Titelkatalog: k

Der Kampf des Rabenprinzen von Cecilia Dart-ThorntonTahquil ist die Einzige, die den Schlüssel zu den geheimen Toren zwischen dem Reich der Menschen und dem der Feen besitzt. Der Rabenprinz, dessen Plan einst scheiterte und ihn selbst in die Welt der Menschen verbannte, ist nun auf der Jagd nach Taqhuil, um vor seinem Zwillingsbruder, dem Hochkönig Angavar, zurückzukehren, die Herrschaft an sich zu reißen und seinen Bruder zu töten. Doch der Rabenprinz ahnt noch nichts von dem Geheimnis, welches Taqhuil und Angavar teilen, und davon, dass dieses Geheimnis seinen Sieg endgültig vereiteln könnte.

– Die Qual der Langothe wuchs Tag für Tag. Sie raubte Tahquil zunehmend den Appetit und den Schlaf, die Kraft und die Lebensfreude – und würde ihr letzten Endes das Leben selbst rauben. Dazu kam eine weitere unstillbare Sehnsucht, die sie unerbittlich dem Wahnsinn entgegentrieb, ein aus verzweifelter Liebe geborener Schmerz. Die Gedanken an den einen, der sie verzaubert und in seinen Bann geschlagen hatte, ließen sie Tag und Nacht nicht los, und die Ungewissheit, ob er noch unter den Lebenden weilte, wurde unerträglich. –
Kapitel 3 – Lallillir, Seite 153

Mit Der Kampf des Rabenprinzen (The Battle of Evernight) befördert die Autorin ihre Buchreihe leider endgültig völlig ins Aus. Alles, was den ersten Band sprachlich und storytechnisch so lesenswert und bezaubernd machte, ließ bereits im zweiten Band häufig zu wünschen übrig, aufgrund einer vermehrt dahinschleichenden Handlung und einem leicht erhöhten Schnulzenfaktor. Dieser finale Roman übertrifft darin nun leider nicht nur seinen Vorgänger, sondern auch so manchen Groschenroman – um Längen.

Wer sich noch an die scheinbar endlosen Wanderungen aus Das Geheimnis der schönen Fremden erinnert, der wird in Der Kampf des Rabenprinzen doppelt viel Freude damit haben. Es ist schwer, etwas über die Handlung dieses Romans zu sagen, denn es dauert extrem lange, bis überhaupt irgendetwas Nennenswertes passiert. Das geht los mit einer völlig sinnlosen Wanderung, die mal eben 200-250 Seiten schluckt, nur um dann darin zu gipfeln, dass man die Suche abbricht, um wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Zäh und nahezu ohne Spannungsmomente wirkt auch die Hauptfigur mit ihren ständig wechselnden Namen die inzwischen so gut wie keine Eigeninitiative, keine Entschlossenheit und auch keine Willenskraft mehr zeigt, und von der ersten bis zur letzten Seite an der herzzerreißenden Langothe leidet – der schrecklichen Krankheit, die den Menschen befällt und unweigerlich zum Tod führt – oder ihrer noch schrecklicheren Sehnsucht nach ihrem Geliebten Dorn. Es ist fast schon wieder amüsant, wie die eine leidvollere Sehnsucht unsere Protagonistin davor bewahrt, an der anderen zu sterben. Schlimmer ist, dass dabei so wenig Stimmung aufkommt, dass einen dieses schier unmenschliche Leiden eigentlich nicht berührt. Die Sätze zeigen keine Wirkung, außer der, dass man auf die Uhr schaut, um die persönliche Langothe mit diesem Buch zu beenden. Unser männlicher Held Dorn legt derweil auch eine zweite Identität an den Tag, und schon wieder hat man jemanden mit drei Namen/Identitäten mehr im Buch. Welche Wonne!

Sicher, die Autorin beherrscht ihr Handwerk und vermag es noch immer, wunderschöne, lebendige Bilder mit ihrer Sprache zu erschaffen, doch das Gesamtergebnis wirkt in diesem Roman wie ein missglückter und bruchstückhafter Textbausatz. Häufig kommt das Gefühl auf, hier wurden Szenen eingesetzt, die in sich wunderschön geschrieben sind, aber auch nur deswegen noch irgendwie in die Handlung hinein gequetscht wurden. Die Charaktere sind stupide geworden, haben völlig überzeichnete Eigenschaften angenommen oder legen restlos unglaubwürdige Reaktionen an den Tag. Die Figur Dorn wird außerdem zu einer zusätzlichen Probe für die eigenen Nerven. Es lässt sich kaum zählen, wie oft erwähnt wird, wie das makellose Gesicht Dorns von den glänzenden Locken seiner schwarzen Haare eingerahmt wird, wie das Haar ihm in sanften Wasserfällen locker über die perfekte Schulter fällt, wie Imrhien/Taqhuil/Rohain/Ashalind vor Begierde zu zittern beginnt und seiner Anziehungskraft nicht widerstehen kann. Das Ganze wiederholt sich wirklich unerträglich oft!
Auch anfängliche Ideen wie das Metall Sildron z.B., welches eine faszinierende Basis für viele interessante technische Entwicklungen hätte sein können, gerät in diesem letzten Band schließlich völlig in Vergessenheit, und man fragt sich, wozu es ursprünglich in die Handlung eingeführt wurde.
Gegen so viele schwere Mängel kommt letztlich auch die lyrische Sprache der Buchreihe nicht mehr an.

Wer noch nicht gänzlich davon überzeugt ist, die Finger von diesem bedauernswerten Buch zu lassen, dem sei noch ein wenig zum längst erwarteten Endkampf gesagt (keine Spoiler): Es gibt selten Momente, in denen ein finales Aufeinandertreffen zweier Kontrahenten derart sanft verpufft wie in diesem Fall. Nach all den langen Schilderungen und dem Aufbau eines bösen Gegenspielers erwartet man natürlich wenigstens einen fulminanten Schluss, sofern man bis hierher überhaupt durchgehalten hat. Von den ca. zwei Seiten, die dieser Kampf in Anspruch nimmt, muss man locker nochmal eine halbe Seite für die fallende Haarpracht und entsetzliche Sehnsüchte abziehen. Nichts mit heroischem Endkampf, statt dessen kindische Rangelei gefolgt von 100 Seiten höfischem Geplänkel, Händchen halten, Liebesbekundungen, noch ein Dinner, nochmal Händchen halten, nochmal Liebesbekundung. Wer meint, damit aber müsse nun endlich das Ende von Der Kampf des Rabenprinzen erreicht sein, der irrt schon wieder.
Nachdem doch noch alles höchst dramatisch im letzten Moment gescheitert ist, um dann auf fünf weiteren Seiten alles aus den drei Büchern der Feenland-Chroniken noch einmal schnell passieren zu lassen, endet das Ganze in einem krönenden Epilog, der ein dermaßen unbefriedigendes Leseerlebnis zurück lässt, dass man das Buch auf der Stelle zerreißen und in einen offenen Kamin werfen möchte.

Dieses Buch ist von A bis Z gähnend langweilig und bietet einem nichts als Entschädigung. Ein trauriges Ende für einen so vielversprechenden Anfang, wie es Im Bann der Sturmreiter war.

Cover von Der Kampf um die alte Welt von Michael A. StackpoleWährend sich die Welt immer noch vom Ausbruch der wilden Magie erholt, ist die Reise von Keles und Jorim Anturasi zu einem vorläufigem Ende gekommen. Als Gefangener der Desei-Dynastie versucht Keles, die alten Feinde seines Hauses zu manipulieren. Doch die Lage spitzt sich zu, als Deseirion plötzlich angegriffen wird und Keles sich einer Übermacht von Gegnern gegenüber sieht.
Jorim hingegen hat Probleme ganz anderer Art: auf der geheimnisvollen Insel Caxyan wird er von den Amentzutl als wiedergeborener Gott verehrt. Er soll das Volk der Insel vor seinen Feinden retten und in eine neue Friedenszeit führen. Können die alten Überlieferungen wahr sein?

-»Ihr wisst vielleicht, wo ihr seid, und sogar, wohin ihr wollt, aber ihr kennt die Welt nur als Karte. Eine Karte verhält sich zur wahren Welt aber wie ein Notenblatt zu einem Lied. Sie ist nichts weiter als eine Beschreibung. Ihr wisst nicht genug von dieser Welt, um in ihr zu überleben.«-
3

Der zweite Band von Stackpoles Fantasy-Saga gibt sich alle Mühe, seinen Vorgänger in Sachen Handlung und Spannung zu übertreffen. In einigen Dingen gelingt das auch, in anderen tritt zumindest keine Verschlechterung auf.
Zunächst einmal ist die Handlung von Der Kampf um die alte Welt (Cartomancy) weitaus komplexer als im Vorgänger Das verlorene Land (A Secret Atlas). Die vorangegangenen Handlungsstränge werden weitergeführt und es kommen noch ein paar interessante Aspekte hinzu, was dem ganzen Roman viel mehr Tiefe gibt, als der erste Band hatte. Es gibt einige überraschende Wendungen, die man im ersten Band nicht erwartet hatte (z.B. in Hinsicht auf die Kaiserin), die einen ermutigen, trotz diverser Längen durchzuhalten. Die Geschichte bedient sich einiger offensichtlicher Leihgaben gängiger Mythen, während die Amentzutl große Ähnlichkeiten mit den Inka oder Maya aufweisen. Dennoch bringt der Autor auch genug eigene Ideen ein, die sich gut mit dem Ausgeliehenen verbinden und eine neue Geschichte entstehen lassen, nicht nur eine neue Version einer bereits Bekannten. Die religiösen Aspekte erhalten mehr Gewicht, es kommt sogar zum Eingreifen der Götter selbst. Auch hier finden sich Anlehnung an Bekanntes, Grija ist dabei das Äquivalent zu Anubis, beide hundsköpfig und Gott der Toten. Vielleicht wäre ein bißchen weniger “ausleihen” mehr gewesen. Die Schlusskapitel bieten jedoch einige fiese Cliffhanger, so dass man gewillt ist, auch den abschließenden Band der Trilogie zu kaufen.
Besonders gelungen sind die Kapitel der Bürokraten und ihre Sicht der Dinge. Als Gegenspieler von Prinzdynast Cyron ist der Oberamtswalter Pelut Vniel eine überaus gelungene Figur. Mit viel Feingefühl zeichnet der Autor ein Bild von der Politik und Bürokratie der Neun Dynastien, das sich aufgrund der Tiefe und sorgfältiger Ausarbeitung sehen lassen kann. Die Intrigen zwischen den einzelnen Dynastien sind überaus realistisch und glaubwürdig geschildert. Besonders Cyron als tragische Figur hat mir gut gefallen.
Es gibt keine richtige Hauptperson, auf der der Schwerpunkt der Geschichte liegt, sondern die Ereignisse werden durch den (eingeschränkten) Blick vieler Personen erzählt. Dabei entwickeln sich die Charaktere von den bloßen Schemata des ersten Buches zu durchaus realistischen Personen, in die man sich teilweise auch hineinversetzen kann. Ein paar neue Persönlichkeiten und ein Kapitel in der Ich-Perspektive fügen sich nahtlos in die Geschichte ein.
Das, was dem Autor zwar in Sachen Intrigen und Machtspielchen gelingt, versagt aber bei den Schlachten und Kämpfen, von denen es allzu viele gibt. Die Kämpfe sind kaum mehr als eine (teilweise eklige) Beschreibung, wie der Held den Feind niedermetzelt und dabei von einer Form in eine andere wechselt, ohne dass der Leser etwas damit anfangen kann. Wenn der Held den Feind mit dem “dritten Kranich” oder dem “fünften Drachen” angreift und dieser mit der zweiten Hundeform oder Heuschrecke antwortet, wirkt es eher wie ein verrückter Zoo als ein Kampf. Noch dazu kommt, dass die Kämpfe übergangslos stattfinden. In einer Zeile redet man noch friedlich miteinander, in der nächsten wird man angegriffen und verwandelt sich in einen Adler, auf der nächsten Seite geht man schon wieder weiter, als wäre nichts gewesen. Die Kämpfe, die wohl der Spannung dienen sollen, bewirken eher das Gegenteil. Und durch die vielen Kämpfe kann es schon mitunter zu so etwas wie Langeweile kommen, zum Glück dauernd diese Kapitel auch nicht ewig.

Kartiks Schicksal von Libba BrayDie Lage ist ernst. Der Kampf um das magische Reich und die Magie spitzt sich zu, auch das Verhältnis zwischen Gemma und ihren Freundinnen ist angespannt. Jeder möchte die Magie kontrollieren und Gemma notfalls dazu zwingen, sie abzugeben. Die junge Frau muss sich entscheiden, wem sie die Magie überlässt und welchen Pfad sie in ihrem Leben einschlagen will. Doch wird sie lange genug leben, um diese Wahl zu treffen? Und wird sie mit ihrer Entscheidung das drohende Unheil verhindern oder entfesseln?

