Fünf Bücher … die staunenswerte Settings auffahren

In einem Genre, in dem die Weltschöpfung (oder –idee) nicht selten eine zentrale Rolle einnimmt, manchmal sogar die Handlung konstituiert oder zumindest auf einer ausgedehnten Tour über die imaginäre Landkarte von Figuren und Lesern und Leserinnen erkundet wird, ist es mir ein bisschen schwer gefallen, fünf ganz besondere Settings aus der Fülle auszusuchen – die Liste ließe sich mühelos erweitern.
Meine Prämisse bei der Auswahl war übrigens, dass mehr oder weniger der ganze Roman im ausgefallenen Setting spielt und man nicht nur einmal unterwegs durch eine kuriose Kulisse spaziert. Außerdem ging es mir nicht unbedingt um ausgeklügeltes Worldbuilding, sondern um im besten Wortsinn phantastische Settingkonzepte, die der Fantasy vielleicht sogar eine neue Facette hinzufügen.

1. The Fade (Chris Wooding):
Callespa ist eine Welt, die ein Leben an der Oberfläche unmöglich macht. Also haben sich Flora und Fauna, Zivilisationen und ihr unvermeidlicher Ballast kurzerhand unterirdisch entwickelt. Verruchte Städte, Pilzwälder und sogar eigene “Jahreszeiten” findet man in der Welt aus Stein, so der deutsche Titel, in der ein erbitterter Krieg Höhle um Höhle erfasst, mit der Attentäterin Orna im Strudel von Ereignissen, die sie durch die fremdartige und erstaunlich moderne Welt führen.

2. Dark Sleeper (Jeffrey E. Barlough):
Dark Sleeper von Jeffrey E. BarloughIn den locker zusammenhängenden Abenteuern der Western-Lights-Reihe ist die Bevölkerung – vermutlich – zum größten Teil ausgelöscht, die Welt einer neuen Eiszeit unterworfen, und inmitten von Säbelzahntiger & Co. hat sich nur ein kleiner Streifen Zivilisation an der amerikanischen Westküste gehalten. Dort allerdings herrscht (viktorianisches) Alltagstreiben, zumindest bis merkwürdige Begebenheiten Professor Tiggs aufscheuchen und schließlich (via Mastodon) zur Investigation auf die gefährlichen Straßen zwischen den verstreuten Siedlungen treiben. Denn dort draußen gibt es neben der Kälte und den wilden Tieren auch übernatürliche Bedrohungen …


3. The Scar (China Miéville):

Armada – der Name ist Programm: Eine Piratenstadt aus unzähligen, teilweise längst miteinander verschmolzenen Schiffen und Booten, die über den Ozean treibt und Freidenkern und Flüchtlingen Zuflucht bietet, die Armadas Ideologie unterstützen. Bei Miéville ist dieses Setting natürlich noch ein bisschen abgefahrener und die politische Struktur von Armada nicht ganz so frei von Repressionen, wie es auf den ersten Blick aussehen mag. Richtig problematisch wird es allerdings erst, als Armada beginnt, nach einer schnelleren Fortbewegungsmöglichkeit zu angeln …

4. Shadow Bridge (Gregory Frost):
Shadow Bridge von Gregory FrostDie Welt, über die sich die Shadowbridge spannt, besteht aus Wasser. Die Gebäude, Pfeiler und Bögen der sich ins Unendliche erstreckenden, vielteiligen Brücke bieten Platz für Städte und Königreiche, Einsiedeleien und festliche Zusammenkünfte. Geschichtenerzähler wandern über die Brücke, und einer von ihnen ist Jax, der Puppenspieler, der mit Licht und Schatten alte Legenden zum Leben erweckt und dabei nicht nur an vergessene Geheimnisse rührt, sondern auch selbst einige davon mit sich herumschleppt. Die bizarre, architektonisch gewagte Welt von Shadow Bridge mit ihrem Flickenteppich aus Geschichten und Kulturen, die nur von den Vaganten zusammengehalten zu werden scheint, wirft unter Garantie ein Studio-Ghibli-Kopfkino an.

