und stark philosophischen Faust II, den selbst die meisten Deutschen nicht gelesen haben dürften. Wenn Pratchett aber die Ilias und die Odyssee parodieren wollte, hätte er sich den Umweg über “Faust” sparen können und statt des trojanischen Krieges samt hölzernem Pferd lohnendere Motive aus der griechischen Sagenwelt wählen können. Angeboten hätte sich z.B. die Geschichte, in der Circe die Gefährten des Odysseus in Schweine verwandelt. Auch die Wortspiele zünden nicht so wie in anderen Scheibenweltromanen.

Für die Statistik: Pratchett macht nicht nur Anleihen bei “Faust” und den alten Griechen, er bezieht sich auch auf die Azteken, auf die Schöpfungsgeschichte der Bibel und er zeigt, daß die Hölle eine bürokratische Behörde ist.

Da das Buch mit 154 Seiten relativ dünn ausgefallen ist, regt sich der Verdacht, daß Pratchett mit “Eric” nur einen einigermaßen einleuchtenden Vorwand gesucht hat, um Rincewind aus der Zwischenwelt zurückzuholen in die er in “Der Zauberhut” geraten ist. Dazu kann man einen Dämonenbeschwörer wie Faust natürlich gut gebrauchen. Allerdings hat er damit ein lohnendes Thema weit unter Wert verschenkt.

Kushiel: Die Erlösung von Jacqueline Carey10 Jahre Frieden hat das Orakel prophezeit, und die neigen sich dem Ende zu. Es beginnt mit Albträumen über Hyacinthe, dann erreicht Phèdre ein Brief von Melisande – in dem sie um Hilfe bittet. Trotz Protests Jocelines reist sie nach La Serenissima und stellt sich ihrer Erzfeindin. Doch anstatt der kühlen, berechnenden Verräterin erwartet sie eine sorgende Mutter, denn Melisandes Sohn Imriel ist verschwunden. Der Dritte in der Thronfolge wurde aus seinem Versteck entführt. Nur einer Person traut Melisande zu, ihren Sohn zu finden, und bietet dafür den Schlüssel zur Rettung von Hyacinthe. Obwohl sie damit ihrer Feindin hilft, begibt sich Phèdre auf die gefahrvolle Suche nach dem Jungen …

– Es endete mit einem Traum. –
1. Kapitel

Zu Die Erlösung liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Das Erste Horn von Richard SchwartzDer alte Recke Havald, der beschlossen hat, sich für den Winter – oder gar seinen Lebensabend – in einem abgelegenen Gasthof einzuquartieren, gerät mit den Gästen enger aneinander, als er sich gewünscht hat: Alle Anwesenden werden während eines heftigen Schneesturmes eingeschneit. Mit Havald sind etliche Handwerker, Söldner, Händler, eine Dunkelelfe und die magiebegabte Maestra Leandra eingeschlossen. Havald befürchtet schon das Schlimmste für die Stimmung der unfreiwilligen Dauergäste, da erschüttert ein grausamer Mord die Moral. Havald als Ritter sieht sich gezwungen, mit der Maestra an der Aufklärung zu arbeiten, das Misstrauen der Gäste untereinander und ihre Gereiztheit erschweren diese Aufgabe zusätzlich.

-Die Frau verstand es, einen Auftritt hinzulegen: erst der Blitz, welcher die dunkle Gaststube durch die Ritzen der Fensterläden erhellte, dann der Donner, der die Erde vibrieren ließ. Dass sie in diesem Moment die Tür zur Gaststube aufstieß und ein kalter Luftzug die Hälfte der rauchigen Talgkerzen in der Stube erlöschen ließ, war sicherlich Zufall.-
1. Die Maestra

Der Debut-Roman von Richard Schwartz ist ein gelungenes kleines Kammerspiel, das sich wie Peter S. Beagles Klassiker Es kamen drei Damen im Abendrot komplett auf einem Gasthof abspielt, mit dem Unterschied, dass sich das Wirtshaus “Zum Hammerkopf” zu einer engen, eisigen Falle entwickelt, als die Temperaturen draußen sinken und sich Eiswände vor Fenstern und Türen türmen.
Dieses Ambiente, das sich ganz hervorragend im warm geheizten Stübchen genießen lässt, weiß der Autor meisterhaft zu einzufangen: Die beklemmende Stimmung, das langsame Abgleiten der Gäste in Gereiztheit und Ängste, die Eiseskälte, die einem direkt aus den Seiten entgegenwehen will. Da fliegen die Zeilen nur so dahin, vor allem, da sich Richard Schwartz bzw. sein aus der Ich-Perspektive berichtender alternder Held Havald als guter Erzähler entpuppt, dessen Geschichte man gerne lauscht. Mit Klischees Marke Altherrenwitz übertreibt Schwartz es allerdings, und man mag nicht immer die Augen zudrücken, nur weil es vielleicht zur Figur passt, denn jegliches Gegengewicht fehlt.