– Es gibt einen speziellen Kreis der Hölle, der in Dantes berühmtem Buch nicht erwähnt wird. Er heißt Benehmen und er existiert in allen Schulen für junge Damen landauf und landab im ganzen englischen Königreich. –
Kapitel 1

Zu Kartiks Schicksal liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

The Katurran Odyssey von Terryl Whitlatch und David Michael WiegerAuf der Heimatinsel des Lemur Katook ist es kalt geworden, die Feigenbäume sind kahl, und die Lemuren am Verhungern.  Hohepriester Gamic verlangt Opfergaben, um den Fossah gnädig zu stimmen. Als Katook in die Nähe des Tempels gelangt, sieht er jedoch, wie die Priester sich selbst an den geopferten Früchten gütlich tun. Nachdem er dabei erwischt wurde, das Verbotene zu sehen, wird Katook ins Exil geschickt. Damit beginnt eine lange Reise auf der Suche nach Artgenossen.

-It is said, in some far and distant lands, that speaking the name of a place connects you to its heart and can breathe it into being. Bo-hibba. Within the song of the word is the scent of ripe fruit and vanilla and the fertile musk of a jungle.-
Prologue: Another Time

Lemuren, die charmanten Halbbrüder der Affen, waren schon immer für ein Abenteuer gut – der ältere Leser kennt sie vielleicht aus Douglas Adams’ Die letzten ihrer Art, die jüngeren aus den Madagascar-Filmen.
In The Katurran Odyssey sind sie eine Gesellschaft, die einen Helden braucht, denn auf ihrer abgelegenen Insel stehen die Zeichen auf Untergang. Der junge, unschuldige und unwissende Katook bietet sich ganz in der Tradition des unwahrscheinlichen Helden an – davor, ein Bauernbursche zu sein, bewahrt ihn wohl lediglich die Tatsache, dass die meisten Einwohner der nur von (sprechenden) Tieren bevölkerten Welt Katurrah relativ naturnah leben und sich ihre Früchte einfach vom Baum pflücken. Verschiedene Kulturen, die sich alle auf den Erfindergeist oder die Entdeckerlust der auf Katurrah beheimateten Primatenarten gründen, gibt es dennoch – und Katook kann etliche davon auf seiner langen Questenreise erkunden, die einmal quer über den (auf einer schönen Karte im Vorsatz des Bandes gezeigten) Hauptkontinent führt. Dass Katook auf der Suche nach einem Heilmittel für die Unfruchtbarkeit seiner Heimatinsel Bo-hibba ist, weiß er allerdings selbst nicht – es ergibt sich eher nebenbei, und das ist einer der Stolpersteine von The Katurran Odyssey.

Zunächst überzeugt das großformatige Buch allerdings optisch auf ganzer Linie: Der kreative Kopf hinter The Katurran Odyssey ist Terryl Whitlatch, eine Illustratorin, die u.a. für Lucasfilm die Fauna einiger Star Wars-Welten gestaltet hat. Sie hat die Welt Katurrah mit vielen der faszinierendsten Tiere ausgestattet, die die Erdgeschichte zu bieten hat, ob ausgestorben oder nicht, spielt in diesem Setting keine Rolle. Ob Beutelwolf, Mastodon, Helmkasuar oder Wombat – in The Katurran Odyssey findet man sie alle, und die Tierzeichnungen sind präzise und naturgetreu. Die Kultur, die den Tieren angedichtet wurde, bietet viele feine Details wie den Schmuck, der sich auf Antilopenhörnern oder in Quaggaschwänzen findet, die Verzierungen auf Kultgefäßen, Teppichen und Wandbehängen und vieles mehr.
Die Bilder sind häufig doppelseitig und farbenprächtig, vor allem die opulenten Unterwasserszenen, die von einer surreal wirkenden Menge an Meeresbewohnern bevölkert werden, beeindrucken den Betrachter. Wenn man gerne die Vielfalt der gegenwärtigen und vormaligen Tierwelt bestaunt, ist The Katurran Odyssey allein wegen dieser Bilder einen Blick wert. Es gibt kaum eine Seite ohne Illustration, und wenn man den regenbogenfarbigen Buchschnitt betrachtet, bekommt man einen Eindruck davon, was einen an gelben Wüsten, grünen Dschungeln und pastellfarbenen Gebirgslandschaften erwartet. (Hier gibt es eine Auswahl der zum Buch veröffentlichten Promo-Bilder, über die man sich einen guten Eindruck verschaffen kann.)

Trotz der Illustrationslastigkeit ist The Katurran Odyssey aber auch reich an Text, und die Geschichte macht ziemlich alles falsch, was man bei der Plot-Konstruktion falsch machen kann: Der Held Katook ist nicht nur unglaublich planlos und naiv, er findet auch im Verlauf der Handlung kein rechtes Ziel, so dass die Geschichte allzu schnell als Vehikel entlarvt ist, das dem Leser eine große Tour durch Katurrah verschaffen soll. Entscheidungen sind unlogisch und nicht aus der vorhergehenden Handlung oder den Figuren heraus nachvollziehbar. Und es endet mit einem deus-ex-machina, der The Katurran Odyssey einen stark religiösen Anstrich mit einem allezeit lenkenden Schöpfergott gibt, der dem ziellosen Herumirren im Nachhinein einen Sinn verleiht und hier passenderweise nicht als Löwe, sondern als Fossa (das madagassische “Groß”raubtier) auftritt.
Trotzdem gibt es natürlich auch einige passable Szenen, aber die meisten dieser Ansätze verpuffen in Bedeutungslosigkeit, weil die Figuren und ihre Ziele durchweg nichtssagend bleiben. Traditionelle Werte werden hochgehalten, Freundschaft, Treue zu sich selbst, Familie, das Stellen der inneren Stimme über wissenschaftliche und rationale Befunde. Innerhalb dieser seltsam gleichgültigen Geschichte reißen diese Werte aber weder mit, noch kann man sich darüber aufregen.

Auch für die Zielgruppe des Textes bleibt die Geschichte damit ein wenig hohl und unbefriedigend, auch wenn die Abenteuer Katooks auf jüngere Leser vermutlich aufregender wirken. Die stark religiöse Prägung der letzten Seiten, die ein befriedigendes, selbst-erreichtes Ende ausschließt, führt leider auch zu dem Schluss, dass The Katurran Odyssey nicht unbedingt eine empfehlenswerte Kindergeschichte ist. Richtig verwunderlich ist es nicht, dass es für diesen Band, der zwar abgeschlossen ist, aber durch den Untertitel “Book One: Finding Home” nahelegt, dass noch mehr hätte folgen sollen, bis heute keine Fortsetzung gibt.
Sieht man The Katurran Odyssey vornehmlich als Artbook und kann sich an den Illustrationen freuen, ohne die Geschichte groß zu beachten, ist es durchaus ein Schmuckstück fürs Buchregal. Gelesen haben muss man es allerdings wirklich nicht.

Cover von Katzenwinter von Wolfgang und Heike HohlbeinMit Beginn des Winters breitet sich langsam etwas Bedrohliches, Böses über der Stadt Crailsfelden aus. Es sind uralte, böse Kräfte, die ihren Ursprung in der alten, rußgeschwärzten Ruine des Klosters auf dem Hügel haben. Justin ist jetzt, an Stelle seiner Großmutter, dazu bestimmt, diesen Mächten Einhalt zu gebieten. Dabei stehen ihm die Katzen seiner Großmutter und ein seltsames Mädchen zur Seite. Aber die Tore der Hölle haben sich bereits aufgetan …

-Der Winter kam früh in diesem Jahr und als die erste Schneeflocke fiel, stürzte Justins Großmutter die Treppe hinunter und brach sich das Genick.-

Nun – ich mag Katzen, und deshalb lese ich Geschichten, die von Katzen handeln, oder in denen Katzen eine Rolle spielen, eigentlich ganz gern. So war es auch, als ich mir dachte: “Dieses Buch müsste wohl ganz passabel für mich sein …” Hatte ich mir gedacht …
Es war eine Enttäuschung. Es ist eben wieder ein typischer Hohlbein, gestrickt nach typischem Hohlbein-Konzept: Kleiner-Junge-rettet-die-Welt – und hat erst einmal keine Ahnung, wie und warum er zu dieser Ehre kommt. Da lebt ein kleiner Junge (diesmal heißt er Justin) in einem Städtchen irgendwo in Deutschland und um ihn herum versinkt alles nach und nach in immer mehr brutaler Rohheit, Mordlust und sonstiger sinnloser Gewalt. Ich hatte manchmal schon streckenweise das Gefühl, ins Horror-Genre gerutscht zu sein, und statt eines Fantasy-Romans, einen “Stephen King” zu lesen (in den jüngeren Ausgaben, gerade von Wolfgang Hohlbein, fällt mir eine gewisse Ähnlichkeit immer mehr auf …). Justin stolpert natürlich wieder darum in seine Bestimmung hinein, weil er “familiär vorbelastet” ist (bei Dreizehn und Unterland ist es ähnlich …), und weiß lange nicht wie, was, wer, warum miteinander zusammenhängt und welche Rolle eigentlich die zehn Katzen seiner Großmutter spielen. Die alte Dame hätte über die näheren Zusammenhänge bestens bescheid gewußt, wurde aber zum richtigen Zeitpunkt außer Gefecht gesetzt, so dass sie dem armen unwissenden Knaben fast keine Informationen mehr über seine Aufgabe zukommen lassen kann – und auch dem armen Leser nicht – der, zusammen mit Justin, erstmal von einem abgehackten Hinweis zum nächsten stolpert und schließlich, immer noch genauso unwissend wie unser bedauernswerter Weltenretter, mit (erst) Gemeinheiten, dann (etwas später) Grobheiten und am Ende (da hat man schon die Hälfte des Buches gelesen) mit offener roher Gewalt bis hin zu purer Mordlust konfontriert wird. Hier liegt meiner Ansicht nach eine große Schwäche dieses Buches: man wird viel zu lange im Unklaren gelassen, und deshalb weiß man nicht, warum man sich dieses ganze Szenario 417 Seiten lang antun muss.
Auch die Sprache des Werkes macht es einem nicht gerade leicht. Es nicht trivial, aber der Hochgenuss ist es auch nicht, und natürlich gibt es auch wieder einen Compagnon, (diesmal weiblich) der unserem kleinen Helden zur Seite steht, aber (wie in Drachenfeuer ein gewisser Llewellyen …) bleibt das Mädchen bis zum Schluß undurchsichtig, ist ziemlich mundfaul und auch nicht eben sympatisch. Alles in allem haben wir die bekannte Riege an Figuren, bei denen irgendwie, meines Erachtens, bloß die Namen geändert werden.

Ein Kind von Licht und Schatten von Guy Gavriel KayVon allen verlassen, gejagt, gehasst oder gefürchtet, begibt sich Darien, das Kind von Licht und Schatten, auf die Suche nach seiner Bestimmung. Doch für ihn gibt es im Webmuster Fionavars keinen Faden – und so muss er selbst entscheiden, welchen Weg er einschlagen möchte. Er ahnt, dass von seiner Entscheidung das Wohl und Wehe Fionavars und all seiner Bewohner abhängig sein wird. Kriege, Zweifel und Verrat lassen scheinbar keinen Platz für Hoffnung – doch noch immer streiten Kimberley, Jennifer, Dave und Paul für das Licht und wandeln dabei auf dunkelsten Pfaden.

Einen Augenblick später rannte er durch die Ebene, seine Geschwindigkeit war schneller, als die des Slaug jemals hätte sein können, er rannte so schnell er konnte nach Westen, vergessen war die Schlacht, der Krieg, fast vergessen.
Nach Westen, wo die Lichter brannten und jemand im Raum stand, in jenem Raum, der einst Lisen gehört hatte.
Teil I: Das letzte Kanior

Alle Fäden, die Autor Guy Gavriel Kay in den ersten beiden Bänden der Fionavar-Trilogie so meisterhaft wob, bilden in diesem letzten Buch endlich das finale Muster und lassen den Leser teilhaben am Ende der Geschichten von Dave, Kim, Paul und Jennifer. Mit den einfach bis anstrengend gestrickten Charakteren des ersten Bandes haben die Vier nicht mehr viel gemein: alle haben sich zu Persönlichkeiten weiterentwickelt, die durch phantastische Gaben und Fähigkeiten brillieren und sich durch Zweifel, Angst und Unsicherheit immer weiter wandeln. Und das ist auch bitter nötig: keiner zweifelt mehr an der Existenz von furchterregenden, göttlichen oder verdorbenen Gestalten, denn in mannigfaltiger Form begegnen sie den vier „Fremden“ in Fionavar immerzu; und man kann gestrost annehmen, dass es Dave nicht bis in den 3. Band geschafft hätte – wäre er nicht zu einem Anderen geworden. Die Charaktere sind die große Stärke von Kays Roman: sie bleiben menschlich, auch wenn sie mit Macht beladen sind, und sie sind einer ständigen Entwicklung unterworfen. Selbst Jaelle, die kalte Tochter der Göttin, kommt im Laufe der Handlung nicht umhin, sich selbst im Frage zu stellen und aufgrund neuer Selbsterkenntnisse weitreichende Konsequenzen zu ziehen.