5. City of Bones (Martha Wells):
Charisat ist eine Stadt auf einem schwarzen Fels, der sich am Rande eines endlosen, wüstenartigen Ödlands erhebt, das die ganze Welt zu verschlingen droht. So interessant die verschiedenen, sozial streng getrennten Ebenen der Stadt auch sind, der eigentliche Star des Romans ist die Wüste: So heiß, trocken und von tödlichen Gifttieren verseucht, dass ein Trek durchs australische Outback daneben wie ein Sonntagsspaziergang wirkt. Doch natürlich gibt es gute Gründe, der von Canyons und Dolinen durchzogenen Ödnis dennoch einen Besuch abzustatten – nur dort findet man die rätselhaften Überbleibsel einer vergangenen Zivilisation, um die sich knochenharte Reliktjäger wie der katzenhafte Khat streiten, der sich allerdings in der Wüste noch einem ganz anderen Problem gegenübersieht: Einem Überlebenden, den er am liebsten seinem Schicksal überlassen würde.

Die Auswahl der Settings, die mich fasziniert haben, hat vor allem mit persönlichen Vorlieben zu tun, die ich dabei auch gleich wieder ein Stück besser kennengelernt habe: Man gebe mir ein sich hartnäckig festklammerndes Scheibchen Zivilisation inmitten einer großen, leeren, vielleicht noch etwas unheimlichen und feindlichen – und vor allem anderen unbekannten! – Welt, und ich bin erst einmal selig. Na, hat vielleicht jemand eine Empfehlung für mich? Oder faszinieren euch völlig andere Setting-Ideen?

4 Kommentare zu Fünf Bücher … die staunenswerte Settings auffahren

  1. Elric sagt:

    Interessante Sammlung – auch wenn ich davon nichts kenne! 😉
    Allerdings bin ich auch kein “an die Zivilisation-klammerde Gruppe”-Leser – bisher zumindest nicht! 😉
    Allerdings hatte die Idee mit der Eiszeit ja schon Michael Moorcock mit “Eiszeit 4000” – der dir auch gefallen könnte…

    Ansonsten – was abgefahrene Ideen/Settings angeht – gibt es für mich bisher eigentlich nur zwei wirkliche Highlights:
    – Matthew Stovers Overworld in Kombination mit der “Erde” ist einfach unheimlich (genial).
    – Auch wenn es sehr verbreitet ist: Otherland! Bisher die abgefahrensten Ideen aneinander gereiht und wirklich super gemacht. So viele Ideen an und für sich sind bei mir ganz weit vorne! 😀

  2. gero sagt:

    @ Elric:

    Die Idee mit der Eiszeit hatten schon eine Menge Autoren, aber bei Barlough sind Stimmung und Atmosphäre ziemlich einzigartig und mit nichts zu vergleichen, was ich sonst mit einem derartigen Setting kenne. (Womit ich nichts gegen Konrad Arflane sagen will, dessen Suche nach New York (?) einfach ein durchaus spannender Abenteuerroman in einem ungewöhnlichen Setting ist. Aber wie gesagt, der Barlough liest sich ganz anders.)

  3. Pegasus sagt:

    Die Settings von “The Fade” und “Shadowbridge” klingen in der Tat sehr interessant.
    Vielen Dank.

    LG
    Pegasus
    (die eigentlich nicht weiß, warum sie sich für das ewige Verlängern ihres Wunschzettels auch noch bedankt)

  4. Elric sagt:

    @Gerd: Kann ich mir gut vorstellen, dass es da noch genügend andere Autoren gibt – ist ja doch recht beliebt von der Idee her. Ich werd jetzt aber nix auf meine Wunschliste setzen – das is nicht gut für mich und meinen Geldbeutel! 😉

    @Peg: du bist höflich, so gehört sich das doch! 😉

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