Schon der Aufbau der Geschichte – Mord im Gasthaus – erinnert ein wenig an ein Rollenspielabenteuer, und von der ersten Seite an werden auch munter und relativ unreflektiert diesbezügliche Stereotypen aufgefahren: Dunkelelfen, Mithril-Rüstungen und andere magische Artefakte erinnern deutlich an das Inventar einer allumfassenden Standard-Fantasy-Welt. Und auch andere Elemente der Handlung erscheinen etwas wahllos aus den üblichen Versatzstücken zusammengeschustert, etwa die obligatorische Liebesgeschichte, und die magielastige Lösung des Falles. Dennoch bekommt man vor allem gegen Ende des Bandes ein wenig Ausblick auf den Hintergrund der Welt und hin und wieder ein paar ganz eigene Einsprengsel, so dass man gespannt abwarten kann, ob sich im zweiten Band in dieser Richtung noch mehr entwickelt, wenn die Geschichte das eingeschränkte Areal des Gasthofes verlässt.

Sprachlich ist Richard Schwartz ein angenehmer Erzähler, der Stimmungen hervorragend vermitteln kann, nur ab und an knirscht es ein wenig – vor allem der Anglizismus “Sinn machen” stößt in der sonst ganz dem alten Erzähler angepassten Sprache sauer auf, und das alle paar Seiten wieder.
Leichte Enttäuschung bereitet auch das etwas simpel gestrickte Ende, denn man hätte sich nach so viel herrlichem Ambiente vielleicht ein wenig mehr Hintergrund und ein wenig mehr Ausführlichkeit erwartet. Als Auftakt und zum Einstieg in eine neue Serie ist Das Erste Horn aber definitiv eine Empfehlung wert, denn es lädt dazu ein, einen Blick in den nächsten Band zu werfen und ist eine vergnügliche, wenn auch etwas unoriginelle Unterhaltungslektüre, die vor allem durch die eisige Atmosphäre und eine größtenteils sehr angenehme Erzählstimme besticht.

Dr. Die ersten Menschen auf dem MondCavor, englischer Wissenschaftler par excellence, erfindet einen Stoff, welcher der Schwerkraft trotzt und es ihm ermöglicht, ein Raumschiff zu bauen, das ihn zum Mond trägt. Gemeinsam mit Bedford, einem gescheiterten Geschäftsmann, betritt er als erster Mensch den Mond. Doch schon bald wird klar, dass weder die unbarmherzige Atmosphäre, noch die absonderliche Vegetation oder die fremden Bewohner des Erdtrabanten die größten Gefahren für diese beiden englischen Gentlemen und ihre Mission sind: es sind sie selbst.

“Was haben Sie denn da?”, fragte ich.
“Haben Sie denn nichts zu lesen mitgenommen?”
“Mein Gott! Nein.”
“Wir werden in dieser Kugel den Weltraum durchfliegen und absolut nichts zu tun haben.”
– Im Inneren der Kugel, S. 56

So manche Zukunftsvision wird unsanft von der Realität eingeholt und offenbart entweder visionäre Weitsicht, naiv-optimistischen Fortschrittsdünkel oder – im besten Falle – eine von der Realität losgelöste poetische Kraft, die der (Zukunfts-)Realität immer einen Schritt voraus ist. Die Geschichte um die erste Mondlandung der beiden englischen Gentlemen Cavor und Bedford erschien erstmals im Jahre 1901 unter dem Titel The First Men in the Moon, ganze 68 Jahre, bevor Aldrin und Armstrong 1969 die Mondoberfläche betraten. Wie wir heute wissen, trafen sie weder Mondkühe noch Seleniten an, noch war es ihnen möglich, den Sonnenaufgang auf dem Mond so zu erleben, wie Bedford und Cavor es mit ehrfürchtigem Erstaunen taten. Die zahlreichen Verschwörungstheorien um die Mondlandung mögen Ausdruck dafür sein, dass unser nachbarlicher Trabant die Phantasie der Menschen auch in Zeiten von Google Moon noch beflügelt. Kein Zweifel: so beeindruckend die Geschichte der menschliche Mondfahrt ist, so ungleich schauervoll-aufregend ist die Fiktion von H.G. Wells.