Und so sind Entscheidungen und Veränderungen die beiden Motive, die sich wie rote Fäden durch das kunstvolle Bild Fionavars ziehen. Sind wir frei genug, um wahrhaftig eine Entscheidung zu treffen, oder ist selbst die Entscheidung vorgezeichnet? Mit dieser Frage nähert sich Kay einer uralten und zur gleichen Zeit sehr modernen Problematik: die Natur des freien Willens. Der Autor lässt seine Figuren die Frage mit einem entschiedenen „Ja!“ beantworten, wobei jedoch auch deutlich wird, dass die Abkehr vom Schicksalsglauben einen hohen Preis fordert. Und genau dies beeinflusst die Grundstimmung des Werkes entscheidend: keine Seite wird gewendet, ohne dass dem Leser unaussprechliche Traurigkeiten, tiefste Miseren und schwierigste Entscheidungen offenbar werden. Mit dem Gewicht vom Curdardhs Hammer drücken die Ungerechtigkeiten und Unfassbarkeiten auf das Gemüt eines jeden, der ihnen ausgesetzt ist – da geht es Figuren wie Lesern. Jede kleine Handlung ist derart mit Bedeutung angereichert, dass es dem Leser bald die Sprache verschlägt: wandelt denn niemand auf Fionavars Boden, der nicht reinkarniert oder seit tausend Jahren von Seelenschmerz gezeichnet ist? In diesem Band vernachlässigt Kay leider einen wichtiger Aspekt, der die beiden vorhergehenden Bücher auszeichnet: eine gewisse Leichtigkeit und eine Schönheit der Sprache, die nicht erdrückend wirkt.

Man kann es den Bewohnern Fionavar jedoch wahrlich nicht verübeln, dass ihnen der Spaß gründlich vergangen ist: im andauernden Schlachtgetümmel – auf den Felder Fionavars und im Inneren von hin- und hergerissenen Seelen – beschränkt sich sogar der schillernde Prinz Diarmuid auf lahme Scherze, die ihm der Leser nicht mehr so recht abnehmen mag.

Die Einflechtung der Arthussage erreicht in diesem Band ihren Höhepunkt sowie ihre überraschende Auflösung. Das Trio Guinevere, Lancelot und Arthus ficht, ungeachtet der allzu weltlichen Dinge wie Raum und Zeit, auf Fionavar seinen letzten Kampf aus, um der unsterblichen Liebe willen. Ich komme nicht umhin, mich zu fragen, weshalb in diesem fundamentalen Kampf zwischen Gut und Böse jedes Fass aufgemacht wird, dessen Bodensatz nach Pathos riecht. Scheinbar endlos wird die Liste der Traurigkeiten, will man sie alle aufzählen. Endlos ist jedoch nicht die Aufnahmefähigkeit des Lesers, und so kommt es, dass gebrochene Herzen zur Lesegewohnheit werden und humorige Passagen zum ungläubigen Zweimallesen anregen.

Was als Urteil allzu vernichtend klang, soll jedoch nicht als einziges Bewertungskriterium herangezogen werden. Für seine Geduld belohnt Kay den Leser mit feinfühlig und differenziert gezeichneten Figurenkonstellationen und ausdrucksstarker, sprachlicher Bildlichkeit. Und an Ideen mangelt es dem Autor wahrlich nicht: furchterregende, beeindruckende Wendungen in der Handlung lassen den Leser in eifriger Hast weiterlesen. Erwähnt seien hier die nächtliche Meerfahrt auf einem Schiff, dass bereits vor tausend Jahren sank, oder die Enthüllung des Geheimnisses vom Kristallsee – und der Gesang der Paraiko, der nicht nur die weißhaarige Kimberley tief berührt.

Trotz allem Ideenreichtums möchte ich Isaac Asimov mit seiner Bewertung „Tolkienesk“ zustimmen: einige Motive kommen dem geneigten Tolkianer sehr bekannt vor, sei es das entrückte Land im Westen oder das lichterfüllte Gründervolk, welches in raren friedlichen Zeiten den Abendstern huldigt. Kay interpretiert diese motivischen Traditionen jedoch oft in erstaunlicher oder erschreckender Art und Weise neu, sodass dem Leser viele neue Facetten eines Stoffes gewahr werden – so auch des Artusstoffes.

Zum Schluß kommen endlich auch Freunde der blutreichen Kampfszenen auf ihre Kosten; auf den letzten 50 Seiten entscheiden sich – oder enden – recht abrupt etliche Schicksale, die den Leser in tiefer Trauer zurücklassen. Doch nicht ohne Hoffnung: auf den letzten Seiten entwickelt sich erneut ein heiterer Unterton in der Erzählung, der das Abschiednehmen des Lesers von Fionavar und seinen Bewohnern von seiner allumfassenden Tragik und Dramatik zumindest für einen Moment befreit und damit versöhnlich stimmt – wenn man nicht vorher durch einen Tränenschleier gehindert wird, bis zum Ende der Geschichte zu lesen.

The King of Attolia von Megan Whalen TurnerKönigin Irene von Attolia hat durch ihre Heirat mit einem Cousin der Königin von Eddis außenpolitisch eine Atempause gewonnen. Aber der neue König ist unbeliebt und wird immer wieder zur Zielscheibe von demütigenden Streichen. Niemand geht jedoch so weit wie der Gardist Costis, der dem König einen Fausthieb ins Gesicht versetzt. Sein Schicksal scheint besiegelt, doch er  hat eher die Neugier als den Rachedurst des Herrschers geweckt. Nach und nach bildet sich ein Vertrauensverhältnis zwischen den ungleichen Männern heraus. Costis erkennt, dass er den König unterschätzt hat, dessen wahre Fähigkeiten bald gefordert sind. Denn der machthungrige attolische Adel und die düpierten Meder ruhen nicht …

– Costis took a ragged breath. He wanted to kill the king. He wanted to cry. He dropped to his knees before his queen and lowered his head almost to the floor, covering his face with his hands, still balled into fists, tightening knots of rage and bitter, bitter shame. –
Chapter One

Mit The King of Attolia läuft Megan Whalen Turner zu Höchstform auf und legt ihren bislang vielleicht gelungensten Roman vor, der die Stärken der ersten beiden Teile der Attolia-Reihe kombiniert. Das Spannungsfeld zwischen persönlicher Integrität und politischer Notwendigkeit ist wie im zweiten Band eines der zentralen Themen, doch wie in The Thief herrscht trotz aller Ernsthaftigkeit der Handlung wieder ein von unaufdringlichem Humor gefärbter Erzählton vor. Gerade die Dialoge sind oft spritzig und pointiert, aber auch insgesamt ist die Lektüre ausgesprochen locker und unterhaltsam, ohne in Oberflächlichkeit abzugleiten. Manch subtiler Scherz ist schon in der Namensgebung verborgen. So wird es etwa historisch interessierte Leser nicht wundern, dass ein (ehemaliger) Gardist namens Sejanus für den geplagten Herrscher eher mit Vorsicht zu genießen ist.

Ohnehin erinnern die Gardesoldaten als potentielle Königsmacher ein wenig an die Prätorianer der römischen Kaiserzeit, wie auch überhaupt wieder einzelne Versatzstücke aus mediterranen Kulturen zu einer überzeugenden Welt kombiniert sind, die niemals bloße Kulisse bleibt, sondern mit ihren regionalen und sozialen Gegensätzen die Psyche der liebevoll ausgearbeiteten Charaktere bis ins Detail prägt.

Wie gewohnt dominiert der facettenreiche Gen über weite Strecken unangefochten die Bühne, wobei sein weiterhin sehr direktes Verhältnis zu den Göttern (die auch schon einmal verhindern, dass er angetrunken von der Palastmauer stürzt) für einige Lacher gut ist. Mit dem durchaus sympathisch gezeichneten, aber oft heillos überforderten Costis schenkt Turner dem Leser zum ersten Mal eine klassische Identifikationsfigur, an deren Seite er sich durch das Intrigengewirr am Hof von Attolia tasten kann. Wer allerdings die Reihe in chronologischer Reihenfolge gelesen hat, ist Costis oft um ein paar Schritte voraus, denn die Vorliebe der Autorin dafür, bestimmte Einzelheiten zu verschweigen und manches erst nachträglich in ganz anderem Licht erscheinen zu lassen, ist einem mittlerweile vertraut.

Dass man sich trotzdem nicht langweilt, liegt unter anderem auch daran, dass die bisher eher in außenpolitischem Kontext zum Einsatz gebrachten Winkelzüge hier dazu dienen, die inneren Machtverhältnisse eines Königshofs umzuformen. Was auf den ersten Blick wie eine Beschränkung wirken könnte, erhöht in Wahrheit die unterschwellige Bedrohlichkeit der Atmosphäre, denn die Illusion einer schützenden Trennung von gefahrvollem Aktionsraum und relativ sicherer Heimat entfällt. In dieser Hinsicht geht The King of Attolia thematisch noch über den Vorgängerband hinaus: Die dort begonnene Geschichte des (oft schmerzlichen) Heranreifens von Einzelpersonen wird um den Aspekt der Einfügung des Individuums in die Gesellschaft erweitert und bietet einen ehrlicheren Blick auf das Erwachsenendasein als manch ein anderes Jugendbuch.

Turner verzichtet dabei weiterhin darauf, Szenen auszuschlachten, die sich durchaus auch reißerisch hätten gestalten lassen. Die unaufgeregte Erzählweise vermeidet jeden Voyeurismus, obwohl gefoltert und gemordet wird und sehr schnell feststeht, dass in einer von Machtkalkül geprägten Umgebung auch Friedenszeiten nicht gar so friedlich sein müssen. Trotz dieser durchaus realistischen Sichtweise dürfen die Figuren jedoch ihre Menschlichkeit bewahren. Die Hoffnung, dass zumindest im Kleinen stets auch die Möglichkeit einer Wendung zum Guten besteht, scheint immer wieder auf, so dass man das Buch am Ende nicht angewidert von allen Ränken, sondern in durchaus positiver Grundstimmung aus der Hand legt.

Eine Besonderheit stellt die scheinbar unverbunden zum Rest des Textes eingefügte abschließende Kurzgeschichte dar, die eine Episode aus der Jugend der Königin von Eddis schildert. Es lohnt sich aber, sie aufmerksam zu lesen, und das nicht nur, weil in ihr auf ansprechende Weise Göttersagen und fiktive Realität ineinandergreifen: Manche hier vermittelte Informationen werden im vierten Band der Reihe noch wichtig. Ob man findet, dass eine Integration der Begebenheit in den Roman selbst die elegantere Lösung gewesen wäre, ist wohl Geschmackssache. Man kann es auch als kleinen Leckerbissen betrachten, entdecken zu dürfen, dass Megan Whalen Turner die kurze Form ebenso gekonnt beherrscht wie längere Erzählungen.

Cover von Die Klippen des Heute von Dave DuncanIm Jahr 1917 erscheint Edward mitten in einer Schlacht auf der belgischen Ebene – nackt, verletzt und orientierungslos. Er hat drei Jahre auf Nebenan verbracht und ist dabei nicht gealtert.
Unter dem Verdacht der Spionage wird er in ein Landhaus in England gebracht, das als Lazarett dient. Dort entdeckt ihn sein Schulfreund Smedley, der beschließt, Edward zur Flucht zu verhelfen. Es beginnt eine Flucht vor den “Quälgeistern”, die verhindern wollen, dass Edward seine Bestimmung erfüllt. Es wird vor allem erzählt, was sich in den vergangenen drei Jahren auf Nebenan ereignet hat.

-Inmitten des Chaos des ersten Weltkrieges wird ein Mann im Schatten der Schlachtfelder gefunden: zerschunden an Leib und Seele, nackt und hilflos – und er hat eine unglaubliche Geschichte zu erzählen.-
Klappentext

Auch in Die Klippen des Heute (Present Tense), dem zweiten Teil der Reihe Das große Spiel, zeigt sich die Vorliebe des Autors für einen zweigeteilten Handlungsstrang: während Edward nach drei Jahren auf Nebenan auf die Erde zurückkehrt und sich durch die Wirren des immer noch andauernden Ersten Weltkrieges kämpfen muss, erzählt er in Rückblicken, was in diesen drei Jahren passiert ist. Fast nach jedem Kapitel wechselt die Geschichte wieder zum anderen Handlungsstrang, trotzdem ist es für den Leser einfach, der Handlung zu folgen. Duncan schafft es, den Roman ohne Verlust des “roten Fadens” zu erzählen und dabei durchaus noch Spannung reinzubringen.

Neben dem Helden gibt es noch viele interessante Nebencharaktere, die der Autor mit viel Mühe darstellt und entwickelt. Natürlich wird die dichte Atmosphäre aus dem ersten Band übernommen und mit bedrückenderem, dunklerem Touch versehen: Aus dem Blitzkrieg wurde eine bereits drei Jahre andauernde, nervenaufreibende Todesmaschine, halb Europa ist verwüstet und immer noch lassen jeden Tag tausende junge Männer ihr Leben auf dem Schlachtfeld. Die Begeisterung für den Krieg aus dem ersten Teil weicht dem Schrecken davor und genau diesen Wandel fängt Duncan gelungen ein. Fakten mischen sich gelungen mit Fiktion, was mich durchaus beeindruckt hat.

Wirklich schade ist das Fehlen einer Übersichtskarte. Der Autor bemüht sich zwar durch genaue Beschreibungen zu erklären, wohin es den Helden verschlägt, aber ein richtiges Bild ergab sich bei mir nicht. Leider kommt es auch in der Sprache bzw. Übersetzung zu häufigen Wiederholungen von Redewendungen, die dem deutschen Leser seltsam vorkommen. Wenn z.B. Edward als “verrückt wie eine besoffene Fledermaus” beschrieben wird, dann mag es in England vielleicht ein gängiges Sprachbild sein, hierzulande wirkt die Übersetzung aber arg konstruiert. Das stört leider den Lesefluss und fällt immer wieder ins Auge, obwohl die Übersetzung an sich gut gelungen ist.

