Zum 50. Geburtstag von Jo Walton

Bibliotheka Phantastika gratuliert Jo Walton, die heute ihren 50. Geburtstag feiert. Als tief im Genre und Fandom verwurzelte Autorin (wovon man sich u.a. in ihren Kolumnen bei tor.com überzeugen kann) könnte die am 1. Dezember 1964 in Aberdare, Wales, geborene Jo Walton auch schreiberisch im Kern des Genres verwurzelt sein, tatsächlich trifft das aber nur auf ihre erste Trilogie aus den Bänden The King’s Peace (2000), The Prize of the Game (2001) und The King’s Name (2002) zu, die mit einem walisisch-keltisch angehauchten Worldbuilding (ein Hintergrund, auf den Jo Walton noch öfter zurückgreifen sollte) eine alternative Variante des Artus-Mythos mit Fokus auf eine junge Kämpferin zeichnet.
Tooth and Claw von Jo WaltonSchon ihr nächster, mit dem World Fantasy Award ausgezeichneter Roman Tooth and Claw (2003, dt. Der Clan der Klauen (2005)) ist sowohl stilistisch als auch inhaltlich ein Sonderfall: Nach dem Modell des viktorianischen Romans erzählt Walton eine Familien- und Gesellschaftsgeschichte, allerdings sind alle Figuren Drachen, wodurch die Grausamkeiten hinter den gesellschaftlichen Regeln kontrastreich herausgearbeitet werden.
Auch die Trilogie aus den Romanen Farthing (2006, dt. Die Stunde der Rotkehlchen (2014)), Ha’penny (2007) und Half a Crown (2008) ist fest in der britischen Geschichte und dem sehr “britischen” Genre des Häkelkrimis verwurzelt, legt allerdings einen alternativen Geschichtsverlauf zugrunde, in dem Großbritannien und Nazi-Deutschland Frieden geschlossen haben. Beginnend mit den Mord-Ermittlungen im ersten Band wird das Abrutschen Großbritanniens in den Faschismus und der Aufbau einer Geheimpolizei beschrieben, während die Figuren in diesem Setting darum kämpfen, weder unterzugehen noch ihre Integrität ganz zu verlieren.
Der mit dem Mythopoeic Fantasy Award ausgezeichnete und nur in kleiner Auflage erschienene Roman Lifelode (2009) könnte theoretisch ein klassischer Fantasy-Roman sein, denn das Setting ist eine Welt, in der die Möglichkeiten der Magie und das Verstreichen der Zeit davon abhängig sind, wo auf welchem Längengrad man sich befindet. Walton erzählt vor diesem Hintergrund jedoch eine Geschichte, in der es eher um die Magie der kleinen Dinge, Familie und das ländliche Leben geht.
In Among Others (2011, dt. In einer anderen Welt (2013)) ist die Existenz von Magie sogar eine Interpretationsfrage, und die wahre Magie kommt aus den SF- und Fantasy-Büchern, die der aus zerrütteten Familienverhältnissen stammenden Internatsschülerin Morwenna ihre Existenz als Außenseiterin erträglicher machen – und das Ganze ist so überzeugend geraten, dass Among Others mit dem Hugo, dem Nebula und dem British Fantasy Award ausgezeichnet wurde.
My Real Children (2014), Waltons jüngster Roman, beschäftigt sich wieder mit Alternativwelt-Szenarien und lässt eine demente (?) Altenheimbewohnerin auf zwei völlig verschiedene Lebenserinnerungen zurückblicken, in denen sich die Welt im Kalten Krieg jeweils unterschiedlich entwickelt hat, aber vor allem auch das Privatleben der Protagonistin zwei gegensätzliche Wege eingeschlagen hat, so dass sich vielleicht weniger die Frage nach der Wahrheit als nach der glücklicheren Variante stellt.
Mit ihrem ungewöhnlichen Oeuvre stellt sich Jo Walton als Autorin dar, die das Genre sehr gut kennt und dieses Wissen in ihren Geschichten für eine Diskussion seiner Parameter auf einer Meta-Ebene nutzt, was ihr mit Sicherheit den ein oder anderen ihrer vielen Preise eingebracht hat und sie für Leser und Leserinnen interessant macht, die der SF und Fantasy ebenfalls sehr zugetan sind und sich gerne ein paar Alternativentwürfe anschauen möchten.

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