Protagonisten der zeitlosen Wells’schen Mondlandung sind zwei Männer, die in ihrer Motivation, den Mond zu bereisen, nicht unterschiedlicher sein könnten. Bedford ist ein gescheiterter Geschäftsmann, der sich, auf der Flucht vor seinen Gläubigern, aufs Land zurückzieht, um ein Theaterstück zu schreiben. Zweifelsohne würde er auch daran scheitern, wenn nicht das zerstreute Pfeifen eines spazierenden Mannes erst seinen Ärger, die darauffolgende Bekanntschaft mit Cavor sein Interesse und die Entwicklung des Cavorits seine Gier entfachen würde. Die schriftstellerischen Ambitionen sind bald vergessen, als Cavor, ein exzentrischer Wissenschaftler, wie er im Buche steht, das Cavorit entwickelt. Der Stoff, der den Namen seines Meisters trägt, sprengt die Fesseln der Schwerkraft – oh, gravity, thou art a heartless bitch no more – und ermöglicht den Männern zunächst geistige Höhenflüge: Bedford, der ohne Verständnis den wissenschaftlichen Ausführungen seines Geschäftskollegen zuhört, um sich durch sein vermeintliches Interesse einen festen Platz im Mondgeschäft zu sichern, träumt schnöde vom großen Reichtum, während Cavor gänzlich vom ungetrübten, wissenschaftsromantischen Forscherdrang beseelt ist. Doch Erkenntnis um ihrer selbst willen ist nichts, was die Mägen mit Essen, die Gläubiger mit Zufriedenheit und die Börsen mit Geld füllt, und so starten die beiden Männer wenn auch nicht als Freunde, dann als Unternehmer ihr buchstäbliches Himmelfahrtskommando. Wells beweist sein Können als Satiriker besonders im prälunaren Teil seines Romanes: da auch sein Erbauer nicht weiß, wie lange die Reise mit der Cavorit-Kugel dauern wird, wählt Cavor vorsichtshalber die gesammelten Werke Shakespeares als Reiselektüre für seine Mondfahrt, um seine Bildung zu vervollständigen – wofür er vorher, vor lauter Nachdenken, nie die Zeit fand. Es gibt einfach zu viele Dinge zwischen Himmel und Erde.

Wells ist kein Visionär – zu einfach sind manche Lösungen wissenschaftlicher Probleme, zu makellos die Theorie; vielmehr ist er ein außerordentlicher Phantast und genauer Beobachter der menschlichen Natur. Der satirische, leichte Ton der ersten Buchhälfte verkehrt sich mit der Ankunft auf dem Mond in einen extraterrestrischen Grusel, der kunstvoll gezeichnet das Bild einer, wie die beiden Protagonisten bemerken, völlig anderen, aber dennoch unheimlich ähnlichen Welt entwirft. Der Versuch, Unbekanntes zu erfassen, indem man bekannte Parameter des Begreifens anwendet, muss jedoch zwangsläufig scheitern. Cavor erkennt dies als erstes und sucht nach einem gemeinsamen Nenner, der intelligente Wesen vereinen muss. Weder auf Sprache, auf Gesten, noch auf Mimik können sie sich verlassen, und letztlich landet Cavor bei der euklidischen Geometrie.