Cover des Buches "Der König auf Camelot" von T.H. WhiteDer König auf Camelot ist in vier Bücher unterteilt:
Das Schwert im Stein
erzählt davon, wie “Wart” als Ziehsohn Sir Ectors aufwächst. Wart ist nichts Besonderes und wenn er älter ist, soll er der Knappe von Kay, Sir Ectors vielversprechendem Sohn, werden. Aber erst einmal wird ein Hauslehrer für die beiden Jungen eingestellt: Merlin. Im Gegensatz zu Kay erhält Wart von Merlin noch eine zusätzliche, ungewöhnliche Ausbildung. Von Zeit zu Zeit verwandelt der Zauberer ihn in ein Tier.
Die Königin von Luft und Dunkelheit: Aus Wart ist mittlerweile König Arthur geworden. Während Arthur sich darüber den Kopf zerbricht, wie man herrscht, ohne seine Macht zu missbrauchen, wachsen auf Orkney Gawaine und seine drei Brüder heran. Ihre Mutter Morgause wird bald eine verhängnisvolle Rolle in König Arthurs Leben spielen.
Lancelot ist Der missratene Ritter. Das dritte Buch erzählt von seiner verbotenen Liebe zu Königin Ginevra. Arthur, der seinen besten Freund und seine Ehefrau nicht verlieren will, duldet die Beziehung stillschweigend.
Die Kerze im Wind
: Mordred, Gawaines Halbbruder, wird von Hass gegen König Arthur getrieben. Er benutzt Lancelots und Ginevras Affäre, um Arthur den Anspruch auf den Thron streitig zu machen.

-Montags, mittwochs und freitags gab es Gotische Kanzleischrift und Summulae Logicales, an den übrigen Wochentagen waren Organon, Repetition und Astrologie dran.-
Kapitel 1 Erstes Buch: Das Schwert im Stein

Es gibt Dinge, die den Rezensenten an Der König auf Camelot (The Once and Future King) gestört haben.
Besonders die ersten beiden Bücher wirken so, als hätte T.H. White Schwierigkeiten gehabt, sich zu entscheiden, was er denn nun eigentlich schreiben wollte:

Einen im wahrsten Sinn des Wortes zauberhaften Artusroman? Nachdem Merlin Wart im ersten Buch aus erzieherischen Gründen in alle möglichen Tiere verwandelt hat, spielt die Zauberei nur noch eine untergeordnete Rolle.

Eine Parodie auf den Ritterroman? König Pellinore spielt ein lustiges Spielchen mit dem gar nicht so furchtbaren Aventiure-Tier, endet später aber unerwartet tragisch.
Einen gesellschaftskritischen Schlüsselroman mit Gegenwartsbezug? T.H. Whites Statements gegen Krieg, Kommunismus und Nationalsozialismus sind aller Ehren wert, wirken aber plakativ und aufgesetzt. Die politischen Anspielungen werden holzhammerartig vorgebracht, als hätte White dem Leser nicht zugetraut, auch zwischen den Zeilen lesen zu können.
Außerdem bezieht sich der Autor mehrfach auf Malorys 1485 erschienenes Werk La Morte Darthur, in dem Artus als letzter Ritter stilisiert wird. White folgt Malory in dieser Darstellung, warum deshalb aber Arthur unbedingt ein Normanne sein muss, er die Geschichte ausdrücklich nach 1360 spielen lässt, anstatt sich zeitlich nicht festzulegen und warum Robin Hood/Wood mitsamt Lady Marian kurz und unmotiviert auftauchen, mit Wart ein Abenteuer erleben und dann wieder in der Versenkung verschwinden, hat sich dem Rezensenten nicht erschlossen. Auch in Fantasy-Romanen darf man als Leser ein Mindestmaß an innerer Logik und Stimmigkeit erwarten.

Das Buch Der missratene Ritter entschädigt dann aber für all die plakativ vorgetragenen Intensionen Whites. Da werden aus Figuren, die die Botschaft des Autors vermitteln sollen, plötzlich Menschen, die aufgrund ihrer Charakterschwächen und eines fragwürdigen Ehrenkodexes in Konflikte geraten, an denen sie letztlich scheitern.

Nachdem die Königin von Attolia ein in ihrem Palast spionierendes Mitglied des Königshauses von Eddis hat verstümmeln lassen, eskaliert der schon lange schwelende Konflikt zwischen den beiden Ländern vollends. Der Krieg ruft nicht nur den immer noch eroberungslustigen König von Sounis sondern auch das mächtige Mederreich auf den Plan, und bald droht den drei kleinen Staaten ihre Zerstrittenheit wirtschaftlich wie politisch zum Verhängnis zu werden. Ein Verlust der Unabhängigkeit scheint kaum noch abzuwenden. Doch zweierlei hat der medische Gesandte Nahuseresh bei seinen Intrigen nicht bedacht: Die Macht der Götter – und die Unberechenbarkeit menschlicher Gefühle…

– Lärm scholl aus dem Befeuerungsraum den engen Tunnel entlang: Schlurfen, Rumpeln und, wenn er die Ohren spitzte, ein Knistern. –
Kapitel 1

Zu Die Königin liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover von Die Königin der Träume von Patricia A. McKillipAls Talis in einem versteckten Winkel der Zaubererschule von Chaumenard ein Buch mit magischen Anleitungen entdeckt, ahnt er noch nicht, dass es unberechenbare Kräfte in sich birgt. Als er dies erkennt, ist es zu spät und er ist bereits in den Bann der Königin des Waldes geraten, die ihn darum bittet, ihr bei der Suche nach ihren Angehörigen zu helfen, die vor zwanzig Jahren durch einen mächtigen Zauberbann in Talis’ Welt geraten sind …

-Er ließ die Feder fallen und stand auf. Bevor er sich bewegen konnte, hörte er im Nachbarzimmer Schritte auf ihn zukommen. Murehtrhekrev, sagte eine fremde Stimme. Und der Nachtjäger vom Jägerfeld stand auf der Schwelle.-
Kapitel 6

Als erstes: Punktabzug für die deutsche Übersetzung des Buchtitels. Die geht nämlich am Kern der Sache gründlich vorbei und die “Königin”, die hier gemeint ist, regiert mitnichten über irgendwelche Träume sondern über eine Art Feenreich, das durch die verquere Magie des Magiers Arun Wulf in eine andere Welt “geknotet” wird. Hätte man dem Buch einfach den Titel “Das Buch des Arun Wulf”, also gleichsam die 1:1-Übersetzung des englischen Originals gegeben, wäre der Sache mehr gedient gewesen. – Denn genau darum geht es in dieser Geschichte: Um das “Magie-Lehr-Buch” von Arun Wulf, das ein dunkles Geheimnis in sich trägt … denn alle Zaubersprüche, die in diesem Buch aufgeschrieben wurden, gehen entweder “nach hinten los” oder es kommt etwas ganz anderes dabei heraus. Die Magie dieses Buches ist “verdreht” und warum das so ist, ist die Handlung der Geschichte, in der die “Königin” zwar eine tragende und wichtige, aber keineswegs die ausschließliche Hauptrolle spielt.
Die drei wichtigsten Personen im Buch sind der bebrillte Prinz Talis, des Reiches von Pelucir und Chaumenard mächtigster Magier Arun Wulf und eine Topfwäscherin namens Trawa, die schlussendlich eine Schlüsselposition in der Handlung einnimmt.

Das Buch dreht sich wieder um Patricia McKillips Lieblingsthema Magie: Hier ist die Handlung allerdings gleichsam in zwei Teile geteilt. Der eine Handlungsstrang befasst sich mit den Versuchen des Prinzen Talis mit dem Buch Arun Wulfs. Diese Teile des Romans sind in der für Patricia McKillip typischen, kryptischen Sprache verfasst, die ein wenig Mitdenken und Aufmerksamkeit erfordert.
Der andere Teil spielt sich in der Schlossküche von Pelucir ab, in der das einfache Volk zu Wort kommt. Hier wird getratscht und geschwatzt, gelästert und gestritten. Diese Teile sind eine Erholung im Handlungsablauf, denn sie sind, eben weil das einfache Volk hier die Bühne betritt, auch in einfacher, klarer Sprache geschrieben.

Diese beiden Handlungsstränge gehören zusammen, was man aber nicht gleich auf den ersten Blick bemerkt. Sie werden im Lauf des Romans immer weiter miteinander verwoben und man versteht immer mehr, wie eigentlich alles zusammengehört. Am Ende der Geschichte wird buchstäblich alles “Verstrickte” (Königreiche und Magie) aufgelöst und “verkehrt herum” wird wieder “richtig herum”, wenn auch zu einem hohen Preis …

Cover des Buches "Königreich zu verkaufen" von Terry BrooksDer verzweifelte Chicagoer Anwalt Ben Holiday erhält ein seltsames Angebot: Für 1.000.000 Dollar kann er das magische Königreich Landover kaufen und dort ein neues Leben als König beginnen. Dort angekommen stellt sich jedoch schnell heraus, dass es in Landover nicht zum Besten steht. Nachdem 20 Jahre lang die Könige im Fluge wechselten, haben sich die Untertanen vom Thron entfremdet, den Mächtigen des Reiches ist der neue König bestenfalls gleichgültig, schlimmstenfalls würden sie ihn gerne tot sehen. Die Magie, die Landover belebte, schwindet. Kann der König rechtzeitig das Rätsel lösen, das den magischen  Verteidiger, den Paladin, Landovers umgibt?

-Landover: Reich der Magie, Reich der Abenteuer, Heimat von Rittern und Knappen, Drachen und Edelfräulein, Zauberern und Hexen.-
Ben: Aus der Annouce des Rosen Weihnachts-Wunschbuch

Das Königreich Landover ist nicht besonders groß, mit dem Pferd kann man es in wenigen Tagen durchreiten. Um das Königreich herum liegen die Elfennebel, die einen gefährlichen Raum bilden, der Tore zu anderen Welten bietet.

In Landover sind die politischen Verhältnisse einfach, denn es gibt nur vier Völker und zwei weitere mächtige Wesen. Die Herren des Grünlandes sind relativ langweilig. Eine menschliche Feudalgesellschaft mit Rittern und Bauern. Geben sie sich auch offen und ehrlich, so sind sie doch intrigant und machtgierig. Einst bildeten sie das militärische und wirtschaftliche Rückgrat, heute zerfleischen sie sich selbst und nehmen die Verschmutzung der Flüsse in Kauf. Die Elfen des Seelandes sind ein Sammelsurium von sonderbaren Wesen, kaum zwei gleichen einander. Die Exilanten aus den Elfennebeln sind zufrieden, wenn sie ruhig und abgeschieden vom Rest der Welt in ihren Wäldern und Gewässern leben können. Die Trolle vom Melchor sind wilde Bergarbeiter und Waffenschmiede. Bleiben die G’Heim Gnome (engl.: “G’Home Gnome!”), ein diebisches Pack rattengesichtiger Hunde- und Katzenfresser, die von überall fortgejagt werden. Die Hexe Nachtschatten ist die Herrin über den Tiefen Schlund und der Drache Strabo macht nicht nur das Königreich unsicher.
Magie ist der zentrale Faktor in Landover: die Blaubonnie-Bäume, die auch die Ärmsten ernähren können; Burg Silberstein, der Sitz des Thrones, ein magisches Wesen, welches seinen Bewohnern – so lange die Magie fließt – stets volle Vorratskammern und eine starke Feste bietet; die schönen Regenblumen und schließlich der magische, unbezwingbare Paladin… Aber die Magie schwindet unaufhörlich aus Landover.

Doch lebt diese von Brooks erschaffene Welt von seinen bunten Figuren: Da ist Questor Thews, der inkompetente Hofzauberer, der nur gelegentlich die Magie beherrscht; der bierernste Hofschreiber Abernathy, ein Zyniker, halb-Mensch, halb-Weizenterrier dank eines misslungenem Zaubers; Weide, die wunderschöne Sylphe, die sich gelegentlich in einen Baum verwandelt; der Drache Strabo, der sich über den menschlichen Mangel an Quellenkritik zu Geschichten über Drachen beschwert; dieses sind nur ein paar der grotesken, nahezu karikierenden Ansammlung von Romanfiguren.

Der Plot in Königreich zu verkaufen (Magic Kingdom for Sale – Sold) ist allerdings nicht wirklich neu: Der Held muss eine magische Queste bestehen um die Welt vor einer Horde Dämonen zu retten. Dem Autoren gelingt es aber mittels überraschender Wendungen, die Geschichte immer spannend zu halten. Der Form nach ist es deutlich ein Bildungsroman – es geht in der Geschichte um Ben Holiday, der einen Platz in Landover suchen muss. So liegt der Schwerpunkt auf dem zwar nicht übermäßig glaubwürdigen aber doch interessanten Charakter des Anwalts und seiner Entwicklung von einem verzweifelten, depressiven, der Alkoholsucht nahen Stadtmenschen, der den Tod seiner Frau nicht verwunden hat, zum König von Landover, der sein altes Leben zwar nicht vergisst, das neue aber Schritt für Schritt annimmt. Dazu gehört auch die gelungene und überraschende Auflösung um den Paladin.
Je weiter die anderen Charaktere von Holiday entfernt sind, desto oberflächlicher bleiben sie auch für den Leser. Es gibt bessere Bildungsromane (Voltaires Candide oder Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre), aber ein fantastischerer ist mir noch nicht untergekommen.
Interessant, aber leider nur angerissen, sind die Elemente der Umweltverschmutzung der Herren vom Grünland und die Parabel des Paladins als Krieg.

