Das Bibliotheka-Phantastika-Jubiläum ist für mich Anlass zu einem Rückblick auf die letzten zehn Jahre Fantasylektüre: Welche Bücher, die in diesem Zeitraum erschienen sind, haben mir eigentlich besonders viel bedeutet und sind mir im Gedächtnis hängengeblieben? Gerade, da ich zu denjenigen gehöre, die oft genug über das Angebot auf dem derzeitigen Buchmarkt jammern, ist es mir wichtig, mir vor Augen zu führen, dass auch in diesen letzten zehn Jahren viel Gutes erschienen ist, an dem ich Freude hatte und noch habe.
Nicht immer habe ich die Bücher gleich in ihrem Erscheinungsjahr gelesen, und die Auswahl, die ich getroffen habe, um ein Buch aus jedem der letzten zehn Jahre zu präsentieren, ist notwendigerweise ganz persönlich. Manch ein eigentlich guter Autor wie Patrick Rothfuss oder Daniel Abraham hat es nicht auf die Liste geschafft, weil ich in der Rückschau erkannt habe, dass mir andere Werke eigentlich wichtiger waren (ohne dass ich unbedingt in jedem Fall von Anfang an damit gerechnet hätte).
Hier also meine etwas eklektische Übersicht über meine Lieblingsfantasy der letzten zehn Jahre:
2003 Olivier Merle – L’épée maudite
Zwar darf man von Olivier Merle keinen großen Roman nach dem Vorbild seines Vaters Robert Merle erwarten, aber diese kleine, feine Erzählung für junge Leser entführt in eine verzauberte Bretagne und behandelt im Kern ein erstaunlich tiefgründiges Problem.
2004 Eric Shanower – Age Of Bronze 2: Sacrifice
Gut, ein bisschen kann man sich sicher streiten, ob Age of Bronze, Eric Shanowers Comicfassung der Sagen um den Trojanischen Krieg, im eigentlichen Sinne Fantasy ist, verzichtet er doch auf übernatürliche Elemente, um eine glaubwürdige bronzezeitliche Welt zu zeichnen, aber zu den besten Umsetzungen eines phantastischen Stoffs, die mir in den letzten zehn Jahren begegnet sind, zählt sie allemal.
2005 Luca Trugenberger – Damlo und der Weg zum Glück
Die Nähe zum Jugendbuch ist Trugenbergers Geschichte um den Jungen Damlo eindeutig anzumerken, aber die wunderbaren Landschaftsschilderungen und die Auslotung der Queste als Selbstfindung machen sie zu einer angenehmen und streckenweise durchaus amüsanten Lektüre, ganz abgesehen davon, dass klassische Fantasywesen wie z.B. Zwerge hier eine sehr nette, nicht überzogene Schilderung erfahren.
2006 Megan Whalen Turner – The King of Attolia
Dieser dritte Teil ist für mich immer noch der beste Band der ohnehin äußerst gelungenen Attolia-Reihe, mit dem ich seinerzeit auch in die Abenteuer des quirligen Meisterdiebs Gen und sein ganz besonderes Verhältnis zu den Göttern eingestiegen bin. Ich kenne kaum ein Buch, das bitterernste Sachverhalte so humorvoll und mit leichter Hand erzählt wie dieses.
2007 J.R.R. Tolkien – The Children of Húrin
Als bekennender Gwindor-Fan war ich natürlich entzückt, diese Episode aus dem Silmarillion noch einmal als Einzelroman präsentiert zu bekommen, und die schönen Illustrationen von Alan Lee haben ein Übriges getan, mich zu überzeugen.
2008 Heide Solveig Göttner – Der Herr der Dunkelheit
Der zweite Band aus Die Insel der Stürme ist vielleicht mein Lieblingsband der Reihe, nicht nur, weil er äußerst solide Fantasy in einem originellen und unverbrauchten Setting bietet, sondern auch, weil er ganz und gar nicht an den üblichen Übergangsbandschwächen krankt, die sonst in Trilogien sehr häufig sind.
2009 J.R.R. Tolkien – The Legend of Sigurd and Gudrún
Der große Altmeister der Fantasy hat es ein zweites Mal in die Liste geschafft, weil seine Art, hier mit mittelalterlicher Dichtung zu spielen, die Mediävistin in mir einfach entzückt hat – gut, ein richtiger Fantasyroman ist es nicht, aber doch etwas in jeder Beziehung Phantastisches.
2010 Martin Schemm – Der Goldschatz der Elbberge
Der Rest der (fantasylesenden) Menschheit kann wahrscheinlich nicht mehr hören, dass ich diesen Roman für gelungene Fantasy halte, aber eine im mittelalterlichen Norddeutschland angesiedelte Geschichte mit Zwergenschatz, Lindwurm und Untoten aus der Bronzezeit? Ich war begeistert.
2011 David Anthony Durham – Acacia: Die Fernen Lande
Ja, das ist ein wenig geschummelt: Im Original ist dieser zweite Band der Acacia-Reihe schon früher erschienen, aber da ich ihn auf Deutsch gelesen habe, zählt er vielleicht doch. Trotz aller Aspekte, die mir an dem Buch nicht hundertprozentig gefallen, kann ich mich Durhams meisterlicher Figurenzeichnung nicht entziehen. Seine Gestalten bleiben einem im Gedächtnis haften, und so hat er sich einen Platz auf dieser Liste verdient.
2012 Michael J. Sullivan – Percepliquis
Der letzte Band der Riyria Revelations, die für mich eindeutig eine guilty pleasure sind, war tatsächlich nach langer Zeit wieder einmal ein Buch, auf dessen Erscheinen ich sehnsüchtig gewartet habe, und es hat mich nicht enttäuscht: Eine absolut klassische Questengeschichte, weit entfernt von hoher Literatur, aber einfach wohlig-nostalgisch zu lesen.
Welche Bücher haben euch im Laufe der letzten zehn Jahre besonders angesprochen – und welche davon sind euch bis heute im Gedächtnis geblieben, während andere langfristig vielleicht nicht halten konnten, was sie zuerst versprochen haben?