Bedford und Cavor sind gezeichnet als satirische Gestalten, die nie aus ihrer Rolle entfliehen können. Der Moment der Ausgelassenheit und der unschuldigen Kindlichkeit, der beide gestandenen Männer in der dünnen Mondatmosphäre wie junge Lämmer über die Mondoberfläche hüpfen lässt, hat für beide furchtbare Folgen. Beim Zusammentreffen mit den Seleniten nähert sich Wells der Frage, wie die menschliche Antwort auf das Unbekannte lautet. Mit Bedford und Cavor streiten sich zwei Seelen, ach, auf dem Mond: Pectus und Ration, Angst und Neugier, Verdammen oder Verstehen. Wells’ Antwort auf diese Dichotomie ist so phantasievoll wie beklemmend und von einer außergewöhnlichen Imaginationskraft geprägt, sodass unsere Realität beinah farblos wirkt. Wells’ Version des „ersten Kontaktes“ lässt das Leserherz vor Spannung und Erstaunen schneller schlagen, und der Wissenschaftsaffine wird seine wahre Freude am Roman haben. Der Autor studiert pointiert nicht nur die Bewohner des Mondes, sondern in erster Linie den Erdenbewohner, der nun auch die Weiten des Weltalls zum Schauplatz seiner gefühlten Großartigkeit macht.
Über den Ausgang der Mondfahrt sei hier nichts verraten, nur eines ahnt man schon: letztlich verkörpert Bedford den Grund, weshalb man Extraterrestriern zu einer großräumigen Umfahrung der Erde raten möchte – denn der Mensch ist nicht nur des Menschen Wolf.

Cover von Die Erzählungen und Märchen von Oscar WildeWie die Titelseite so treffend verrät, sind in diesem Buch Märchen und Erzählungen versammelt, die Oscar Wilde geschrieben hat. Außerdem beinhaltet der Band noch sechs Gedichte in Prosa. Die Titel lauten: Der junge König, Der Geburtstag der Infantin, Der Fischer und seine Seele, Das Sternenkind, Der Glückliche Prinz, Die Nachtigall und die Rose. Der eigensüchtige Riese, Der ergebene Freund, Die bedeutende Rakete, Das Gespenst von Canterville, Die Sphinx ohne Rätsel, Der Modellmillionär, Der Lehrer der Weisheit, Das Haus des Gerichts, Der Künstler, Der Mittler, Der Meister, Der Schüler.

Hoch über der Stadt stand auf einer mächtigen Säule die Statue des Glücklichen Prinzen. Sie war über und über mit dünnen Goldblättchen bedeckt, statt der Augen hatte sie zwei glänzende Saphire, und ein großer roter Rubin leuchtete auf seiner Schwertscheide.
Der glückliche Prinz

Es sind traurige Märchen, die uns Oscar Wilde hier erzählt. Die meisten Menschen, die dem Leser begegnen, sind so hartherzig, daß es einen frösteln läßt. Die Kälte der zwischenmenschlichen Beziehungen in den Geschichten überträgt sich auf den Leser. Natürlich gibt es auch warmherzige Charaktere, die zu Mitgefühl fähig sind, aber diese werden auf Erden nur selten belohnt. Oft gehen sie an ihrer Umwelt zugrunde und erst nach ihrem Tod erfahren sie durch ein göttliches Zeichen Gerechtigkeit.
In Der Glückliche Prinz sind eine Statue und eine Schwalbe mitleidvoller und barmherziger als die Einwohner der Stadt.
In Die Nachtigall und die Rose opfert sich eine Nachtigall für die Liebe.
Der Geburtstag der Infantin erzählt von der Kälte und Gefühllosigkeit am spanischen Hof.
Im Märchen Der junge König hat außer der Titelfigur niemand Mitleid mit den im Elend lebenden Arbeitern, noch nicht einmal der Bischof.
Die Märchen stimmen den Leser melancholisch, jedoch ohne ihn zu deprimieren, denn Oscar Wilde verteilt auch im traurigsten Märchen noch ironische Seitenhiebe auf die gute Gesellschaft, selbstgerechte und von sich eingenommene Menschen, Dünkelhaftigkeit und besserwisserische Kritiker (was den Rezensenten besonders amüsiert hat). Aus manchen Sätzen Oscar Wildes spricht kaum verhüllte Selbstironie, auch diese Stellen gehören zu denen, die man mit Vergnügen liest.
Ist der Tenor der Märchen trotz mancher humorvoller Einschübe überwiegend traurig, so ist es in der berühmten Geschichte Das Gespenst von Canterville umgekehrt. Zwar hat diese Erzählung ein bewegendes Ende, aber bis dahin amüsiert sich der Leser königlich über das englische Gespenst, das unter den nüchternen, pragmatischen und respektlosen Amerikanern so sehr leidet, daß es beschließt, nicht öfter zu spuken als es seine heilige Pflicht ist.
Der Ton der Erzählungen und der Prosa-Gedichte ist naturgemäß nüchterner als der, der in sehr poetischer und ausschmückender Sprache verfaßten Märchen. Trotzdem klingen die Märchen niemals kitschig oder schwülstig. Allerdings scheint die Übersetzung nicht ganz treffsicher zu sein. Über einen jungen Mann schreibt Wilde angeblich: Er war alle Monate an die Börse gegangen; aber was sollte ein Schmetterling unter Stieren und Bären. Das fragt sich der Rezensent auch, verkörpern doch Bulle und Bär das Auf und Ab an der Börse.
Dafür sind die Illustrationen passend, die von dem berühmten Jugendstilmaler Heinrich Vogeler stammen.