Des Königs Meuchelmörder von Robin HobbNach Veritys Hochzeit erholt sich Fitz nur langsam, während die Red Ships weiterhin die Küste terrorisieren, bis der Prinz befürchtet, sein Land werde den nächsten Sommer nicht überstehen. So faßt er den Plan, sich auf die Suche nach den legendären Elderlings zu machen, und sie um Hilfe zu bitten. Er läst seine Frau zurück, um über seinen Thron zu wachen. Regal erkennt seine Chance und lässt nichts unversucht, um während der Abwesenheit von Verity Kettricken in Verruf zu bringen. Als Fitz wieder erstarkt, ist es an der Zeit, daß er als “Royal Assassin” dafür sorgt, daß der rechtmäßige Thronerbe bei seiner Rückkehr auch noch ein Königreich hat, in das er zurückkehren kann …

– Der älteste Hinweis auf die Uralten in der Bibliothek von Bocksburg findet sich in einer brüchigen Schriftrolle. –
Kapitel 3

Zu Des Königs Meuchelmörder liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Königsblut von Daniel HanoverWährend Cithrin tollkühne Tänze auf dem Finanzmarkt vollführt, Marcus Wester im Zuge seiner Leibwächtertätigkeit wieder zum Schwert greift und im Hause Kalliam eine Vermählung ansteht, stehen in Antea alle Zeichen auf Krieg. Und an dessen Spitze steht kein Anderer als Geder Palliako, dessen priesterlicher Berater noch ganz andere Ziele verfolgt …

“Der Abtrünnige, der unter anderem auf den Namen Kitap rol Keshmet hörte, stand im sanften Regen der Stadt, vom Makel in seinem Blut gedrängt und getrieben, ohne ihm jedoch nachzugeben.”
– Einleitung, Meister Kit

Nach dem furiosen Auftakt Das Drachenschwert (The Dragon’s Path) geht die Dolch-und-Münze-Reihe von Daniel Abraham, der hier unter dem Pseudonym Daniel Hanover firmiert, mit Königsblut (King’s Blood) in die zweite Runde. Der Klappentext verrät bereits, dass Geder Palliakos Stern im Steigen begriffen ist – und der geneigte Leser weiß, was das bedeutet: Intrigen, Blut und Chaos; und wer hinter dieser vielversprechenden Wortgruppe Spannung und Action vermutet, wird nicht enttäuscht werden. Und ehe man sich versieht, befindet man sich im Lesestrudel und erfreut sich an Piratenabenteuern von Marcus und Yardem, dem sympathisch-witzigsten literarischen Fantasyduo seit Merry und Pippin, während Antea (ich will ja nichts beschönigen) langsam den Bach hinuntergeht. Königblut ist dennoch kein typischer modernen Fantasyroman, auch wenn es reichlich blutig zugeht – der Roman ist eher witty als gritty, eher „Hut ab!“ als „Kopf ab“, und damit eindeutig eine Ausnahmeerscheinung im aktuellen Fantasyprogramm.

Wie bereits im Vorgängerband besticht Königsblut nämlich besonders durch seine feine, psychologisch ausgefeilte Charakterzeichnung. Jeder Schwertstreich, jeder Verrat, jede Schlacht auf der abraham’schen Welt beginnt mit einem gesäten Zweifel, einer Unsicherheit, einer Zurückweisung, einer Enttäuschung oder Hoffnung; es sind die leisen Momente, die unwillkommensten Gedanken, die sich als machtvolle Figurenlenker erweisen und wie sehr kleine Steine des Anstoßes die Geschichte ins Rollen bringen. Dabei bedient sich Abraham, so scheint es, grundsätzlich bei altbekannten Typen: wir begegnen dem verbitterten Witwer, der intrigengeprüften Politikergattin (nebst kronentreuen Ehemann) und einem undurchsichtigen Fundamentalisten. Was sie alle auszeichnet, ist eine Lebendigkeit, die weit über die konventionelle Stereotypenjongleurie hinausgeht. Dabei vermag Abraham über die jugendlichen Irrungen und Wirrungen Cithrins genauso überzeugend zu schreiben wie über den klug gezeichneten, tiefen Konservativismus Dawson Kalliams, der, mit einer Prise Verzweiflung gemischt, zum Dreh- und Angelpunkt für das politischen Geschehen in Antea wird. Über allem steht jedoch die dunkle Figur Geders, die in seiner schamhaften Menschlich- und Männlichkeit, seiner Verletzlichkeit und Unbedarftheit alle anderen finsteren Herrscher in den Schatten stellt. Denn Geders Rache ist nicht die eines irrsinnigen Größenwahnsinnigen, sondern die eines gehänselten, unsicheren kleinen Jungen, der sich eines Tages mit der mächtigsten aller Waffen in den Händen wiederfindet: politischer Macht.

Besonders erfreulich ist es, dass diese Ausnahmereihe auch dem deutschen Leser zugänglich gemacht wird: mit einer feinsinnigen und rundum gelungenen Übersetzung, die auch das Bankenjargon einer Cithrin bel Sarcour treffend zu vermitteln weiß, kann Geder Palliakos unheilverkündender Todesstern also auch hierzulande aufgehen.

Und während also Abraham mit Erwartungen, altbekannten und beschuppten Genregrößen, klugen Witz und tiefgehender Menschenkenntnis jongliert, wünscht sich der Leser nichts mehr als ein zehnbändiges Spin-Off mit Marcus und Yardem.
Der Tag, an dem man dieses Buch aus der Hand legen kann? Nicht heute.

Cover des Buches "Die Königstochter aus Elfenland" von Lord DunsanyDas Parlament von Erl hofft Ruhm durch Zauberei zu erlangen. Darum schickt der König von Erl seinen Sohn Alveric aus Lirazel, die Tochter des Königs der Elfen, zu freien. Es gelingt ihm im fremdartigen Elfenreich Lirazel zu finden, sie erkennen die Liebe, die sie für einander empfinden und kehren nach Erl zurück – jedoch gegen den Willen des Elfenkönigs. Von seinen drei mächtigen Runen nutzt er eine um seinen ältesten Soldaten wiederzubeleben und die zweite um seine Tochter zurückzuholen. Alveric macht sich erneut auf die Suche nach der Königstochter aus Elfenland.

-In ihren rötlichen Lederjacken, die ihnen bis zu den Knien reichten, erschienen die Männer von Erl vor ihrem Herren, dem würdig weißhaarigen Manne, in seinem langen roten Gemach.-
Der Plan des Parlaments von Erl

Wie der Autor im Vorwort ankündigt, spielt sich ein Großteil der Geschichte von Die Königstochter aus Elfenland (The King of Elfland’s Daughter) im Königreich Erl ab, welches wohl im mittelalterlichen Großbritannien zu finden ist. Erl besteht aus einer Burg, einem Dorf und einigen einzelnen Gehöften – und liegt etwa zwanzig Meilen von Elfenland entfernt. Erl wird zwar vom König regiert, doch der muss auf die Meinung des Parlaments achten. Auch der Priester des Befreiers, des wahren Gottes, hat Einfluss auf seine Gemeinde.
Im Elfenland herrscht der König von Elfenland absolut. Er ist namenlos, denn sein Alter ist gewaltig. Er ist ein mächtiger Magier, der über die drei großen Runen gebietet. Sonst leben im Elfenland verschiedene Wesen: Einhörner, Irrlichter, Elfenkrieger und besonders Trolle. Trolle sind kleine, nackte braune Wesen, die beständig in Bewegung sind und deren stärkste Charaktereigensaft entweder ihre Neugier oder ihr Spieltrieb ist. Der Troll Lurulu ist der Bote des Königs und durchaus nicht würdig.

Der bedeutendste Unterschied zwischen Erl und Elfenland ist der Zeitfluß, denn in Elfenland vergeht keine Zeit. Nachdem Orion und Lurulu sich nach zwölf Jahren wiedersehen und Orion fragt, wieviel Zeit vergangen sei, antwortet Lurulu: “Bei mir ist immer noch Heute.” Morgen ist ein Konzept, mit dem Bewohner von Elfenland nichts anfangen können. Was geschieht morgen? Da kann man sich nicht mehr bewegen und die anderen begraben einen in der dunklen Erde, wo man dann für immer liegen muss.
Auch wenn die Charaktere einfach sind – zumeist sind sie auf eine Motivation beschränkt – sind sie keineswegs Klischees oder Schablonen. Alveric nimmt man die brennende Liebe, die er für Lirazel empfindet, durchaus ab. Man leidet mit Alveric auf seiner Suche mit.

Die Geschichte ist schwer zu erläutern; viele Stränge spalten sich auf, laufen nebeneinander her, überkreuzen sich nur um sich wieder zu trennen; es ist allerdings niemals so kompliziert, daß man den Überblick verliert. Alveric jagt Lirazel nach, Lurulu neuen Erfahrungen, das Parlament dem Ruhm, Orion allen Tieren, die sterblich sind, und der Elfenkönig ebenfalls Lirazel. Aber viele werden die Geschichte als langatmig empfinden, zumal es keine “richtige” Bedrohung gibt. Jeder geht seinen Geschäften nach und manchmal haben diese etwas miteinander zu schaffen.

Das Werk glänzt allerdings mittels Sprache; hier ist es nahezu perfekt, auch wenn mancher sich über das wiederholte Auftreten einiger Wendungen ärgern mag. Die Beschreibungen sind so prachtvoll, daß man unweigerlich davon gefangengenommen wird – wenn man sich mit dem altertümlichen Stil anfreunden kann.

In der Mühle im Koselbruch geht es nicht mit rechten Dingen zu. Als der vierzehnjährige Waisenjunge Krabat dort ankommt, fragt ihn der Meister, ob er nur das Müllerhandwerk lernen möchte oder auch “das andere”. “Das andere auch”, sagt Krabat, ohne zu wissen, dass “das andere” die Kunst des Zauberns ist. Und die hat ihren Preis: In jeder Neujahrsnacht muss einer der zwölf Müllerburschen sterben. Gibt es einen Ausweg?

-Es war in der Zeit zwischen Neujahr und dem Dreikönigstag. Krabat, ein Junge von vierzehn Jahren damals, hatte sich mit zwei anderen wendischen Betteljungen zusammengetan, und obgleich Seine allerdurchlauchtigste Gnaden, der Kurfürst von Sachsen, das Betteln und Vagabundieren in Höchstderoselben Landen bei Strafe verboten hatten (aber die Richter und sonstigen Amtspersonen nahmen es glücklicherweise nicht übermäßig genau damit), zogen sie als Dreikönige in der Gegend von Hoyerswerda von Dorf zu Dorf: Strohkränze um die Mützen waren die Königskronen; und einer von ihnen, der lustige kleine Lobosch aus Maukendorf, machte den Mohrenkönig und schmierte sich jeden Morgen mit Ofenruß voll..-
Founding, 1

Bei diesem Buch handelt es sich um keine leere Phrase, wenn man behauptet, dass niemand, der es gelesen hat, es je vergessen wird. Otfried Preußler erzählt die alte Sage um den Müllerburschen Krabat auf eine derart beklemmende Weise, dass auch den erwachsenen Leser die Furcht packt vor dem einäugigen Müller, dem Gevatter mit der Hahnenfeder, der immer in der Neumondnacht ein besonders grausiges Mahlgut anliefert und vor den unheimlichen Dingen, die in der Mühle am Koselbruch vor sich gehen.
Dass die Geschichte nicht zu düster wirkt, liegt an den komischen Szenen, die es ebenfalls gibt, und vor allen Dingen daran, dass die Liebe eine entscheidende Rolle spielt. Krabat ist nicht nur die spannende Geschichte eines Zauberlehrlings, sondern auch eine der schönsten Liebesgeschichten, die je erzählt wurden. Viele Autoren, die für Erwachsene schreiben, sollten sich ein Beispiel daran nehmen, wie Preußler über die Liebe schreibt, über dieses tiefe und wahre Gefühl, das so weit entfernt ist, von dem kitschigen und verlogenen Zerrbild, das dem erwachsenen Leser in schlechten Fantasyromanen oft zugemutet wird.

Faszinierend ist, dass diese Geschichte nicht in einem Fantasieland spielt, in das man in der Realität nicht gelangen kann. Zwar haben die Ereignisse in der Mühle am Koselbruch zur Zeit August des Starken stattgefunden (wenn sie stattgefunden haben 😉 ), aber alle Orte, die Preußler erwähnt, gibt es heute noch, auch den Koselbruch- in dem eine Mühle steht… .

Also, wenn Sie Gelegenheit dazu haben, fahren Sie nach Sachsen, schauen Sie sich die Originalschauplätze an und seien Sie auf der Hut, wenn Sie einem Einäugigen begegnen.

