Webcomic: Digger

Manchmal kann man es sich mit einer Empfehlung ganz einfach machen und darauf setzen, dass nach den ersten fünf Schlagwörtern eh schon alle Interessierten verschwunden sind … um sich auf die erste Seite des großartigen Webcomics Digger von der schon im bp-Seeungeheuer-Reigen vertretenen Künstlerin Ursula Vernon zu stürzen. Wollen wir es mal ausprobieren?
Eine pragmatische Wombat-Heldin auf epischer Queste, Göttergeschichten mit etwas Philosophie durch die Hintertür, Grrlpower (mit ganz viel Grrrrr), Orakelschnecken und tonnenweise zitierwürdige Wortduelle.

What good is a god that does not fossilize?

Für alle, die sich noch immer nicht zum Nachlesen verkrümelt haben, gibt es natürlich auch eine längere Version:
Digger Banner
Digger, die Heldin des gleichnamigen, bereits etwas älteren – und deswegen auch komplett vorliegenden – Webcomics (der sich u.a. mit einem Hugo Award schmücken kann), ist ein Wombat, und auch wenn ich der Meinung bin, dass die Welt auf einen epischen Wombat gewartet hat, so sind sie doch eine Spezies, die nicht weiter vom Abenteuerhelden entfernt sein könnte: Praktisch veranlagt, ohne Geduld für übernatürlichen Firlefanz, und das Glück dieser Erde liegt für sie definitiv in dieser Erde, denn sie sind wahre Meister des fortgeschrittenen Buddelns. Die Zwangsheroisierung Diggers erfolgt dann auch durch einen etwas missglückten Tunnel, der leider gar nicht dort herauskommt, wo er sollte. Es geht nicht mit rechten Dingen zu, als Digger fern der Heimat und ohne Weg zurück strandet, und so bleibt es auch: Sie stolpert von einer Merkwürdigkeit in die nächste und verstrickt sich immer tiefer in eine Geschichte, mit der sie eigentlich – wie sie nie müde wird zu beteuern – gar nichts zu tun hat.

Soweit könnte es, Wombat hin oder her, eine ganz gewöhnliche Questengeschichte sein, doch Ursula Vernon weiß sehr genau, wie sie stereotype Elemente geschickt auf den Kopf stellen kann. Das beginnt mit der Lösung (bis hin zur Umkehrung) von Geschlechterrollen, denn an Diggers Seite sammeln sich eine Menge starker Frauenfiguren, die unter anderem aus einer durchdachten (und auf biologischen Fakten beruhenden – es sind nämlich Hyänen!) matriarchalischen Clan-Gesellschaft stammen, mit der Vernon einige sehr interessante Konstellationen aufzeigt.
Auch sonst kreuzen etliche skurrile Gestalten Diggers Weg, die meisten sind undurchschaubar und widersetzen sich gängigen Klischees, und die eingangs erwähnte Orakelschnecke setzt ganz neue Maßstäbe in Sachen Skurrilität. Andererseits arbeitet Vernon mitunter auch mit klassischen Zutaten wie der Macht von Namen oder Prophezeiungen.

Digger Band 1 von Ursula VernonAuf den schwarz/weißen Seiten von Digger verstecken sich immer wieder charmante Details, der Stil wird insgesamt im Verlauf der Geschichte etwas glatter. Die niedlichen Tierzeichnungen sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ein relativ textlastiger Comic ist, der von geistreichen, scharfzüngigen Kommentaren, Wortspielen und nur scheinbar simplen Gedankengängen lebt, die nahezu pratchetteske Betrachtungen zum Zusammenspiel von Göttern und Menschen Wombats und den Welthintergründen enthalten.
Dass Digger die Lachmuskeln strapaziert, heißt auch nicht, dass es bisweilen nicht unheimlich und intensiv werden kann, vor allem die Hintergrundgeschichten, die nach und nach durchscheinen, haben es in sich, auch wenn die Heldin alle übersinnlichen Anwandlungen sehr schnell zu erden versteht. (Pragmatische Wombat-)Philosophie rettet letztlich sogar mehr als einmal den Tag.

Für alle, denen es vor lauter Wombats und Hyänen übrigens von zu vielen felligen Tieren wimmelt, sei erwähnt, dass auch Menschen ihre Rolle zu spielen haben, und nicht nur darin erinnert Digger immer wieder an Jeff Smiths Bone. Vergleichbar ist auch die durchgehend hohe erzählerische Qualität, denn hinter dem Spiel mit den Erwartungen und den Überraschungseffekten steht eine starke Geschichte, die noch dazu eine der schönsten Eigenschaften der Fantasy für sich nutzt: Mit Digger betritt man eine neue Welt, in der jederzeit ALLES möglich ist.
Jetzt aber schnell zur ersten Seite! Solche Comic-Perlen findet man nicht alle Tage, weder im Netz noch in gedruckter Form …

bisher bei bp empfohlene Webcomics:
Widdershins
Wormworld-Saga
A Redtail’s Dream

5 Kommentare zu Webcomic: Digger

  1. Raskolnik sagt:

    “und auch wenn ich der Meinung bin, dass die Welt auf einen epischen Wombat gewartet hat”

    Da hast du ja so recht! 🙂

  2. mistkaeferl sagt:

    😀

    Apropos Dinge, auf die die Welt gewartet hat: Ich warte momentan auch ganz sehnsüchtig darauf, dass es die durch Crowdfunding finanzierte Gesamtausgabe von “Digger” irgendwie auch einfach so zu kaufen gibt, denn das ist ein Buch, das ich sicher öfter aus dem Regal ziehen würde …

  3. Raskolnik sagt:

    Was so Sachen angeht bin ich ja schrecklich unwissend. In welcher Form bzw. von wem wird diese Gesamtausgabe denn erst einmal nur käuflich zu erwerben sein?

  4. mistkaeferl sagt:

    Ich habe die Aktion bei Kickstarter leider auch versäumt. Aber soweit ich das verstanden habe, sollte, sobald das alles abgewickelt ist, das Buch bei Sofawolf Press zu bestellen sein, weil die neue Ausgabe ja die bisherige sechsbändige Print-Ausgabe ersetzen soll oder so (also die, von der ich ein Cover in dem Artikel verwendet habe).

  5. 'Pingback: Fantasy-Ennui in der Bibliotheka Phantastika

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