Etiquette & Espionage von Gail CarrigerDie 14-jährige Sophronia Angelina Temminnick ist ein Wildfang, der ihrer Mutter mehr Arbeit und Sorge macht als alle (zahlreichen) Geschwister zusammen. Ihr Knicks ist zum Fürchten, ihr ständig zerrauftes Erscheinungsbild sowieso, und von ihrer freien Meinungsäußerung wachsen Mrs. Temminnick noch graue Haare. Höchste Zeit also, das Kind auf eine anständige Benimmschule für Mädchen zu verfrachten, wo man Sophronia die Flausen austreiben und aus ihr eine wohlerzogene junge Dame machen soll. Doch spätestens auf dem Weg dorthin wird schnell klar, dass hier irgendetwas im Busch ist, als die Kutsche von fliegenden Wegelagerern angegriffen wird.

– Mrs. Barnaclegoose had decided opinions on reforming other woman’s daughters. Sophronia did not want to be reformed. So she had pressed the dumbwaiter into the service of espionage. –
Lesson 1: The Start of Being Finished

Mit Etiquette & Espionage startet Autorin Gail Carriger in ihre neue Buchreihe The Finishing School Series. Die sachlichen Infos vorweg: Dieser Roman spielt in der selben Welt wie auch das Parasol Protectorate, ist aber ca. 20 Jahre früher angesiedelt und erschien als Jugendbuch. Auf pikantere Inhalte wird in dieser neuen Reihe entsprechend verzichtet.

Der Roman startet zunächst als klassische Internatsgeschichte im viktorianischen Stil. Das Konzept ist klar: Mädchen werden auf eine Benimmschule geschickt, schließen dort außergewöhnliche Freundschaften und sie bestehen gemeinsam ein Abenteuer.
Bei Gail Carriger allerdings macht die spezielle Würze den Unterschied aus. Etiquette & Espionage präsentiert, ähnlich wie schon das Parasol Protectorate, eine starke Heldin. Sophronias vorlaute Ehrlichkeit und ihr Entdeckergeist sind wie ein strammer Wind im Teenie-Schmonzetten-Regal. Hier geht es einmal nicht darum, sich möglichst schnell und unheilbar in irgendeinen mysteriösen Jungen zu verlieben, sondern darum, einen wichtigen Prototyp zu finden, dabei Luftpiraten abzuwehren, sich von mechanischen Hausdienern nicht erwischen zu lassen, Maschinenräume widerrechtlich zu betreten, in luftigen Höhen zwischen Zeppelin-Plattformen hin und her zu klettern, Ablenkungsmanöver korrekt einzusetzen, einen Verräter zu überlisten, und und und …
Die Devise heißt nicht »Sei brav!« sondern »Lass dich nicht erwischen!«, denn was Miss Geraldine’s Schule hervorbringt, sind zukünftige Spione, getarnt als wohlerzogene junge Damen. Für diese Aufgabe fühlt sich Sophronia, die an ihrer Grazie wohl noch eine Weile länger arbeiten muss, bestens geeignet und sie freut sich diebisch darüber. Erst recht, wenn sie daran denkt, was ihre Mutter wohl dazu sagen würde, hätte die auch nur den Hauch einer Ahnung von den Vorgängen.