Cover von Krieg der Engel von Wolfgang HohlbeinImmer wieder träumt Eric von einem Engel, der mit brennendem Gefieder auf dem Dach einer gigantischen schwarzen Kathedrale steht, die sich über einer apokalyptischen Landschaft erhebt. Und immer endet dieser Traum, kurz bevor sich entscheidet, ob der Engel leben oder die Apokalypse endgültig über die Welt hereinbrechen wird. Eric ist sicher, dass die düsteren Bilder eine Botschaft enthalten, vielleicht auch eine Warnung, die er nur nicht entziffern kann. Als Erics Eltern in die Gewalt des Schwarzen Engels geraten und er sie zu befreien versucht, gerät er in den Kampf der weißen und schwarzen Engel, der mit gnadenloser Härte in der schwarzen Kathedrale wütet …

-Der Engel brannte. Sein Gewand, sein Haar und die gewaltigen Schwingen standen in Flammen und seine ganze Gestalt schien wie in einen Mantel aus gleißender Helligkeit gehüllt zu sein, so grell und weiß, dass es fast unmöglich war ihn anzusehen.-

Mit Krieg der Engel hat das Ehepaar Hohlbein ein Jugendbuch entworfen, das meiner Meinung nach nicht unbedingt für ganz junge Leser geeignet ist. Die Geschichte um den Jungen Eric, der in den apokalyptischen Kampf zwischen schwarzen und weißen Engeln gerät, ist nicht nur außerordentlich spannend, sondern auch düster. Erics Weg ist begleitet von Schicksalsschlägen, denen er sich entgegenstellen muss, um seine Eltern zu retten. Dass dieses Unternehmen nicht ungefährlich ist, wird ihm immer wieder bewußt, denn nicht nur er befindet sich in tödlicher Gefahr. Und so kommt es, dass Eric auch Menschen verliert, die ihm wichtig sind. Gerade die Tatsache, dass nicht alles so gut ausgeht wie geplant, erzeugt ein apokalyptisches, düsteres Gefühl beim Leser.

Die Geschichte an sich ist gelungen: Die Hohlbeins greifen sich diesmal das drohende Weltende heraus und verarbeiten diese Thematik mit viel Geschick zu einer spannenden und fesselnden Geschichte. Eric wird glaubhaft dargestellt, während er sich im Laufe des Buches von einem verschüchterten Jungen zum Retter seiner Eltern entwickelt. Dabei bleibt er aber im Grunde immer noch er selbst und die Entwicklung ist hart erkämpft. Aus der Verzweiflung über die Entführung seiner Eltern und den Verlust von Freunden wächst der Wunsch, wenigstens die Eltern retten zu können. Dabei erhält er Hilfe von Cheb, seinem Schutzengel, der Eric bei seinem Unternehmen zur Seite steht.
Welche Rolle Eric genau in diesem Kampf spielt, wird bis zum Schluss nicht verraten. So viel vorweg, niemand ist der, der er vorgibt zu sein, und es kommt anders, als man denkt.
Spannend, apokalyptisch, düster, so kann man den Roman vielleicht am besten beschreiben. Nur weil ein Kind die Hauptrolle spielt, ist das Buch noch lange kein Kinderroman. Empfehlen würd’ ich das Buch für Leser ab 13, da die Geschichte komplexer und düsterer ist als so manche Romane für Erwachsene.

Kriegsklingen von Joe AbercrombieDer berühmt-berüchtigte Barbar Logen Ninefingers verlässt seine Heimat, weil er sich zu viele Feinde gemacht hat, und gerät an Bayaz, eine Person, die so gar nicht zu ihm passt.
In Adua, der Hauptstadt der mächtigen Union, will der arrogante Adelsspross Jezal dan Luthar seine Karriere beim Militär dadurch befördern, dass er zum Fechtchampion wird, denn zum Kriegsheld taugt er nicht.
Ebenda gerät der ebenso verkrüppelte wie zynische Inquisitor Glokta in den innenpolitischen Machtkampf der niedergehenden Union, während sich an ihren Grenzen die außenpolitischen Bedrohungen häufen.

– Logen hechtete zwischen den Bäumen hindurch; seine nackten Füße rutschten auf dem nassen Boden, dem Schlamm und den glitschigen Kiefernnadeln immer wieder aus. Pfeifend schoss der Atem aus seinem Mund, und das Blut dröhnte in seinem Kopf. –
Ende, S. 7

Zu Kriegsklingen liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Krishna - A Journey Within von Abhishek SinghUnter einem Baum umgeben von Wasser, inmitten einer Idylle aus Stille und unberührter Natur sitzt ein Mann. Er beobachtet das Leben vom kleinsten Tierchen an. Er trägt eine Pfauenfeder im Haar und seine Haut hat die Farbe frischer Gewitterwolken. So heißt es in hinduistischen Erzählungen, die von dem Gott Krishna bekannt sind, und so beginnt auch diese Geschichte voller Verluste, philosophisch abschweifender Gedanken und nicht zuletzt Hoffnung.

– When the wind whispered the lament of the sky with the flowers I sang. When unremembered dreams stood still in silence I, like a swan, carried them on my wings. It’s been more than a century and I finally await an end to my journey. Why do we exist? What do we desire? Life and its many questions. At times their weight felt heavy but I glided through the world of man on the wings of their answers. My story is the way of life because it’s not a story about me. It’s a story about hope. –
Krishna

Willkommen zu einem visuellen 5-Sterne-Festmahl! Krishna – A Journey Within ist ein farbgewaltiger und detailreich gezeichneter Comic, der mit seiner Optik überwältigt. In jedem Panel stecken derart viele liebevolle Kleinigkeiten, dass man sich Ewigkeiten darin verlieren könnte, ehe man alles entdeckt hat. Bei all dem herrschenden Gewimmel wirkt dennoch nichts daran überladen, sondern brodelnd lebendig und voller Herzblut angefertigt.
Zeichner Abhishek Singh verzaubert mit feinsten Linien, organisch wirkenden, fließenden Formen, leuchtenden Farben und stimmungsvollen Licht- und Schattenspielen. Auch die ausdrucksstarke Darstellung von Mimik und Gestik trägt zu der magischen Atmosphäre bei.

Krishna - A Journey Within von Abhishek Singh

Inhaltlich startet der Comic mit einer älteren Version Krishnas, die mit melancholischer Erzählstimme auf verschiedene Abschnitte seines Lebens zurückblickt und im Ganzen den Verlust der Unschuld des Menschen schildert. Es beginnt mit einem Blatt, das auf die Wasseroberfläche trifft, und den Folgen, die diese winzige Begebenheit auf den nächststehenden Organismus hat. Unweigerlich fällt einem bereits hier, am Anfang der Geschichte von A Journey Within,  der Schmetterlingseffekt ein. Alles ist verbunden und selbst die kleinste Begebenheit hat eine ganze Kette von Reaktionen zur Folge. Manches wirkt so unscheinbar auf uns, dass es unbemerkt vorüber zieht, anderes schlägt so große Wellen, dass es Geschichte schreibt.
Gott Krishna führt uns durch sein Leben als Mensch, als Kind, als erwachsener Mann, als Schlichter, als Ehemann und vor allem als Inkarnation der Hoffnung. Dieser Comic ist seltsam faszinierend in seiner nicht linearen Erzählweise. Manchmal ist er entzückend humorvoll, wenn wir als LeserInnen auf den kleinen Kind-Gott Krishna blicken, der zusammen mit seinen Freunden eine Räuberleiter bildet, um der Mutter leckere Köstlichkeiten stibitzen zu können. Die Unbekümmertheit des Kindes hält freilich nicht lange an, denn das Leben bietet nicht nur verlockende Naschereien, sondern auch Verluste, Kämpfe und Gewalt, doch ebenso auch Liebe, Freundschaften und Mut. All diese emotionalen Erfahrungen ändern Krishna auf seiner Reise des Lebens, motivieren seine Handlungen und prägen sein Herz. Die großen Themen in Krishna – A Journey Within sind daher, wenig verwunderlich, die von Leben und Tod, Gut und Böse, Licht und Schatten, Hass und Liebe. Für Krishna gehören diese Gegensätze zusammen und er selbst ist Teil davon, so wie jeder und alles Teil von etwas ist.
Krishna - A Journey Within von Abhishek SinghEs ist wirklich keine Geschichte, in der es besonders spannend oder abenteuerlich zuginge, das ist wohl auch nicht das Ziel dieses Comics. Zeichner Singh verarbeitet hier vielmehr philosophische und spirituelle Gedanken und Fragen in Bezug auf den Kreislauf des Lebens und die große Verbundenheit von allem, was existiert. Wie so oft bei derart grüblerischen Ansätzen, ist es nicht immer leicht, den Gedanken des Erschaffers zu folgen. Vielleicht spielt auch die sprunghafte Erzählweise eine Rolle oder das möglicherweise fehlende Detailwissen über die hinduistische Religion – wie es von der einen Episode zur nächsten kommt, ist jedenfalls nicht immer wirklich klar. Immerhin werden Eigennamen und andere aus dem Hinduismus stammende Begriffe im hinteren Teil erläutert, so dass man zumindest die wichtigsten Bausteine der Handlung zu verstehen lernt.

Es geht hier schwer nachdenklich zur Sache. So versucht uns Singh auch manch »bösen« Charakter als Mensch mit leidvollen Erfahrungen nahezubringen. Angesichts mancher Ereignisse und Taten fällt es einem als LeserIn allerdings alles andere als leicht, tatsächlich das Mitgefühl zu empfinden, das hier aufkommen soll. Doch unabhängig davon, ob man die Erzählung zugänglich findet oder nicht, sind es letztlich ohnehin die beeindruckenden Bilder, die diesen Comic so einzigartig machen und zum wiederholten Verweilen anregen. Wirklich schade ist nur, dass die Druckqualität des Comics eher bescheiden ausgefallen ist. Das Papier ist recht dünn und bringt die Bilder nicht so gut zur Geltung, wie sie es verdient hätten. Auch die Bindung und Positionierung der Zeichnungen scheinen hier und da nicht richtig durchdacht worden zu sein, so dass oft Trennungen an ungünstigen Stellen entstehen und diese Teile wichtiger Szenen verdecken. Gerade bei dunkleren Bildern verwaschen auch schnell mal die vielen Details auf dem minderwertigen Papier. Dennoch, wer die Gelegenheit findet, sollte sich Krishna – A Journey Within unbedingt einmal ansehen (oder zweimal, oder dreimal …).

Das Kristallhaus von Ralf LehmannFernd, den der Alte Niemand zu seinem Erben bestimmt hat, ist eigentlich alles andere als ein Abenteurer und schon gar kein Einzelkämpfer. Von den Ereignissen dennoch zu einem Alleingang gezwungen zieht er eher widerstrebend aus, um das legendäre Kristallhaus zu suchen, in dem der entscheidende Hinweis zur Überwindung des Schwarzen Prinzen verborgen sein mag. Obwohl er unterwegs immer wieder Helfer und neue Freunde findet, verlangt die Reise ins Ungewisse ihm alles ab, denn schon bald erweist sich, dass von äußeren Bedrohungen wie den dämonischen Gifalken, die ihm im Auftrag des Schwarzen Prinzen auf der Spur sind, gar nicht die größte Gefahr ausgeht, der er sich stellen muss …

“Das Holzland ist ein Teil Araukariens und dem Alten Reich als einzige Provinz bis zum Untergang treu geblieben. Die Holzländer, wie sie sich selber nennen, haben dem Born gern Tribut gezahlt – in der Gewisstheit, dass er sie dann meist in Ruhe lässt. Deswegen hat diese Gegend immer eine ziemliche Eigenständigkeit bewahrt.”
(1. Im Holzland)

Mit Das Kristallhaus legt Ralf Lehmann einen stimmigen Abschluss seiner Trilogie um den Kampf gegen den Schwarzen Prinzen vor. Wie schon in den ersten beiden Bänden erschüttern Ausgangsidee und Plot das Genre nicht gerade in seinen Grundfesten, aber die liebevoll ausgearbeitete, in oftmals poetischen Wendungen heraufbeschworene Welt überzeugt mit ihrer Fülle ansprechender Handlungsorte weiterhin, unter denen das titelgebende Kristallhaus, eine Bibliothek aus Eis, sicher einer der originellsten und eindrucksvollsten ist.
Ohnehin ist es wieder einmal das Setting mit seiner Verknüpfung von Naturgewalten und Sagen, das die Geschichte trägt, wenn etwa der winterliche Frost personifiziert über eine abgelegene Siedlung hereinbricht oder die aus dem Eingangsband bekannten Tanzenden Berge noch einen unerwarteten Auftritt bekommen. Auch die übrigen Landschaften, die Fernd durchwandert, sind mit ihren naturräumlichen Gegebenheiten und den Eigenarten ihrer Bewohner so detailverliebt geschildert, dass man den Verdacht nicht abschütteln kann, dass Lehmann immer wieder Kenntnisse aus seinem Beruf als Erdkundelehrer in den Weltenbau einfließen lässt. Dieses spürbare Wissen um geographische Zusammenhänge hebt Araukarien und die umliegenden Gebiete über die oft abziehbildartigen Kulissen manch anderer Fantasyromane hinaus.
Zudem steht mit dem verträumten Fernd in diesem Buch ein ganz anderer Figurentypus im Mittelpunkt als der praktisch veranlagte Bolgan oder der abenteuerlustige Hatib, so dass die Wendung ins Innerliche, die seine Queste trotz aller äußeren Fährnisse und Kämpfe nimmt, folgerichtig und glaubhaft wirkt. Entsprechend anders sind auch die Freundschaften, die er schließt, etwa mit dem ähnlich phantasiebegabten Gaetan, der ein weit traurigeres (und realistischeres) Schicksal erleidet, als es bei Hals über Kopf ins Abenteuer ausziehenden Jugendlichen in der Fantasy sonst der Fall ist. Trotz aller amüsanten bis tragischen Begegnungen mit solch gelungenen Nebenfiguren ist Fernd jedoch letzten Endes auf sich selbst zurückgeworfen, was nicht nur darin sinnfällig zum Ausdruck kommt, dass die beiden anderen Helden Bolgan und Hatib zum entscheidenden Zeitpunkt nicht mehr in Lage sind, aktiv auf den Fortgang der Ereignisse einzuwirken. Die durchaus nicht uninteressante Schwerpunktsetzung, die sich daraus ergibt, lässt einen die ansonsten klassische Handlung um den militärischen wie magischen Widerstand gegen einen übermächtigen Gegner gespannt bis zum Ende verfolgen.
Trotz aller positiven Aspekte muss man freilich auch weiterhin mit einigen Schwächen leben, die schon in den ersten beiden Bänden deutlich waren. So bleibt etwa Fernds Beziehung zu seiner großen Liebe Reika weiterhin sehr blass und wenig fassbar, mag sie auch noch so oft als Motivation des jungen Mannes beschworen werden, und manch einem Nebenhandlungsstrang hätte man vielleicht eine ausführlichere Auflösung anstelle knapper Andeutungen gewünscht.
Doch das sind im Grunde Kleinigkeiten. Alles in allem bleibt ein positiver Leseeindruck, gepaart mit leisem Bedauern darüber, dass Das Buch des Schwarzen Prinzen anscheinend bisher Ralf Lehmanns einziges (veröffentlichtes) Werk geblieben ist.

