Ein wenig Schummeln muss erlaubt sein, um euch in dieser Kategorie ein Buch vorstellen zu können, das ein Lächeln auf das Gesicht eines jeden Genre-Fans zaubern dürfte. In einer anderen Welt von Jo Walton habe ich nämlich nicht übersetzt, sondern lediglich lektoriert, aber das soll der Empfehlung keinen Abbruch tun.
Man liest das Tagebuch der 15jährigen Morwenna, die 1979 das englische Mädcheninternat Arlinghurst besucht. Dort hat sie es nicht leicht, denn sie ist nicht nur eine Hinterwäldlerin aus Wales, sondern kommt aus schlimm zerrütteten Verhältnissen (obwohl ihr Familie über alles geht) und humpelt zum Missfallen der sportfanatischen Mitschülerinnen auch noch. Nur zwei Sachen halten sie über Wasser: Bücher und Magie.
Wer sich nun schon davonmachen will, weil Internatsgeschichten mit Magie ein fader Fantasy-Fauxpas sind: Hiergeblieben! Weiterlesen! Der magische Realismus von In einer anderen Welt dürfte besonders Leser und Leserinnen ansprechen, die jetzt die Nase rümpfen.
Vordergründig ist der Roman fest in der Realität verankert, in seiner Zeit, in der walisischen Landschaft, und im Internatsleben, das gewöhnlicher nicht sein könnte, denn in einer Art Anti-Harry-Potter-Manier hat Arlinghurst kaum Spannendes zu bieten, nur Morwenna selbst bringt ihre Magie mit. Die allerdings ist leise, undurchschaubar und könnte beinahe genauso gut lediglich der Einbildung des schwer traumatisierten Mädchens entstammen, das erst kürzlich seine Zwillingsschwester verloren hat.
Während die echte Magie also so stark im Alltag integriert ist, dass sie beinahe damit verschmilzt (ohne ihre andersweltliche Anmutung zu verlieren), ist das, was Morwenna ihre Außenseiterrolle ertragen lässt und sie aus dem Alltag wegbringen kann, die Fantasy und SF, die sie sich aus der Bibliothek ausleiht.
In einer anderen Welt ist eine Liebeserklärung an das Lesen, die SF und ihre Leser und Leserinnen. Es ist ein Fest aus Anspielungen und ein Who’s Who des Genres in den 70ern, es beschreibt, wie Literatur das Erwachsenwerden begleitet und in die Welt zurückwirkt und Seelenverwandte zusammenbringt. Gleichzeitig ist es ein nostalgischer Blick zurück auf ein Fandom, wie es heute – in Zeiten des Internets – nicht mehr existiert, und man wird durchaus mit Wehmut feststellen, dass auch etwas verlorengegangen ist, weil man nicht mehr urplötzlich in der Buchhandlung die Entdeckung machen kann, dass HIERLIEBLINGSAUTOREINFÜGEN ein neues Buch geschrieben hat!
Der kurzweilige Tagebuchstil, der Internatsklischees auf den Kopf stellt (immerhin stammt das Tagebuch von einer jungen Frau, die man heute als Nerd bezeichnen würde) macht übrigens auch dann Spaß, wenn nicht von Büchern geschwärmt wird, denn das tägliche Leben, seien es nun die Wirren der Jugend oder Morwennas Familienproblematik, bleibt ein Spannungsmotor.
Und nur, damit sich nachher keiner beschwert: Unsere geneigten Leser und Leserinnen haben die Gefahr sicher längst erkannt, aber wenn einem tagtäglich von tollen Büchern vorgeschwärmt wird (Morwenna liest nicht unter sieben die Woche, schon da möchte man grün vor Neid werden), sind Geldbeutel und Regalplatz akut bedroht.
In einer anderen Welt (Among Others (2011), übersetzt von Hannes Riffel): ISBN 978-3-942396-75-2
zur Leseprobe (pdf)
Hm, hm, hm…
Also das Cover sieht ja wirklich hübsch aus!
Aber ich bin mir noch etwas unsicher ob des Inhaltes. Vielleicht sollte ich da mal reinlesen, wenn sich die Möglichkeit bietet.
Und so ganz am Rande: ich würd ja nicht mal mitbekommen, dass es ein neues Buch von Cook gibt – die findet man ja so gut wie nie in nem Buchladen! Wahrscheinlich würde ich ihn nicht mal kennen! 😉
Das klingt sehr verlockend und sieht auch noch hübsch aus. 🙂
Mal schauen, was die Leseprobe so ergibt.
Das Buch werde ich mir sicher zulegen. Mein Interesse ist geweckt und aus dem Hause Golkonda habe noch gar kein Buch im Regal … das kann eigentlich ja gar nicht sein, wo es doch auch covertechnisch und überhaupt buchtechnisch ein paar Perlen zu bergen gibt. *g*
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