Mit gewohnt humorvollem Erzählstil erweckt Gail Carriger ihre Geschichte mit vielen verspielten Details zum Leben. Viel deutlicher als im Parasol Protectorate kommen hier die Kennzeichen des Steampunks zum Vorschein und erschaffen eine lebendige Welt im technischen Wandel. Rauchende Schornsteine, Luftschiffe und mechanische Erfindungen en masse! Es quietscht, es tropft, es qualmt, wohin man auch blickt.
Schön sind außerdem die vielen Nebenfiguren, die aus dem Parasol Protectorate wieder aufgegriffen wurden. So trifft man u.a. auf Genevieve Lefoux und Lady Kingair in ihren jüngeren Jahren. Vorkenntnisse aus den vorherigen Büchern Carrigers braucht man an dieser Stelle nicht, es sorgt lediglich für Amüsement, die bekannten Figuren soviel jünger zu erleben.
Selbstverständlich trifft man in diesem Buch auch auf ganz neue Charaktere, bei denen nicht nur die Namen für heftiges Schmunzeln sorgen. Ebenso begegnen wir wieder Vampiren und Werwölfen im feinen (und weniger feinen) Zwirn.

Ein paar Abzüge gibt es freilich auch zu nennen. Die Idee einer Spionage-Schule ist durchaus mal etwas neues. Es hat jedoch oft den Anschein, dass das Potential dieser Schule und ihrer Charaktere nicht ausgeschöpft wurde. Manches wirkt etwas zu gut konstruiert und die Charaktere agieren gelegentlich zu clever (insbesondere für ihr Alter), auch mangelt es dem Plot an Substanz, vorhersehbar ist er leider auch recht schnell. So ganz warm geworden scheint die Autorin mit ihrer neuen Reihe noch nicht zu sein. Nichtsdestotrotz ist Etiquette & Espionage eine tolle Abwechslung zu sonstigen Jugendbüchern und liefert vor allem Mädchen ein Vorbild, das mehr kann als sich unsterblich zu verlieben und alle Handlungen um diese Liebe herum aufzubauen. Sophronia ist da deutlich vielseitiger und auch vielseitiger interessiert. Mal sehen, ob es Gail Carriger schafft, mit dem Nachfolger auch wieder zu etwas mehr inhaltlicher Überzeugungskraft zurück zu finden.

Etwas endet, etwas beginnt von Andrzej SapkowskiEtwas endet, etwas beginnt ist der dritte bei dtv erschienene Kurzgeschichtenband von Andrzej Sapkowski, in dem auch zwei Erzählungen mit Bezug zum Hexer Geralt enthalten sind. Die Geschichten sind allesamt phantastisch, spielen aber in sehr unterschiedlichen Welten.

– „Aber dass der Sommer zu Ende geht, macht mich traurig. Ich mag keine Enden. Das Ende ist der Schluss der Geschichte. Mir aber gefallen an der Geschichte die Episoden.“ –
Tandaradei!

Der Kurzgeschichtenband enthält acht Erzählungen, die jeweils von einer Anmerkung des Autors zu Hintergrund und Entstehungsgeschichte eingeleitet werden. Diese einführenden Kommentare sind wirklich erhellend und zum Teil amüsant zu lesen.

Die in diesem Buch gesammelten Geschichten leiden etwas darunter, dass es keine großen Zusammenhänge oder Gemeinsamkeiten gibt, die als Verbindung dienen könnten, so wie das in den Geralt-Kurzgeschichten der Fall ist. Man merkt deutlich, dass die Geschichten unter verschiedenen Voraussetzungen und zu unterschiedlichen Zeiten in Sapkowskis Laufbahn entstanden sind. Die als Auftragsarbeiten entstandenen Erzählungen kommen im Schnitt etwas weniger einfallsreich daher.

Für nahezu alle Erzählungen benötigt man spezielles Hintergrundwissen oder muss das verarbeitete Original kennen, um sich komplett an der Kurzgeschichte erfreuen und die Anspielungen schätzen zu können. Dies ist zum Teil auch in den anderen Werken des Autors der Fall, in dieser Sammlung jedoch besonders auffällig. Sapkowski verarbeitet beispielsweise Alice im Wunderland, Tristan und Isolde und Personen aus dem Geralt-Zyklus … Freunde der Phantastik und der mittelalterlichen Literatur sind hier sehr im Vorteil. Wer die Anspielungen versteht, muss sicher einige Male öfter schmunzeln.

Zum Glück gibt es aber auch sonst genug Anlass zum Schmunzeln. In fast jeder Geschichte herrscht der typische Schreibstil des Autors – intelligent-humorvoll und mit kleinen satirischen Seitenhieben. Auch die handelnden Personen werden wie gewohnt lebendig und glaubwürdig dargestellt.