Die Kunst der Scheibenwelt von Terry Pratchett und Paul KidbyDie Kunst der Scheibenwelt ist eine atemberaubend schöne Sammlung von Bildern zu Terry Pratchetts Scheibenwelt-Romanen, geschaffen von Paul Kidby. Die beiden Künstler arbeiten seit Jahren zusammen und präsentieren uns mit dem vorliegenden Artbook ihre gemeinsame Sicht der Scheibenwelt. Mit einem enormen Vorstellungsvermögen verleiht Paul Kidby in diesem Werk den beschriebenen Figuren, Orten und Gegenständen fesselnde Substanz, humorvoll kommentiert von deren Schöpfer Terry Pratchett.

Zu Die Kunst der Scheibenwelt liegt eine Rezension der Originalausgabe bei Bibliotheka Phantastika vor, dazu bitte hier entlang.

Cover des Buches "Die Kuppel" von Peadar Ó'GuilìnStolperzunge lebt bei einem Stamm unter schrecklichen Bedingungen in einer von Wildnis überwucherten Ruine: Seine Leute sind darauf angewiesen, Jagd auf die anderen Lebewesen ihrer Umgebung zu machen, oder selbst zur Beute der schrecklichen Monstren zu werden. Außerdem werden immer wieder “Freiwillige” ausgewählt, die bei den anderen Bewohnern der Wildnis gegen deren nutzloses Fleisch eingetauscht werden. Die Lage wird brenzlig, als Stolperzunges intelligenter Bruder ihn auf immer gewagtere Jagdzüge mitnimmt. Dabei entdecken sie, daß ihre Freßfeinde einen gemeinsamen Angriff auf die Menschen planen. Zusätzlich zu dieser Bedrohung fällt eines Tages eine seltsame, wunderschöne Frau vom Himmel, deren Sprache keiner der Menschen versteht.

-Weiterlaufen! Nichts anderes zählte. Nicht aufhören, nicht sterben! Der Stamm brauchte seine stärksten Mitglieder, um zu überleben.-
Brüder

Was bleibt von der Zivilisation unter schlimmsten Umständen?
Mit dieser Frage sieht sich der Leser gleich auf den ersten Seiten von Die Kuppel (The Inferior) konfrontiert, wenn er sich in einer Gesellschaft wiederfindet, in der Blut, Häute, Knochen und vor allem Fleisch die Dreh- und Angelpunkte des Daseins sind, und man auch vor einem aus der Not geborenen Kannibalismus nicht zurückschreckt. In einer feindlichen Umwelt versucht eine menschliche Stammesgemeinschaft zu überleben: Die Jagd auf andere, fremdartige und dennoch intelligente Spezies, die ebenfalls als Jäger agieren, bestimmt einerseits den Alltag, andererseits ist das Aufgeben nutzlos gewordener Stammesmitglieder eine ständige Bedrohung für den Einzelnen, der der Gemeinschaft in diesem Fall noch einen letzten Dienst zu erweisen hat. Eßbares Gemüse existiert nicht in dieser lebensfeindlichen Welt, und somit scheint Die Kuppel erst einmal nichts für Leser mit schwachem Magen zu sein.
Ob sich der junge Autor Peadar Ó’Guilín in seinem Debut-Roman mit diesem Thema einen Gefallen getan hat? Die Kuppel wird dadurch zu weit mehr als einer simplen Geschichte ums Erwachsenwerden, doch unsere Gesellschaft ist eine, die mit dem Schlachten und den weiteren Hintergründen des Fleischkonsums nicht konfrontiert werden will, und das Thema Kannibalismus löst wohl bei vielen eine instinktive Abwehrreaktion aus.
Um so erstaunlicher ist die Feinfühligkeit, mit der Ó’Guilín in eine Gesellschaft einführt, deren Vorbilder irgendwo zwischen realen Stammesgemeinschaften unter unwirtlichen Bedingungen (wie etwa Inuit), Goldings Herr der Fliegen und düsteren Zukunftsvisionen von degenerierten Kulturen liegen.
Wer hier Splatterorgien erwartet, wird enttäuscht werden, denn was einen anfangs vor den Kopf stößt, sind keineswegs ausgewalzte, bluttriefende Szenen, sondern die Normalität von Überlebenskonzepten, die uns völlig fremd erscheinen – und Ó’Guilín nutzt diesen Effekt geschickt aus und spielt mit den Empfindungen des Lesers, die sich später, nachdem man sich an die Welt gewöhnt hat, im Ekel der Figur Indrani spiegeln, die aus einer zivilisierteren Umgebung zu den „Wilden“ stößt.

Das Thema Barbarei contra Zivilisation zieht sich wie ein roter Faden durch die Handlung, denn auch für den stotternden Helden Stolperzunge ist eine so harte Umgebung, in der Männer in den Dreißigern schon Greise sind, kein guter Ort.
Wie sich dieser untypische Held trotz der widrigen Umstände durchschlägt, trägt einen Teil zur immensen Spannung bei, mit der der Roman aufwarten kann: Das Tempo ist fast durchgängig hoch, Konflikte – erst mit dem eigenen Stamm, dann mit dem Bruder, später mit der ganzen Welt – schaukeln sich kontinuierlich auf oder lösen einander ab, und diese Welt voller Gefahren und ohne einen Punkt, an dem man in aller Ruhe Atem holen könnte, wird dadurch greifbar. Die Kuppel ist ein Roman, den man nur schwer aus der Hand legen kann.
Weitere Sogwirkung schafft nebst der vordergründigen Spannung und der treibenden Charaktermotivation auch das Rätsel der Kuppel selbst: Nach und nach läßt sich erahnen, was es mit den Sphären, die am Himmel sichtbar sind, den seltsamen Ruinen, in denen die Menschen leben, und den anderen Spezies auf sich hat – der Leser ist dabei Stolperzunge stets einen Schritt voraus und erkennt Dinge, die sich dem Verständnis des „Wilden“ entziehen.

In einem gewöhnlichen Jugendbuch würden Stolperzunges Abenteuer, wenn er den Stamm verläßt und die Wahrheit über die Welt herausfindet, zu seiner Läuterung führen – er würde sich seiner zivilisierten Gefährtin anpassen, ein „besserer“ Mensch werden. Die Kuppel entzieht sich solchen Plattitüden aber immer wieder elegant und stellt ein differenziertes Bild vom Überlebenskampf und zivilisatorischen Praktiken zur Verfügung, ohne der Versuchung zu erliegen, am Ende durch eine weiterentwickelte, die Barbarei überwunden habende Gesellschaft den Konflikt aufzulösen. Einzig die gesellschaftlichen Strukturen, die als Hintergrund der Handlung dienen, scheinen am Ende allzu einfach aufgebaut – allerdings werden sie auch nicht näher ausgeleuchtet und nur aus Stolperzunges eingeschränkter Sicht geschildert, so daß der einzig wahre Anschein eines reinen Jugendbuches vielleicht aufkommt, wenn einmal -auf sehr charmante Weise- aus einer Liebesszene ausgeblendet wird. All Ages-Literatur also hier nur im besten Sinne, wenn eine vordergründig hoch spannende Geschichte mit nicht speziell für junge Leser heruntergebrochenen Themen kombiniert wird, die auch Erwachsene ansprechen und beschäftigen.

Erfahrene Leser werden – allein schon aufgrund des verräterischen deutschen Titels – natürlich frühzeitig merken, wohin der Hase läuft, und die Anklänge an Filme wie die Truman Show, Running Man oder Die Klapperschlange zu deuten wissen, doch die individuelle Charaktergeschichte, die nicht nur die Emanzipation vom eigenen Stamm und der falschen Fremdwahrnehmung von allen Seiten zum Thema hat, und die Dynamik der Handlung, die mit grusligen und manchmal auch überraschenden Monstren aufwartet, sorgen für gute Unterhaltung.
Sogar sprachlich bietet der Roman Interessantes, denn Sprache und letztlich die Frage, inwieweit sie mit Intelligenz und Zivilisation zusammenhängt, wird ebenfalls in vielen Varianten thematisiert: Vom stotternden Hauptcharakter bis hin zu fehlender Verständigung unter den Spezies und der Unmöglichkeit, sich trotz gleicher Sprachkenntnisse zu unterhalten, wenn einem die Konzepte für die Gedankenwelt des Gegenübers fremd sind.

Als Stolperzunge mit seiner zivilisierten Gefährtin auf der Reise zum Rand der Kuppel schon so gut wie gescheitert ist und er mehr über seine Welt erfahren hat als Generationen von Stammesbrüdern vor ihm, wird die zentrale Frage in Die Kuppel weitergeführt und gewinnt einiges an Relevanz und unbehaglichem Gegenwartsbezug, wenn es darum geht, was eine hochzivilisierte Gesellschaft an anderer Stelle an Barbarei in Kauf nimmt, um ihren angenehmen Status Quo zu erhalten.
Was bleibt von der Zivilisation unter besten Umständen?

Cover von Kushiel's Avatar von Jacqueline Carey 10 Jahre Frieden hat das Orakel prophezeit, und die neigen sich dem Ende zu. Es beginnt mit Albträumen über Hyacinthe, dann erreicht Phèdre ein Brief von Melisande – in dem sie um Hilfe bittet. Trotz Protests Jocelines reist sie nach La Serenissima und stellt sich ihrer Erzfeindin. Doch anstatt der kühlen, berechnenden Verräterin erwartet sie eine sorgende Mutter, denn Melisandes Sohn Imriel ist verschwunden. Der Dritte in der Thronfolge wurde aus seinem Versteck entführt. Nur einer Person traut Melisande zu, ihren Sohn zu finden, und bietet dafür den Schlüssel zur Rettung von Hyacinthe. Obwohl sie damit ihrer Feindin hilft, begibt sich Phèdre auf die gefahrvolle Suche nach dem Jungen …

-»Did you tell him our plan?« I asked.
Imriel nodded, both feet hooked about the rungs of the stool. »He says you are as mad as the Mahrkagir and we are all like to die.«
I hadn’t expected any different. »Will he do it?«
»Yes.«-

Handlungsmäßig ist Kushiel’s Avatar (Die Erlösung) leider kein großer Renner. Man braucht nur die Karte aufzuschlagen um zu ahnen, dass die leisen Befürchtungen des zweiten Teiles wahr geworden sind. War es im ersten Band, Kushiel’s Dart (Das Zeichen; Neuauflage) eine Karte von Terre D’Ange und den angrenzenden Ländern, war es beim zweiten Band, Kushiel’s Chosen (Der Verrat) schon das westliche Mittelmeer und beim Dritten … So kommt es, wie es kommen musste und Phèdre reist noch weiter als zuvor, erlebt noch fremdere Kulturen, lernt noch mehr Sprachen und muss noch mehr ertragen. Klar, dass nichts weniger auf dem Spiel steht als die bekannte Welt, auch wenn es nicht so explizit gesagt wird. Die Reisen aus den vorherigen Büchern muten dabei fast wie ein Kindergartenausflug an, trotzdem kommt nur wenig Spannung auf. Immer sind es Phèdres waghalsige Pläne, die die Situation retten. Wären die Bücher nicht so verdammt gut geschrieben, wäre es ein schönes Beispiel dafür, was passiert, wenn Autoren ihre Figuren zu sehr mögen. So nimmt man es der Autorin schon fast ab, was Phèdre alles kann. Letztendlich gibt es kein Land, welches sie nicht besucht hat, um dort irgendetwas Gutes in Gang zu bringen. Die Bescheidenheit von Phèdre ist dabei fast schon unnatürlich, schließlich schuldet jedes Königreich ihr mindestens einen Gefallen. Den Welteroberungsplänen steht also nichts mehr im Weg … Wieder können die Charaktere überzeugen, obwohl die Motive der Hauptperson manchmal ein wenig im Dunkeln liegen. Das liegt eventuell daran, dass sie selbst nicht weiß, warum sie manche Dinge tut – begründet wird es geschickt dadurch, dass sie die Auserwählte eines Gottes ist. Klingt im ersten Moment vielleicht etwas platt, aber trotzdem nimmt man es ihr ohne weiteres ab.
In diesem Teil treten die religiösen Aspekte mehr in den Vordergrund. Wie schon beim Aufbau der Welt zeigt sich hier die große Sorgfalt, die eine stimmungsvolle Atmosphäre schafft.
Wer bis zu diesem Teil vorgedrungen ist, wird wissen, dass die Autorin kein Blatt vor den Mund nimmt, zumindest was Erotik angeht. Während im zweiten Teil die Szenen etwas moderater waren, sind sie nun wieder etwas heftiger. Besonders im ersten Handlungsabschnitt, wo die Szenen wohl betont eklig sein sollen, geht es ganz schon nah an das Erträgliche. Zur Stimmung trägt es dann nicht mehr bei, vielleicht hätten diese Abschnitte nicht sein müssen.
Wer keine großen Schlachten braucht und sich von deftiger Erotik nicht abschrecken lässt, der wird von der Stimmung des Buches sicherlich mitgerissen werden.

