Webcomic: A Redtail’s Dream

Wer neuem Lesestoff in Form von Webcomics nicht abgeneigt ist, will vielleicht einen Ausflug nach Finnland wagen: Minna Sundbergs A Redtail’s Dream ist eine optisch atemberaubende Abenteuergeschichte in einer surrealen Traumwelt mit Motiven aus der Kalevala.
Ein junger Fuchs bekommt von seiner mythischen Verwandtschaft die Aufsicht über das Nordlicht aufs Auge gedrückt, und prompt geht es fürchterlich schief. Ein ganzes Örtchen verschwindet, die Bewohner sind schon auf halbem Weg nach Tuonela (dem Totenreich der finnischen Mythologie). Das Füchslein möchte sich keine Blöße geben und findet glücklicherweise den jungen Hannu und seinen Hund Ville, die bei dem Malheur gerade nicht zu Hause waren, und es verpflichtet die beiden, den Dorfbewohnern in der seltsamen Zwischenwelt, in der sie sich befinden und die nach völlig eigenen Regeln tickt, einen Weg zurück in ihre Realität zu bahnen. Dazu müssen der enthusiastische Ville (der in der Traumwelt sprechen kann) und der eher unwillige Hannu einige Aufgaben erledigen.

A Redtail's Dream Kapitel IDie (zunehmend komplizierter werdenden, aber niemals wirklich komplexen) Questen sind weniger epischer Natur, sondern leben von den Neckereien zwischen dem jungen Mann und seinem Hund und ihrem unterschiedlichem Wesen, denn der Hund Ville stellt sich als deutlich menschenfreundlicher als der mindestens soziophobe Hannu heraus, dessen Charakter die Heldenrolle absolut widerspricht und der auch immer wieder damit kollidiert. Die einzig tiefgehende Beziehung, die Hannu überhaupt zulässt, ist die zu Ville. Dazu kommen die “profanen” Begegnungen mit den verschiedenen Dorfbewohnern und die mythischen Übertöne, die sich auch direkt in Gestalt von Tiergeistern und anderen Manifestationen äußern.
Große Erklärungen und Hintergründe gibt es eher selten, doch es trägt auch zum Zauber der Traumwelt bei, dass man als LeserIn genauso wie die Figuren erst einmal hinnimmt, was sich ereignet.
Nach einem eigenwilligen Prolog braucht die Geschichte etwa hundert Seiten, bis sie Fahrt aufnimmt. Das eine oder andere Schwelgen in den charakterlichen Eigenheiten der Protagonisten hätte man vielleicht knapper abhandeln können, doch was schon von Anfang an einen regelrechten Bann ausübt, sind die Bilder – Minna Sundbergs Gespür für Natur, Tiere, Landschaften, Witterung und Nachthimmel ist beinahe unheimlich (und wird im Laufe der mittlerweile mehr als 400 Seiten des Comics stetig besser). Mühelos beschwört sie damit zwischen herbstlichen und winterlichen Nadelwäldern, Klippen und Seenlandschaften die zeitlose Traumwelt in manchmal beinahe monochromen Pastelltönen herauf. Ein Blick auf die wunderschön komponierten Seiten des Comics lohnt sich, selbst wenn man nicht der größte Fan charakterbasierter Geschichten ist.

King of the forest, aus A Redtail's Dream Kapitel IV

A Redtail’s Dream ist bis zum sechsten von geplanten acht Kapiteln gediehen und wird momentan sechsmal die Woche um eine Seite erweitert. Minna Sundberg bezeichnet A Redtail’s Dream übrigens als Übungscomic für ihr eigentliches Herzensprojekt, doch über diesen Status dürfte es mit solchen Seiten allemal hinaus sein.
Auch wenn A Redtail’s Dream erzählerisch nicht 100% geschliffen ist (und die Übersetzung aus dem Finnischen ins Englische hie und da schlingert) lohnt es sich für jeden Comicfreund mit einer Schwäche für liebevoll dargestellte Tiere, berauschende Bildwelten, schrullige Ideen und den Bezug auf eine Mythologie, die in der Fantasy längst nicht so häufig Ideengeber war wie etwa keltische oder nordische Mythen. Ob die abschließenden Kapitel Hannu zu einem warmherzigeren Gesellen machen und die sich andeutenden Brüche in den linearen Questen sich ausweiten, muss sich noch erweisen; dass Minna Sundberg eine Comic-Künstlerin ist, die man im Auge behalten sollte, ist dagegen längst keine Frage mehr.
Webseite
Übersicht über die bisherigen Kapitel

bisher bei bp empfohlene Webcomics:
Widdershins
Wormworld-Saga

5 Kommentare zu Webcomic: A Redtail’s Dream

  1. rabenkriegermarc sagt:

    Nachdem ich durch den Blog hier schon auf Widdershins gebracht wurde (danke noch mal), habe ich jetzt auch mal “A Redtail’s Dream” angefangen.
    Was soll ich sagen? Ich habe eben alle Seiten bis zum aktuellen Stand gelesen und habe jetzt morgens eine weitere Seite, die zu besuchen wohl in meine Routine Einzug halten wird.
    Danke Forumos

  2. mistkaeferl sagt:

    Oh, das Feedback freut mich ungemein, ich hatte ein bisschen die Befürchtung, die Webcomic-Sache wäre nur mein Steckenpferd, das ich hier durchs Blog treibe. Schön zu hören, dass du dadurch auf etwas gestoßen bist, das dir gefällt.
    Ich bin immer wieder begeistert, was für tolle Projekte man zum Teil zu sehen bekommt. (Und ich bin ja auch sooo gespannt, was bzw. welche Protagonisten der nächste Widdershins-Teil bringen wird …)

  3. rabenkriegermarc sagt:

    Bei Widdershins bin ih auch sehr gespannt, will aber keine Vermutungen tätigen. Bekannte Caraktere oder Neue können alles sein: Hauptfiguren, Nebenfiguren oder nur mit Gastauftritten teilnehmen. Ich freue mich aber auf jeden Fall schon drauf.

    Bei A Redtail’s Dream bin ich mal gespannt, in was für Tiere Ville sich in den beiden noch ausstehenden Kapiteln verwandeln wird. Und natürlich, ob der junge Fuchs mit all dem durchkommen wird.

    PS: Ich habe nichts gegen weitere Webcomic-Empfehlungen, denn obwohl ich schreibtechnisch im Forum zur Zeit alles andere als glänze, bin ich so gut wie jeden Tag als Leser und Leseideenaufgreifer im Forum unterwegs.

  4. Nala sagt:

    Noch einmal Feedback: Ich schaffe es zwar leider zeitlich nicht, regelmäßig Webcomics zu lesen – aber die bisherigen Tipps sind bei meiner Schwester dafür sehr gut angekommen 🙂

  5. Raskolnik sagt:

    @mistkaeferl: Ich habe gerade zum ersten Mal in “A Redtail’s Dream” reingeschaut und bin sehr angetan. Allgemein gesprochen bin ich ja kein großer Comicleser, aber das hier könnte mir wirklich gefallen. Sehr weit vorgestoßen bin freilich noch nicht.
    Besonders beeindruckend finde ich aber schon jetzt die ja auch von dir hervorgehobenen Naturdarstellungen. Magisch. Vielen Dank für diesen schönen Tip!

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