Meine hohen Erwartungen wurden beim Lesen nur teilweise erfüllt. Ich bin bekennender Sapkowski-Fan, und seine zwei Geralt-Kurzgeschichtenbände hatten mich besonders überzeugt. Die Zusammenstellung in diesem Buch fand ich aufgrund der fehlenden Gemeinsamkeiten jedoch nicht so gelungen, und es waren auch mehrere Geschichten dabei, die mir nicht gefallen haben – Im Bombentrichter war sehr langatmig, Die Musikanten unnötig verwirrend. Auch die beiden Geschichten mit Bezug zu Geralt sind für Fans kein Muss. Insgesamt ist die Sammlung von Kurzgeschichten noch ein gutes Buch, aber der Lesegenuss bei den einzelnen Erzählungen schwankt ziemlich stark.

Cover von Das Experiment von Arkadi & Boris StrugatzkiAndrej kommt aus der UdSSR des Jahres 1951, dort war er Astrophysiker, jetzt im Experiment ist er Müllfahrer, gemeinsam mit dem Texaner Donald aus dem Jahre 1967, der mal Professor der Soziologie gewesen ist, bevor er beim Experiment mitmachte. Andrejs Bekanntenkreis ist ein bunter Haufen, schließlich umfasst er u.a. die Schwedin Selma, den intelligenten und tiefsinnigen Juden Isja Katzman, den stoischen Chinesen Wang oder den faschistischen Wehrmachtsoffizier Fritz Geiger. Sie und hunderte, tausende, vielleicht sogar Millionen Menschen bewohnen eine Welt: das Experiment.

“Die Affen waren schon in der Stadt. Sie liefen auf Häusersimsen, hingen wie Trauben an Laternenpfählen, tanzten in pelzigen Horden auf Kreuzungen, klebten an Fenstern, warfen mit Pflastersteinen, jagten verwirrte Menschen, die in Unterwäsche auf die Straße gerannt waren.”
– Erster Teil, Müllfahrer

Es ist schwer Das Experiment (auch veröffentlich als Stadt der Verdammten und Verdammte Stadt) zu rezensieren, ohne zu viel zu verraten, denn ein Gutteil der Faszination des Romans rührt daher, wie Andrej und seine Leidensgenossen immer neue Aspekte des Experiments kennen lernen, viel rätseln, aber nie ein vollständiges Bild erhalten. Genau diese offenen Fragen sind es, die einen als Leserin oder Leser zum Mit- und Nachdenken anregen.
Der Protagonist Andrej ist dabei das gerade zu Anfang höchst willkommene Stückchen „Normalität“ in dem wilden Mix aus Wohlbekanntem (etwa die unfähige Bürokratie) und Abstrusem (plötzlich auftauchende Pavianhorden), der das Experiment auszeichnet. Im weiteren Verlauf des Romans und mit der Rochade durch die verschiedenen Berufsfelder, die die Figuren aufgrund des „Rechts auf abwechslungsreiche Arbeit“ vollziehen müssen, lernt man diese jedoch näher kennen und entdeckt nachdenklich stimmende Ambivalenzen, was die ohnehin schon spannende Figurenriege noch interessanter macht. Frauenfiguren sind jedoch nicht die Stärke der Strugatzkis, sodass man sich hauptsächlich mit einem männlichen Repertoire begnügen muss, aber auch durch sein Frauenbild lernt man den Helden Andrej näher kennen …
Dabei hat Das Experiment noch so viel mehr zu bieten als Absurditäten und den geneigten Leser/die geneigte Leserin erwarten unter anderem mysteriöse Kriminalfälle, abenteuerliche Expeditionen und seltsame Lebensformen, aber genauso politische, ideologische und gesellschaftsphilosophische Diskussionen und Fragen. Mit dem faszinierenden Setting des mysteriösen Experiments haben die Strugatzkis eine tiefgründige, facettenreiche Parabel geschaffen, gespickt mit seltsamen Abenteuern, ambivalenten Figuren und Entwicklungen, die einen unweigerlich zum Nachdenken bringt und gleichzeitig an die Seiten fesselt.

Dieser Roman ist nach der ungekürzten und unzensierten Originalausgabe im zweiten Band der Gesammelten Werke (ISBN: 978-3-453-52631-0) kürzlich neu aufgelegt worden, ergänzt durch einen Kommentar von Boris Strugatzki sowie einen erklärenden Index für Textstellen, in denen auf andere literarische oder filmische Werke oder historische Personen, Ereignisse, etc. verwiesen wird.