Cover von Kushiel's Chosen von Jacqueline CareyEin Jahr ist vergangen, seit die Invasion der Skaldi abgewehrt werden konnte. Phèdre lebt mittlerweile glücklich auf dem kleinen Anwesen Montrève, zusammen mit ihren Beschützer Jocelin. Eines Tages kommt ein alter Freund ihres verstorbenen Vormundes Delaunay zu Besuch und bringt ein merkwürdiges Geschenk mit: ihren sangoire Mantel, den die entkommene Verräterin Melisande bei sich hatte. Phèdre weiß, dass dies eine Herausforderung darstellt, dass Melisande noch nicht geschlagen ist. Und dass sie ihr kurzes Glück aufgeben muss, um die Königin zu warnen. Doch keiner ahnt, wie tief die Verschwörung geht …

-Kushiel’s gift is cruel. I have never, ever, found any man so beautiful to me as Jocelin Verreuil, and no man caused me so much pain. One does not, I suppose, reign over hell without a well-developed sense of irony.-
Thirty-Four

Der zweite Kushiel-Band steht dem ersten in nichts nach. Genauso atmosphärisch und stimmungsvoll wie zuvor geht es weiter, mittlerweile ist man mit der Welt und den Personen vertraut, sodass nun weitere fremde Kulturen erforscht werden können. Dabei ist es immer wieder spannend zu sehen, wie der andere Verlauf der Geschichte sich auf das vertraute Europa ausgewirkt hat. Viele Parallelen sind erkennbar und trotzdem unterscheidet sich Careys Welt deutlich von der unseren. Dort zeigt sie ihr ganzes Potential und präsentiert mit ihrer einzigartigen Erzählstimme Phèdres Welt sehr deutlich und vor allem realistisch – es stimmt einfach alles.

Leider verliert die Hauptperson ein wenig den Boden unter den Füßen und übertrifft sich immer wieder selbst. Schon die sechs fließend gesprochenen Sprachen (während des Buches wird Nummer 7 erlernt) lassen den Durchschnittsleser vor Neid erblassen. Da hat es die Autorin wohl ein wenig zu gut gemeint – dass Phèdre etwas Besonderes ist, steht außer Frage. Aber noch ein bißchen mehr und sie ist bereit für die Weltherrschaft, die sie dank der vielen Freunde, Jocelins Kampfkünsten und den Zugängen zu jedem größeren Hof auf ihrem Weg auch mühelos erreichen könnte. Dafür sind bis zur letzten Nebenfigur die Charaktere lebendig und glaubwürdig beschrieben, was nicht zuletzt zur Atmosphäre beiträgt.

Die Handlung versucht die des ersten Buches zu übertreffen – und auch hier übertreibt man meiner Meinung nach etwas. Die Intrigen sind fein gesponnen, alles passt hervorrangend und stimmungsvoll zusammen. Aber zwischendurch hat man das Gefühl, dass Schicksalsschlag auf Schicksalsschlag folgt, nur um Phèdre noch weiter weg und noch verzweifelter zurückzulassen. Wie gesagt, die Atmosphäre stimmt und die Seiten fliegen nur so dahin, aber vielleicht wäre ein bißchen weniger mehr gewesen.

Kushiel's Dart von Jacqueline CareyDas Volk der D’Angelines hat das Engelblut in den Adern, das sie mit überirdischer Schönheit ausstattet. Phèdre ist eine von ihnen, sie steht im Dienste der Ahngöttin Namaah, deren Anhänger die Kunst der Liebe zelebrieren. Der Adlige Delaunay erkennt an einem Makel in ihrem Auge, dem Zeichen des Engels Kushiel, dass Phèdre eine Anguisette ist – sie erfährt Lust durch Schmerz. Er kauft das Mädchen und bildet sie zusammen mit seinem anderen Schüler in Sprachen, Künsten und Spionage aus, damit sie ihm als Konkubine dient, die bei ihren Freiern Staatsgeheimnisse ausspioniert. Tatsächlich gibt es Verschwörungen, die das ganze Land Terre D’Ange gefährden.

-Lest anyone suppose that I am a cuckoo’s child, got on the wrong side of the blanket by lusty peasant stock and sold into indenture in a shortfallen season, I may say that I am House-born and reared in the Night Court proper, for all the good it did me.-
One

Mit über 900 Seiten ist der Auftakt der Reihe Kushiel’s Legacy ein dicker Brocken, und Aufmachung und Ausgangslage lassen einen ordentlichen Schmachtfetzen vermuten. Diese Vermutung mag man anfangs einerseits bestätigt finden, denn Jacqueline Carey ergeht sich in Beschreibungen von Kleidung, Zierrat, Kleinigkeiten, ausführlichen Figurenbeziehungen, und die Ausbildung der Protagonistin zur Konkubine gibt dem Argwohn Stoff. Der Stil allerdings, in dem Carey erzählt, verschlungen, manchmal fast lyrisch, und häufig mit barockem Überschwang, ohne geschmacklos zu werden, gibt einen Hinweis, dass mehr in der Geschichte steckt.
Anfangs allerdings ist der gemächliche Aufbau so ermüdend, dass man Kushiel’s Dart (Das Zeichen; Neuauflage) mitunter an die Wand klatschen will. Man erfährt alles über Phèdres Aufwachsen, ihre Ausbildung, und vor allem auch ihre besondere Fähigkeit als Konkubine, ohne dass die Handlung groß weiterkommt. Ein paar Rätsel um den natürlich mysteriösen Gönner Phèdres, den Adligen Delaunay, sind alles, was an Material zum Weiterdenken anfällt. Und gerade die besondere Fähigkeit der Protagonistin als Anguisette dürfte nicht jedermanns Sache sein: Immer wieder gehen Schläge, Peitschen, Schürhaken und ähnliches auf die Heldin nieder – und auch wenn in diesen Szenen harte Pornographie mehr oder weniger elegant umschifft wird, sind sie doch sehr ausführlich beschrieben.

Trotzdem lohnt sich das Durchbeißen, denn urplötzlich, nach etwa 300 Seiten, wird aus der bisher zwar angenehm erzählten, aber nur vor sich hindümpelnden Handlung eine Fantasy-Geschichte, die alles hat, was man sich nur wünschen kann: Wunderbar gezeichnete Hauptcharaktere, die in glaubwürdigen Beziehungen zueinander stehen, jede Menge Action und Abenteuer, herzzereißende Szenen und eine sehr schöne Erzählstimme, nämlich die der liebenswerten Protagonistin, die im Großen und Ganzen zu einer überraschend starken Frauenfigur wird. Sie erzählt ihre Geschichte aus der Ich-Perspektive, lange Zeit, nachdem die Ereignisse stattgefunden haben, und wenn man den Wahl des Erzählers hier kritisieren wollte, dann vielleicht nur, weil etwas zu oft eine Vorwegnahme der Geschehnisse als Stilmittel zum Einsatz kommt, vor allem zu Beginn des Romans.

Angesiedelt ist die Handlung in einem alternativen spätmittelalterlichem Europa, was sich auch an der Karte unschwer erkennen lässt, und gerade die Gesellschaft der D’Angelines ist sehr detailreich ausgearbeitet, vor allem auch die religiösen Aspekte. Phèdres Volk mit seinem untrüglichen Sinn für alle Formen der Schönheit hat durchaus etwas Faszinierendes, interessant ist außerdem die Beschreibung einer Gesellschaft, in der Prostitution komplett integriert und institutionalisiert ist. Diesbezüglich ist Kushiel’s Dart durchaus provokant, wenn auch nicht immer zu Ende gedacht, wobei die besten Szenen dennoch außerhalb der Betten und auch jenseits der höfischen Intrigen stattfinden. Immerhin ist die Geschichte, von einigen Szenen abgesehen, in denen auf die Tränendrüse gedrückt wird, nicht halb so kitschig, wie man sich vielleicht vorstellen mag. Ob man sich für die gelungene Abenteuerhandlung durch das Vorgeplänkel arbeiten möchte, hängt wohl davon ab, wie viel man den in der Fantasy ungewöhnlichen Konzepten abgewinnen kann, mit denen Carey arbeitet.

Cover von Der Kuss der Russalka von Nina BlazonRussland, 1706: Johannes ist mit seinem Onkel und seiner Tante ins Reich Zar Peters eingewandert, der europäische Handwerker zu Hunderten an die Newa holt. Als ein geheimnisvolles Mädchen tot aus dem Fluss geborgen wird, bringt man die Leiche in die Werkstatt von Johannes’ Onkel. Johannes bemerkt schnell, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, zumal der geistig behinderte Mitja die Tote als Russalka bezeichnet hat. Als die gut bewachte Mädchenleiche verschwindet, gerät die Familie unter Verdacht. Johannes verfolgt die Spur der Russalka weiter, um den Ruf seiner Familie zu retten. Dabei kommen er und sein neuer Freund Jewgenij einer Verschwörung gegen Zar Peter auf die Spur, die ihre Freundschaft auf eine harte Probe stellen wird …

-Hoch türmten sich die Erdwälle der Peter-Paul-Festung vor dem Boot auf, das nun am Newator anlegte. Die Festung war das eigentliche “Sankt Piter Burch”, ein Bollwerk, das Zar Peter nach seinem Namenspatron benannt hatte, dem heiligen Petrus, und das nun der neuen Stadt ihren Namen gab.-

Zunächst entführt die Autorin den Leser ins historische Russland. Durch die Augen des jungen Johannes berichtet sie von dem gewaltigen Unterfangen, eine Zarenstadt aus sumpfigem Nichts zu errichten. Die Arbeiten an diesem Jahrhundertprojekt werden nicht als munteres Treiben beschrieben, statt dessen treten deutlich die Spannungen zwischen europäischen Handwerkern und Architekten, einheimischen Arbeitern, versklavten Kriegsgefangenen und der Militärmacht zu Tage – historisch glaubhaft und atmosphärisch geschildert. Nicht nur im Aufbau seiner Stadt, sondern auch in der Figur Peters des Großen selbst spiegeln sich Widersprüche: Der mal großherzige und mal barbarisch brutale Zar erfährt einerseits Hochachtung und wird als Weltveränderer verehrt, andererseits aber ist er der orthodoxen Schicht im Lande ein Dorn im Auge.
Dass dann in diesem historischen Roman plötzlich ein wahrhaftiges Fabelwesen – eine Russalka ist ein Meerjungfrauen-ähnliches Wesen, das in Flüssen und Seen lebt und Macht über das Wasser hat – auftritt, wirkt zuerst irritierend. Doch gerade die Mischung der märchenhaften Elemente mit dem realen Hintergrund macht die Geschichte besonders fesselnd. Mit dem wissenschaftlich interessierten und fortschrittlichen Zar Peter und den Hütern der Russalka treffen aufklärerische Züge und Naturglaube aufeinander. Von der “kleinen Meerjungfrau” hebt sich das russische Wasserwesen übrigens wohltuend ab, denn es kombiniert betörende Sinnlichkeit mit erschreckender Tierhaftigkeit. Und auch der “Kuss der Russalka” ist keineswegs das romantische Erlebnis, nach dem es sich anhört …

Die unfreiwilligen Helden der Geschichte, Johannes und Jewgenij, überzeugen vor allem dadurch, dass sich ihre Freundschaft erst einen langen Weg durch Feindseligkeit, Prügel und Nörgeleien hindurch bahnen muss. Ihre unterschiedlichen, manchmal schlicht widersprüchlichen Charaktere ergänzen sich wunderbar. Was den beiden auf ihrer Jagd nach dem Geheimnis der Russalkas widerfährt, hinterlässt seine Spuren in ihren Charakteren, bringt sie mal einander näher und mal beinahe auseinander. Eine schöne Anti-Bilderbuchfreundschaft also, wodurch beide besonders lebendig erscheinen.

Die abwechlungsreiche Geschichte ist historischer Roman, Krimi, Märchen, politischer Thriller und sogar Lovestory in einem, wirkt jedoch nie überladen. Leider muss man gelegentlich etwas angestrengt versuchen dem Verlauf zu folgen, wenn zum Beispiel ein paar kryptische Weissagungen des Gottesnarren Mitja einen komplizierten Zusammenhang erklären. Aber das mindert weder die Spannung noch schadet es der dichten, abenteuerlich-schauerlichen Atmosphäre, die die Geschichte durchzieht. Unbedingt abends bis nachts zu lesen!